Kitsune

Side Story 1

Ein Fuchs zum Geburtstag

»Das ist eine sehr eigenartige Bitte.« Murasaki verschränkt die Arme vor der Brust, während er Rem ansieht und wahrscheinlich denkt, dass sie etwas Verwerfliches vorhat.

Rem hat ihn im Büro abgefangen, nachdem Kohei zu einem Kunden aufgebrochen ist und das macht die Sache nur verdächtiger. Sie hebt abwehrend die Hände. »Es ist nur, weil Kohei bald Geburtstag hat. Sie sollen ihn nur für einen Tag beschäftigen, damit ich sein Geschenk fertig machen kann.«

Murasaki lacht leise. »Erstens kannst du mich duzen und zweitens, wieso sagst du ihm nicht einfach, dass du andere Pläne hast.«

»Das geht nicht!« Rem schüttelt den Kopf. »Es soll ein Geheimnis sein und wenn ich versuche, ihn anzulügen, merkt er das.«

»Sag doch einfach, dass du Zeit für dich brauchst?«

Rem presst die Lippen aufeinander und schüttelt erneut den Kopf. »Ich will nicht, dass er etwas falsch versteht«, sagt sie, während sie unweigerlich an Kosuke denken muss und seinen Verdacht, dass sie eine Affäre hatte. Sie will nicht, dass Kohei das auch denkt, und sie hat sich vorgenommen, ihn gar nicht merken zu lassen, dass sie etwas für seinen Geburtstag plant. Aber gleichzeitig will sie ihm etwas Besonderes schenken. Nicht nur, weil er ihr so teure Geschenke gemacht hat, sondern auch, weil es sein erster Geburtstag ist, seit sie ein Paar sind.

»Ahaha, verstehe. Du bist wirklich eine süße Freundin, Rem.« Murasaki nickt mit einem Grinsen und es ist, als wäre sein skeptischer Blick zuvor nie gewesen. »Aber wieso glaubst du, dass er Zeit mit mir verbringen würde, wenn er Zeit mit dir verbringen könnte?«

»Ihr seid doch Freunde«, sagt Rem etwas verwirrt. »Und es ist nur ein Tag.«

Er seufzt, während er nachdenklich den Kopf hin und her wippt. »Er wird trotzdem ablehnen, wenn ich ihn frage«, sagt er dann, aber als sich sein Blick wieder auf Rem richtet, glitzert ein amüsiertes Funkeln darin. »Aber wenn du mir hilfst, ist das eine andere Geschichte.«

Rem sieht ihn fragend an, aber Murasaki grinst nur weiter. »Vertrau mir einfach und spiel mit.« Offenbar hat er nicht vor zu erklären, was er damit meint, denn er geht an Rem vorbei und kehrt zu seinem Schreibtisch zurück.

Etwas verdutzt tut Rem es ihm nach. Da er ihre Bitte nicht abgelehnt hat, scheint es überflüssig, erneut danach zu fragen. Allerdings weiß sie auch nicht, ob es eine Zusage war.

Schließlich kommt Kohei ins Büro zurück und er sitzt kaum an seinem Platz neben Murasaki, da steht dieser auf und geht zu Rem.

Rem sieht ihn fragend an, als er sich zu ihr herunterbeugt, während er die Hand auf ihrem Schreibtisch abstützt. »Was gibt es?«, fragt sie, als er sie nur anlächelt.

»Du erinnerst dich an unseren Plan? Wenn ich mich so zu dir herunterbeuge, steht Kohei sofort auf der Matte.«

Rem sieht an ihm vorbei und tatsächlich ist Kohei bereits auf dem Weg her. »Ich erinnere mich an keinen detaillierten Plan«, sagt sie etwas besorgt.

»Der Plan ist, mir zu vertrauen«, antwortet Murasaki, wobei er die Stimme senkt, da Kohei fast bei ihnen ist.

»Geht es auch etwas konkreter?«

Murasaki lacht nur.

»Würdest du diesen Witz mit mir teilen?« Kohei bleibt hinter Rem stehen, sodass sie sich auf ihrem Stuhl dreht, um ihn anzusehen. Er lächelt, wobei er es irgendwie schafft, dabei gleichzeitig bedrohlich auszusehen.

»Du bist der Witz, Mann«, sagt Murasaki, als würde er davon nichts merken. »Weißt du noch, das Doppeldate, von dem ich gesprochen habe?«

»Nein«, sagt Kohei, jetzt ohne seine Verärgerung hinter einem Lächeln zu verstecken.

»Rem hat gesagt, sie braucht deine Hilfe, weil sie schon lange nicht mehr gezockt hat, und da hab ich gesagt, wenn sie besser werden will, soll sie nicht so einen Noob wie dich fragen.«

Rem steht auf und hebt abwehrend die Hände. »Das macht mir nichts aus«, sagt sie, da sie nicht erwartet hat, dass Murasaki so unhöflich ist. Vielleicht hätte sie ihn nicht um Hilfe bitten sollen. Aber zu ihrer Überraschung richtet sich Koheis Blick auf sie.

»Sollte es aber!«, sagt er reichlich aufgebracht. »Ich bin kein Noob!«

»Eh?«

»Du bist sowas von ein Noob!«, sagt Murasaki. »Du senkst immer den Teamscore.«

»Ha?! Wer stirbt alle zwei Minuten, weil er noch nie etwas von Strategie gehört hat?!«

»Von wegen. Ich bin nur kein Feigling wie du. Noob!«

Kohei öffnet den Mund, aber in diesem Moment steht Rem auf. »Ich bin sicher, das ist eine sehr wichtige Diskussion, aber wir sind im Büro.«

Kohei rümpft frustriert die Nase, aber unter Rems strengem Blick machen er und Murasaki sich auf den Weg zurück zu ihren Schreibtischen. Auch wenn sie dabei leise weiterstreiten.

Akira kichert.

Rem setzt sich mit einem Seufzen wieder. »Das war so kindisch.«

»Aber es war auch ziemlich süß. Mr. Inouye gibt sich wirklich die größte Mühe, dich zu beeindrucken.« Sie lacht beim Sprechen, aber Rem legt unzufrieden die Stirn in Falten. »Das ist nicht das Problem.«

Akira runzelt die Stirn. »Sondern?«

Rem seufzt erneut und richtet ihren Blick auf Akira. »Ich hab schon so genug zu tun, mit der Arbeit und weil Koheis Geburtstag vor der Tür steht. Aber jetzt muss ich auch noch Videospiele spielen, sonst bin ich der Noob.«

Akira starrt sie an. Dann nickt sie. »Ich hab vergessen, dass du auch von der Sorte bist.«

Rem überlegt einen Moment, ob sie das als Kritik auffassen soll, aber ihre Gedanken wandern sehr schnell zurück zu Kohei. Er ist genauso ehrgeizig wie sie, was bedeutet, er wird in nächster Zeit Videospiele spielen wollen, um seine Fähigkeiten zu verbessern. Alles, was sie tun muss, ist ihn dazu ermutigen.


 

Als sie nach der Arbeit gemeinsam nach Hause fahren, kann Rem spüren, dass Kohei schlechte Laune hat. Er hat sie nicht einmal gefragt, ob sie heute lieber mit den Kollegen trinken gehen würde, und er hält den Blick grimmig auf die Straße gerichtet, ohne etwas zu sagen.

»Überlegst du gerade, wie du Mr. Murasaki beim Videospielen schlagen kannst?«, fragt Rem, die diesen Gesichtsausdruck zu gut kennt.

Kohei blinzelt und wirft ihr einen Blick zu. »Was?«

»Ich weiß, dass du nicht oft Zeit dazu hast. Zum Spielen meine ich, also dachte ich, dass du das Wochenende vielleicht dafür benutzen willst.«

Er wirft ihr erneut einen Blick zu. »Und du? Willst du, dass ich es dir beibringe?«

»Nein, das ist in Ordnung.« Rem schüttelt den Kopf und sieht beiläufig aus dem Fenster. »Ich lass dich allein. Ich müsste sowieso mal wieder meine Wohnung gründlich putzen und meinen Kühlschrank leeren.« Es ist nur eine kleine Lüge, aber sie sollte glaubhaft sein, da Rem wenig Zeit in ihrem Apartment verbringt.

»Du meinst, du willst dieses Wochenende in deinem Apartment verbringen?« Er klingt empört und Rem muss kichern. »Kommst du kein Wochenende ohne mich aus?«, fragt sie neckisch.

Kohei schnaubt. »Was ist mit dir?«

»Ich schaff das schon. Und ich weiß, wie sehr du verlieren hasst.«

»Du glaubst wirklich, dass ich gegen Tomoda verliere?«, fragt er mit einem Vorwurf in der Stimme.

»Wer redet den von Mr. Murasaki?«

Kohei runzelt die Stirn und sieht sie fragend an.

Rem grinst. »Die Person, gegen die du ständig verlierst, bin ich, oder?«

Ein Ruck geht durch Kohei und Rem muss sich auf die Lippe beißen, um nicht erneut zu lachen.

»Wir reden hier über Videospiele«, sagt Kohei schließlich mit etwas rauer Stimme.

»Ja, und du weißt, dass mein Ex ein riesiger Nerd war. Ich habe oft mit ihm gespielt.« Das ist nicht gelogen, aber da Kosuke ihr einziger Maßstab ist, kann sie nicht sagen wie gut sie ist.

Kohei schnaubt. »Das werden wir ja sehen«, sagt er, wobei er das Lenkrad fester packt und Rem damit verrät, dass sie ihn verunsichert hat. Und das wiederum bestärkt sie darin, dass sie herausfinden muss, welches Spiel Kohei und Murasaki spielen, um sich darin zu üben.


 

Und so schafft Rem es, an diesem Wochenende etwas Zeit für sich zu haben, um sich um Koheis Geschenk zu kümmern. Allerdings braucht sie länger als geplant, weshalb Kohei und sie sich das gesamte Wochenende nicht sehen. Und gemessen an seinem grimmigen Ausdruck am Montagmorgen verlief seine Verabredung mit Murasaki nicht so wie erhofft.

Da sie sowieso noch mit ihm über seinen Geburtstag reden will, folgt sie ihm in einer Pause in die Küche. »Wie war dein Wochenende mit Mr. Murasaki?«, fragt sie, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hat, froh, dass sie allein in der Küche sind.

Kohei wirft ihr über die Schulter einen Blick zu, nur um sich sofort wieder der Kaffeemaschine zuzuwenden. »Wieso fragst du?«, fragt er in mürrischem Tonfall und Rem runzelt die Stirn. Sie geht zu ihm und sieht ihm ins Gesicht.

Er weicht ihrem Blick aus.

»Bist du wütend auf mich?«

Er schnaubt. »Nein. Wieso sollte ich wütend sein, weil du das ganze Wochenende keine Zeit für mich hattest?«

Rem blinzelt. »Hat es dir nicht gefallen, mit Mr. Murasaki Videospiele zu spielen?«

»Nein!«, sagt Kohei sofort und dreht sich ihr zu. »Schon gar nicht ein ganzes Wochenende lang!«

Rem mustert ihn und den vorwurfsvollen Blick in seinen Augen. »Hast du verloren?«

Koheis Miene verdüstert sich. »Du hast mich dazu gebracht, mit Tomoda zu zocken und niemand braucht das ganze Wochenende, um eine winzige Wohnung wie deine zu putzen.«

»Eine gewagte Feststellung, für jemanden, der im Leben nie eine Wohnung geputzt hat.«

»Was hast du gemacht?«

Rem presst die Lippen aufeinander, während sie überlegt, wie sie das Thema wechseln kann. Ihr Blick fällt auf die Kaffeemaschine. »Machst du mir auch einen Kaffee?«

»Wieso wechselst du das Thema?«

»Ist das ein Nein?«

Koheis Augen schmälern sich, aber er wendet sich wieder der Maschine zu.

Rem kaut auf ihrer Lippe herum, während sie sein Profil mustert. Wäre es besser, ihm zu sagen, dass sie an seinem Geschenk gearbeitet hat? Aber sie will ihm nicht die Überraschung verderben.

»Hast du am Freitag schon Pläne?«, fragt sie schließlich zögerlich.

»Wieso? Soll ich wieder was mit jemand anderem machen?«

»Nein, ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, den Abend mit mir zu verbringen.«

Dafür bekommt sie einen misstrauischen Blick. »Wieso fragst du das, als wüsstest du das nicht?«

Rem lächelt. »Ich dachte nur, weil dein Geburtstag ist, hast du vielleicht Pläne mit deiner Familie.«

Kohei blinzelt. »Mein Geburtstag?« Er zieht die Brauen zusammen, als würde er im Kopf nachrechnen. Dann schüttelt er den Kopf. »Ich habe keine Pläne.«

»Gut!«

Kohei nickt und reicht ihr ihren Kaffee. Dabei sieht er jedoch immer noch niedergeschlagen aus und Rem spürt einen Stich von Schuld. Es ist nicht so, dass sie etwas Schlimmes getan hat, aber Kohei feiert seinen Geburtstag normalerweise nicht und er erwartet offenbar auch kein Geschenk von ihr. Und selbst Kosuke, der wusste, dass sie ihm etwas schenken würde, hatte sie verdächtigt.

Rem stellt ihre Tasse auf der Anrichte ab und, während Kohei die Kaffeemaschine ausschaltet, geht sie auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. »Es tut mir leid.«

Kohei starrt sie verdutzt an. Dann legt er die Stirn in Falten, aber anders als zuvor wirkt er nicht mehr verärgert. »Ich vergebe dir, wenn du das nochmal machst.«

»Was?«

Er tippt sich mit dem Finger gegen die Wange.

Rem wirft einen Blick zur Tür. Aber es ist nur ein Kuss auf die Wange und die Wahrscheinlichkeit, dass gerade jetzt jemand hereinkommt ist gering. Als sie jedoch erneut auf Zehenspitzen geht, dreht Kohei plötzlich den Kopf, sodass es nicht ganz ein Kuss auf die Wange wird.

»Mh!«, macht Rem und drückt gegen seine Schultern, als er ihren Kuss erwidert und ihn deutlich in die Länge zieht. »Warte«, sagt sie, als sie es geschafft hat, ihn von sich zu lösen und wirft einen Blick zur Tür. »Was, wenn jemand hereinkommt?«

»Dann sieht er etwas, das er schon weiß«, erwidert Kohei, viel zu dicht an ihrem Ohr.

»Aber das ist unprofessionell!« Rem geht ins Hohlkreuz, als sie sich von Kohei weglehnt, dessen Arme um ihren Rücken geschlungen sind.

»Wer hat angefangen?«

»Das war nur auf die Wange!«

Kohei seufzt und sieht sie unzufrieden an. Er sieht enttäuscht aus und Rem geht durch den Kopf, dass sie ihn schon wieder abweist. Sie wirft erneut einen Blick zur Tür. Dann drückt sie Kohei einen schnellen Kuss auf die Lippen. »Tut mir leid, aber ich will nicht, dass man anfängt zu glauben, dass unsere Beziehung ein Problem während der Arbeit sein könnte.«

Kohei blinzelt verdutzt. Dann macht er ein nachdenkliches Gesicht. »Ist alles in Ordnung?«

»Ja! Natürlich!« Sie nickt hastig.

»Dann lass uns nach der Arbeit reden, okay?«

Sie nickt erneut und Kohei lässt sie los.

»Bis später dann«, sagt sie, bevor sie ihren Kaffee nimmt und die Küche verlässt.

Posterboy


Kohei sieht Rem hinterher. Etwas stimmt nicht. Er war ein wenig launisch, weil sie ihn am Wochenende Tomoda zugeschoben hat. Natürlich hätte er das Wochenende lieber mit ihr verbracht, aber viel mehr stört es ihn, dass sie es für nötig befunden hat, ihn zu beschäftigen, anstatt einfach zu sagen, dass sie etwas allein tun wollte. Das macht es schrecklich offensichtlich, dass sie etwas vor ihm geheim hält, etwas, das Kohei entschieden hat herauszufinden.

Aber obwohl es kein gutes Gefühl ist, dass sie ihm etwas verheimlicht, hat er nicht erwartet, dass es etwas Ernstes ist. Er hat erwartet, dass Rem ihn dafür zurechtweist, dass er wegen einer Kleinigkeit beleidigt ist und dass er aufhören soll kindisch zu sein. Aber sie hat sich bei ihm entschuldigt. Zweimal. Und aus irgendeinem Grund ist sie nervös. Weswegen? Was könnte am Wochenende gewesen sein, das Rem so verunsichert hat?

Im Laufe der nächsten Woche behält Kohei sie im Auge und er kommt zu dem Schluss, dass es nicht um etwas geht, das passiert ist, sondern das passieren wird. Sie wirkt mit jedem Tag nervöser und seine Anwesenheit scheint das noch zu verstärken. Aber immer, wenn er sie danach fragt, gibt sie ausweichende Antworten und wechselt das Thema. Und dann am Freitag...

»Rem ist nach Hause gegangen?« Kohei starrt Mori ungläubig an, die ihrerseits ihn verwirrt ansieht.

»Ja, hat sie das nicht erwähnt?«

Kohei legt die Stirn in Falten, unwillig zuzugeben, dass Mori etwas weiß, dass er nicht wusste.

»Aber selbst wenn sie es nicht gesagt hat, ist doch offensichtlich, weshalb sie nicht hier ist«, sagt Mori, was Koheis Laune noch weiter verschlechtert.

»Wirklich?« Als sie vorhin gegangen ist, dachte er, sie geht zu einem Meeting.

»Sollten Sie das nicht besser wissen als jeder andere. Es ist Ihr Geburtstag.«

Kohei rümpft die Nase. Es ist sein Geburtstag und Rem ist nicht da.

»Alles Gute, übrigens.«

Kohei wirft Mori einen Blick zu und seufzt dann. »Danke«, sagt er, bevor er das Büro verlässt, um aufs Dach zu gehen.

Es ist kalt, so wie immer an seinem Geburtstag, und niemand ist auf dem Dach, um die Aussicht auf das trübe Januarwetter zu genießen. Kohei hat nie Wert darauf gelegt, seinen Geburtstag zu feiern, sodass er manchmal sogar vorbeiging, ohne dass er es gemerkt hat. Aber seit Rem ihn am Montag eingeladen hat, ist ihm sein Geburtstag nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Er weiß, dass sie immer etwas für ihren Ex an seinem Geburtstag getan hat und entsprechend kann er nicht anders, als auch etwas zu erwarten.

Er zieht sein Handy aus der Tasche und ruft Rem an. Es dauert eine ganze Weile, bis sie abnimmt und als sie es tut, klingt sie gehetzt. »Hallo?«

»Wieso bist du außer Atem?«, fragt Kohei, noch neugieriger als vor seinem Anruf.

»Oh, Kohei.« Rem klingt etwas angespannt, als würde sie versuchen, nicht zu offensichtlich zu atmen. »Ich bin nur etwas beschäftigt. Stimmt etwas nicht?«

»Ja! Du bist einfach verschwunden, ohne etwas zu sagen. Ich dachte, du wolltest meinen Geburtstag mit mir verbringen.«

»Das will ich auch. Deswegen bin ich nach Hause gegangen, um ein paar Dinge vorzubereiten.«

»Was vorzubereiten?«, fragt Kohei sofort, aber Rem zögert. »Das ist eine Überraschung. Versuch einfach, um sieben hier zu sein.«

»Was?« Kohei sieht auf seine Armbanduhr. »Das sind noch mehr als fünf Stunden! Was soll ich so lange tun?«

»Arbeiten. Du hast gesagt, du willst dir an deinem Geburtstag nicht freinehmen.«

»Wann hab ich das gesagt?«

»Du hast es angedeutet und du hast dir ja nicht freigenommen.«

»Weil ich nicht wusste, dass du es tun würdest!«

»Was macht das für einen Unterschied? Oh! Ich muss auflegen, wir sehen uns um sieben. Und keine Minute früher, okay?«

»Warte Rem…«, beginnt Kohei, aber sie legt tatsächlich auf. Er flucht leise und starrt auf sein Handy hinab, auf dem noch immer Rems Name steht. Wie soll er sich auf die Arbeit konzentrieren, wenn Rem irgendetwas bei sich zu Hause vorbereitet? Er will nichts mehr, als sofort hinzufahren und nachzusehen, aber er will Rem nicht die Freude verderben. Wenn sie sagt, dass er erst um sieben bei ihr sein darf, wird er erst um sieben bei ihr sein.

Kohei knirscht mit den Zähnen, während er sein Handy wieder in die Tasche steckt. Das wird wohl der längste Arbeitstag, den er je hatte.


 

Damit behält er recht. Nicht nur vergeht die Zeit unwahrscheinlich langsam, seine Arbeit ist plötzlich so langweilig, dass er sich zwingen muss, bei der Sache zu bleiben. Und als er Rem eine Nachricht schickt, um sie zu fragen, ob er auch eine Stunde früher kommen kann, lehnt sie das eiskalt ab. Woraufhin Kohei noch mehr Zeit darauf verwendet, darüber nachzugrübeln, was sie tut.

Und natürlich ist er zu früh, als er bei Rems Wohnung ankommt. Er wartet eine Weile im Auto, aber da er nichts zu tun hat, ist das noch nervenaufreibender als im Büro. Nach einigem Hin und Her, das nur drei Minuten dauert, sich aber wie 30 anfühlt, steigt Kohei schließlich aus und klingelt. Und er ist fast ein bisschen enttäuscht, als Rem die Haustür für ihn öffnet, ohne sein verfrühtes Auftauchen überhaupt zu erwähnen.

Er bemüht sich, nicht die Treppen hinaufzurennen, aber er ist trotzdem außer Atem, als er vor ihrer Wohnungstür steht. Deshalb wartet er einen Moment, atmet tief durch und will dann klingeln. Doch dann fällt ihm auf, dass Rems Tür nur angelehnt ist.

Er klopft, während er sie öffnet. »Rem?«

»Oh, ja!«, ertönt es von innen. »Komm rein.«

Kohei betritt die Wohnung. Vom Flur aus kann er Rem nicht sehen, aber er kann Geräusche aus dem Wohnzimmer hören und es riecht nach Essen. Er zieht Schuhe und Mantel aus, etwas enttäuscht, dass Rem ihn nicht begrüßen kommt, und betritt dann das Wohnzimmer. Nur um wie angewurzelt stehen zu bleiben.

»Happy Birthday!« Rem steht neben dem Esstisch, die Arme zur Seite ausgebreitet, sodass die langen Ärmel ihres Kimonos zur Geltung kommen. Sie sind mit weißen und silbernen Blumen bedeckt und das tiefe Blau des Kimono passt zu Rems Augen. Auch wenn Kimono zu viel gesagt ist, da er so kurz ist, dass er kaum ihre Oberschenkel bedeckt. Ihre Beine stecken in langen schwarzen Strümpfen und Rem hat dunkelblaue Bänder, passend zum Kimono, wie ein Strumpfband um ihre Oberschenkel gebunden.

»Was denkst du?«, fragt Rem und Koheis Blick huscht wieder zu ihrem Gesicht.

Ihre Haare sind offen, aber er kann etwas Silbernes darin glitzern sehen, das an den Haarschmuck erinnert, den sie auf der Gründerfeier getragen hat. Aber viel auffälliger ist das Paar puscheliger Ohren auf ihrem Kopf. Sie sind schwarz, aber es sind ganz eindeutig Fuchsohren.

Kohei blinzelt. Wenn es Ohren gibt, muss es auch einen Schwanz geben. Er geht auf Rem zu und dreht sie um. Und tatsächlich guckt dort ein langer flauschiger Schwanz mit einer weißen Spitze unter dem Kimono hervor.

»Kohei?« Rem sieht ihn über die Schulter hinweg etwas besorgt an. Ihre Augen sind dunkel geschminkt und auf eine Weise, die sie noch katzenhafter wirken lassen und ihr ein verschmitztes Aussehen verleihen.

»Was soll ich tun?«, murmelt Kohei, während er Rem in seine Arme zieht.

»Was meinst du?«, fragt sie und dreht sich in seinen Armen um, um ihn anzusehen.

Kohei drückt das Gesicht in ihre Halsbeuge und nimmt einen tiefen Atemzug. Sie riecht sogar besonders gut. »Ich will dich ausziehen, aber du siehst so schön aus.«

»Oh«, macht Rem und Verlegenheit schwingt in ihrer Stimme mit, sodass Kohei den Kopf hebt, um sie anzusehen. Ihre Wangen sind gerötet, aber sie lächelt. »Gefällt es dir?«

Kohei beißt sich auf die Innenseite seiner Lippe. Es sollte illegal sein, so ein Gesicht zu machen, wenn man so schön ist wie Rem. Er streicht ihr mit der Hand über die Wange und als er ihre weiche Haut unter seinen Fingern spürt, bewegt sich sein Körper von selbst. Er beugt sich vor und seine Hand wandert zu ihrem Nacken, während er beginnt sie zu küssen.

Er muss sie bitten, das Kostüm noch einmal für ihn anzuziehen, denkt er, während seine andere Hand nach ihrem Obi* tastet.

Aber dann packt Rem sein Handgelenk. »Warte«, nuschelt sie, während sie gegen ihn drückt. »Das Essen wird kalt.«

»Du fühlst dich für mich sehr warm an«, erwidert Kohei, bevor er seine Lippen erneut auf ihre drückt.

Aber Rem schiebt ihn ein weiteres Mal zurück. »Nein, ich meine das.« Sie dreht den Kopf zur Seite und Kohei folgt widerwillig ihrem Blick. Dann stutzt er.

In der Mitte des Esstischs steht ein großer Kerzenständer, der den Raum in ein schummriges Licht taucht, und drumherum ist der Tisch bedeckt mit Tellern und Servierplatten, auf denen verschiedene Gerichte sorgfältig platziert wurden. Es ist gar nicht genug Platz auf dem Tisch allein, sodass einige Gerichte auf dem Küchentresen dahinter stehen.

»Wow, wo hast du das ganze Essen her?« Koheis Blick huscht über die Teller, wobei er feststellt, dass es alles Gerichte sind, die er ausgesprochen gern isst.

»Ich habe es gekocht.«

Kohei wendet sich abrupt ihr zu und starrt sie an. »Du...«, wiederholt er. »Du hast das alles gekocht? Alles?«

Rem sieht mit stolzem Blick zu ihm auf und nickt. »Ich kann dich nicht in Luxushotels oder exklusive Restaurants ausführen, aber ich kann Arbeit investieren und dir ein Mehrgangmenü kochen. Es hat vielleicht nicht die Qualität wie bei einem Sternekoch, aber ich bin eine ganz anständige Köchin.« Sie stemmt die Hände in die Hüfte und streckt den Rücken durch, während sie ihn ansieht, als erwarte sie ein Kompliment.

Aber Kohei ist noch zu sprachlos, um etwas zu sagen. Es ist nicht nur das Essen an sich, sie hat sich auch Mühe mit dem Aussehen gegeben. Mit Salatblättern, die die Ränder der Teller säumen, kunstvoll geschnittenem Gemüse und einzelnen Kräutern als Verzierung. Sogar die Servietten hat sie gefaltet und wie Fächer auf den leeren Tellern des Gedecks aufgestellt. Es ist offensichtlich, wie viel Mühe sie sich gegeben hat und dass sie den ganzen Nachmittag mit Kochen verbracht hat.

»Hast du das wirklich alles gemacht, nur weil ich Geburtstag habe?«, fragt Kohei und seine Stimme klingt rau.

»Was meinst du mit ‚nur‘? Es ist ein besonderer Tag.«

»Wieso?« Er sieht auf Rem hinab, die ihre Finger verschränkt hat, während sie zum Esstisch sieht. »Er kommt jedes Jahr wieder und er ist jedes Jahr an einem kalten Tag im Januar.«

»Das ist doch egal.« Rem sieht zu ihm auf und ihr Blick huscht zwischen seinen Augen hin und her. »Ich will ihn nicht wegen dem Wetter feiern, sondern weil es der Tag ist, an dem du geboren wurdest.« Sie lächelt ihn scheu an, während sie immer noch seine Reaktion überprüft, aber Kohei merkt kaum etwas davon.

Seine Kehle fühlt sich eng an und er weiß, dass er nicht sprechen könnte, selbst wenn ihm etwas einfallen würde, das er sagen könnte. Er hat sich noch nie Gedanken darüber gemacht, weshalb jemand seinen Geburtstag feiert, und für ihn ist es immer nur ein Tag gewesen, an dem er Geschenke bekommen hat, ohne dass er danach fragen musste. Aber vielleicht hatte sein Geburtstag auch nie Bedeutung für ihn, weil er wusste, dass niemand besonders glücklich über seine Geburt war. Seine Mutter hat sich geschämt, seinem Großvater ist er gleichgültig gewesen und sein Vater hat immer gewusst, dass er nicht sein richtiger Sohn ist. Und seit er erwachsen ist, ist sein Geburtstag nur ein Tag wie jeder andere.

»Kohei?« Rem sieht zu ihm auf, aber Kohei will nicht, dass sie merkt, was ihm gerade durch den Kopf geht. Nachdem sie sich all die Mühe gemacht hat, soll sie nicht sehen, wie er herumstammelt wie ein Idiot, weil ihm nicht die richtigen Worte einfallen. Und so zieht er Rem erneut in seine Arme.

Dabei achtet er darauf, dass sie ihn nicht ansehen kann, indem er sein Gesicht in ihre Halsbeuge drückt. Er liebt es, das zu tun. Weil er es liebt, ihre weiche Haut und ihre Wärme zu spüren, und ihren Geruch zu riechen. Es ist nicht einmal ein ganzer Tag gewesen, aber er merkt, wie sehr er sie vermisst hat. Etwas stimmt ganz eindeutig nicht mit ihm, weil er sich nicht mehr daran erinnern kann, welchen Sinn seine Tage hatten, bevor Rem ihm so wichtig geworden ist. Er muss alles in seiner Macht Stehende tun, damit sie nie auch nur daran denkt, ihn zu verlassen.

Und genau in diesem Moment erinnert er sich daran, dass er direkt aus dem Büro hergekommen ist. »Ich hätte mich umziehen sollen«, murmelt er mehr zu sich selbst, da er sich ärgert, nicht früher darauf gekommen zu sein. Nicht nur hat Rem ihn zu einem Abend bei sich eingeladen, was Grund genug ist, sich etwas Besseres anzuziehen, er hätte dafür die Zeit nutzen können, in der er sich ohnehin nicht auf seine Arbeit konzentrieren konnte.

»Wieso? Du siehst gut aus«, sagt Rem, wobei sie zögerlich seine Haare streichelt.

Kohei beißt sich auf die Lippe. Er fühlt sich im Moment besonders empfänglich für Rems Komplimente. Gleichzeitig denkt er, dass er seinen langweiligen grauen Anzug schon den ganzen Tag trägt. Vielleicht hätte er Rem nicht umarmen sollen.

Er seufzt und hebt den Kopf, um sich von Rem zu lösen. »Danke, aber hast du etwas dagegen, wenn ich kurz das Bad benutze? Ich sollte wenigstens duschen«, sagt er so cool wie möglich, während er überlegt, welche Kleider er bei Rem gelassen hat, die dem Anlass am besten entsprechen.

Rem sieht ihn etwas überrascht an. »Wenn du meinst, aber falls du dir Sorgen machst, du riechst auch sehr gut.« Sie schenkt ihm ein Lächeln, wobei sich ein Hauch von Röte über ihre Wangen zieht.

Kohei starrt sie an. »Ich brauche nur einen Moment«, sagt er, bevor er ins Bad geht.

Dort angekommen, vergräbt er das Gesicht in den Händen. »Das ist nicht fair«, murmelt er in seine Handflächen, unter denen er die Hitze in seinem Gesicht spüren kann. Er weiß, dass auch seine Ohren knallrot sein müssen und er kann nur hoffen, dass Rem das nicht bemerkt hat. Aber selbst bei dem Gedanken, dass sie es hat, kann er nicht aufhören zu grinsen.


 

Kohei wäscht sich nur das Gesicht und geht dann zurück zu Rem, nachdem er sich beruhigt hat. Sie ist noch dort, wo er sie zurückgelassen hat und spielt mit ihren Fingern, während sie zwischen dem Esstisch und dem Küchentresen hin und her läuft. Aber als sie ihn sieht, verschränkt sie ihre Hände fest miteinander. »Ich hab vorhin etwas Komisches gesagt, oder?«, sagt sie mit einem unbeholfenen Lächeln. »Tut mir leid, wenn dir das unangenehm war.«

Kohei geht wortlos auf sie zu.

»Ähm«, macht Rem und wirft dem Esstisch einen Blick zu. »Wollen wir dann - ?!« Weiter kommt sie nicht.

Kohei drückt sie gegen den Tresen und küsst sie. Es war nicht geplant und gleichzeitig wollte er das schon tun, seit er in ihr Wohnzimmer gekommen ist. Nein, eigentlich wollte er das schon, bevor er überhaupt hier war.

Seine Hände streichen über den Seidenstoff an ihren Hüften und die Fingerspitze seines kleinen Fingers erreicht den Saum ihres Kimono. Der Gedanke, seine Hand etwas weiter heruntergleiten zu lassen, ist so verlockend, dass Kohei sie am liebsten gepackt und auf den Tresen gesetzt hätte. Aber auf dem Tresen steht Essen.

Er hört auf, sie zu küssen und legt seine Stirn gegen ihre. »Ich will nicht, dass das Essen, dass du für mich gekocht hast, kalt wird«, wispert er, während er ihrem leisen, schnellen Atem lauscht. »Aber ich kann mich nicht konzentrieren, wenn du so süß bist.«

»Wieso…?«, stammelt Rem, mit einem verwirrten Blick in den Augen und einem bezaubernden Anflug von Röte auf den Wangen.

Kohei seufzt. »Genau das meine ich. Sieh mich nicht so an.«

Die Verwirrung in Rems Blick wächst. »Wie denn? Ich tue überhaupt nichts.«

»Das ist genau das Problem. Du bist schon süß, wenn du überhaupt nichts tust. Wie soll ich damit umgehen, wenn du dich für mich kostümierst und für mich kochst? Willst du, dass ich Diabetes bekomme?«

Die Verwirrung auf Rems Gesicht macht Resignation Platz und Kohei kichert.

Rem atmet geräuschvoll aus und schiebt ihn zurück. »Hör auf, Witze zu machen, und lass uns Essen.«

Aber selbst als sie sich von ihm wegdreht, kann Kohei nicht aufhören zu grinsen. Wie könnte er, wenn sie versucht, streng zu gucken, während sie ein Paar flauschige Ohren auf dem Kopf hat.

Aber da er ihr Essen wirklich nicht verschwenden will, richtet er seine Aufmerksamkeit darauf und in diesem Moment merkt er, wie hungrig er ist. Und auf den ersten Blick sieht es vielleicht nach viel Essen aus, aber nachdem Kohei angefangen hat zu essen, denkt er, dass Rem einen sehr kleinen Tisch hat.

»Hm, du hast doch nicht vor ein Restaurant aufzumachen, oder?«, fragt er, nachdem er ein Stück perfekt gebackenen Fisch hinuntergeschluckt hat.

»Schmeckt es dir?«, fragt Rem im Gegenzug und Kohei richtet seinen Blick auf sie, weil ihre Stimme so eigenartig angespannt klingt. »Es ist ausgezeichnet«, sagt er, wobei ihm auffällt, dass Rem nicht isst. »Wieso? Stimmt etwas nicht?«

»Nein, nein.« Rem hebt die Hände und schüttelt den Kopf. »Ich weiß nur, dass du einen höheren Standard hast, also war ich besorgt.«

Kohei runzelt die Stirn. Es stört ihn schon seit einer Weile, aber Rem benimmt sich untypisch unsicher. Sie ist viel zu vorsichtig, was seinen Gemütszustand angeht, und auch wenn es niedlich ist, wie sie ihn im Auge behält, besorgt es ihn, wie angespannt sie dabei wirkt.

Er schenkt ihr ein breites Lächeln, in der Hoffnung, ihr Zuversicht zu geben. »Wovon redest du? Das ist das beste Essen, dass ich je gegessen habe.«

»Jetzt übertreibst du«, sagt Rem, aber ein erleichtertes Lächeln zupft an ihren Lippen.

Kohei schüttelt den Kopf. »Niemand hat sich je so viel Mühe gegeben, um mir ein Essen zu kochen«, sagt er völlig ernst und Rems Augen weiten sich ein Stück. Aber dann schenkt sie ihm ein wunderschönes Lächeln, das ihm zeigt, dass er das Richtige gesagt hat.

Von da an isst auch Rem und sie plaudern ein wenig über die Arbeit, wobei Kohei immer grinsen muss, wenn er Rem ansieht. Er kann nicht anders, wenn sie ihm mit ernster Miene zuhört und die fluffigen Fuchsohren mit jedem Nicken vor- und zurückwippen.

»Wenn du noch duschen willst, kannst du das machen, während ich aufräume«, sagt Rem schließlich, nachdem sie tatsächlich alle Teller leer gegessen haben. Es war zwar weniger, als es auf den ersten Blick ausgesehen hat, aber doch mehr, als Kohei normalerweise essen würde. Nachdem Rem jedoch all das nur für ihn gekocht hat, blieb ihm keine andere Wahl, als alles zu essen. Und es war wirklich lecker.

»Will ich, aber ich helfe dir beim Aufräumen«, erwidert er und steht ebenfalls auf, um die Teller in die Küche zu bringen.

»Nein, das musst du nicht«, sagt Rem sofort und im Gegensatz zu ihrer Unsicherheit von davor, schiebt sie ihn entschieden aus dem Wohnzimmer.


 

Kohei ist froh, dass er einen Anzug bei Rem gelassen hat, auch wenn er genauso langweilig ist, wie der, den er vorher getragen hat. Aber er würde sich zu underdressed fühlen, wenn er in Jogginghose und T-Shirt aus dem Bad kommen würde. Krawatte und Jackett lässt er jedoch weg.

Rem ist noch in der Küche und wäscht ab. Sie hat die Ärmel ihres Kimono zurückgebunden und Kohei beobachtet sie einen Moment lang, während sie auf das Geschirr konzentriert ist, amüsiert, wie ihr Fuchsschwanz bei ihren Bewegungen leicht hin und her schwingt. Es macht ihn neugierig, wie sie ihn befestigt hat.

Er tritt hinter sie und legt die Arme um sie. »Brauchst du Hilfe beim Abtrocknen?«, raunt er ihr ins Ohr, wobei er zufrieden feststellt, dass sie erschaudert.

»Nein, das ist der letzte«, antwortet sie und hält den Teller hoch, den sie gerade abwäscht.

Kohei wirft einen Blick auf den Stapel sauberer Teller links neben ihr. »Oh«, macht er. Beim Hereinkommen hat er nur auf Rem geachtet und nicht auf das Geschirr. Auch gut, denkt er sich und streicht ihre Haare zurück, damit er ihren Hals küssen kann.

»Oh, warte!« Rem zappelt ein wenig, während sie versucht, nach dem Geschirrtuch zu greifen, um den Teller abzutrocknen.

»Mh-mh«, murmelt Kohei gegen ihre Haut und hält sie nur fester. »Ich warte schon, seit ich hier bin.«

Der Teller in Rems Händen zittert und Kohei grinst, während er sich ihrem Ohr zuwendet.

»Ah! Kohei!« Sie sagt seinen Namen mit einem Vorwurf in der Stimme und Kohei kichert, während Rem sich streckt, um den Teller aus der Hand zu legen. Dann dreht sie den Kopf, um ihn verärgert anzusehen. »Er wäre mir beinah aus der Hand – mh!« Rem gibt einen empörten Laut von sich, als er sie zu küssen beginnt, aber dann spürt er, wie sie sich in seinen Armen entspannt und ihre Lippen weich werden. Der Geschmack des Weins, den sie zum Essen hatten, tanzt über seine Zunge, als Rem ihren Mund für ihn öffnet, wobei es weniger der Wein ist, der ihm das Gefühl von Trunkenheit gibt. Rems Finger streifen über seine Wange, bis sie den Weg in sein Haar finden und Kohei gibt ein zufriedenes Summen von sich.

Seine Hand wandert von ihrem Bauch aufwärts und sucht nach der Öffnung ihres Kragens, aber gerade als er sie gefunden hat, packt Rem sein Handgelenk.

»Warte«, nuschelt sie und zieht sanft an seinen Haaren, um sich von ihm zu lösen.

»Will nicht«, erwidert er und beginnt erneut, sie zu küssen. Aber er lockert seine Umarmung, damit Rem sich umdrehen kann. Und sie dankt es ihm, in dem sie ihn von sich schiebt. »Aber ich habe dir noch nicht dein Geschenk gegeben.«

Kohei, der bereits zum Protest angesetzt hat, hält verwirrt inne. »Welches Geschenk?«

»Dein Geburtstagsgeschenk.«

Er blinzelt. Dann huscht sein Blick von Rem zu den sauberen Tellern und wieder zurück. »Aber das hast du doch. Dein Kostüm und das Essen.«

Rem erwidert seinen Blick ähnlich verwirrt. »Meine Kleidung und ein Abendessen sind doch kein Geburtstagsgeschenk.«

»Sondern?«

»Es ist normal, sich an einem Geburtstag etwas Hübsches anzuziehen und etwas Besonderes zu essen, aber das ersetzt kein Geschenk. So wie eine Geburtstagstorte auch nicht als Geschenk zählt. Oh, ich wollte dir eine backen, aber dann dachte ich, das wird zu viel…« Sie sieht ihn an, als würde sie erwarten, dass er deswegen enttäuscht ist, aber Kohei ist noch dabei ihre Worte zu verarbeiten. Und als er bei der Geburtstagstorte ankommt, denkt er nur an Rem in einer Schürze.

»Warte mal.« Er schüttelt den Kopf und hebt die Hände. »Heißt das, du wirst mir ab jetzt zu jedem Geburtstag etwas kochen? Und dich hübsch anziehen?«

»Wenn du willst«, antwortet Rem sofort. »Aber wir können auch mal essen gehen oder verreisen.«

Und erst in diesem Moment kommt Kohei ein wichtiger Gedanke. Er war so überwältigt davon, dass Rem sich seinetwegen solche Mühe gemacht hat, dass er ausgeblendet hat, dass er seinen nächsten Geburtstag auch mit Rem verbringen wird. Und den danach und alle folgenden. Und von einem Moment auf den anderen ist sein kalter, grauer Geburtstag im Januar der schönste Tag im Jahr.

»Komm.« Rem nimmt seine Hand und führt ihn aus der Küche.

Sie gehen zurück ins Wohnzimmer, wo Rem ihn vorbei am Esstisch zum Sofa führt. Aber Koheis Blick bleibt auf dem kleinen Teetisch hängen, auf dem ein Blumenstrauß steht und zu dessen Füßen ein Geschenk liegt.

Genau wie sein Weihnachtsgeschenk ist es liebevoll eingepackt, diesmal mit einem blauen Band, in das ein kleines Blumengesteck aus hübschen Blättern und süßen blauen Blumen gesteckt ist. Das Geschenkpapier ist weiß und das gleiche, wie bei seinem Weihnachtsgeschenk, wie Kohei amüsiert feststellt. Aber das Geschenk an sich ist kleiner.

Kohei zieht sein Handy aus der Hosentasche und macht ein Foto.

»Ähm, Kohei?«, fragt Rem zögerlich, während er weitere Fotos aus anderen Perspektiven macht. Dann kontrolliert er das Ergebnis und steckt sein Handy zufrieden wieder ein. »Okay«, sagt er und setzt sich. »Ich bin bereit.«

Rem starrt ihn an. »Wofür?«

Kohei schenkt ihr ein Grinsen und hält ihr die Hand hin.

Rem mustert sie einen Moment verwirrt, legt dann aber ihre in seine – und schnappt dann erschrocken nach Luft, als er sie auf seinen Schoß zieht.

»Mein Geschenk auszupacken«, antwortet Kohei ihr fröhlich.

Rem sieht ihn an und dann an sich hinunter. Dann sieht sie wieder zu ihm, einen misstrauischen Blick in den Augen.

Kohei lacht. »Ich meine wirklich mein Geschenk«, sagt er und deutet auf das Päckchen auf dem Tisch. »Dich auszupacken, heb ich mir für später auf«, fügt er etwas leiser hinzu und drückt ihr einen Kuss auf die Wange.

Rem verdreht die Augen, aber sie reicht ihm das Geschenk.

Es ist etwas umständlich, es auszupacken, mit Rem auf dem Schoß, aber Kohei lehnt ihren Vorschlag aufzustehen, entschieden ab. Er will sie so nah wie möglich haben und je länger er zum Auspacken braucht, desto größer ist die Vorfreude. Außerdem kann er spüren, wie Rem nervös auf seinem Schoß herumzappelt, während sie zwischen seinem Gesicht und dem Geschenk hin und her sieht.

Ihre Nervosität erreicht ihren Höhepunkt, als Kohei die Schachtel, die unter dem Geschenkpapier zum Vorschein kommt, öffnet.

»Krawatten«, sagt er fröhlich, mit einem Blick in die Schachtel. Es ist ein passendes Geschenk, da Rem so gerne an seinen Krawatten zieht.

»I-Ich weiß, dass du bestimmt sehr viele hast, aber du hast auch viele Anzüge, also brauchst du auch viele Krawatten.« Rem beginnt sofort, ihre Beweggründe für ihre Geschenkauswahl darzulegen. »Ich weiß, dass die Weiße etwas gewagt ist. Krawatten sollen ja nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Aber ich dachte, für den Fall, dass du mal einen weißen Anzug trägst. Und die Blaue ist ein neutralerer Ausgleich.« Sie redet schnell und gestikuliert mit den Händen und es ist ein seltener Anblick, Rem so aufgeregt zu sehen.

»Ein weißer Anzug, hm?«, sagt Kohei und hebt die weiße Krawatte aus der Schachtel. Darauf sind schmale goldene Linien aufgedruckt, die zu einem Halbkreis am linken Rand des unteren Teils der Krawatte führen, wie eine abgeschnittene Sonne. »Willst du, dass ich einen anziehe?« Persönlich findet er weiße Anzüge zu auffällig. Außerdem werden sie schnell dreckig.

»Nein, ich dachte nur, du hast bestimmt einen, weil es dir gut steht.«

Kohei blinzelt und sieht Rem überrascht an. »Weiße Anzüge stehen mir?«

Rem nickt mit einem ernsten Ausdruck. »Nicht jeder kann so etwas tragen, weil sie so auffällig sind, aber dir stehen helle Farben.«

Kohei starrt Rem an. Er hatte noch nie eine Vorliebe für weiße Anzüge, aber plötzlich will er nur noch Weiß tragen. »Wow«, murmelt er und denkt, dass Rem einen fatalen Effekt auf sein Portemonnaie hätte, wenn sie für einen Schneider arbeiten würde. Dann hält er Rem die Krawatte hin. »Bindest du sie für mich?«

Rem beißt sich auf die Lippe und nickt.

Kohei beobachtet, wie sie weiter auf ihrer Unterlippe herumkaut, während sie ihm die Krawatte um den Hals legt. Schließlich hält er es nicht mehr aus und streckt die Hand nach ihrem Gesicht aus. Mit dem Daumen streicht er über ihre Unterlippe.

Rem hält inne und sieht ihn an. Sie hört auf zu kauen und während Kohei ihre feuchte, weiche Lippe unter seinem Daumen spürt, ist der Drang sie zu küssen überwältigend. Aber er hat sich noch nicht für das Geschenk bedankt. »Sie gefallen mir sehr. Wo hast du sie gekauft?«

»Oh«, macht Rem leise, als käme die Frage überraschend. »Die Krawatten habe ich online bestellt, aber die Farben sind aus einem Kunstladen.«

Kohei blinzelt. »Die Farben?«, fragt er verwirrt und nimmt seinen Blick von Rems Lippen, um ihr in die Augen zu sehen. »Welche Farben?«

Rem sieht zu der Krawatte um seinen Hals. »Man braucht besondere Farben für Seidenmalerei, also musste ich welche kaufen.«

Kohei starrt sie an und es dauert einen Moment, bis er begreift, was sie da sagt. Dann sieht er zu der Krawatte hinunter und dann wieder zu Rem. »Du hast die Krawatten selbst bemalt?!«

Rem reibt sich den Hals und weicht seinem Blick aus. »Ich musste dir doch etwas schenken, dass du dir nicht selbst kaufen kannst«, murmelt sie, mit einem trotzigen Unterton und normalerweise hätte Kohei sie damit aufgezogen, dass sie versucht, seine teuren Geschenke auszugleichen. Aber wie könnte er das, wenn sie ihn so über die Maßen ausgestochen hat.

Er sieht an sich hinunter und nimmt die Krawatte in die Hand. Es ist ein einfaches Motiv, aber die Linien sind so präzise und gerade, dass Kohei sich fragt, wie Rem sie so hinbekommen hat. Er stellt sich vor, wie sie sich über die Krawatte beugt, mit einem Pinsel in der Hand und einem konzentrierten Ausdruck auf dem Gesicht, und er fragt sich, was ihr durch den Kopf gegangen ist. Ob sie an ihn in einem weißen Anzug gedacht hat. Ob der Gedanke sie zum Lächeln gebracht hat. Wie lange sie an den Krawatten gearbeitet hat.

»Ich wollte dir zuerst etwas stricken, aber das hat nicht so gut geklappt und es hätte zu lange gedauert. Außerdem habe ich dich noch nie etwas Gestricktes tragen sehen. Aber ich hab ruhige Hände und kann ganz gut zeichnen, einfache Sachen jedenfalls, und dann habe ich das als Vorschlag auf einer Seite im Internet gesehen.«

Kohei richtet seinen Blick wieder auf Rem, als sie plötzlich zu plappern beginnt. Sie hat schon wieder diesen nervösen Blick in den Augen, als würde sie tatsächlich glauben, er wäre unzufrieden mit ihrem Geschenk. Es ist eigenartig, denn er versteht nicht, was er getan hat, um sie so zu verunsichern.

Er lässt die Krawatte los und nimmt die Schachtel mit der zweiten Krawatte von Rems Schoß, um sie auf den Tisch zu stellen. Dann legt er die Arme um Rem und zieht sie näher zu sich. »Sag mir, was los ist.«

»Wieso?« Rem sieht ihn verunsichert an. »Stimmt etwas nicht?«

Koheis Blick huscht prüfend zwischen Rems Augen hin und her, bevor er zu sprechen beginnt. »Es ist süß, dass du nervös deswegen bist, ob mir dein Geschenk gefällt, aber du benimmst dich, als hättest du Angst vor etwas.«

»Nein! Ich will nur, dass du…« Sie senkt den Blick. »Ich weiß, dass du deinen Geburtstag normalerweise nicht feierst und ich dachte, vielleicht hab ich es übertrieben.«

Kohei starrt sie entgeistert an. »Wieso solltest du das denken?«

»Ich wollte dir nichts schenken, das schlechter ist, als das, was du gewohnt bist, aber ich habe dich nicht gefragt, wie du deinen Geburtstag gerne feiern würdest, weil ich dich überraschen wollte. Aber ich wollte dir nichts aufdrängen oder dich etwas Falsches glauben lassen.«

»Etwas Falsches glauben lassen?«

»Weil ich dir nicht sagen konnte, was ich letztes Wochenende gemacht habe, ohne die Überraschung zu ruinieren.« Rem sieht niedergeschlagen auf ihren Schoß hinab, während Kohei an den Montag zurückdenkt, an dem sie über das Wochenende und seinen Geburtstag geredet haben. Der Grund, warum sie ihn gedrängt hat, Zeit mit Tomoda zu verbringen, war also, um die Krawatten zu bemalen.

»Ist das alles?«, fragt er etwas verwirrt, denn die Rem, die er kennt, hätte kein Problem damit, ihm zu sagen, dass sie Zeit für sich braucht, auch ohne ihm einen Grund dafür zu nennen. »Es ist nicht so, dass ich dir verboten habe, Zeit ohne mich zu verbringen oder so etwas.«

Rem schüttelt den Kopf und zu Koheis Entsetzen glitzern Tränen in ihren Augen. »Das meinte ich nicht. Ich wollte es nicht so klingen lassen, als wäre es deine Schuld, es ist nur - « Sie schnieft und hebt hastig die Hände, um ihre Augen trocken zu wischen. »Tut mir leid, ich wollte das nicht.«

Kohei erstarrt. Hat sie sich solche Sorgen deswegen gemacht, dass sie jetzt weint? Oder ist sie emotional, weil sie zu viel Wein getrunken hat? Soll er sich entschuldigen? Aber er versteht nicht einmal genau, weshalb sie weint. Rem ist niemand, der schnell weint, und sie würde nicht in Tränen ausbrechen, weil sie Angst hatte, er könnte etwas Falsches denken. Oder?

In seiner Hilflosigkeit sitzt Kohei nur da und sagt nichts, aus Sorge alles noch schlimmer zu machen. 

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*Obi: Kimonogürtel

Kitsune

Rem beißt sich auf die Lippe, während sie versucht, sich zusammenzureißen. Sie ruiniert den ganzen Abend, aber, vielleicht weil sie vorhin zu viel Wein getrunken hat, kann sie nicht verhindern, dass ihr immer wieder neue Tränen in die Augen steigen.

»Tut mir leid«, sagt sie erneut, da sie spüren kann, dass Kohei völlig überfordert mit der Situation ist. Er muss sich fragen, was plötzlich in sie gefahren ist, und Rem kommt sich lächerlich vor. Aber da es nun schon so ist, sollte sie ihm sagen, was los ist, damit er weiß, dass es nichts mit ihm zu tun hat. »Es ist bescheuert und ich wollte nicht - « Ein Schniefen unterbricht sie, während sie immer noch damit beschäftigt ist, ihre Augen trocken zu reiben. »Ich dachte, ich bin darüber hinweg, aber...es war auch sein Geburtstag...und ich komme mir so blöd vor…« Sie versucht, auf den Punkt zu bringen, was das Problem ist, nur um festzustellen, dass es nicht so einfach in Worte zu fassen ist.

Dann spürt sie, wie eine Hand ihren Arm berührt und behutsam darüberstreicht. »Wessen Geburtstag?«, fragt Kohei mit ruhiger Stimme und etwas daran hilft Rem, sich zu beruhigen.

Sie schluckt und senkt die Arme. »Kosukes«, sagt sie, den Blick auf ihre Beine gerichtet, während sie sich dafür hasst, an Koheis Geburtstag über Kosuke zu reden. »Er hat an seinem Geburtstag mit mir Schluss gemacht.«

Darauf folgt Stille, aber Rem traut sich nicht, Kohei ins Gesicht zu sehen. Wieso konnte sie sich nicht zusammenreißen und einfach Koheis Geburtstag feiern, ohne Kosuke zu erwähnen? Stattdessen zieht sie die Stimmung herunter und redet vom Schluss machen.

»I-Ich meine -, Ich will nicht sagen, dass ich mir Sorgen mache, du könntest dasselbe tun«, stammelt sie schließlich, als sie die Stille nicht mehr aushält. »Es ist nur, wenn ich es übertrieben habe, dann -, ich wollte dich nicht unter Druck setzen.« Sie denkt daran, wie Kosuke sich gefühlt haben muss, wenn sie ihn mit teuren Geschenken überhäuft hat, während er damit gekämpft hat, Geld zu verdienen. Und auch Kohei hatte vorhin einige Male so reagiert, als wäre er überfordert. »Ich weiß, dass du nichts erwartet hast. Und ich wollte keinen falschen Eindruck erwecken – ich meine…« Sie nimmt einen tiefen Atemzug, um sich zu beruhigen. Allerdings hilft es wenig und ihre nächsten Worte spricht sie noch schneller als zuvor. »Kosuke hat mich betrogen, aber das hat er nur, weil er dachte, ich würde es auch tun. Aber ich habe wirklich mehr gearbeitet, weil sein Geschenk so teuer war. Ich weiß, dass ich schlecht im Lügen bin, aber ich konnte ihm doch nicht sagen, was ich ihm zum Geburtstag schenke…« Sie unterbricht sich, weil sie während des Sprechens nicht geatmet hat und ihr die Luft ausgegangen ist. Aber obwohl es mittlerweile über ein Jahr her ist, erfüllt sie der Gedanke an Kosukes Geburtstag immer noch mit Scham.

»Ich werde morgen zu ihm fahren.«

Rem blinzelt verwirrt. »Zu wem?«

»Deinem Bettler-Ex.«

Sie legt die Stirn in Falten und sieht ihn an. »Wieso?«

»Um alles zu holen, was du ihm geschenkt hast«, antwortet Kohei leichthin. »Da er offensichtlich nichts davon verdient hat.«

Rems Mund klappt auf, aber ihr fällt gar nicht ein, was sie dazu sagen soll. Aber als Kohei sie anlächelt, versteht sie, dass er das tatsächlich ernst meint. »Nein!«

Koheis Lächeln verblasst.

»Das ist nicht nötig. Egal, wie unsere Beziehung jetzt aussieht, man nimmt keine Geschenke zurück. Außerdem will ich nicht, dass Kosuke wieder eine Rolle in meinem oder in deinem Leben spielt.«

Kohei macht ein skeptisches Gesicht, aber er zuckt mit den Schultern. »Na gut. Dann lass uns heiraten.«

»Eh?« Rems Gedanken, die sich noch darum gedreht haben, ob Kohei, der gerade zu einfach nachgegeben hat, Kosuke wirklich in Ruhe lässt, kommen zu einem abrupten Stopp. »Was hast du gesagt?«

»Du hast geweint, weil du nicht willst, dass ich dich verlasse. Um dich zu beruhigen, sollten wir heiraten.«

Darauf weiß Rem gar nicht, was für ein Gesicht sie machen soll. »Das stimmt nicht ganz«, murmelt sie, während sie beschämt den Blick abwendet.

»Nicht?« Kohei beugt sich vor, um ihr weiter ins Gesicht zu sehen. »Weist du mich zurück? An meinem Geburtstag?«

»Ich weiß, dass du das nicht ernst meinst.«

»Aber das tue ich.«

Rem schielt zu ihm. Er klingt definitiv unseriös, aber gleichzeitig auch wieder nicht. Auf der Weihnachtsfeier hatte sie auch gedacht, dass er sie vorsätzlich in Verlegenheit bringen wollte, aber hinterher schien er ernsthaft besorgt, weil sie gesagt hat, sie wolle ihn nicht heiraten. »Wenn ich Ja sagen würde«, beginnt sie bedächtig. »Würdest du es wirklich durchziehen?«

»Warum fragst du das, als wäre ich ein Mistkerl, der dir falsche Hoffnungen macht und dann abhaut?«, entgegnet Kohei beleidigt. »Denkst du immer noch, dass mir langweilig wird, wenn ich zu oft mit derselben Frau schlafe?«

»Nein, aber Heiraten scheint für dich kein großes Thema zu sein.«

Er zuckt mit den Schultern. »Weil ich nicht vorhabe, dich zu verlassen.«

Rem beißt sich auf die Lippe, um ein Lächeln zurückzuhalten. Wenn er es so sagt, als wäre das ganz selbstverständlich, ist sie noch versucht, tatsächlich Ja zu sagen. Aber sie schüttelt den Kopf. »Damit eine Beziehung funktioniert, reicht es nicht aus, dass man verliebt ist. Ich habe bei meinen Eltern gesehen, wie viel dazu gehört, damit man miteinander auskommt, und ich möchte erst mehr über dich und uns wissen, bevor wir heiraten.«

Kohei mustert sie eine Weile. Dann seufzt er. »Deine Eltern sind wahrscheinlich ein besseres Vorbild als meine. Oder als mein Großvater.« Er schnaubt und Rem erinnert sich, dass Mr. Inouye dreimal geheiratet hat. Und sich dreimal hat scheiden lassen. Möglicherweise nimmt Kohei deshalb Heiraten so leicht.

»Sagen wir also, dass du mir einen Antrag machen musst.«

»Hm?« Rem sieht ihn verwirrt an.

Kohei grinst. »Da du die mit den vorbildhaften Eltern bist und mich außerdem schon zweimal abgewiesen hast, ist das fair, oder?«

Rem presst die Lippen aufeinander. Er hat nicht unrecht, aber es fühlt sich so an, als hätte er sie ausgetrickst.

Kohei betrachtet ihren Ausdruck mit unverhohlener Freude und beugt sich zu ihr vor. »Du musst dir keine Sorgen über meine Antwort machen. Du weißt doch, wie sehr ich es liebe, wenn du vor mir auf die Knie gehst.«

Dafür boxt sie ihm gegen die Schulter.

Kohei lacht vergnügt, während Rem nur den Kopf darüber schütteln kann, dass er sich so über seinen eigenen Witz freut.

»Okay, aber was willst du dann?«, fragt Kohei schließlich, nachdem er sich genug gefreut hat.

»Was meinst du?«

»Du willst nicht, dass ich dem Bastard deine Geschenke nehme und du willst mich nicht heiraten. Also was soll ich tun, damit du dich besser fühlst?«

Rem, die beinah vergessen hat, wie sie auf dieses Thema gekommen sind, wird still. Das Letzte, was sie will, ist, noch länger Koheis Geburtstag mit ihren Problemen und Unsicherheiten füllen, aber nachdem, wie sie sich benommen hat, will sie ernsthaft über Koheis Frage nachdenken. Um ihretwillen und um seinetwillen.

Das erste, an das sie denkt, ist, seinen Geburtstag so gut wie möglich zu feiern. Im Grunde war das Problem nur die Erinnerung an Kosukes Geburtstag und all die schlechten Gefühle, die sie damit verbindet. All das sollte verschwinden, wenn es mit Gefühlen und Erinnerungen von Koheis Geburtstag überschrieben wird. Aber während sie darüber nachdenkt, fällt ihr noch eine Sache ein, die sich nicht so einfach überschreiben lässt.

»Kannst du mir etwas versprechen?«, fragt sie schließlich, wobei sie den Rock ihres Kimono knetet.

Kohei runzelt die Stirn, nickt aber auffordernd, damit sie weiterspricht.

»Wenn, und ich will nicht sagen, dass ich es erwarte oder etwas in der Art, aber nur für den Fall, dass du jemals in der Situation bist.« Sie blinzelt und ihr Blick rutscht zu ihren Händen hinunter. »Wenn du jemals in der Situation bist, dass du mich mit einer anderen Frau betrogen hast, sag es mir.« Rem Stimme ist tonlos und schon allein bei dem Gedanken daran, schnürt sich ihr die Kehle zu. Ironischerweise muss sie genau aus demselben Grund weitersprechen. »Ich will nicht wieder die Idiotin sein, die von nichts weiß.« Sie sieht auf ihre Beine, während sie auf Koheis Antwort wartet.

Er atmet aus. »Okay, aber nur, wenn du mir auch etwas versprichst.«

Rem richtet ihren Blick auf ihn.

»Wenn du mich betrügst…«

Sie nickt.

»...sag es mir nicht.«

Rem hört auf zu nicken und sieht ihn verwirrt an. »Was? Wieso?«

Ein schwaches Lächeln umspielt seine Lippen und er streckt seine Hand aus, um Rem über die Wange zu streichen. »Weil ich lieber der Idiot bin, der von nichts weiß, als der, der es weiß und trotzdem nicht loslassen kann.«

Sie starrt ihn an.

»Außerdem, solange du mich betrügst, aber nicht Schluss machst, heißt das, dass du mich immer noch vorziehst.« Er lächelt, aber es ist nicht sehr überzeugend.

»N-Nein!« Rems Stimme ist etwas lauter als geplant und sie spricht, noch bevor sie weiß, was sie sagen will. Sie weiß nur, dass sie Kohei widersprechen muss. »Ich muss es dir sagen, weil…« Sie stockt, denn in diesem Moment kommt ihr wieder Kosukes Geburtstag in den Sinn und wie er ihr gesagt hat, dass er sich mit einer anderen Frau trifft. Eine Zeit lang hat sie sich auch gewünscht, er hätte es ihr nicht gesagt.

»Weil?« Kohei sieht sie mit gerunzelter Stirn an, als wolle er sagen: Es gibt keinen Grund, oder?

»Damit du wütend auf mich sein kannst.« Auch wenn ein Teil von ihr verstehen kann, was er meint, weiß sie auch, wie es ist, wenn man betrogen wird. Und der Gedanke, dass Kosuke sich bereits mit dieser Frau getroffen hat, während sie ihn nach der Arbeit fröhlich begrüßte und sich ihm anvertraute, wie sie es immer getan hat, erfüllt sie mit solcher Scham und solchem Ärger, dass die Vorstellung, sie hätte nie etwas erfahren, unerträglich ist.

»Du willst, dass ich wütend auf dich bin?«, fragt Kohei, immer noch mit gerunzelter Stirn.

»Es ist eine Sache von Respekt«, antwortet Rem und legt eine Hand an Koheis Wange. »Also bitte mich nicht darum, dich respektlos zu behandeln.« Sie würde sich dafür hassen, sollte sie ihn betrügen, nachdem sie erfahren hat, wie sich das anfühlt, und sie würde nicht damit leben können, es vor Kohei geheim zu halten.

Koheis Finger streichen über ihren Handrücken. »Ich würde ja sagen, ich kann ein bisschen Respektlosigkeit von dir vertragen, aber das würdest du nicht akzeptieren, oder?«

Rem schüttelt sofort den Kopf und er lacht leise. »Dann bleibt dir wohl keine Wahl.« Er lehnt sich vor und senkt die Stimme. »Du darfst mich nicht betrügen.« Ein freches Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus und Zufriedenheit funkelt in seinen Augen, als hätte er von Anfang an darauf hinausgewollt. Seine Lippen streichen über ihre. »Kitsunes sind treu, oder?«

Als Antwort schlingt Rem die Arme um seinen Hals und küsst ihn. Sie würde ihn nie betrügen wollen und ihr wird klar, dass seine Bitte, die den Fall beinhaltet, dass sie es doch tut, ihr schon an sich missfällt. Möglicherweise ging es ihm genauso, denn schon allein die Erwähnung, er könnte sie betrügen, deutet Misstrauen an. »Tut mir leid«, murmelt sie schließlich. »Ich hätte es nicht ansprechen sollen.«

Kohei lächelt nur. »Ist schon in Ordnung. Solange du dich besser fühlst?«

Sie nickt.

»Gut.« Er legt eine Hand auf ihren Oberschenkel. »Dann kann ich jetzt mit dem Auspacken weitermachen.«


 

Als Rem am nächsten Morgen aufwacht, findet sie sich in Koheis Armen wider, was an sich nicht ungewöhnlich ist. Da er normalerweise vor ihr aufwacht, beginnt er den Tag damit, sie so lange zu nerven, bis sie auch wach ist. Heute jedoch liegt er ganz ruhig hinter ihr, als würde er ebenfalls noch schlafen.

Rem dreht sich um, um diese Annahme zu überprüfen, doch schon, dass er seine Umarmung lockert, um es ihr leichter zu machen, sagt ihr, dass er wach ist. »Guten Morgen«, sagt sie und sieht ihn neugierig an, um herauszufinden, was ihn davon abgehalten hat, sie zu wecken.

»Guten Morgen«, erwidert er sanft, aber ohne Schläfrigkeit in der Stimme und auch sein Blick ist wach. Er lächelt, während er Rem eine Haarsträhne hinters Ohr streicht, aber er wirkt abwesend.

»Stimmt etwas nicht?«

Er seufzt und eine Falte erscheint zwischen seinen Brauen. »Mein Geburtstag«, beginnt er dann mit ernster Stimme. »Kommt erst wieder in einem Jahr.«

Rems Augen huschen zwischen seinen hin und her. »Ja?«, sagt sie dann, unsicher, was er von ihr hören will.

Koheis Brauen rücken noch näher zusammen. »Das ist zu lang.«

»Das hat dich die ganze Zeit beschäftigt?«, fragt Rem jetzt amüsiert.

»Nein«, sagt er immer noch mit ernster Miene, während seine Hand durch Rems Haar fährt. »Ich dachte, dass das Verhältnis von einem Tag zu einem Jahr zu groß ist. Und ich habe gestern den Tag mit Arbeiten verschwendet.«

»Aha«, sagt Rem, die versteht, worauf er hinaus will, und gute Laune hat, weil sie ausgeschlafen ist und er ihr den Kopf krault. »Um das auszugleichen, willst du deinen Geburtstag heute weiterfeiern.«

»Nicht nur heute«, erwidert Kohei mit einem ernsten Nicken. »Morgen Abend muss ich zu einem Familiendinner, aber bis dahin hab ich Zeit.«

Rem kichert. »Okay. Ich habe keine Pläne. Also, was willst du machen?«

»Hm«, macht Kohei und legt nachdenklich die Stirn in Falten. Er mustert Rem einen Moment, dann sagt er: »Hast du gestern nicht etwas von einem Kuchen gesagt?«

»Oh ja!« Sie nickt. »Es ist kein Geburtstag ohne Kuchen. Was für einen willst du?«

»Du würdest einfach so einen für mich machen?«, fragt er und klingt etwas verdutzt.

»Wieso nicht? Es ist ja keine große Sache.« Sie sieht ihn neugierig an.

Kohei lächelt und drückt ihr einen Kuss auf die Stirn. »Na gut, dann darfst du entscheiden, was wir sonst noch machen.«

»Ich dachte, du willst deinen Geburtstag weiterfeiern.«

Er nickt. »Und ich wünsche mir, dass wir machen, was du willst.«

Sie lacht. »Okay, wie wäre es damit: Wir frühstücken und dann backe ich einen Kuchen. Dann gehen wir ins Aquarium und wenn wir wiederkommen, können wir Kuchen essen.«

»Ins Aquarium?«, fragt Kohei, aber er lächelt. »Ich wusste nicht, dass du Fische magst.«

»Tu ich auch nicht unbedingt, aber man muss mindestens ein Date im Aquarium gehabt haben.«

Er runzelt die Stirn. »Wirklich? Wieso?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Weil es ein beliebter Ort für Dates ist. Es ist ruhig und die Lichter sind gedimmt, damit man die Fische in den Becken besser sehen kann.« Sie streicht mit der Hand über seine Seite, während sie ihn angrinst. »Und es gibt ein paar dunkle Ecken, in die niemand schaut.«

»Ich wusste gar nicht, dass Aquarien so interessante Orte sind«, sagt Kohei belustigt.

»Warst du noch nie in einem?«

»In meiner Ignoranz habe ich angenommen, dass man ins Aquarium geht, um sich Fische anzusehen.«

Rem lacht. »Wir können auch woanders hingehen.«

Er schüttelt den Kopf und streicht ihr mit der Hand über den Rücken. »Ich habe gesagt, dass wir machen, was du willst«, sagt er mit einem Lächeln, das Gesicht nur Zentimeter von ihrem entfernt.

»Es gibt auch noch andere Sachen, die ich machen will«, erwidert Rem, ebenfalls lächelnd. »Wir können ins Kino gehen.«

»Ah, noch ein schummriger Ort mit dunklen Ecken. Sollte ich deine Intentionen infrage stellen?«

Rem grinst. »Hmm, du solltest dich definitiv in Acht nehmen.«

»Oh wirklich?« Seine Lippen streichen über ihre. »Und das an meinem Geburtstag.«

Rems Kichern wird von dem Kuss gedämpft und ihre Hand wandert von seiner Seite zu seiner Schulter.

»Dann lass uns ins Aquarium gehen, wie du gesagt hast«, wispert Kohei schließlich. »Und heute Abend gehen wir ins Kino.« Er küsst sie noch einmal. »Oder morgen, falls es heute nicht mehr klappt.«

Rem nickt. »Klingt gut.«

»Du magst historische Actionfilme, richtig?«, sagt er dann mit einem Grinsen, als hätte er ein Geheimnis von ihr entdeckt.

»Ja.« Rem sieht ihn etwas überrascht an, da sie nicht das Gefühl hat, diese Tatsache vor ihm geheim halten zu müssen. »Die Schwertkämpfe sehen immer so cool aus«, fügt sie unter Koheis eingehendem Blick etwas befangen hinzu.

»Du findest Schwertkämpfe cool?« Er klingt überrascht.

»Ist das komisch?«

»Nein, ich wusste das nur nicht. Heißt das, du magst Schwerter?«

Rem rollt mit den Augen, während sie überlegt, wie sie darauf antworten soll. Es ist ein bisschen lächerlich, da kein normaler Mensch heutzutage ein Schwert braucht. Man müsste eine Schule für Schwertkampf besuchen, was Rem in Erwägung gezogen hätte, wenn sie Kickboxen nicht für geeigneter im Alltag halten würde. »Findest du sie nicht cool?«, fragt Rem schließlich, da sie den Eindruck hatte, dass auch er gebannt zugesehen hat, als sie vor einer Weile einen ihrer Lieblingsfilme gesehen haben.

»Doch«, sagt er und irgendetwas daran scheint ihn zu erheitern, denn er kichert.

Rem runzelt die Stirn.

»Vielleicht sollten wir auch noch in ein Museum gehen«, sagt er, immer noch mit einem fröhlichen Grinsen. Allerdings hat Rem nicht das Gefühl, dass er sich über sie lustig macht. Er scheint einfach glücklich zu sein.

»Das könnte knapp werden. Du hast doch gesagt, dass du morgen ein Familiendinner hast.« Schließlich muss man sich für ein Museum Zeit nehmen und sie hat das Gefühl, dass sie eher morgen als heute ins Kino gehen.

»Dann lass ich es ausfallen«, antwortet Kohei sofort, als wäre das eine Kleinigkeit.

»Nein, das Dinner ist doch bestimmt, um deinen Geburtstag zu feiern. Ich will dich nicht deiner Familie rauben.«

Er grinst vergnügt. »Du darfst mich rauben so viel du willst.«

So wie immer scheint eine Familienfeier für ihn keine Bedeutung zu haben und der Gedanke, dass es ihm tatsächlich einerlei ist, bereitet Rem Sorgen. »Willst du nicht auch Zeit mit deiner Familie verbringen?«

Sein Grinsen verblasst. »Ich bin aus dem Alter raus, in dem ich meinen Geburtstag mit meiner Familie feiern will.«

Rem presst die Lippen aufeinander. Von dem, was sie weiß, besteht eine eigenartige Distanz zwischen ihm und jedem Mitglied seiner Familie. Unabhängig davon, wie gut die Beziehung ist, fehlt es an der Vertrautheit, die man zu Menschen hat, die man sein ganzes Leben kennt. Ihr kommen seine Worte über seine Mutter in den Sinn, mit denen er sie Rem auf der Weihnachtsfeier vorgestellt hat. Sie sind hart gewesen und er hat sie gesagt, um seine Mutter von sich zu stoßen. Aber sie waren keine Lüge.

Und auch seinen Großvater behandelt er mehr wie einen Sponsor, dem er sich beweisen und den er bei Laune halten muss. Anfangs hat Rem geglaubt, sie bilde es sich ein, aber nachdem Kohei mehrmals so leichtfertig davon gesprochen hat, seine Familie aufzugeben, scheint die Zuneigung, die er seinem Großvater gegenüber empfindet, oberflächlich und dünn zu sein.

Die Person, bei der Rem die meiste Vertrautheit gespürt hat, ist, ironischerweise, sein Bruder und ihr geht durch den Kopf, dass das möglicherweise der Grund ist, weshalb er den Rest seiner Familie auf Abstand hält. Mr. Inouye hat Rem erzählt, dass Kohei und sein Bruder sich einmal nahegestanden haben. Vielleicht fürchtet er sich davor, dass sich der Bruch, den er mit seinem Bruder erlebt hat, wiederholt.

»Wieso machst du so ein Gesicht?« Koheis Daumen streicht über ihre Lippen, die sie noch immer zusammenpresst. »Ich gehe, wenn du dich dann besser fühlst.«

»Nein, wenn du wirklich nicht gehen willst, dann…« Sie unterbricht sich als Kohei kichert.

»Du willst nicht, dass ich nicht hingehe, aber wenn ich sage, dass ich gehe, ist es auch nicht recht? Kann es sein, dass du mir einfach widersprechen willst?« Seine Hand wandert von ihren Lippen zu ihrer Wange.

»Ich will nur nicht, dass du diese Entscheidung von mir abhängig machst.«

Kohei lächelt. »Ich weiß.«

Rem sagt nichts. Koheis Familiensituation ist kompliziert und auch wenn er sich gelassen gibt, muss es ein sensibles Thema für ihn sein. Sie will nicht versehentlich etwas Falsches sagen oder ihn unter Druck setzen.

»Wie geht es eigentlich deiner Familie?«, fragt Kohei plötzlich, als wollte er das Thema wechseln.

»Oh«, macht Rem und verzieht dann leicht das Gesicht, als sie an ihr letztes Treffen mit ihren Eltern denkt. »Gut. Als ich sie an Neujahr gesehen habe, hat…« Rem bricht ab, als sie daran denkt, wie ihre Mutter auf sie eingeredet hat, dass sie ihren neuen Freund kennenlernen will. Natürlich hat Midori längst eins und eins zusammen gezählt, auch wenn Rem ihr immer noch nichts von Kohei erzählt hat. »Willst du sie kennenlernen?«, fragt Rem, um die Entscheidung ihm zu überlassen.

Kohei versteift sich.

»Du musst nicht, wenn du nicht willst. Du sollst nur wissen, dass ich nicht versuche, dich geheim zu halten oder so.« Sie grinst, weil sie erwartet, dass Kohei einen Witz darüber macht, dass er ihre geheime Mätresse ist oder etwas in der Art.

Aber Kohei macht ein ernstes Gesicht. »Wenn ich deine Eltern kennenlerne, dann bedeutet das, dass wir ein richtig offizielles Paar sind.«

Rem runzelt die Stirn. »Das sind wir doch jetzt schon.«

»Das ist ein sehr wichtiger Schritt«, sagt er, als hätte er sie nicht gehört und wirkt plötzlich sehr angespannt.

Rem mustert ihn etwas überrascht. Er hat ähnlich reagiert, als sie ihre Eltern das letzte Mal angesprochen hat, aber es ist trotzdem eigenartig, ihn so nervös zu sehen. »Du kannst es dir in Ruhe überlegen. Dieses Wochenende wird es eh nichts mehr und nächstes Wochenende bin ich mit Sakura verabredet.«

»Hm«, macht Kohei und nickt in Gedanken versunken. Aber dann blinzelt er und sieht Rem an. »Sakura wer?«

»Sakura Kondo von der Arbeit.«

Kohei starrt sie an. Dann schmälern sich seine Augen. »Das wollte ich dich schon eine Weile fragen, aber wie ist das mit euch passiert?«

»Dass wir Freunde geworden sind, meinst du? Ist das komisch?«

»Ja«, sagt Kohei sofort und an seinem Blick ist offensichtlich, was er denkt.

Rem grinst. »Wieso? Wir haben viele Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel, was unseren Geschmack bei Männern angeht.«

Er rümpft die Nase und Rem kichert. »Keine Sorge, Sakura wird nie wieder mit dir flirten.«

»Trotzdem, wie kannst du mit ihr befreundet sein?«

»Du meinst, ohne sie aus dem Land zu jagen?«

»Tsk« Kohei zieht die Brauen zusammen und sieht kategorisch zur Decke. »Dann stört es dich überhaupt nicht, dass sie mich ziemlich lange, ziemlich gemocht hat?«

»Willst du, dass es mich stört?«, fragt Rem, resigniert über sein kindisches Benehmen.

»Ja.«

Rem legt die Stirn in Falten und schiebt vorsorglich ihre Hand in seine Haare. »Es ist nicht so, dass ich gern darüber nachdenke, was zwischen euch war, aber Sakura definiert sich nicht nur darüber, dass sie dich mochte.« Vor allem weiß Rem wie sehr Sakura durch Kohei verletzt wurde, aber das will sie ihm nicht sagen. »Wir ähneln uns wirklich, und zwar darin, dass wir das, was wir tun, sehr ernst nehmen. Ich glaube aber, dass Sakura öfter missverstanden wird.«

Seine Miene wird etwas sanfter.

Sie weiß, dass er nichts gegen ihre Freundschaft mit Sakura an sich hat, sondern dass es ihm darum geht, dass sie weniger empfindlich auf seine Beziehungen zu anderen Frauen reagiert als er, wenn es um ihre Beziehung zu anderen Männern geht. »Liebe definiert sich nicht über Eifersucht«, fügt sie hinzu, wobei sie ihm durchs Haar streicht und ihre Hand schließlich wieder auf seine Schulter legt. »Und du solltest dich geschmeichelt fühlen.« Sie dreht ihn auf den Rücken und klettert auf ihn. »Du bist so ein guter Freund, dass ich mir gar keine Sorgen mache, dass du mich verlässt.«

Er runzelt die Stirn, während er die Hände hinter ihrem Rücken verschränkt. »Hast du nicht gestern erst geweint, weil du Angst hattest, dass ich dich verlasse?«

Bei der Erinnerung steigt Rem Röte in die Wangen und sie verzieht das Gesicht. »So war das nicht, ich wollte nur nicht denselben Fehler machen wie bei Kosuke!«

Er grinst.

»Wie auch immer, nächste Woche bin ich mit Sakura verabredet, um ihr meine Boxhalle zu zeigen.«

»Kondo will boxen?« Er klingt skeptisch.

»Sie will es ausprobieren.«

Er seufzt. »Wie du willst, aber was ist mit dem Museum? Sollen wir das verschieben oder willst du gar nicht gehen?«

»Wir sind nur am Sonntag verabredet«, erwidert sie mit einem Lächeln. Sie weiß nicht, ob Kohei jemand ist, der gerne Museen besucht, aber er zeigt an allem Interesse, das sie erwähnt. So als wolle er herausfinden, ob er ihre Interessen teilt, und nicht nur, um ihr einen Gefallen zu tun. Es ist angenehm, weil sie nicht das Bedürfnis hat, ihre Interessen vor ihm zu verbergen oder herunterzuspielen, damit er sich nicht verpflichtet fühlt, etwas tun zu müssen, dass er nicht wirklich will.

Koheis Finger streichen über ihre Wange. »Dann hast du am Samstag Zeit für mich?«

Sie nickt.

»Gut.« Ein Lächeln umspielt seine Lippen, aber es wirkt angespannt. »Und wegen deiner Eltern, frag sie, wann sie Zeit haben.«

Rem runzelt die Stirn. »Bist du sicher?«

Er nickt. »Das gehört dazu.«

Sie zögert und überlegt, ob sie ihn vorwarnen soll. Aber dann beschließt sie, ihn nicht noch nervöser zu machen. »Stimmt. Ich frag sie«, sagt sie und die plötzliche Erkenntnis, was es bedeutet, dass er ihre Eltern kennenlernen will, erfüllt sie mit Freude. Sie beugt sich zu ihm herunter und drückt ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen. »Wollen wir dann frühstücken?«

Posterboy

Koheis Geburtstagswochenende vergeht viel zu schnell und er wünschte, er hätte das Familiendinner doch abgesagt. Er weiß aber, dass sein Geburtstag so oder so zu Ende gehen würde und dass sein Bedauern darüber daher kommt, dass er seinen Geburtstag so genossen hat. Da es so betrachtet etwas Gutes ist und er außerdem die Absicht hat, nach dem Dinner zu Rem zurückzukehren, hat er überdurchschnittlich gute Laune, als er im Haus seiner Familie ankommt.

»Guten Abend!«, sagt er mit einem strahlenden Lächeln, als er den Speisesaal betritt, in dem bereits sein Großvater, seine Mutter und Saburo anwesend sind. Sogar letzterer vermag seine Laune nicht zu trüben, obwohl sein Bruder ihn recht abfällig mustert.

»Wieso bist du so angezogen?«, fragt Saburo, nachdem er Kohei in seinem weißen Anzug von Kopf bis Fuß in Augenschein genommen hat.

Normalerweise hätte Kohei eine genauso abfällige Antwort für ihn übrig gehabt, aber in diesem Moment, kann er nur genügsam lachen. »Eifersüchtig?«

Saburo verzieht das Gesicht. »Worauf?«

»Darauf, dass mir weiße Anzüge so gut stehen«, sagt Kohei und rückt unterstreichend seine Krawatte zurecht.

Himari klatscht in die Hände. »Du siehst wirklich toll aus, Kohei.«

»Ein passender Tag, um etwas Auffälliges zu tragen«, stimmt Toshiro zu.

»Und es steht mir außergewöhnlich gut!« Kohei nickt, immer noch stehend, und spielt unterstreichend mit seiner Krawatte.

»Wieso bist du so nervig?«, fragt Saburo.

»Das ist eine sehr schöne Krawatte«, sagt Himari, die als einzige ein gutes Auge zu besitzen scheint.

»Ich habe dich schon immer, für deinen Sinn für Mode bewundert, Mutter«, sagt Kohei fröhlich und geht auf sie zu.

»Oh?«, macht Himari, nur um dann verdutzt zu erstarren, als Kohei ihr einen Kuss auf die Wange drückt.

»Herrje«, sagt Saburo resigniert. »Ms. Aozora hat dir diese Krawatte geschenkt, oder? Deswegen bist du so aufgedreht.«

Kohei grinst, während er sich auf seinen Platz gegenüber von seinem Großvater setzt. »Selbst wenn du unbedingt willst, Bruder, du kannst dir nirgendwo so eine Krawatte kaufen.«

»Wer sagt, dass ich das will?«

»Ich weiß, das Design ist einzigartig und beeindruckend, aber es gibt nur eine einzige von diesen Krawatten und die gehört mir. Außerdem steht mir Weiß besser als dir.« Beim Sprechen zieht er die Krawatte unter seiner Weste hervor, sodass Saburo sie im Ganzen bewundern kann.

»Hör mir zu, wenn ich rede!«, knurrt Saburo, aber Kohei überhört seinen genervten Ton.

»Dann hat Ms. Aozora ein Unikat für dich erworben? Wie umsichtig.« Toshiro nickt zufrieden.

Aber Kohei lacht auf. »Nein, nein, Großvater, sie hat sie nicht für mich ‚erworben‘. Sie hat sie gemacht.«

»Hm?« Toshiro runzelt fragend die Stirn.

Kohei hebt die Krawatte, damit die drei sie besser sehen können. »Rem hat diese Krawatte selbst bemalt. Diese und noch eine andere. Nur für mich.« Er lässt diesen Moment puren Erstaunens seitens seiner Familie auf sich wirken.

»Toll«, sagt Saburo matt. »Können wir jetzt essen?«

Toshiro räuspert sich. »Natürlich«, sagt er und gibt einem der Angestellten ein Handzeichen. »Es klingt, als würde Ms. Aozora sich gut um dich kümmern, Kohei.«

»Wieso hast du sie nicht mitgebracht?«, fragt Himari mit leicht bebender Stimme und als Kohei sie ansieht, bemerkt er, dass Tränen in ihren Augen glitzern. Nicht, dass das ungewöhnlich ist, da seine Mutter sehr nah am Wasser gebaut ist. »Sie ist so ein nettes Mädchen.«

»Ich wollte sie nicht stressen«, antwortet Kohei knapp, während er sich fragt, wann seine Mutter Zeit hatte, Rem mögen zu lernen. Aber vielleicht sagt sie das auch nur, um sich bei Kohei beliebt zu machen.

»Wieso sollten wir sie stressen?« Toshiro klingt missbilligend. »Wir sind praktisch Familie. Es sei denn natürlich, du konntest eure Differenzen von der Weihnachtsfeier nicht ausräumen?« Der scharfe Blick seines Großvaters trifft Kohei und erinnert ihn daran, dass er unglücklicherweise anwesend war, als Rem verlauten ließ, dass sie Kohei nicht in nächster Zukunft heiraten will.

»Wir haben keine Differenzen. Alles, was Rem gemeint hat, ist, dass sie nicht leichtfertig heiratet und es gleich dreimal tut, so wie jemand anderes, den ich kenne.«

»Wenn sie sich vorgenommen hat, nur einmal im Leben zu heiraten, solltest du besser dafür sorgen, dass du dieses eine Mal bist.«

Kohei schnaubt. »Wer denkst du, bin ich, Großvater?«

»Jemand, der unausstehlich wird, wenn er eine Freundin hat. Ms. Aozora tut mir leid«, wirft Saburo ein und Kohei bedenkt seine Worte zum ersten Mal mit einem genervten Blick.

»Ich habe vollstes Vertrauen in dich, Kohei. Deswegen habe ich ein Ferienhaus für dich und Ms. Aozora gekauft. Ich dachte, das ist angebrachter, als ein Haus in der Stadt, das ihr euch zu gegebener Zeit wohl selbst heraussuchen wollt. Es ist ein guter Ort, um sich zu erholen, und groß genug für Gäste oder Kinder, die ihr in Zukunft haben werdet.«

Kinder, wiederholt Kohei in seinem Kopf und es ist ein befremdlicher Gedanke, da er, wie ihm jetzt klar wird, nie darüber nachgedacht hat, Kinder zu haben. Außerdem kann er sich vorstellen, was Rem dazu sagen würde, wenn er anfängt über ihre zukünftigen Kinder zu reden. Und in diesem Fall ist er ganz ihrer Meinung. Es ist viel zu früh, um über Kinder nachzudenken. »Danke, Großvater«, sagt er höflich und mit dem Vorsatz, Rem nichts von dem Ferienhaus zu erzählen. Es würde sie nur abschrecken.

Toshiro räuspert sich. »Und wo wir gerade von Geschenken sprechen.«

Kohei nimmt seinen Blick von dem Suppenteller, der gerade als erster Gang serviert wird, um seinen Großvater anzusehen, dessen Stimme nun eigenartig zögerlich klingt.

»Hatte ich mal erwähnt, dass ich mir schon immer eine Enkeltochter gewünscht habe, die mir etwas Selbstgemachtes schenkt?« Er wirft Kohei einen bedeutungsvollen Blick zu.

»Ich glaube, Himari ist zu alt für noch ein Kind.«

Himari schnappt empört nach Luft, während Toshiro missbilligend die Stirn in Falten legt. »Es muss keine leibliche Enkeltochter sein.«

»Willst du sagen, dass Saburo sich endlich eine Frau suchen soll?«

Saburo schnalzt mit der Zunge. »Du weißt ganz genau, dass er von Ms. Aozora redet.«

Kohei lächelt ungerührt. »Aber alle selbstgemachten Geschenke von Rem gehören mir, also ist es sinnlos, danach zu fragen.« Tatsächlich ist er sich sicher, dass Rem sich sofort an die Arbeit machen würde, hätte sie Toshiros Bitte gehört, und das ist ein Grund mehr, jegliche Hoffnungen seiner Familie, etwas Besonderes von Rem zu bekommen, im Keim zu ersticken.

»Du bist selbstsüchtig, Kohei!«, sagt Toshiro streng, aber Kohei entgeht der beleidigte Unterton nicht.

»Natürlich bin ich das«, erwidert Kohei unbeeindruckt. »Rem ist meine Freundin. Wenn du selbstgemachte Dinge haben willst, such dir eine eigene Freundin.«

Toshiro seufzt. »Ich habe das Gefühl, Ms. Aozora ist ein bisschen zu gut zu dir.« Er klingt immer noch beleidigt, aber bei diesen Worten kann Kohei nicht anders als zu grinsen. »Ja, das kann sein«, erwidert er, während seine Gedanken zu den vergangenen Tagen zurückwandern und er mit einem Mal das Bedürfnis hat, dieses Familiendinner so schnell wie möglich zu beenden und zu Rem zurückzufahren.


 

Das Essen zieht sich dennoch in die Länge, da Toshiro es nicht lassen kann und sie ein fünf Gänge Menü essen. Aber kaum ist der Nachtisch gegessen, verschwindet Kohei im Bad, um sich frisch zu machen. Er will sichergehen, dass sein Anzug noch sitzt und er keine Flecken während des Essens bekommen hat, bevor Rem ihn sieht. Und er kann es kaum erwarten zu hören, was sie zu seinem Outfit sagt. Er ist zu sich gefahren, um sich umzuziehen, daher hat sie ihn noch nicht in seinem weißen Anzug gesehen, aber da sie findet, dass ihm helle Farben stehen und er außerdem ihre Krawatte trägt, muss sie ihm ein Kompliment machen.

Als er sich jedoch auf den Weg nach draußen machen will, wird er von seiner Mutter aufgehalten. Sie ruft ihn in den Salon, wo sie wohl allein darauf gewartet hat, dass er aus dem Bad zurückkehrt. Toshiro hat schon während des Essens mehrere Male Nachrichten mit Tokuma ausgetauscht und ist dann schließlich mit dem Sekretär in seinem Büro verschwunden, während Saburo mittlerweile vermutlich auf dem Weg nach Hause ist.

»Was gibt es?«, fragt Kohei, ohne sich auf den Sessel zu setzen, auf den seine Mutter deutet.

»Ich wollte dir dein Geschenk geben«, sagt sie und hält ein kleines Päckchen hoch, das in goldenes Geschenkpapier gewickelt ist. Sehr unordentlich, und das blaue Geschenkband, das darum gewickelt ist, sieht aus, als würde es jeden Moment von selbst aufgehen. »Ich habe es selbst eingepackt«, sagt Himari etwas schüchtern, was den erbärmlichen Zustand des Geschenks erklärt.

Kohei seufzt und geht zu ihr, um das Geschenk entgegenzunehmen. Dabei muss er das Geschenkband festhalten oder es wäre tatsächlich von selbst heruntergerutscht. »Danke. Ich mache es zu Hause auf«, sagt er und wendet sich ab, in der Absicht keine Minute länger zu verschwenden.

»Warte, willst du es nicht sofort aufmachen?«

Er hört, wie Himari aufsteht, aber er dreht sich nicht um. »Nein, ich will zu Rem zurück.«

»Aber ich wollte mit dir über Rem reden!«

Diesmal hält Kohei inne. Weniger wegen Himaris Absichten, als mehr wegen der Tatsache, dass sie Rem beim Vornamen nennt. Aber so wie er seine Mutter kennt, hat sie einfach Rems Namen vergessen und sich nur an ihren Vornamen erinnert, weil Kohei ihn zuvor gesagt hat. »Es ist mir egal, was du von ihr hältst oder über sie zu sagen hast«, sagt er und will weitergehen.

Aber da sagt Himari: »Ich habe sie gefragt, was sie an dir mag. Willst du nicht wissen, was sie gesagt hat?«

Kohei verzieht das Gesicht. Einen Moment ringt er mit sich, dann dreht er sich um, läuft zurück und lässt sich auf den Sessel fallen.

Himari beobachtet ihn mit großen Augen. Dann kichert sie. »Du hast sie wirklich gern«, sagt sie erheitert, während sie sich wieder auf ihrem Sessel niederlässt.

»Wann hast du mit Rem gesprochen?«

»Auf der Weihnachtsfeier.« Sie hat ein untypisch selbstbewusstes Lächeln auf den Lippen, während sie das sagt und Kohei erinnert sich daran, dass Rem seine Mutter erwähnt hat.

»Was willst du?«

»Ich will nur, dass du mein Geschenk aufmachst. Dann sage ich dir, was sie gesagt hat.«

Kohei verdreht die Augen. Sie muss sich sehr sicher sein, dass ihm der Inhalt ihres Geschenks gefällt, auch wenn er nicht sagen kann, dass sie in der Vergangenheit ein Händchen dafür hatte. Die schlampige Verpackung erleichtert ihm das Auspacken, wobei das Geschenk so dick in Geschenkpapier eingewickelt ist, dass es um einiges größer aussah, als es ist.

»Es ist ein Glücksbringer«, sagt Himari, kaum dass Kohei das ausgepackte Geschenk in der Hand hält. »Für dich und Rem. Ich war extra an Neujahr in einem Tempel, um ihn zu kaufen.«

Es ist ein Glücksbringer für Liebesglück und auch wenn er nicht unbedingt viel von diesen Dingen hält, muss Kohei zugeben, dass der Gedanke dahinter nicht schlecht ist. Es wäre ihm egal gewesen, wenn Himari nichts von seiner Beziehung zu Rem halten würde und es hätte nur bedeutet, dass er seine Mutter noch weniger sehen würde, als er es ohnehin schon tut. Aber es ist auch kein schlechtes Gefühl zu wissen, dass seine Mutter Rem akzeptiert. Und es wird Rem erleichtern.

»Danke«, sagt er und richtet seinen Blick auf Himari. »Also, was hat sie gesagt?«

Himaris Lächeln verblasst etwas, aber sie nickt. »Sie hat gefragt, ob sie die Frage andersherum beantworten kann, weil es sonst zu lange dauern würde.«

Kohei blinzelt verdutzt. »Eh?« Der Laut kommt ihm ungewollt über die Lippen, denn er kann nicht glauben, dass Rem das gesagt hat. Sie macht ihm selten genug Komplimente, da sie ihn für arrogant und selbstgefällig genug hält. Etwas, das er nicht abstreiten will, jetzt jedoch bereut, denn er will wissen, was die Dinge sind, die zu lange dauern würden, um sie zu sagen.

Aber so schmeichelnd der Gedanke daran ist, so beunruhigend ist ihre Bitte, die Frage umzudrehen. Und das allein versichert ihm, dass Himari ihn nicht anlügt und das definitiv Rems Antwort war. »Sie hat also gesagt, was sie an mir nicht mag?«

Himari nickt.

Natürlich weiß Kohei, dass es einige Dinge an ihm gibt, die Rem nicht mag, aber mit einem Mal stört ihn das mehr, auch wenn es nach Rems Aussage weniger schlechtes als gutes an ihm gibt. »Hat sie gesagt, ich bin zu eifersüchtig und aufdringlich? Das weiß ich schon.« Kohei rutscht zum Rand des Sessels, bereit aufzustehen, sobald Himari nickt.

Aber sie runzelt die Stirn und schüttelt den Kopf. »Das, was sie gesagt hat, hatte nichts mit dir zu tun.«

Kohei macht ein verwirrtes Gesicht.

»Ich meine, es war nichts, das du zu verschulden hast.«

Er springt auf. »Wenn du nichts zu sagen hast, frage ich eben Rem!«

»Nein!« Himari steht ebenfalls auf. »Ich weiß nicht, ob Rem wollen würde, dass ich dir das sage.« Sie presst die Lippen aufeinander und Tränen glitzern in ihren Augen. »Aber vielleicht fällt es mir auch einfach schwer zuzugeben, dass sie etwas wiedergutmachen muss, das meine Schuld ist.«

»Wovon redest du?« Er hat kaum zu Ende gesprochen, als seine Mutter vortritt und die Arme um seine Mitte schlingt.

»Mein Junge!«, schluchzt sie und Kohei verdreht die Augen, während er sich fragt, wie viel Wein seine Mutter beim Essen getrunken hat.

»Ich habe so viele Fehler gemacht und es ist alles meine Schuld. Aber ich bin so froh, dass du jemanden gefunden hast, der an deiner Seite steht.«

»Was soll das überhaupt heißen?!«, fragt Kohei nun etwas aufgebracht und mit erhobenen Händen, ohne die Umarmung seiner Mutter zu erwidern. Sein Blick huscht zu der Hand, in der er den Glücksbringer hält, während er überlegt, ob er Himari von sich schieben soll.

»Das, was sie nicht mag, ist, dass du so oft verletzt wurdest.«

Kohei hält inne.

»Es hat sie wütend gemacht, wie man dich behandelt hat und ich weiß, dass sie für dich da ist. Sie hat es geschafft, diese Schlange loszuwerden und ich weiß, dass sie dich glücklich machen wird. Also lass sie nicht los.«

Er atmet aus. »Das weiß ich auch so«, sagt er und legt ihr die Hände auf die Schultern, um sie zurückzuschieben. Hauptsächlich, um sie nicht wissen zu lassen, wie schnell sein Herz wegen ihres Gesprächs in seiner Brust hämmert. »Und hör auf, immer an mir zu kleben, wenn wir uns sehen.«

Himari, die ihn nur sehr widerwillig loslässt, steigen neue Tränen in die Augen. »Aber wenn ich das nicht tue, gehst du immer weg.«

»Ja«, sagt er energisch und sie schnieft. Sie hebt die Hände an die Augen und verschmiert ihre Schminke, als sie ihre Tränen wegwischt.

Kohei seufzt. »Aber ich komme auch immer wieder.«

Himari blinzelt und sieht zu ihm auf. Hoffnung schimmert in ihren Augen und er wendet den Blick ab. »Danke für den Glücksbringer. Rem wird sich freuen, dass du uns Glück wünschst...und ich auch.« Den letzten Teil fügt er etwas leiser hinzu und er kommt sich dumm vor.

Und dann beginnt Himari laut zu schluchzen.

»Hey!«, sagt Kohei noch erschrocken, bevor sie sich erneut in seine Arme wirft. »Wieso weinst du?! Und wehe du machst Flecken auf meinen Anzug!«, schimpft er, während er erneut versucht, Himari von sich zu lösen.

Diesmal lässt sie sich leichter zurückschieben, aber sie hält seine Arme fest. »Du willst zu Rem, oder?«

»Wohin sonst?«

Sie schnieft, aber ein Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht. »Dann musst du natürlich gut aussehen. Obwohl du natürlich immer gut aussiehst.« Sie streckt die Hand nach seinen Haaren aus, aber als Kohei zurückweicht, lässt sie sie wieder sinken. »Richte ihr Grüße von mir aus. Und sag ihr, dass sie immer willkommen ist, mich zu besuchen, und dass ich sie gerne besser kennenlernen würde.«

Koheis Augen schmälern sich misstrauisch.

»Nur wenn du es erlaubst natürlich.«

Er seufzt und befreit auch seine Arme von Himari. »Ich denk drüber nach«, brummt er und wendet sich ab. Im Gehen hebt er die Hand zum Abschied, während er sich nun endgültig auf den Weg zu Rem macht, die er jetzt mehr denn je sehen will.

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