Tod der Heiligen

III.

Da ich das vorausgesehen habe, überrascht mich diese Entwicklung nicht und ich gebe Luke ein Zeichen, damit er meine Eltern suchen geht. Als er weg ist, weise ich Wane an, dabei zu helfen den Brand zu löschen. Ich selbst bleibe auf der Bühne.

Estella steht noch immer vor mir, mit ihrem Verlobten, der auf sie einredet, und versucht in Panik, das Unheil, das sie angerichtet hat, wieder zu beheben. Dabei macht sie jedoch alles schlimmer, da sie noch immer unter dem Verwirrungszauber steht, der für all das verantwortlich ist.

Verwirrungszauber fallen unter die Debuffs und es gibt sie in zwei Varianten. Bei der ersten verliert das Ziel völlig die Orientierung und sie ist als ‚offener Verwirrungszauber‘ bekannt. Die zweite Variante, der verdeckte Verwirrungszauber, ist einer der hinterhältigsten Debuffs, die es gibt, denn das Ziel merkt nicht, dass es verwirrt ist. Man kann es sich so vorstellen, dass das Ziel davon überzeugt ist, dass die Nacht der Tag ist und nicht versteht, wieso alle anderen im Bett liegen. Und genau das passiert gerade mit Estella.

Sie denkt, dass sie das Feuer löscht, doch sie tut genau das Gegenteil. Dazu kommt, dass ein weiterer Feuermagier das Chaos verstärkt. Es ist ein bisschen zu offensichtlich, um nicht aufzufallen, aber ich denke, in diesem Fall ist es dennoch zweckdienlich, da die Menschen kaum den Moment vergessen werden, in dem Estella eine Stichflamme auf ihr Publikum losgelassen hat.

Ich stehe auf, so als wäre ich unschlüssig, ob ich auch bei den Löscharbeiten helfen soll, aber ich bleibe gut sichtbar auf der Bühne stehen.

»Lorelai, was tust du denn?!« Es gibt nur eine Person, die so unhöflich mit mir sprechen würde, und ich richte meinen Blick auf Eden, der auf mich zugehastet kommt. »Komm mit mir in den Palast!«

Ich rühre mich nicht. Selbst wenn ich keine eigenen Pläne hätte, würde ich nicht mit ihm mitgehen. An seinem Gesichtsausdruck kann ich sehen, dass er begeistert davon ist, dass ich allein bin und er mich retten kann, zweifellos um mich an einen Ort zu führen, wo wir allein sind.

»Ich danke Euch für Eure Sorge, Euer Hoheit, aber mir geht es gut.«

»Was heißt, dir geht es gut?!« Er packt meinen Arm und versucht, mich mit sich von der Bühne zu ziehen. »Meine naive Nichte jagt gerade den Garten in die Luft!« Er wirft Estella einen abfälligen Blick zu, bevor er wieder an meinem Arm zieht. »Komm jetzt!«

Aber mein Blick ist auf Jake Alistair gerichtet, der auf die Bühne gerannt kommt, um Hilena zu holen. Dabei wird er von einem jungen Mann begleitet, der auf den ersten Blick so aussieht, als wolle er Jake helfen. Aber dann ändert er plötzlich die Richtung.

»Tod der heuchlerischen Heiligen!«, brüllt er, um selbst in diesem Chaos Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und stürzt auf mich zu.

Er ist sehr dramatisch, denke ich, während ich mich zu Eden drehe. »Passt auf, Euer Hoheit!«, rufe ich, während ich ihm einen kräftigen Stoß vor die Brust verpasse. Und das ist auf mehr als eine Art befriedigend.

Tate Alistair hat genügend Attentate auf mich verübt, um zu wissen, dass dieses Bürschen mit seinem kleinen Dolch mir nichts anhaben kann. Aber bei diesem Attentat geht es ihm nicht um meinen Tod. Sondern um den des Attentäters.

Ich gelte allgemein als unschuldig, barmherzig und gutmütig, und der Gedanke, dass ich jemanden töten könnte, selbst einen Attentäter, der es auf mein Leben abgesehen hat, wäre für die meisten völlig abwegig. Ich bin ein wenig überrascht, dass er jemanden gefunden hat, der nicht nur bereit ist, Gottes Zorn auf sich zu ziehen, indem er mich angreift, sondern hinterher auch noch Selbstmord zu begehen. Aber wie sorgsam er auch geplant hat, ich kann niemanden töten, wenn ich selbst tot bin.

Um es realistisch zu machen, reiße ich all meine Schilde zwanghaft herunter und präsentiere dem Attentäter praktisch meinen ungeschützten Körper. Dabei versuche ich, so gut es geht einem verschreckten Kaninchen zu ähneln.

Und dann knallt es. Ein Aura-Schild umhüllt mich und ein breiter Rücken verdeckt meinen Blick auf den Attentäter.

Was?!

»Geht es Euch gut, Eure Heiligkeit?« Schimmerndes goldblondes Haar und eine Aura so sanft, als könnte sie niemandem ein Haar krümmen. Mikail Moraen?! Was tut er hier, anstatt seine Verlobte zu beschützen?!

Ich versuche an ihm vorbei zu dem Attentäter zu sehen, der durch Mikails Eingreifen einige Schritte zurückgedrängt wurde. Da er sowieso sterben wollte, sollte ihn das aber nicht von seinem Vorhaben abbringen. Ich muss nur Mikail loswerden.

»Bitte verzeiht mir, Eure Heiligkeit.«

Ich werde ein weiteres Mal gepackt, diesmal von Mikail. »Ich werde Euch in Sicherheit bringen«, sagt er, während er mich von dem Attentäter wegzieht. »Nein, wartet, ich -«

»Nicht trödeln, Lorelai!« Mein anderer Arm wird von Eden gepackt und beide Männer ziehen mich mit sich.

Ich sehe über die Schulter und mein Blick trifft den des Attentäters. Er scheint genauso verdutzt wie ich und ich hätte ihm am liebsten einen Fluch entgegen geschrien. Welcher nichtsnutzige Attentäter lässt sich so leicht von seinem Ziel abbringen?!

»Dalton, bring Annie her!«, ruft Mikail und ich höre auch Estellas Stimme. »Jake, hierüber!« Sie winkt Jake und Hilena mit der Hand zu, während sie in der anderen Hand ein Stück Papier hält. Die Dicke und verschlungenen Zeichen darauf verraten mir, dass es sich um eine Schriftrolle handelt, unter den Umständen würde ich auf eine Teleportationsschriftrolle tippen.

Ich versuche ein weiteres Mal mich aus Mikails und Edens Griff zu befreien. Wenn sie mich in Sicherheit teleportieren, dann verliere ich meine Chance auf meine Freiheit. Aber gerade als ich daran denke, die beiden Männer einfach auszuknocken, aktiviert Estella die Schriftrolle.

Der Boden unter meinen Füßen leuchtet auf und dann verschwindet der Garten mit seinen Flammen.

Da ich selbst teleportieren kann, ist es das erste Mal, dass ich eine Teleportationsschriftrolle benutze und ich wusste nicht, dass es so unangenehm ist. Man wird durchgeschüttelt, so als würde man in alle Richtungen fallen. Es ist, als wäre die Magie der Schriftrolle instabil und würde ich in letzter Sekunde nicht meine eigene Magie benutzen, wäre ich sehr unsanft zu Boden geschleudert worden.

Allen anderen außer mir passiert das, aber ich könnte mich nicht weniger dafür interessieren, was meinen Zwangsrettern passiert. Vor allem da ich mich nicht in einem luxuriösen Raum wiederfinde, den man bei einem Rückzugsort für eine Prinzessin erwarten würde, sondern in einem Wald. Und das ist nicht alles.

Ein lautes Kreischen ertönt, das mir verrät, dass noch jemand den Bergtroll entdeckt hat, der reichlich verdutzt auf uns herabsieht.

Wirklich wunderbar, denke ich gereizt, während ich mich umsehe und feststelle, dass wir mitten in eine Gruppe Bergtrolle hineinteleportiert wurden.

»Bleibt hinter mir!« Mikail Moraen rappelt sich auf die Füße und springt mutig vor den Bergtroll, wobei er seine Aura freisetzt, um einen Schild zu erschaffen. Es ist lächerlich, da er lange nicht so viel Aura besitzt wie der Bergtroll. Alles, was er tut, ist den Troll aus seiner Verwirrung über unser Auftauchen zu reißen. Und im nächsten Moment zerschmettert die Keule des Bergtrolls Mikails Schild.

Ich rolle genervt mit den Augen. Wieso muss ich so einen Idioten retten? Noch dazu einen, der meine Pläne mit seinem unnötigen Heldenmut ruiniert hat. Ich sollte es ihm wohl anrechnen, dass er nicht auf seine Aura vertraut und zur Seite hechtet, um der Keule zu entgehen. Nicht, dass das nötig gewesen wäre.

Es knallt, als die Keule auf meinen Schild trifft, und die Kraft des Schlags weht mir den Schleier vom Gesicht. Aber ein Bergtroll ist kein ernst zu nehmender Gegner für mich und selbst alle fünf Bergtrolle zusammen können meinen Schild, den ich um unsere gesamte Gruppe erschaffen habe, nicht zerstören.

Aber ein Problem gibt es immer noch, denn obwohl ich schon einige Bergtrolle getötet habe, habe ich als Lorelai nie auch nur gegen ein Monster gekämpft. Und da man mir zusieht, kann ich weder Schattenmagie noch eine Waffe benutzen. Ersteres wäre ein Sakrileg und letzteres würde verraten, dass ich überhaupt keinen schwachen Körper besitze.

Ich knirsche mit den Zähnen, um einen Fluch zurückzuhalten und setze mein Mana frei. Dabei achte ich darauf, das Innere der Barriere zu verschonen, um meine Begleiter nicht zu zerquetschen. Mana und Aura sind Energien, die immer versuchen, die Oberhand zu behalten, was bedeutet, setzt man sie ohne konkrete Anweisung frei, unterdrücken sie jegliche andere Energie. Von der Energie eines anderen unterdrückt zu werden, ist sehr unangenehm, und die Bergtrolle gehen unter dem Druck meines Manas in die Knie.

Aber das reicht noch nicht aus. Ich belege die Trolle mit mehreren Debuffs, um ihren Widerstand zu schwächen und so nah an eine Ohnmacht heranzubringen, wie es geht. Dann öffne ich die Schatten zu ihren Füßen und erhöhe den Druck meines Manas.

Da außer mir keine begabten Magier in der Nähe sind, setze ich darauf, dass niemand meinen Einsatz von Schattenmagie bemerkt, aber ich kaschiere sie trotzdem sicherheitshalber mit Lichtmagie. Und so versinken die Trolle, begleitet von glitzerndem Licht, im Schatten.

Da sie Bestien, Monster mit Aura, des Rangs A sind, kostet das Ganze einen Haufen Mana, besonders weil ich so umständlich vorgehen musste. Ich versuche mich damit zu trösten, dass ich jetzt fünf sehr gut erhaltene Bergtrolle in meinem Schatten gelagert habe, die mir ein Vermögen einbringen können. Aber dafür ist die Gesamtsituation zu unglücklich.

Ich sehe mich um. Bergtrolle leben in oder zumindest in der Nähe eines Gebirges. Wegen der Bäume kann ich keine Berge sehen, aber der Boden ist steinig, was dafür spricht, dass die Trolle nicht auf einer ungewöhnlichen Wanderschaft waren. Das Problem ist, dass es kein Gebirge in der Nähe von Libera gibt.

Ich richte meinen Blick auf Mikail, der wieder auf dem Boden liegt, nachdem sein Aura-Schild zerstört wurde und er aus dem Weg gehechtet ist. Er ist verletzt, wie mir jetzt auffällt, denn er presst eine Hand auf seine Seite und Blut sickert zwischen seinen Fingern hindurch. Da der Troll es nicht gewesen sein kann, nehme ich an, dass der Attentäter ihn verletzt hat.

Er starrt mich an, als würde ihn mein Anblick mehr schockieren als die Trolle zuvor. Und ich spüre auch die Blicke der anderen auf mir, von denen es keiner für nötig gehalten hat, irgendetwas zu tun, da sie alle genau da auf dem Boden hocken, wo sie bei der Teleportation gelandet sind.

»Wo habt Ihr uns hingeschickt, Euer Hoheit?«, frage ich an Estella gewandt, die ein paar Schritte hinter Mikail auf dem Boden kauert.

Aber Estella starrt mich nur mit großen Augen an, offenbar in einer Schockstarre.

Ich lege die Stirn in Falten. Ich bin davon ausgegangen, dass die Schriftrolle, die Estella benutzt hat, ein festes Ziel hatte. Wenn das nun aber nicht der Fall gewesen ist und Estella, die immer noch einem Verwirrungszauber unterliegt, ein Ziel bestimmen musste, dann könnten wir sonst wo gelandet sein.

Ich schließe die Augen und reibe meine Stirn. Meine Debuffs sind noch intakt und nach der ganzen Aufregung ist mir schwindlig und ich habe schreckliche Kopfschmerzen. Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht sofort bemerkt habe, dass etwas fehlt. Meine Sicht ist nicht beeinträchtigt und ich kann mein Gesicht berühren. Mein Schleier ist weg.

»Oh«, murmle ich und verfluche im Stillen den Troll mit seiner blöden Keule.

Dann ertönt ein Stöhnen von Mikail, als er sich wieder daran zu erinnern scheint, dass er verletzt ist. Das reißt Estella aus ihrer Starre, denn sie ruft seinen Namen und krabbelt auf ihn zu. »Hilena, komm schnell her! Mikail ist verletzt.«

Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, dass sie nach ihrer Freundin ruft anstatt nach mir, aber ich bin sowieso nicht erpicht darauf, Mikail zu heilen. Er wurde verletzt, weil er das Attentat auf mich vereitelt hat. Aus meiner Sicht hat er es verdient.

»Lorelai!«

Ich kann mich gerade noch davon abhalten, das Gesicht zu verziehen, als Eden auf mich zukommt. Ich brauche meinen Schleier wieder.

»Was ist passiert? Wo sind wir?« Eden nimmt meinen Arm, während er mich eindringlich ansieht und dumme Fragen stellt. Er war es, der mich zusammen mit diesem Moraen-Bastard gegen meinen Willen hierher mitgeschleppt hat.

»Ich kann es nicht sagen, Euer Hoheit, aber wir scheinen uns weit von der Hauptstadt - « Ich werde von einem schmerzvollen Aufschrei unterbrochen und mein Blick zuckt zu Mikail. Er liegt auf dem Boden, den Kopf in Estellas Schoß, während Hilena die Hände über seinen Bauch hält. Sie will ihn offenbar heilen, aber gemessen an der Art, wie Mikail sich unter Schmerzen krümmt, scheint es nicht zu funktionieren.

»I-Ich verstehe das nicht«, stammelt sie mit panischer Stimme und sie wirkt einen weiteren Zauber, der Mikail jedoch erneut stöhnen lässt. »N-Nein, das wollte ich nicht …«

Ich runzle die Stirn. Sie wird doch nicht versucht haben, ihn mit einem ganz normalen Heilzauber zu heilen, ohne ihn untersucht zu haben?

»Was ist los?« Jake Alistair geht neben Hilena auf die Knie und sieht von ihr zu Mikail

»Ich weiß es nicht, a-aber immer, wenn ich ihn heile …« Sie bricht ab, als Jake ihre Hand nimmt.

»Beruhige dich. Du schaffst das.« Seine Stimme klingt ruhig und Hilena atmet tief durch, bevor sie erneut ihr Mana sammelt.

Ich konzentriere mich auf ihren Mana-Fluss und sehe, dass sie genau dasselbe noch einmal tut. »Hört auf damit«, sage ich laut und kann nicht glauben, dass sie sogar nach mehreren gescheiterten Versuchen, nicht versteht, was vor sich geht.

»Eure Heiligkeit!« Estella sieht mich mit panischen Augen an. »Was geht hier vor sich?«

Auch Hilena starrt mich erschrocken an, als hätte sie mein Eingreifen verängstigt. »Bitte, ich weiß nicht, was ich falsch mache. Keiner meiner Zauber wirkt …«

Ich gehe neben Mikail auf die Knie, gegenüber von Hilena und Jake. »Das liegt daran, dass er von einer verfluchten Klinge verletzt wurde«, sage ich, nachdem ich einen Blick auf die Wunde geworfen habe. Man sagt ‚verfluchte Klinge‘, dabei löst die Klinge einen Debuff aus und keinen Fluch, aber das sind Details. »Dadurch absorbiert die Wunde Eure Magie und das Gift, in das die Klinge getaucht wurde, wird verstärkt.«

Hilena starrt mich entgeistert an, so als hätte sie nicht einmal gewusst, dass so etwas möglich ist.

»Könnt Ihr ihn heilen?«, fragt Estella mit schriller Stimme und ich denke, dass beide Frauen viel zu dramatisch sind.

Ich sehe Mikail an. Schweiß glitzert auf seiner Stirn und er ist weiß wie ein Stück Papier. Aber er beißt sich auf die Lippe, wohl bemüht darum, nicht zu zeigen, unter welchen Schmerzen er leidet. Als er meinen Blick bemerkt, versucht er tatsächlich zu lächeln. »Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht«, keucht er und ich spüre, wie er seine Aura benutzt, in dem Versuch die Wunde zu versiegeln. Aber das hat denselben Effekt wie Hilenas Magie und er ächzt schmerzvoll.

»Doch, ist es«, erwidere ich matt. Ich habe gerade erst erklärt, dass die Wunde Energie absorbiert. Also entweder steht er auf Schmerzen oder er ist ein Idiot. »Wenn Ihr weiter Eure Aura benutzt, um die Blutung zu stoppen, werdet Ihr sterben. Ihr müsst Eure Aura von der Wunde fern halten.«

Mikail starrt mich an, während Estella bei meinen Worten schluchzt.

»Ich kann Euch heilen, aber wenn Ihr Eure Aura nicht zurückzieht, wird es sehr schmerzhaft für Euch«, fahre ich fort, ohne auf Estella zu achten.

Mikail blinzelt und sein Blick zuckt zu Estella. Aber er nickt. »Ich versuche es.«

Aura ist eine intuitivere Kraft als Mana, da sie eng mit dem Körper verbunden ist, und daher erfordert sie nicht so viel Kontrolle wie Mana. Das kann ein Vorteil sein, aber in diesem Fall wird Mikails Aura ihrem Selbsterhaltungstrieb folgen und versuchen, die Wunde zu schließen. Dagegen anzukämpfen ist vergleichbar damit, das Herz dazu zu bringen, ruhig zu schlagen, nachdem man einen Sprint hingelegt hat.

Auch Mikail gelingt es nur, einen Teil seiner Aura zurückzuziehen, und da ich seine Aura nicht für ihn bewegen kann, buffe ich seine Konzentration und senke sein Schmerzempfinden. Daraufhin entspannt er sich sichtlich, aber ein Teil seiner Aura versucht weiterhin, die Wunde zu versiegeln.

»Ich kann Euch das Bewusstsein nehmen«, sage ich, obwohl das nicht meine Lieblingsmethode ist. Er würde keine Schmerzen haben und es wäre keine Schwierigkeit für mich, seine Aura zu überwältigen, aber es hat immer Nachteile, wenn man eine Heilung gewaltsam durchführt.

»Nein.« Mikail zieht die Brauen zusammen, während er sich konzentriert. »Ich schaffe das schon.«

Ich beobachte seinen Aura-Fluss und wie sich seine Aura langsam zurückzieht. Es ist nicht direkt beeindruckend und seine Führung ist bestenfalls ausreichend, aber er schafft es schließlich, sämtliche Aura von der Wunde zu entfernen.

»Gut. Haltet das«, sage ich, während ich meine Hand auf seine Wunde lege. Die Klinge ist abgebrochen worden und steckt noch in ihm. Ich entferne sie zuerst, indem ich sie mit meinem Schatten verschlucke, denn sie könnte den Fluch von neuem auslösen. Dann wirke ich einen Läuterungszauber, der den Fluch zerbricht und das Gift aus seinen Adern reinigt, bevor ich ihn heile. Als ich meine Hand zurückziehe, befindet sich darunter nur noch gesunde Haut, als wäre nie etwas gewesen. Sogar die Blutflecken sind mit dem Läuterungszauber verschwunden.

»Wie fühlt Ihr Euch?«, frage ich, während ich die Überbleibsel meines Zaubers durch seinen Körper schicke, um nach etwaigen Spuren des Fluchs oder des Gifts zu suchen. Aber ich finde keine.

»Gut.« Entgegen seiner Antwort klingt Mikails Stimme schwach.

Ich werfe ihm einen Blick zu.

Er sieht ungläubig an sich hinab, bevor Estella sein Gesicht packt, um ihn genau anzusehen. »Sieh mich an.«

Er lächelt. »Es geht mir gut, Stella.«

»Oh!« Sie schnieft und beugt sich zu ihm hinunter, und ich denke schon sie fängt an, ihn abzuknutschen. Aber glücklicherweise drückt sie nur ihre Stirn gegen seine und schließt die Augen.

Ich räuspere mich. »Euer Hoheit.«

Estella zuckt zusammen und hebt den Kopf. »Verzeiht mir.« Sie wischt sich über die Augen. »Ich bin nur so erleichtert.«

»Das freut mich, Euer Hoheit, aber ich denke, es wäre hilfreich herauszufinden, wo wir sind.« Sie mag einem Verwirrungszauber unterliegen, aber es war trotzdem sie, die uns hergebracht hat.

Aber meine Hoffnung, dass sie diesen Ort kennt, verschwindet, als Estellas Miene sich verhärtet und sie sich mit sorgenvollem Blick umsieht. »Ihr habt recht, aber ich habe nicht die leiseste Ahnung. Die Schriftrolle hätte uns in den Palast bringen sollen.«

Auch Mikail, der sich jetzt aufsetzt, sieht ahnungslos aus und Hilena scheint sich noch nicht von dem Schock ihrer fehlgeschlagenen Heilung erholt zu haben. Jake ist bei ihr und damit beschäftigt, ihr beruhigend den Arm zu reiben, während Eden aus irgendeinem Grund neben mir sitzt. Die anderen beiden, die noch mit uns gereist sind, ein großer, dunkelhaariger Kerl und ein Mädchen, scheinen derweil auf Mikail fixiert zu sein. Das Mädchen, das sich zuvor an die Seite des dunkelhaarigen Mannes geklammert hat, läuft sogar zu ihm, um ihn zu umarmen.

Ich seufze, da offensichtlich niemand etwas Nützliches zu sagen hat. Dann lege ich die Hände vor der Brust zusammen und schließe die Augen, um mich mit dem Weltstrom zu verbinden. Ich habe zwar schon mächtige Kopfschmerzen, die durch Mikails Heilung nicht besser geworden sind, aber um herauszufinden, wo wir sind, muss ich nicht tief in den Weltstrom eintauchen. Das dachte ich zumindest.

Ungläubig untersuche ich die Umgebung und erweitere meinen Radius, um etwas zu finden, das ich kenne. Und als ich endlich auf die erste Stadt stoße, die ich wiedererkenne, bin ich so überrascht, dass ich die Verbindung zum Weltstrom trenne.

»Eure Heiligkeit?«

Ich öffne blinzelnd die Augen und starre Estella an, die mich neugierig mustert. »Stimmt etwas nicht?«

Ich blinzle erneut. »Wir sind in Sotton«, sage ich dann, ohne es selbst glauben zu können. »Am Fuß des Gebirges im Osten.« Sotton ist ein Nachbarkönigreich von Ishitar und das Gebirge im Osten bildet eine Landesgrenze. Aber Ishitar liegt westlich von Sotton.

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