Kitsune

Side Story 1

Ein perfektes Desaster

»Du musst nicht nervös sein.« Rem mustert Sakura von der Seite, die den Blick steif geradeaus gerichtet hat, während sie die Straße hinuntergehen. Sie sind auf dem Weg zu Rems Boxhalle und Sakura, die erst nach einigem Hin und Her zugestimmt hat, Rem zu begleiten, scheint nun wieder unsicher zu sein.

»Bin ich nicht!«, antwortet sie knapp und ohne zu Rem zu sehen.

Jemandem, der nervös ist zu sagen, dass er nicht nervös sein muss, ist wahrscheinlich nicht sehr hilfreich, denkt Rem. Aber sie versteht nicht einmal, weshalb Sakura so nervös ist. »Die Leute im Club sind alle nett.«

»Ich hab gesagt, ich bin nicht nervös!«

Rem schließt den Mund wieder und belässt es dabei. Sie überlegt, was Kohei in dieser Situation tun würde, da er so begabt darin ist, die Stimmung zu beeinflussen. Ihm würde bestimmt etwas einfallen, um Sakura zu beruhigen und er würde wahrscheinlich sogar wissen, weshalb sie nervös ist.

Einen Moment lang beglückwünscht Rem sich, einen so aufmerksamen Freund zu haben, ehe ihr wieder einfällt, dass Kohei für Sakura wohl eher ein Grund mehr wäre, nervös zu sein.

Sie ist selbst ein wenig überrascht, wie gelassen sie die Sache zwischen Sakura und Kohei sieht. Aber Tatsache ist, dass die beiden sich aus dem Weg gehen, ohne es so offensichtlich zu machen, dass es auffallen würde. Es ist als wäre nie etwas zwischen ihnen gewesen und erinnert Rem an ihre Beziehung zu Kosuke bevor sie aus ihrer alten Wohnung ausgezogen ist. Vielleicht liegt es also daran, dass sie das Gefühl kennt, wenn jemand, der einem einmal etwas bedeutet hat, plötzlich bedeutungslos wird.

Schließlich erreichen sie die Boxhalle, nachdem sie den Rest des Weges geschwiegen haben, und als sie die Halle betreten, ist Rem froh, endlich wieder etwas Sinnvolles zu sagen zu haben.

»Wir fangen am besten mit ein paar Aufwärmübungen an, bevor ich dir die Grundlagen zeige«, sagt sie, während Sakura sich umsieht. Sie hat ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden und ihre Sportkleidung sieht brandneu aus. Außerdem ist sie farblich abgestimmt, auch wenn Rem froh ist, dass sie keine künstlichen Nägel trägt.

»Es ist kleiner, als ich erwartet habe«, sagt Sakura, wobei sie die Jungs beim Ring beobachtet. Ryonosuke ist einer von ihnen und als er Rem und Sakura entdeckt, winkt er und kommt zu ihnen.

»Hi Rem«, sagt er mit einem Grinsen, bevor er zu Sakura sieht. »Ein neues Gesicht! Schön dich kennenzulernen, ich bin Ryonosuke Ozaki, aber Ryonosuke reicht völlig.«

»Sakura Kondo«, sagt Sakura und ihr Blick zuckt zu seinem Oberkörper.

Wie so häufig hat er während des Trainings beschlossen sich auszuziehen, woran Rem mittlerweile so gewöhnt ist, dass es sie nicht mehr stört.

»Oh!« Ryonosuke sieht an sich hinunter und scheint sich daran zu erinnern, dass es eigenartig ist, eine Fremde mit nacktem Oberkörper zu begrüßen. »Tut mir leid, ich hätte mir etwas anziehen sollen.« Er lacht etwas unbeholfen und reibt sich den Hinterkopf.

»Das interessiert mich nicht«, erwidert Sakura kühl.

Ryonosuke hält inne und wirft Rem einen Blick zu.

Rem legt Sakura eine Hand auf die Schulter. »Sakura interessiert sich dafür, Selbstverteidigung zu lernen, also habe ich sie mitgebracht. Und wenn sie ein bisschen frostig rüberkommt, liegt das daran, dass sie nervös ist.«

Sakura reißt den Kopf herum, um Rem verärgert anzusehen. »Wie oft muss ich noch sagen, dass ich nicht nervös bin?!«, faucht sie, aber die Röte auf ihren Wangen verrät sie.

Rem lächelt und sieht zu Ryonosuke. »Gerade wollte sie sagen, dass es sie nicht stört, wenn du ohne T-Shirt trainierst.«

»Genau das habe ich gesagt!«, sagt Sakura etwas empört.

»Okay, cool!« Ryonosuke klatscht in die Hände und lächelt Sakura nun wieder gut gelaunt an. »Willkommen im Club und wenn du irgendwelche Fragen oder Probleme hast, kannst du jederzeit zu mir kommen, falls Rem mal nicht da ist. Ich hoffe, es gefällt dir hier.« Er spricht etwas förmlicher als vorher und er scheint Sakura etwas Freiraum geben zu wollen, denn er nickt Rem kurz zu, bevor er zum Ring zurückkehrt.

Sakura sieht ihm hinterher. »War ich wirklich frostig?«

»Ein bisschen«, sagt Rem und tätschelt Sakuras Schulter, bevor sie ihre Hand zurückzieht. »Aber Ryonosuke ist niemand, der einen Groll hegt, wenn du ihm sagst, dass es nicht so gemeint war.«

Sakura sieht zu Rem, die Brauen leicht zusammengezogen. »Ich wollte nur nicht zu freundlich wirken, damit er nichts missversteht.«

Rem nickt. Sakura sieht auch in ihren Sportklamotten tadellos aus und sie ist eine Schönheit, sodass einige Männer auf dumme Ideen kommen könnten. Und Rem kann sich gut vorstellen, dass sie das schon das eine oder andere Mal erlebt hat. »Darum musst du dir auch keine Sorgen machen. Hier herrscht eine ‚Kein Flirten‘ – Regel, damit es keine Missverständnisse gibt. Und falls irgendein Kerl dich doch in eine unangenehme Lage bringt, ist Ryonosuke der erste, der diesen Kerl zur Rede stellt.«

Ryonosuke ist selbst verglichen mit den anderen Männern ein großer Kerl und außerdem ein fähiger Kickboxer. Da er es sich zur Aufgabe gemacht hat, darauf zu achten, dass niemand im Club belästigt wird, verstößt so gut wie nie jemand gegen die ‚Kein Flirten‘ – Regel.

Sakura blinzelt. »Wirklich?«, sagt sie und sieht dann wieder zu Ryonosuke, der gerade in den Ring steigt. Und der Ausdruck auf ihrem Gesicht scheint nicht mehr ganz so abweisend wie zuvor.


 

Nach dem Training, als Rem ihre Tasche aus dem Schließfach in der Umkleide holt und einen Blick auf ihr Handy wirft, stellt sie fest, dass sie fünf verpasste Anrufe und zwei Nachrichten erhalten hat. Man würde annehmen, dass etwas passiert ist, aber die Anrufe und Nachrichten stammen von ihrer Mutter, der gegenüber sie zuvor angedeutet hat, ihr Kohei vorstellen zu wollen. Das heißt, sie hat eigentlich nur gefragt, ob sie und Juro Zeit hätten, sich mit ihr zum Essen zu treffen.

Sie wartet, bis sich Sakuras und ihr Weg trennen, bevor sie ihre Mutter zurückruft.

»Du hast dich also endlich dazu entschlossen, uns deinen neuen Freund vorzustellen«, begrüßt Midori sie, wobei sie noch vorwurfsvoller klingt, als Rem erwartet hat.

»Ja. Passt euch Samstagnachmittag?«

Midori seufzt. »Es würde dir nicht schaden, etwas weniger kurz angebunden zu sein. Du hast mir noch nicht einmal seinen Namen verraten.«

»Warum sollte ich dir jetzt übers Handy von ihm erzählen, wenn du ihn nächste Woche kennenlernst.«

Midori seufzt erneut. »Du bist genau wie dein Vater, wirklich!«

Rem kann praktisch sehen, wie Midori den Kopf schüttelt.

»Wo wir gerade von ihm sprechen, hast du ihn schon gefragt?«

Rem runzelt die Stirn. »Du hast ihm doch bestimmt schon alles erzählt.«

»Wieso sollte ich? Es ist deine Einladung.« Sie klingt etwas schnippisch.

Rem verdreht die Augen. »Gut, ich frag ihn und schick dir dann eine Nachricht, ob es bei Samstag bleibt, in Ordnung?«

»Von mir aus. Aber wenn er keine Zeit hat, können wir uns trotzdem am Samstag sehen. Und wenn er Zeit hat, sag ihm, dass er sich ein bisschen Mühe geben soll. Ich erinnere mich noch gut daran, wie er sich benommen hat, als du uns Kosuke vorgestellt hast. Er hat nichts gesagt, als hätte er überhaupt kein Interesse daran, mit wem du ausgehst.«

Rem rümpft die Nase. Auch sie erinnert sich gut an diesen Tag und daran, wie Midori Kosuke mit Fragen gelöchert hat. Selbst wenn Juro eine Frage gehabt hätte, die Midori noch nicht gestellt hatte, wäre er nicht dazu gekommen sie zu fragen, da Midori ohne Punkt und Komma geredet hat. »Ja. Ich muss jetzt auflegen. Wir sehen uns am Samstag.«

»Warte mal. Wir haben uns kaum gesprochen, seit du diesen Unfall hattest. Dir geht es doch gut, oder?«

»Ja, mir geht es gut.« Rem nickt und überlegt dann einen Moment. Sie hat tatsächlich seltener mit ihren Eltern, ihrem Vater im Besonderen, gesprochen, seit sie mit Kohei zusammen ist. »Ich war gerade in der Boxhalle, mit einer Freundin von der Arbeit. Deshalb bin ich vorhin nicht ans Handy gegangen.«

»Ach so, und ich dachte schon, du ignorierst mich. Aber bist du sicher, dass es eine gute Idee ist, schon wieder boxen zu gehen?«

»Der Unfall ist jetzt schon ein paar Monate her und ich bin vorsichtig.«

»Ja, ich kenne dich und deine Definition von ‚vorsichtig’. Aber ich bin froh, dass du dir auch etwas Zeit für dich und deine Freunde nimmst. Als du mit Kosuke zusammen warst, hast du dich viel zu wenig um dich selbst gekümmert.«

Und so plaudert Rem noch eine Weile mit ihrer Mutter, bis sie schließlich bei Koheis Wohnung ankommt, wo sie auflegt.

Kohei sitzt an seinem Schreibtisch vor seinem Computer, Kopfhörer auf, und spielt sein Videospiel mit Murasaki. Dass er mit Murasaki spielt, stellt sie daran fest, dass er recht unhöflich vor sich hin schimpft. Er ist so fokussiert, dass sie sich nicht sicher ist, ob er überhaupt bemerkt hat, dass sie da ist.

Der Gedanke ärgert sie ein wenig, aber während sie ihn beobachtet, wie er den Kopf hin und her bewegt, als würde er versuchen, etwas zu sehen, das hinter dem Rand des Bildschirms liegt, und wie er selbst seine Füße nicht stillhalten kann, muss sie lächeln.

Sie geht zu ihm und drückt ihm einen Kuss auf die Wange, da er sie offensichtlich nicht hören kann.

Allerdings reagiert er nicht sehr überrascht, als ob er sie sehr wohl bemerkt hat. »Ich muss jetzt Schluss machen. Rem ist wieder da«, sagt er in sein Mikrophon und Rem, die die actionreiche Szene auf seinem Bildschirm sieht, beschließt, ihm Zeit zu lassen und sich etwas zu trinken aus der Küche zu holen. Dann setzt sie sich mit ihrem Glas aufs Sofa und da ist Kohei schon dabei, das Spiel zu beenden.

»Und wie wars?«, fragt er, nachdem er sich mit seinem Stuhl zu ihr umgedreht hat.

»Gut.« Rem nickt. »Sakura war am Anfang etwas nervös, aber dann hat sie sich richtig Mühe gegeben. Ich glaube, es hat ihr gefallen.«

Kohei steht auf. »Und du hast dich nicht überanstrengt?«, fragt er, während er auf sie zu geht.

Rem rümpft die Nase. »Ich bin kein Invalide«, sagt sie leicht genervt, nun schon das zweite Mal darauf angesprochen zu werden.

»Aber du hast dir den Arm gebrochen.« Kohei lässt sich neben ihr nieder und nimmt sanft ihre rechte Hand in seine. Er dreht sie, sodass der Handrücken nach oben zeigt und fährt mit dem Daumen über ihre Knöchel.

Rem beobachtet das etwas mürrisch, aber sie zieht ihre Hand nicht zurück. »Ich habe übrigens mit meiner Mutter gesprochen. Ihr passt es am Samstagnachmittag und jetzt muss ich nur noch meinem Vater Bescheid sagen.«

Koheis Hand hält inne. »Okay.«

»Das heißt, du kannst es dir jetzt noch anders überlegen.«

Sein Ausdruck ist sichtlich angespannter als zuvor, aber er schüttelt den Kopf.

Rem schenkt ihm ein Lächeln, bevor sie das Glas aus der Hand stellt, ihr Handy aus der Tasche zieht und ihrem Vater eine Nachricht schreibt.

»Wie sind deine Eltern so?«, fragt Kohei, als sie die Nachricht abgeschickt hat. »Ich meine, gibt es etwas, worauf sie Wert legen oder was ich unbedingt vermeiden sollte?«

Rem lässt ihr Handy in ihren Schoß fallen und überlegt. »Nein, eigentlich nicht.« Sie sieht Kohei an. »Ich meine, es gibt natürlich Sachen, die sie nicht mögen, aber das würdest du sowieso nicht tun. Und selbst wenn, gibt es nichts, worum du dir Sorgen machen musst.« Sie legt ihre Hand auf seine, die immer noch ihre hält. »Das ist kein Test, den du bestehen musst, und es ändert nichts, ganz egal, was meine Eltern von dir halten werden. Nicht, dass du dir Sorgen machen müsstest, nicht gemocht zu werden.«

Kohei sieht zu ihren Händen hinab. »Ich hab so etwas Ähnliches zu dir gesagt«, murmelt er. »Ich verstehe jetzt, weshalb das überhaupt nicht hilfreich ist.«

»Ja, aber wenn du es erst mal hinter dir hast, wirst du feststellen, dass es keine große Sache ist.«

»Das ist auch nicht hilfreich.« Er legt die Stirn in Falten und sieht weiter auf ihre Hände. »Ähm, hast du schon ein Restaurant im Auge? Ich könnte eine Reservierung machen und du erlaubst mir dieses Mal doch, meine zukünftigen Schwiegereltern einzuladen?« Ein zaghaftes Lächeln umspielt seine Lippen, als er ihr einen Blick zuwirft.

»Tut mir leid, aber das wird nicht gehen.«

Koheis Lächeln verschwindet und er runzelt wieder die Stirn. »Ist das dein Ernst? Ich darf nicht einmal bezahlen, um mich bei deinen Eltern einzuschmeicheln? Was für einen Eindruck macht das, wenn ich dich die Hälfte bezahlen lasse.«

Rem schüttelt den Kopf. »Ich werde auch nicht bezahlen. Jedes Mal, wenn ich mit meinen Eltern essen gehe, besteht mein Vater darauf zu bezahlen und er ist sehr stur in dieser Hinsicht.«

Kohei blinzelt und es scheint, dass er gar nicht in Erwägung gezogen hat, dass ihre Eltern bezahlen wollen. »Okay, aber sollte ich nicht wenigstens für meinen Teil bezahlen? Er ist nicht mein Vater.«

»Nein, so knauserig ist er nicht. Bedank dich einfach, das reicht.«

Kohei sieht nicht sehr glücklich mit dieser Antwort aus, aber da klingelt Rems Handy und kündigt eine Nachricht an.

Sie nimmt das Handy von ihrem Schoß und findet, wie erwartet, eine Nachricht von Juro. Anstatt ein Ja oder Nein hat er ihr ein Restaurant und eine Uhrzeit geschickt und so hält sie ihr Handy Kohei hin.

»Das ist die Antwort von deinem Vater?«

Rem zuckt mit den Schultern. »Er ist effizient, wenn es um Gespräche geht.«

Koheis Blick kehrt zu Rems Handy zurück. »Verstehe.«

Posterboy

Am Samstagmorgen steht Kohei vor seinem Kleiderschrank und fragt sich, wie er die ganze letzte Woche so gelassen hatte sein können. Er hat das Treffen mit Rems Eltern ausgeblendet, um sich auf die Arbeit konzentrieren zu können, und jetzt, kurz vor knapp, bemerkt er, dass es einige Dinge gibt, die er hätte bedenken müssen. Zum Beispiel, was er anziehen soll.

Normalerweise würde er zum Mittagessen in einem Restaurant nichts Außergewöhnliches tragen, aber da er Rems Eltern trifft, sollte er einen Anzug anziehen. Gleichzeitig will er nicht zu formal und steif wirken.

»Kohei«, ertönt Rems Stimme aus dem Esszimmer. »Kommst du zum Frühstück?«

Kohei, der noch zu keiner Entscheidung gekommen ist, verzieht das Gesicht, aber da er nicht will, dass Rem weiß, wie viele Gedanken er sich macht, verlässt er sein Schlafzimmer. Es ist nicht seine Art, sich Sorgen um seine Kleidung zu machen. Er sieht gut aus, egal was er trägt, und er will vor Rems Eltern einen selbstbewussten und entschlossenen Eindruck machen.

Nach dem Frühstück entscheidet er sich schließlich für einen blauen Anzug, zu dem die blaue Krawatte passt, die Rem ihm geschenkt hat. Er duscht, zieht sich an und er ist noch mit seinen Haaren beschäftigt, als Rem erneut nach ihm ruft und ihn daran erinnert, dass es fast eins ist. Um halb zwei sind sie mit Rems Eltern verabredet und Kohei kann nicht glauben, dass es schon so spät ist. Zu allem Übel ist der Verkehr auch noch schlecht, sodass sie gerade so noch pünktlich bei dem Restaurant ankommen und Kohei ist so nervös wie in seinem ganzen Leben noch nicht.

Er versucht, sich nichts anmerken zu lassen, aber es ist, als seien seine Kniegelenke plötzlich verschwunden und bei dem Gedanken, dass das Erste, was Rems Eltern denken werden, ist, dass Rems neuer Freund wie eine Ente watschelt, wird ihm ganz schlecht.

Und dann nimmt Rem seine Hand. »Ich bin auch nervös, weißt du«, sagt sie mit ruhiger Stimme, aber sie hat kalte Hände.

»Weswegen?«, fragt Kohei, froh, dass seine Stimme normal klingt, und sieht zu ihr. Ihr Anblick tut Wunder, ihn zu beruhigen.

»Na ja…« Rems Augen sind auf das Restaurant vor ihnen gerichtet, bevor sie zu Kohei huschen, ein recht schuldiger Ausdruck in den Augen. »Meine Eltern können...schwierig sein, also falls es dir zu viel wird, gib mir ein Zeichen und wir gehen.«

Kohei starrt sie an, nicht sicher, ob ihn das beruhigen soll. »Was heißt das, sie sind schwierig?«

»Das ist schwer zu erklären«, erwidert Rem und sieht wieder zum Restaurant. »Du wirst verstehen, was ich meine, und es tut mir leid, dass ich jetzt damit herausrücke, aber ich dachte, ich sollte dich vorwarnen.« Sie spricht etwas schneller als gewöhnlich und ihr Griff um seine Hand wird fester. Ironischerweise beruhigt ihn die Tatsache, dass sie nervös ist.

Sie betreten das Restaurant. Es ist eins, in denen die Tische in einzelnen Abteilen stehen und die Bedienung, die sie zu ihrem Tisch bringt, sagt ihnen, dass Ms. Aozora schon anwesend ist. Kohei ärgert sich etwas, dass sie nicht die ersten sind, aber immerhin sind sie nicht zu spät.

Die Bedienung öffnet die Schiebetür für sie und Koheis Blick fällt auf die Dame, die im Inneren am Tisch sitzt und auf ihr Handy schaut. Aber sie hebt den Kopf, als sie eintreten.

Kohei ist etwas überrascht zu sehen, dass sie und Rem sich nicht sehr ähneln. Sie hat braune Haare und weniger scharfe Gesichtszüge, und ihr Kleidungsstil erinnert ihn an Kondo. Sie trägt einen roten Blazer über einer Bluse mit schwarzen Punkten, einen zartrosa Seidenschal und eine cremefarbene Hose.

»Pünktlich wie ein Uhrwerk«, sagt sie und lächelt dabei Rem an. Dann richtet sie ihren Blick auf Kohei. »Und Sie sind also Rems neuer Freund.« Sie mustert ihn eingehend und Kohei fällt es ungewöhnlich schwer, ein Lächeln auf dem Gesicht zu behalten. »Guten Tag, Ms. Aozora. Ich bin Kohei Inouye. Es freut mich, Sie kennenzulernen.« Er verbeugt sich höflich, bevor er ihr die Blumen reicht, die er auf dem Weg besorgt hat. »Hier, die sind für Sie.«

»Oh, wie aufmerksam.« Ms. Aozora lächelt und nimmt die Blumen entgegen, was Kohei ungemein erleichtert. »Ich nehme an, Sie sind der Mann, der Rem diese Lilien geschenkt hat.«

Kohei lächelt. »Der bin ich.«

Ms. Aozora mustert ihn erneut. »Nun, es freut mich, Sie endlich kennenzulernen, Mr. Inouye. Wieso setzen wir uns nicht?« Sie deutet auf den Tisch.

»Wo ist Juro?«, fragt Rem, wobei sie ihre Mutter etwas skeptisch mustert.

»Er sollte gleich hier sein. Oh, siehst du. Da ist er.« Ms. Aozora sieht zur Tür als Schritte davor ertönen und sie im nächsten Moment geöffnet wird.

Ein Mann mit kinnlangem schwarzem Haar betritt den Raum und seine blauen Augen nehmen das Innere in Augenschein, bevor sich sein Blick auf Rem richtet. Er geht auf sie zu und bleibt vor ihr stehen. »Wie geht es dir?«, fragt er mit überraschend sanfter Stimme und mustert Rem eingehend.

»Es geht mir gut«, antwortet Rem und rührt sich nicht, als Mr. Aozora ihre Wange berührt, während er sich etwas zu ihr hinunterbeugt und ihr in die Augen sieht, als wolle er sich der Richtigkeit ihrer Antwort versichern. Dann erweichen seine Züge und er lächelt ein wenig, bevor er seine Hand senkt und sich Kohei zuwendet.

Kohei erstarrt, als sich ein Paar blauer Augen, das beinah identisch mit Rems ist, auf ihn richten. Es ist eigenartig, denn obwohl Kohei Mr. Aozora heute zum ersten Mal trifft, kennt er diesen Blick so gut, dass er instinktiv weiß, dass Mr. Aozora misstrauisch ihm gegenüber ist. Trotzdem lächelt er. »Ich bin Kohei Inouye. Es ist schön, Sie kennenzulernen, Mr. Aozora.«

Mr. Aozora nickt nur und setzt sich dann neben Ms. Aozora.

Kohei wirft Rem einen Blick zu, die ihm ermutigend zu lächelt, und ebenfalls Platz nimmt. Kohei setzt sich neben sie.

»Also«, beginnt Ms. Aozora. »Du hast also entschieden, mit einem deiner Kollegen auszugehen.«

Kohei kann aus ihren Worten nicht heraushören, ob das ein Vorwurf sein soll, aber Rem scheint von ihm erzählt zu haben.

»Offensichtlich«, erwidert Rem. »Aber wollen wir nicht erst mal etwas bestellen?«

»Ich meine ja nur, dass du von ihm erzählt hast. Ihr arbeitet doch schon ein paar Jahre zusammen.« Ihr Blick huscht zu Kohei. »Du hast gesagt, er sieht ganz gut aus. Eine Untertreibung, findest du nicht?«

Kohei blinzelt überrascht über das plötzliche Kompliment, allerdings ist der Ausdruck von Ms. Aozora nicht unbedingt schmeichelnd.

»Vor den Gutaussehenden musst du dich in Acht nehmen.« Ms. Aozora schüttelt mit einem enttäuschten Seufzen den Kopf. »Nimm nur deinen Vater.«

Kohei weiß gar nicht, was für ein Gesicht er daraufhin machen soll. Er sieht Rem an.

»Was willst du mit einem so oberflächlichen Kommentar überhaupt sagen?«, fragt Rem mit einem verärgerten Blick auf ihre Mutter.

»Nur, dass Menschen, die von vielen anderen begehrt werden, schneller auf dumme Ideen kommen.« Bei diesen Worten wirft Ms. Aozora ihrem Mann einen flüchtigen Blick zu, ehe sie Kohei anlächelt. »Bitte verstehen Sie das nicht falsch. Ich will Ihnen keine Vorwürfe machen, aber Sie sehen wie jemand aus, der Frauen anzieht, wie Licht die Motten, und als Rems Mutter bin ich nur ein wenig besorgt.«

Kohei öffnet den Mund, um etwas darauf zu erwidern, aber bevor er das tun kann, schnalzt Rem mit der Zunge. »Ich denke nicht, dass du das Recht hast, uns Beziehungstipps zu geben, Midori!«

Kohei blinzelt. Nicht nur spricht Rem sehr streng mit ihrer Mutter, sie nennt sie auch bei ihrem Namen. Es klingt nicht so, wie Kohei erwartet hat, dass Rem mit ihrer eigenen Mutter spricht.

»Nur weil dein Vater und ich nicht mehr zusammen sind, bin ich trotzdem noch deine Mutter, Rem!« Ms. Aozoras Stimme klingt etwas schnippisch, aber Kohei ist verwirrt. Von Rems Aussagen über ihre Eltern, hat er geschlossen, dass sie glücklich verheiratet sind.

Er will nicht danach fragen, aber als hätte Rem seine Gedanken gelesen, richtet sie sich an ihn und sagt: »Meine Eltern sind noch zusammen, auch wenn sie es oft abstreiten.«

Das hilft Kohei nicht dabei, seine Verwirrung zu klären, eher im Gegenteil sogar.

»Rem, das ist nicht wahr!«, sagt Ms. Aozora und klingt nun aufgebracht und auch Mr. Aozora macht ein Gesicht, wie Rem, wenn sie jemanden im Büro dabei erwischt, wie er heimlich im Internet surft, anstatt zu arbeiten.

»Eigentlich hat Rem gesagt, dass sie von ihren Eltern gelernt hat, was alles dazu gehört, um eine Beziehung zu führen«, sagt Kohei mit einem Lächeln, in der Hoffnung, die Situation etwas zu schlichten. Und tatsächlich glätten sich Ms. Aozoras Züge wieder.

Sie sieht überrascht aus. »Wirklich?«

»Ja«, sagt Rem, sieht dabei aber Kohei an. »Sie sind ein Negativbeispiel.«

Kohei macht ein verdutztes Gesicht.

»Rem!« Empört sich Ms. Aozora, aber Rem spricht gelassen weiter.

»Es ist so, dass meine Eltern ineinander verliebt sind, aber weil sie nicht miteinander auskommen, klappt es nicht und sie leben in einer On-off-Beziehung seit ich zehn bin. Deswegen kannst du jeden Vorschlag, den sie zu unserer Beziehung haben, ignorieren.«

»Oh«, macht Kohei, dem beim besten Willen nichts anderes dazu einfällt.

»Nein, Mr. Inouye, so ist das nicht. Natürlich sehen wir uns noch ab und zu, so wie alle Eltern, die ein gemeinsames Kind haben, aber wir leben schon seit einer Weile getrennt«, sagt Ms. Aozora, mit leicht bebender Stimme, als würde sie sie mit Mühe ruhig halten.

Mr. Aozora verschränkt derweil die Arme vor der Brust, während sein Blick auf seine Tochter gerichtet ist.

Rem seufzt. »Hör auf, mich als Grund dafür zu nehmen. Juro ist nicht meinetwegen wieder bei dir eingezogen.«

Kohei sieht wieder zu Mr. und Ms. Aozora.

»Wer ist bei wem eingezogen? Wir wohnen schon lange nicht mehr zusammen«, beharrt Ms. Aozora, während Mr. Aozora Rem mit zusammengezogenen Brauen anstarrt.

»Ihr seid zusammen hergekommen, aber weil du nicht wolltest, dass wir das merken, hast du Juro weggeschickt. Als wir hereingekommen sind, hast du ihm eine Nachricht geschickt, aber wir haben länger gebraucht, als du gedacht hast, deswegen hatte er kalte Hände«, sagt Rem mit gelangweilter Stimme, als würde sie etwas völlig Offensichtliches darstellen.

»Das ist nicht wahr und was soll das heißen: ‚Deswegen hatte er kalte Hände‘?«, fragt Ms. Aozora.

Auch Kohei sieht nun wieder Rem an, neugierig auf ihre Antwort.

»Es gibt einen Parkplatz in der Nähe und der nächste Bahnhof ist auch nicht weit. Juros Wohnung ist zu weit weg, um zu Fuß zu gehen, also wäre er entweder mit der Bahn oder mit dem Auto gekommen. In beiden Fällen wäre er nicht so lange draußen gewesen, um kalte Hände zu bekommen.«

Kohei nickt bei Rems schlüssiger Argumentation und sieht wieder zu ihren Eltern.

»Ich wollte einfach nicht allein mit Midori hier warten«, sagt nun Mr. Aozora mit gelassener Stimme. »Was du gesagt hast, stimmt, aber wir sind zufällig gleichzeitig hier gewesen.«

Rem schnaubt und richtet ihren Blick auf ihren Vater. »Und ich nehme an, du hast dir auch ganz zufällig denselben Weichspüler gekauft, den Midori seit Jahren benutzt, du aber nie, weil du den Geruch unnötig aufdringlich findest.«

Mr. Aozoras Miene verhärtet sich.

»Reicht das oder soll ich weitermachen?«, fragt Rem und sieht ihre Eltern auffordernd an.

Ms. Aozora wendet den Blick ab. »Wieso musst du das jedes Mal machen, Rem?«

»Wieso müsst ihr mich jedes Mal anlügen?«

Mr. Aozora räuspert sich. »Wir versuchen nur, dir keinen unnötigen Stress zu machen.«

»Indem ihr mich wie eine Idiotin behandelt?« Rem macht ein mürrisches Gesicht. »Ich bin erwachsen und es ist mir völlig egal, ob ihr zusammenlebt oder nicht, ich hab es nur satt, ständig in eure Spielchen mit reingezogen zu werden.«

»Wir spielen keine Spielchen«, sagt Ms. Aozora schnippisch.

»Ach nein? Wieso kann ich euren Beziehungsstatus dann jedes Mal daran erkennen, dass du das Gegenteil behauptest? Wir müssten nicht ständig eine Diskussion deswegen führen und ich weiß sowieso, dass ihr es nie schaffen werdet, euch endgültig zu trennen.«

Ms. Aozora rümpft die Nase. »Das hat sie von dir, Juro.«

Mr. Aozora runzelt die Stirn. »Ihre Intelligenz?«

Ms. Aozora richtet ihren Blick verärgert auf ihren Mann, aber in diesem Moment legt Rem eine Hand auf Koheis Arm. »Tut mir leid, wenn dir das unangenehm war.«

Aber Kohei schüttelt mit einem Lächeln den Kopf. »Überhaupt nicht, mir ist so einiges klar geworden.«

Sie sieht ihn fragend an.

»Ich verstehe endlich, wie aus dir eine Kitsune geworden ist«, sagt er mit gesenkter Stimme, da er sich nicht sicher ist, wie Rems Eltern darauf reagieren würden, aber sie scheinen sowieso miteinander beschäftigt zu sein. »Oder sollte ich dich ab jetzt Sherlock nennen? Du wärst eine herausragende Detektivin geworden.«

»Niemals!« Rem schnaubt, aber ein Lächeln umspielt ihre Lippen. »Was glaubst du, welche Hölle es gewesen wäre, irgendeinen Beruf im Rechtswesen anzustreben, mit zwei Anwälten zu Hause, die nie einer Meinung sind. Ich hatte auch so schon genug Gründe, so schnell wie möglich auszuziehen.«

»Verstehe. Ist einer der Gründe auch dafür verantwortlich, dass du deine Eltern mit dem Vornamen anredest?« Kohei weiß nicht, ob es Rems Absicht ist, sich dadurch von ihren Eltern zu distanzieren, aber er kommt ihm unwahrscheinlich vor. Denn obwohl sie sagt, dass sie von ihren Eltern weg wollte, scheint ihre Beziehung trotz allem eng zu sein.

»Oh, das?« Rem schüttelt den Kopf. »Nein, Juro und Midori wollten beide, dass ich sie mit ihren Namen anrede.«

»Das ist nicht wahr!«, schaltet sich plötzlich wieder Ms. Aozora ein. »Wie oft habe ich dir gesagt, dass du aufhören sollst, deine Mutter wie eine x-beliebige Fremde anzureden?!« Das Thema scheint ihre nahezugehen, gemessen an ihrem Tonfall, und Kohei bereut, dass sie sie überhört hat, aber Rem nimmt es gelassen.

»Um genauer zu sein, haben sie mich gebeten, den jeweils anderen mit Namen anzureden. Es war das erste Mal, als sie darüber gesprochen haben, sich scheiden zu lassen, und versucht haben, mich auf ihre Seite zu bringen.«

»Verstehe«, sagt Kohei mit einem Lächeln. Tatsächlich muss er sich zusammenreißen, damit es kein Grinsen wird. Nachdem, was Rem gesagt hat, muss sie damals noch sehr jung gewesen sein, aber selbst die junge Rem wusste ganz genau, wie sie jemanden bereuen lässt, sie gegen ihren Willen in eine Angelegenheit zu involvieren.


 

Nach dieser kleinen Familiendebatte kommen sie schließlich zum Essen und Kohei stellt fest, dass Rem recht hatte. Jetzt, wo er hier ist, und sich mit Rems Eltern unterhält, weiß er gar nicht mehr, weshalb er so nervös war.

Ms. Aozora löchert ihn mit Fragen, sodass er kaum zum Essen kommt, wobei sie jedoch nicht unhöflich ist. Was möglicherweise auch an dem warnenden Funkeln liegt, das hin und wieder in Rems Augen tritt. Tatsächlich empfindet Kohei ihre offene Neugier aber als sehr viel angenehmer, als die stille Beobachtung von Mr. Aozora. Es gibt ihm die Möglichkeit, sich zu erklären und zu beweisen, dass seine Familie und sein Name keine so große Sache sind, wie Ms. Aozora offenbar zu glauben scheint.

Zugegeben, er verharmlost die Situation hier und da und nach seinen Erfahrungen mit Rem, erwähnt er keine Anteile an Unternehmen, die er besitzt, oder geht ins Detail über den Besitz seines Großvaters. Auch seine Erscheinungen in der Presse spielt er herunter, und weist darauf hin, dass er vor allem durch seine Modelkarriere Präsenz in den Medien erlangt hat. Was insofern stimmt, als seine Modelkarriere den Klatschblättern etwas Konkretes gegeben hat, über das sie schreiben können. Aber er nimmt sich vor, mit Rem darüber zu reden, wie sie dazu steht, sich eventuell in einem Klatschblatt wiederzufinden.

Und dann ist das Essen auch schon vorbei. Rem entschuldigt sich für einen Moment, für einen Besuch zur Damentoilette, und am Tisch wird es still.

Kohei ist überrascht, dass Ms. Aozora die Situation nicht nutzt, um ihm Fragen zu stellen, von denen sie nicht will, dass Rem sie mitbekommt, aber es ist Mr. Aozora, der Kohei anspricht.

»Mr. Inouye, würden Sie mich nach draußen begleiten?«

Kohei sieht ihn fragend an.

»Es gibt etwas, dass ich mit Ihnen besprechen möchte, ohne meine Tochter.«

Ein ungutes Gefühl steigt in Koheis Bauch auf, aber er nickt. »Natürlich«, sagt er und steht auf.

Auf dem Weg nach draußen begleicht Mr. Aozora die Rechnung und Kohei fühlt sich unwohl, ihm dabei zuzusehen, aber auf Rems Rat hörend sagt er nichts, bis sie draußen sind. Das Restaurant hat einen kleinen Vorhof für Raucher, wie es scheint, und Mr. Aozora stellt sich neben einen Aschenbecher, aber er holt keine Packung Zigaretten aus seiner Manteltasche. Allerdings hat er Kohei wohl nicht zum Rauchen nach draußen gebeten.

»Danke für die Einladung«, sagt Kohei mit einer höflichen Verbeugung, woraufhin Mr. Aozora abwingt.

»Ich will direkt zum Punkt kommen«, sagt er und richtet seine blauen Augen mit einem kühlen Ausdruck auf Kohei. »Ich will nicht, dass Sie sich weiter mit meiner Tochter treffen.«

Kitsune

Als Rem von der Toilette wiederkommt, sitzen Kohei und Juro nicht mehr am Tisch. Ihr schwant nichts Gutes und sie richtet ihren Blick auf Midori. »Wo sind Kohei und Juro?«

»Ein Männergespräch führen«, antwortet sie und Rem schnalzt mit der Zunge. Sie will sofort wieder den Raum verlassen, aber Midori hebt die Stimme. »Setz dich, Rem, oder glaubst du, dass dein Freund es nicht einmal fünf Minuten ohne dich aushält.«

»Darum geht es nicht, ich glaube nur nicht, dass Juro etwas zu Kohei sagen muss, was ich nicht hören darf.«

»Und ich glaube, dass dein Freund alt genug ist, um für sich selbst sprechen zu können. Oder hast du Angst, dass er mit eingezogenem Schwanz davonrennt?« Midori hebt die Brauen und sieht Rem herausfordernd an.

Rem presst die Lippen aufeinander. Dem kann sie nicht widersprechen, obwohl es sie nur in dem Glauben bestärkt, dass sie Kohei und Juro nicht zu lange allein lassen sollte. Sie setzt sich an den Tisch.

Midoris Miene glättet sich mit Zufriedenheit. »Jetzt sag mir, Rem, hast du dir das alles auch wirklich gut überlegt?«

»Was meinst du?«, fragt Rem misstrauisch.

Midori zögert etwas. »Ich will dir keine Vorschriften machen oder dir verbieten, ihn weiter zu sehen, aber er ist nicht gerade irgendwer.«

Rems Miene verdüstert sich. »Wie lange weißt du schon, dass wir ausgehen?«

Midori blinzelt.

»Ich habe dir von ihm erzählt, aber nicht, dass wir zusammen sind. Und du warst nicht sehr überrascht, ihn zu sehen.«

Midori streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Sagen wir, es hat mich nicht überrascht, dass sich etwas zwischen euch entwickelt hat. Nach dem, was du über ihn gesagt hast, hat er schon seit einer Weile ein Auge auf dich geworfen.«

Rem starrt ihre Mutter an. »Was?!«

»Guck nicht so. Du hast erzählt, dass er sich auf der Arbeit immer mit dir angelegt hat.«

»Ja, aber das hat er nicht aus einer romantisch orientierten Motivation heraus getan«, widerspricht Rem, während ihr gleichzeitig durch den Kopf geht, dass Kosuke etwas Ähnliches gedacht hat. Bisher hat sie sich eingeredet, dass er das vor allem gedacht hat, um eine Rechtfertigung für seinen Betrug zu haben. Aber wenn ihre Mutter dasselbe dachte, war es nicht nur Kosukes Irrtum.

Midori zuckt mit den Schultern. »Das ist ja auch egal, ich will nur wissen, ob du darüber nachgedacht hast, was es bedeutet, mit jemandem wie ihm zusammen zu sein. Er ist der Enkel von Toshiro Inouye.«

Rem rollt mit den Augen. »Ich weiß. Und ich weiß, was du sagen willst, aber was willst du jetzt von mir hören?«

»Dass du darüber nachgedacht hast, wie es ist, eine Bewertung über dich als seine Freundin und potenzielle Frau in einer Zeitung oder irgendwo im Internet zu lesen. Und dass du von Reportern und allen möglichen anderen Leuten belästigt werden könntest, die sich etwas von dir erhoffen.« Midori macht eine ausschweifende Geste, als wäre das nur eine kleine Auswahl, der Punkte, über die Rem nachdenken sollte.

»Ja«, sagt Rem also, bevor Midori noch mehr aufzählen kann.

Midori hält verdutzt inne. Dann zieht sie die Brauen zusammen und sieht Rem tadelnd an. »Sag nicht einfach Ja. Das ist nichts, dass du einschätzen kannst, ohne es erlebt zu haben.«

»Wie kannst du es dann einschätzen?« Rem verschränkt die Arme vor der Brust.

»Ich muss es nicht einschätzen, da ich nicht vorhabe, mit dem Enkel eines der mächtigsten Männer des Landes auszugehen.«

Rem nickt. »Ich kann es einschätzen, weil ich es schon erlebt habe.«

Midori macht ein irritiertes Gesicht. »Wie, du hast es schon erlebt?«

Rem löst einen Arm und gestikuliert in Midoris Richtung. »Alte Männer, die meinen Bauch anstarren und Kommentare darüber machen, dass ich schwanger bin, nur weil ich einen Ring am Finger trage, Vorwürfe, dass ich nur hinter Koheis Geld her bin und abwertende Bemerkungen aller Art, um mir deutlich zu machen, dass Neulinge in der High Society nicht erwünscht sind.«

Midori blinzelt, offenbar sprachlos.

»Und selbst wenn es noch schlimmer wird, habe ich Kohei. Er ist gut darin, mit solchen Dingen umzugehen.« Das ist eine Untertreibung. Sie weiß, dass er diese Dinge im Stillen löst, aber von dem, was sie aufgeschnappt hat, hat er Sakitronics Sicherheitssystem gehackt, was keine Kleinigkeit gewesen sein kann, und er hat dafür gesorgt, dass die richtigen Leute Sasakis private Chats gelesen haben. Außerdem vermutet sie, dass er auch dafür verantwortlich ist, dass die Presse kaum über den Unfall auf der Baustelle berichtet hat und niemals ihr Name erwähnt wurde.

»Also, was willst du von mir hören? Dachtest du, ich würde euch Kohei vorstellen, wenn ich so leicht davon zu überzeugen wäre, mit ihm Schluss zu machen.«

Midori seufzt. »Ich habe nicht erwartet, dass du Schluss mit ihm machst. Ich will nur, dass du dir im Klaren darüber bist, was es bedeutet, mit ihm auszugehen, und dass du keine vorschnellen Entscheidungen triffst, nur weil er reich und gutaussehend ist.«

Rem verschränkt erneut die Arme vor der Brust. »Glaubst du wirklich, das ist der Grund, aus dem ich mit Kohei zusammen bin?«

Midori zuckt mit den Schultern. »Na ja, Kosuke hatte auch nichts für sich außer seinem hübschen Gesicht.«

Rem seufzt, entscheidet aber, das Thema gut sein zu lassen, und stattdessen nach Kohei und Juro zu suchen.

»Um ehrlich zu sein, frage ich mich, wie du jemanden wie ihn verführen konntest«, sagt Midori, als hätte sie erraten, was Rem vorhat. Sie stützt ihr Kinn auf der Hand auf, während sie Rem mustert.

»Ich habe niemanden verführt«, knurrt Rem, etwas beleidigt.

Midori schürzt die Lippen. »Er ist sehr schwer einzuschätzen und es würde mich nicht überraschen, wenn er uns etwas vorgespielt hat. Aber ich glaube nicht, dass du auf sein Lächeln hereinfallen würdest, also musst du ihn verführt haben.«

»Was genau willst du sagen?«, fragt Rem ungeduldig.

»Du hast ihn gern.«

»Offensichtlich«, erwidert Rem, nun verwirrt.

Midori seufzt und ihr Blick huscht zu den Blumen, die Kohei ihr geschenkt hat. Sie stehen in einem Wasserglas auf dem Tisch und Rem weiß, dass Midori das Geschenk gefallen hat, trotzdem ist ihr Ausdruck nicht sehr glücklich. »Ich meine, dass du dich anders verhältst als mit Kosuke. Bei ihm war es so, als hättest du ein Pflichtgefühl ihm gegenüber und du warst überfürsorglich.«

Rem presst die Lippen aufeinander. Rückblickend kann sie nicht abstreiten, dass Midori recht hat, aber sie will ihrer Mutter nicht zustimmen, besonders da es ihr nicht gefällt, dass sie über Kosuke redet.

»Das zwischen dir und Mr. Inouye ist völlig anders. Ihr seid auf Augenhöhe miteinander und ich kann sehen, dass es dir ernst ist.«

Rem runzelt die Stirn. Ihre Mutter wiederholt sich und sie sagt nichts, das nicht offensichtlich sein sollte. Es ist fast so, als würde sie Rem beschäftigen. Und der Ausdruck, mit dem sie Rem ansieht, ist bedauernd.

Rem erstarrt. Ihr Blick zuckt zu den leeren Plätzen von Kohei und Juro. Dann springt sie auf.

»Rem?« Midori sieht überrascht zu ihr auf, aber Rem würdigt sie nur mit einem kurzen, zornigen Blick, bevor sie die Schiebetür aufreißt und in den Flur stürmt.

Posterboy

Kohei starrt Mr. Aozora an und einen Moment lang ist er sich nicht sicher, ob er sich verhört hat. Aber der kühle Blick in Mr. Aozoras Augen, während er Koheis Reaktion beobachtet, gibt Kohei das Gefühl, als würde sein Magen einfrieren. »Verzeihung?«, fragt er schließlich und seine eigene Stimme klingt fern und rau.

»Ich weiß nicht, ob Rem es erwähnt hat, aber ich bin Staatsanwalt im Strafrecht«, sagt Mr. Aozora in demselben sachlichen Tonfall wie zuvor. »Ich mag keine so guten Beziehungen haben wie Sie, aber ich würde es nicht übersehen, wenn jemand versucht, meine Tochter zu ermorden.«

Koheis Kehle schnürt sich zu, als er mit einem Mal versteht, worum es hier geht.

»Um es kurz zu machen, ich habe mich darüber informiert, was wirklich auf dieser Baustelle passiert ist, und ich weiß auch, dass Sie keinerlei Schuld daran tragen. Aber ich kann es nicht ignorieren, dass Rem nie in diese Situation gekommen wäre, wenn Sie nicht gewesen wären.«

Kohei schluckt. Mr. Aozora legt die Situation sachlich dar, genau wie Rem es machen würde, und das hilft Kohei dabei, auf seine Worte zu reagieren. Er muss ihn nur mit logischen Argumenten überzeugen.

Er räuspert sich. »Ich verstehe Ihre Sorge und ich weiß, dass ich es war, der Rem aus Unachtsamkeit in Gefahr gebracht hat. Das tut mir leid.« Kohei verbeugt sich knapp, um zu zeigen, dass es ihm ernst ist, aber nicht zu lang oder zu tief, weil eine zu demütige Entschuldigung auch bei Rem keine Wirkung hätte. Dann richtet er sich wieder auf und sieht Mr. Aozora fest an. »Aber das wird nie wieder vorkommen.« Er steckt all seine Überzeugung in diese Worte, um zu beweisen, dass es ihm nicht um die Zustimmung von Mr. Aozora, sondern um Rems Sicherheit geht.

»Das ist kein Versprechen, dass Sie einhalten können«, erwidert Mr. Aozora, unbeeindruckt von Koheis Entschlossenheit. »Andernfalls wäre Rem nie in Gefahr gewesen.«

»Mr. Aozora, ich werde - « Kohei bricht ab, als Mr. Aozora die Hand hebt und den Kopf schüttelt.

»Wie ich bereits sagte, gebe ich Ihnen keine Schuld. Aber gerade, weil es nicht ihre Schuld ist, können Sie nicht verhindern, dass es wieder passiert. Sie und Ihre Familie haben sicher genug Feinde und ich will nicht, dass Rem in eine Fehde hineingezogen wird. Weder sie noch meine Frau oder ich können mit der Macht einer Familie Ihres Stands mithalten und ich bin nicht bereit, meine Tochter dieser Gefahr auszusetzen.«

Kohei ballt die Fäuste. »Ich werde nicht zulassen, dass irgendwer Hand an Rem legt, und auch mein Großvater wird sie beschützen. Und ich werde jede Schutzmaßnahme ergreifen, die Sie für nötig halten.«

Aber Mr. Aozora schüttelt den Kopf. »Sie verstehen mich nicht.« Obwohl Kohei ein paar Zentimeter größer als Mr. Aozora ist, fühlt Kohei sich unter seinem frostigen Blick plötzlich klein.

»Der einzige Grund, aus dem Rem noch hier ist, ist Glück.«

Kohei versteift sich.

»Und ich kann nicht ignorieren, dass der Anruf, der mich darüber informiert hat, dass meine Tochter im Krankenhaus ist, mir auch eine andere Nachricht hätte bringen können. Ich bin mir außerdem bewusst, dass die Verantwortliche, Marika Sasaki, nicht in Haft sitzt, sondern nach Amerika geflohen und nicht auffindbar ist.«

Kohei beißt sich auf die Lippe. Er kann nicht verraten, dass er sehr wohl weiß, wo Marika sich befindet. Ihr Vater hat ihr geholfen, aus dem Land zu fliehen, nachdem Saburo sein Alibi zurückgezogen hat, und obwohl Mr. Sasaki es sich im Moment noch leisten kann, seine Tochter vor den Behörden zu verstecken, wird er das nicht ewig können. Und während Marika sich in Amerika ein schönes Leben macht, blutet ihr Vater aus und Toshiro erledigt den Rest. Am Ende, wenn Marika gefunden und zurück in Japan ist, wird sie feststellen, dass ihr Vater pleite und am Boden ist, und es niemanden gibt, der sie noch beschützt.

»Ich versichere Ihnen, dass Marika und Sakitronics nicht ungestraft davon kommen werden.«

»Es geht mir nicht darum, die Täter zu bestrafen. Das nützt mir nichts, wenn meine Tochter tot ist.« Mr. Aozoras Stimme klingt kalt und hart, und Kohei zuckt bei den letzten Worten zusammen. Er schluckt und seine Fingernägel graben sich in seine Handflächen, als ihm langsam bewusst wird, dass Mr. Aozora sich nicht überzeugen lässt.

»Was ist mit Rem? Sie haben mich doch hierher gebracht, weil sie wissen, dass sie Ihnen nicht zustimmen wird.« Kohei beschließt, die Taktik zu wechseln. »Ich denke nicht, dass es richtig ist, Rem aus dieser Unterhaltung auszuschließen, nur weil Sie wissen, dass sie nicht einer Meinung mit Ihnen sein wird.« Es ist gewagt, aber es ist offensichtlich, wie viel Rem Mr. Aozora bedeutet, und ihre Meinung kann ihm nicht egal sein. Doch leider zahlt es sich nicht aus.

Mr. Aozoras Miene verdüstert sich sichtlich und der frostige Blick in seinen Augen lässt Kohei erschaudern. »Belehren Sie mich nicht über die Interessen meiner Tochter. Ich kenne ihren Charakter besser als Sie und gerade deswegen, will ich, dass Sie sich von ihr fernhalten.«

»Wie meinen Sie das?«, fragt Kohei mit rauer Stimme.

Mr. Aozoras Miene wird wieder neutraler und die Intensität in seinem Blick legt sich. »Rem ist sehr willensstark und ich bin sicher, dass sie über alles aufgeklärt ist, und trotzdem entschieden hat, bei Ihnen zu bleiben. Es würde mich nicht einmal überraschen, wenn sie Marika Sasaki provoziert hat, und ich bin sicher, dass sie mit anderen Ihrer Bekannten, die eine Gefahr für sie darstellen könnten, genauso verfahren würde.«

Koheis Gedanken huschen zu der Gründerfeier und der Weihnachtsfeier. Auf beiden hat Rem sich nicht unbedingt damit zurückgehalten, andere Gäste gegen sich aufzubringen. Und das liegt nicht in ihrer Natur.

»Ich weiß auch, dass ich Ihnen nicht verbieten kann, Rem weiterhin zu sehen«, fährt Mr. Aozora fort, und seine Stimme klingt nun sanfter. »Und ich glaube Ihnen, dass sie Ihnen viel bedeutet. Und genau aus diesem Grund richte ich diese Bitte an Sie.«

Kohei legt die Stirn in Falten.

Mr. Aozoras Miene ändert sich nicht, aber sein Blick bleibt fest auf Kohei gerichtet. »Ich weiß auch, wie unfair es ist, dass ich Sie für etwas bestrafe, dass nicht Ihre Schuld ist. Aber es geht um das Leben meiner Tochter. Und wenn sie Ihnen etwas bedeutet, dann lassen Sie sie lieber gehen, anstatt ihr Leben zu gefährden.«

Koheis Kiefer schmerzt, so fest presst er die Zähne zusammen. Und ihm fällt nichts ein, das er darauf erwidern könnte. Er erinnert sich an die halbe Stunde, die er gebraucht hat, um von Noué zum Krankenhaus zu fahren. Eine halbe Stunde, in der er nicht wusste, wie es Rem geht, und was ihn im Krankenhaus erwarten würde. Und der Gedanke, dass er dort hätte ankommen können, nur um zu hören, dass er Rem nicht sehen könnte, dass sie genau dort gestanden hatte, wo die Stahlstangen gelandet sind, und man im Krankenhaus nichts mehr für sie tun konnte, dieser Gedanke raubt ihm jegliche Körperwärme.

Er dachte, er würde Rem nie wieder gehen lassen können, aber jetzt kommt ihm sein Verhalten unbeschreiblich selbstsüchtig vor. Was, wenn sich diese halbe Stunde eines Tages wiederholt? Würde er von Rem verlassen und von ihr nur noch mit distanziertem Respekt behandelt werden wie jeder beliebige Fremde, würde alles seinen Sinn verlieren. Aber der Gedanke, dass sie für immer verschwinden und er sie nie wieder, nicht einmal aus der Ferne, sehen würde, ist noch schlimmer. Was also kann er Mr. Aozora entgegensetzen?

»Was glaubst du, was du da tust?!« Eine laute Stimme unterbricht die drückende Stille zwischen Mr. Aozora und Kohei und dann steht jemand zwischen ihnen. Der sanfte Duft von Jasmin weht Kohei entgegen und er starrt Rems Rücken an und wie sie sich vor ihn stellt, die Arme leicht zur Seite gestreckt, als wolle sie ihn beschützen

»Rem.« Mr. Aozoras Tonfall klingt nun wieder gelassen und seine Miene ist deutlich sanfter, als er seine Tochter ansieht. »Wir haben uns nur unterhalten.«

Rem sieht über die Schulter zu Kohei und obwohl Kohei sofort instinktiv lächelt, kann er an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass es ihm nicht überzeugend gelingt. Tatsächlich glitzern ihre Augen einen Moment verdächtig, ehe Wut darin auflodert. Sie wendet sich wieder an ihren Vater, wobei ihre Hand Koheis greift. »Das habe ich gehört. Nimm zurück, was du gesagt hast, und entschuldige dich bei Kohei.«

Kohei starrt Rems Hinterkopf an. Sie ist wütend. In einer anderen Situation hätte ihm die Tatsache, dass sie ihn verteidigt, geschmeichelt, aber es ist nicht so, dass Mr. Aozora etwas Falsches gesagt hat.

Mr. Aozora seufzt. »Midori, wieso seid ihr schon hier?« Er wirft seiner Frau einen Blick zu, die Rem wohl gefolgt ist, und sich nun neben ihren Mann stellt.

»Wieso hast du dir nicht einen weniger offensichtlichen Ort zum Reden ausgesucht? Du weißt doch, wie Rem ist. Sie hat uns schon von Anfang an verdächtigt.«

Mr. Aozora richtet seinen Blick wieder auf Rem und diesmal ist er fast so streng, wie als er Kohei angesehen hat. »Wieso hast du uns nicht erzählt, dass dich jemand umbringen wollte?«

»Weil ich euch keine unnötigen Sorgen machen wollte. Ihr hättet sowieso nichts tun können«, sagt Rem, ohne zu zögern, und Mr. Aozora legt die Stirn in Falten. »Du hast es uns nicht gesagt, weil du wusstest, dass wir nicht damit einverstanden sind, dass du mit einem Mann ausgehst, der dich in solche Gefahr bringt.«

Kohei macht einen Schritt zurück. Er hält es für das Beste einzuschreiten und das Gespräch zu beenden, aber Rem packt seine Hand fester.

»Kohei hat mich nie in Gefahr gebracht!«

»Spar es dir, uns etwas vorzumachen. Er war der Grund, aus dem diese Frau dich aus dem Weg räumen wollte, auch wenn er keine Schuld daran trägt.«

»Hast du deinen Job ausgenutzt, um mir nachzuspionieren?«

Mr. Aozora macht einen Schritt vor und jetzt blitzt Wut in seinen blauen Augen auf. »Ich bin dein Vater und es ist meine Aufgabe, dich zu beschützen. Ich werde in dieser Sache keine Kompromisse eingehen!«

»Aber du hast mich nicht beschützt! Kohei hat das getan!« Rem hebt die Stimme, als sie spricht, kaum dass ihr Vater geendet hat.

Mr. Aozora erstarrt und auch Kohei starrt verdutzt Rems Hinterkopf an.

»Es ist leicht, sich hinzustellen und Kohei die Schuld zu geben, aber du weißt ja noch nicht einmal, was wirklich passiert ist. Nur weil du ein paar Berichte gelesen hast, heißt das nicht, dass du alles weißt, und überhaupt ist das alles aufgrund meiner Entscheidungen passiert. Und ich erlaube nicht, dass du Kohei für das Ergebnis meiner Entscheidungen beschuldigst!«

Ein trauriges Lächeln umspielt Koheis Lippen, als er auf Rem hinabsieht. Zu sehen, wie sie sich vor ihn stellt und leidenschaftlich verteidigt, lässt ihm das Herz schneller schlagen und doch können ihre Worte, die sonst so unbestreitbar sind, ihn diesmal nicht überzeugen.

»Von den Dingen, vor denen er dich beschützt hat, wie viele wären eingetreten, wenn ihr euch nicht nähergekommen wärt?«, fragt Mr. Aozora, unbeeindruckt von Rems Worten.

»Einige!«, sagt Rem nicht weniger leidenschaftlich als zuvor, aber auch das lässt Mr. Aozora nicht mit der Wimper zucken.

»Ich weiß sehr wohl, dass du in der Lage bist, dich ganz allein in Gefahr zu bringen, aber das ist etwas anderes. Feinde von Toshiro Inouye und seinem Imperium sind keine Menschen, mit denen es ein kleines Mädchen mit einem Sturkopf aufnehmen kann!«

Kohei zieht den Kopf ein. Er kann Rems Gesicht nicht sehen, aber seine Hand beginnt von Rems Griff zu schmerzen und er kann die blauen Flammen um Rem herum förmlich sehen.

»Seit wann greifst du auf unsinnig emotionale Argumente zurück, wenn dir die logischen ausgehen, Juro?«

»Sei vernünftig, Rem«, sagt nun Ms. Aozora und nimmt Mr. Aozoras Arm, wohl um ihn zu beruhigen. »Wir machen uns nur Sorgen, dass du dich in Gefahr bringst.«

»Und das von der Frau, die jedem Mann an die Kehle springt, der nur die kleinste sexistische Andeutung macht!«, faucht Rem und ihre Mutter schnappt nach Luft. Aber Rem sieht bereits wieder Mr. Aozora an. »Und du redest davon, wie ich mich in Gefahr bringe, während du dir tagtäglich alle möglichen Kriminellen zum Feind machst. Keiner von euch hat das Recht, mir vorzuwerfen, ich würde mich in Gefahr bringen!«

»Das ist etwas völlig anderes!«, erwidert Mr. Aozora nun ebenfalls aufgebracht. »Ich kann das Risiko einschätzen, weil es um meinen Job geht, den ich seit Jahren mache.«

»Genau, es ist nur dein Job!«, ruft Rem und Mr. Aozora, der schon zu einer Antwort angesetzt hat, hält inne.

»Du erwartest von mir, dass ich meinen Freund aus meinem Leben verbanne, während du nicht einmal bereit bist, deinen Job aufzugeben!«

Mr. Aozora funkelt seine Tochter drohend an. »Muss ich dich daran erinnern, dass mein Job deine Erziehung und Ausbildung finanziert hat?!«

»Was hat das damit zu tun? Wenn du kein Kind finanzieren wolltest, hättest du keins bekommen sollen!«

»Ich will dich daran erinnern, dass deine Mutter und ich dein Leben lang das beste für dich getan haben, und ich nicht zulasse, dass du dich in Gefahr bringst, wegen einer Liebelei mit dem Sohn aus einer viel zu reichen Familie!«

Diesmal antwortet Rem nicht sofort und Kohei hört, wie sie ausatmet. Als sie wieder spricht, klingt ihre Stimme gepresst. »Ihr habt etwas falsch verstanden«, sagt sie und neben der Spannung in ihrer Stimme hört Kohei unterdrückte Wut. »Ich bin nicht hergekommen, um euch um Erlaubnis zu bitten, mit Kohei ausgehen zu dürfen. Ich bin hier, weil ich euch an meinem Leben teilhaben lassen wollte.«

Kohei bekommt bei diesen Worten eine ungute Vorahnung, was sie sagen will, und öffnet den Mund, aber Rem spricht weiter, bevor er etwas sagen kann.

»Und wenn es euch nicht gefällt, wie ich mein Leben lebe, dann habe ich euch nichts mehr zu sagen.« Damit dreht Rem sich um und zieht Kohei mit sich.

Kitsune

»Rem!« Rem hört ihre Mutter hinter sich rufen, aber sie denkt gar nicht daran, auch nur über die Schulter zu sehen. Es war nicht ganz unerwartet, dass ihre Eltern Bedenken haben, was Koheis Familie angeht, aber sie dachte, dass sie deswegen höchstens etwas unruhig werden würden. Sie hat nicht daran gedacht, dass Juro herausfinden würde, was mit Sasaki vorgefallen ist, jedenfalls nicht in dem Maße, dass er Kohei dazu raten würde, mit Rem Schluss zu machen.

Aber Wut ist nicht einmal das leitende Gefühl in dieser Sache. Rem hat beobachtet, wie uncharakteristisch nervös Kohei war und wie viel Mühe er sich gegeben hat, einen guten Eindruck auf ihre Eltern zu machen. Nur um von ihrem Vater zu hören, dass er sich von Rem fernhalten soll, wegen etwas, das nicht einmal seine Schuld ist.

Aber dann spürt sie plötzlich ein Ziehen an ihrer Hand und als sie über die Schulter zu Kohei sieht, ist er stehen geblieben. Sie sieht ihn fragend an, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht hält sie davon ab, etwas zu sagen.

Zuvor konnte sie die Unruhe in seinem Blick sehen, die seine Augen hin und her huschen ließ und eine lebhafte Röte auf seine Wangen zauberte. Aber jetzt, obwohl er lächelt, scheinen seine Augen stumpf. »Wir können so nicht gehen«, sagt er mit ruhiger Stimme und zieht sanft seine Hand aus ihrem Griff.

Rem kann ihn nur anstarren, während er zurück zu ihren Eltern geht.

»Ich denke, es wäre das beste, diese Unterhaltung auf ein anderes Mal zu verschieben, aber ich möchte Ihnen sagen, dass ich Ihre Bedenken nachvollziehen kann und dass ich sie ernst nehme. Alles, worum ich bitte, ist, dass Sie verstehen, dass Rems Wohlergehen mir mindestens genauso viel bedeutet wie Ihnen.« Dann verbeugt er sich. »Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, und ich danke Ihnen für das Essen. Auf Wiedersehen.«

Weder Midori noch Juro sagen etwas, aber Rem behält ihren Blick auf Kohei, der nun wieder auf sie zukommt.

Er lächelt schwach. »Lass uns gehen.«

Rem nickt und nimmt seine Hand. Es ist eigenartig, denn in diesem Moment hat sie das Gefühl, dass er sie zurücklassen könnte. Als ob die Worte ihres Vaters ihn tatsächlich getroffen hätten und als würde er in Erwägung ziehen, sie zu verlassen.

Auf der Fahrt nach Hause sagt keiner ein Wort und Rem knetet unruhig die Ärmel ihres Pullovers. Sie will Kohei sagen, dass er nicht auf ihren Vater hören soll und dass er keine Schuld an Sasakis Verhalten trägt. Aber Koheis Blick ist auf die Straße gerichtet, als wäre Rem nicht hier.

Sie kommen bei seiner Wohnung an und Rem ist schon erleichtert, dass er sie nicht bei ihrer Wohnung abgesetzt hat. Aber so wie er es vermeidet in ihre Richtung zu sehen, könnte er sie auch einfach vergessen haben.

Als sie dann in seiner Wohnung sind, hält sie es nicht mehr aus. Nachdem Kohei Mantel und Schuhe ausgezogen hat und ohne ein Wort zu sagen ins Wohnzimmer geht, läuft sie ihm hinterher und schlingt die Arme um ihn. »Es tut mir leid!«, murmelt sie gegen seinen Rücken, wohl wissend, dass eine Entschuldigung nichts wiedergutmacht.

»Rem?« Koheis Stimme klingt überrascht und zu Rems Erleichterung schiebt er sie nicht von sich.

»Mach dir keine Sorgen, über das, was Juro gesagt hat. Er hat unrecht!« Sie hört, wie Kohei seufzt und spürt, wie er seine Hand auf ihre legt.

»Das hat er nicht«, sagt er mit leiser Stimme und Rems Magen zieht sich zusammen.

»Du hättest sterben können und das kann ich nicht einfach ignorieren.«

Rem weiß, dass er sich schon vorher Vorwürfe wegen der Sache gemacht hat und sie verflucht ihren Vater in Gedanken dafür, dass er diese Vorwürfe wieder zutage gebracht hat, nachdem sie dafür gesorgt hat, dass er sie vergisst.

»Rem?«, sagt Kohei erneut, als sich Rems Umarmung um ihn festigt.

»Ich werde es nicht erlauben!«, nuschelt sie in sein Jackett.

»Was?« Kohei sieht über seine Schulter und hebt dann seinen Arm, um sich umzudrehen. Also lockert sie ihre Arme gerade so weit, dass er das kann.

»Rem«, sagt Kohei wieder und legt seine Hände auf ihre Schulter. »Würdest du mich kurz loslassen?«

»Nein«, sagt Rem sofort und schlingt ihre Arme wieder fester um ihn. Sie erinnert sich an die Szene nach der Weihnachtsfeier und wie sie Kohei gebeten hat, sie loszulassen. Jetzt versteht sie, wieso er das nicht wollte.

»Ich will nur mein Jackett ausziehen«, sagt Kohei und sie kann Verwirrung in seiner Stimme hören.

Rem rührt sich nicht. Sie weiß selbst nicht genau warum, aber sie hat diese eigenartige Angst, dass sie ihn verlieren könnte, wenn sie ihn jetzt loslässt. Sie hebt den Kopf und sieht zu ihm auf. »Du hast davon geredet, dass du mich heiraten würdest und dass ich dich nicht loswerden würde, selbst wenn ich Schluss mache. Wenn du das alles vergisst, nur wegen dem, was Juro gesagt hat, werd ich wütend!« Rems Stimme klingt beleidigt und Kohei scheint das zu überraschen. Aber dann seufzt er. »Ich habe es nicht vergessen und ich habe es ernst gemeint, aber was sagt es über mich aus, wenn ich dafür dein Leben riskiere.«

»Aber das tust du doch überhaupt nicht!«, widerspricht Rem energisch, die jetzt mit Sicherheit weiß, dass er darüber nachdenkt sie zu verlassen. »Das, was passiert ist, war ganz allein Sasakis Werk!«

»Aber ohne mich, wärst du nie in Gefahr gewesen und es stimmt auch, dass meine Familie einige Feinde hat, die dich benutzen könnten, um an mich oder Toshiro heranzukommen. Das wäre nicht das erste Mal.« Ein schwaches Lächeln umspielt seine Lippen, aber der Blick in seinen Augen ist abwesend.

Sie glaubt nicht, dass die Worte ihres Vaters allein so einen großen Effekt auf Kohei haben könnten, aber das macht es nur schlimmer. Obwohl sie meinen würde, dass sie Kohei mittlerweile gut kennt, ist es auch wahr, dass sie nur wenig über seine Kindheit weiß. Aber von dem, was sie weiß, war er viel allein und ein Kind, um das sich kaum jemand kümmert, ist kein schlechtes Ziel für jemanden, der Schaden anrichten will. Sie hat sich noch nie die Frage gestellt, ob Kohei mal in einer Situation war, in der er gegen seinen Großvater als Druckmittel eingesetzt wurde, aber sie weiß, dass Kohei heute niemand ist, mit dem man sich anlegen sollte. Möglicherweise ist das eine Folge davon und es würde erklären, wieso er in mancher Hinsicht so unbarmherzig ist. Und woher seine Unsicherheit kommt.

Sie lässt ihn los, aber nur um sein Gesicht mit beiden Händen zu umfassen. »Sieh mich an«, sagt sie, während sie sich bemüht, so ruhig und entschlossen wie möglich zu klingen. »Es stimmt, dass Sasaki mich wahrscheinlich nicht hätte umbringen wollen, wenn wir nur Kollegen gewesen wären, und ich werde auch nicht behaupten, dass es mir keine Angst gemacht hat. Und vielleicht komme ich wieder in eine ähnliche Situation, wenn wir zusammenbleiben. Aber nur vielleicht und das ist der Punkt. Es ist nur Spekulation.«

Koheis goldene Augen huschen zwischen ihren hin und her, aber der Blick darin ist noch immer stumpf.

»Die Argumentation meines Vaters basiert auf der Vermutung, dass ich ohne dich sicherer wäre, aber das kann er genauso wenig wissen, wie wie groß das Risiko ist, wenn wir zusammen sind. Also ja, ohne dich hätte Sasaki vielleicht nicht versucht, mich umzubringen, aber ein Unfall hätte trotzdem passieren können. Und was deine Familie angeht, stimmt es vielleicht auch, dass sie viele Feinde hat, aber du und dein Großvater können mich besser beschützen, als Juro es je könnte. Aber vor allem ist es meine Entscheidung, welches Risiko ich eingehen will.«

Kohei legt seine Hand auf ihre und drückt sie sanft. »Ich hätte wissen können, dass du deine Kitsune-Zunge benutzt, um mir meine Vernunft auszureden.«

Rem legt die Stirn in Falten. »Denkst du wirklich, dass es vernünftig wäre, dich von mir zu trennen?«

Er lächelt milde. »Dein Vater und du, ihr seid euch sehr ähnlich, weißt du. Und genau wie du kann er sehr überzeugend sein.«

Rem beißt sich auf die Lippe. Juros Worte scheinen einen größeren Effekt auf ihn zu haben, als sie gedacht hat. Vielleicht spielen seine Gefühle eine Rolle dabei, die Enttäuschung darüber von ihren Eltern nicht akzeptiert zu werden. Anstatt Juros Worte zu entkräften, sollte sie ihnen vielleicht etwas entgegensetzen. »Aber du hast dafür gesorgt, dass auf der Weihnachtsfeier alle geglaubt haben, wir wären verlobt. Es ist also kein Geheimnis mehr, dass wir zusammen sind und wenn du mich jetzt verlässt, bin ich völlig schutzlos.« Sie versucht bemitleidenswert zu klingen, aber da sie noch nie etwas davon gehalten hat, Männer dazu zu verführen, sie zu beschützen, klingt es wohl eher spöttisch.

»Versuchst du, mich zu erpressen?«, fragt Kohei belustigt. Auch wenn sie ihn nicht so recht überzeugen kann, scheint er es doch wenigstens zu genießen, dass sie sich solche Mühe gibt. Und das bringt Rem auf eine Idee.

»Ich kann dich nicht zwingen, bei mir zu bleiben, wenn du mich wirklich verlassen willst«, sagt sie und ihre Hände rutschen von seinem Gesicht zu seinen Schultern. Die Sorge, die Juro in Kohei geschürt hat, ist nicht logisch begründet, sondern emotional. Aber es gibt noch ein anderes Problem, bei dem Logik versagt und auf das Kohei rein emotional reagiert.

Rems Arme schlingen sich um seinen Hals und sie geht auf Zehenspitzen, um mit den Lippen sein Ohr zu erreichen. »Aber ich hoffe, du gehst nicht davon aus, dass ich mein Leben lang single bleibe.«

Kohei versteift sich.

»Es wird vielleicht eine Weile dauern, aber ich werde mich mit anderen Männern treffen. Und ich werde mich in einen anderen Mann verlieben und vielleicht sogar heiraten.« Es fühlt sich wie eine Lüge an, weil Rem nicht glaubt, dass sie überhaupt die Energie hätte, sich auf einen anderen Mann einzulassen, sollte Kohei sie tatsächlich verlassen. Viel wahrscheinlicher ist, dass sie an ihm kleben würde, ähnlich wie er, nach dem sie ihre Affäre beendet hat.

Aber obwohl auch Kohei das wissen sollte, hört sie, wie sein Atem sich beschleunigt. Trotzdem sagt oder bewegt er sich nicht und Rem beschließt noch eins draufzusetzen. »Ich würde es hassen, mit meinem Ex zusammenzuarbeiten, und ein Ortswechsel ist eine gute Idee, um über eine Trennung hinwegzukommen. Und eine Einladung nach London habe ich schon von jemandem.«

Zwei Hände packen Rems Hüfte und schieben sie zurück. »Mr. Blake hat was getan?!«, faucht Kohei, der sie zwar von sich geschoben hat, um sie ansehen zu können, aber nicht den Eindruck macht, dass er sie wieder loslassen würde.

Rem verschränkt die Arme vor der Brust und zuckt arglos mit den Schultern, obwohl sie erleichtert ist, dass ein lebhaftes Funkeln in seine Augen getreten ist, sodass sie wieder das Gefühl hat, dass er sie wirklich ansieht. »Eigentlich hat er mich nur zum Essen eingeladen, falls ich mal in London sein sollte. Aber wenn ich ihm sage, dass wir uns getrennt haben und dass ich nach London ziehen will, lässt er mich vielleicht wieder als sein Model arbeiten.« Es ist faszinierend dabei zuzusehen, wie Kohei um einen gefassten Ausdruck kämpft.

»Glaubst du, ich weiß nicht, was du gerade tust?«, fragt er, wobei er wohl versucht, ein gelassenes Lächeln aufzusetzen. Was ihm nicht gelingt.

»Die Frage sollte sein: Was tust du?«, erwidert Rem. »Du willst mit mir Schluss machen, wirst aber schrecklich eifersüchtig, wenn ich davon rede, mich mit einem anderen Mann zu treffen.«

»Du weißt ganz genau, dass ich nicht mit dir Schluss machen will.«

Rem hebt die Arme in einer fragenden Geste. »Gut. Wieso reden wir dann darüber?«

Er seufzt. »Ich kann doch nicht einfach ignorieren, dass du in Gefahr sein könntest.«

»Doch. Das musst du sogar. Es gibt ein gewisses Lebensrisiko, das jeder eingehen muss, der sich nicht in seinem Haus verkriechen und niemals herauskommen will. Und du bist der Enkel eines Unternehmers, keines Gangsters.«

Kohei sagt nichts, aber diesmal scheint er zu wanken.

»Und wenn ich deine Freundin bin, ist es sehr viel einfacher, mit Typen wie Matsusaki umzugehen, von denen ich sehr viel mehr treffen werde als Menschen wie Sasaki. Und überhaupt, wenn ich eine Schwachstelle für dich bin, dann bin ich das doch auch, nachdem wir uns getrennt haben.« Sie streckt ihre Hand nach ihm aus, um erneut sein Gesicht zu berühren. »Weißt du noch, was du zu mir gesagt hast, als ich unsere Affäre das erste Mal beenden wollte?«, fragt sie, während sie sanft seine Wange streichelt. »Du hast gesagt, dass es sowieso nicht klappen wird, wenn wir uns ohne richtigen Grund trennen wollen.«

Er seufzt. »Okay, okay. Aber etwas muss sich ändern.«

»Muss es nicht«, widerspricht Rem sofort. »Er sieht vielleicht nicht so aus, aber Juro ist überempfindlich und er hätte sich in unserer Situation von Midori getrennt. Aber du siehst ja, wie gut das klappt. Ich werde mit ihm reden und wenn er sich nicht umstimmen lässt, müssen wir uns nicht mehr mit ihm treffen.«

»Nein, Rem.« Kohei schüttelt den Kopf. »Dein Vater hat Angst um dich und das ist sein Recht. Ich will nicht, dass du meinetwegen nicht mehr mit ihm sprichst.«

Sie runzelt die Stirn. »Ist das nicht dasselbe, dass du auch für mich tun wolltest, als ich mir Sorgen darüber gemacht habe, was deine Familie von mir denkt.«

Kohei blinzelt und sieht sie einen Moment so verdutzt an, als wäre das in seinen Augen etwas völlig anderes. Aber dann lächelt er. »Ich werde selbst mit deinem Vater reden. Nachdem ich mir etwas überlegt habe, dass ihn überzeugt, dass er sich keine Sorgen machen muss, wenn du bei mir bist.«

Rem spürt, wie sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitet, während sie denkt, dass das die Antwort ist, die sie von ihm hören wollte. Und sie hat keine Bedenken, dass Kohei fähig ist, ihren Vater umzustimmen.

Glücklich schlingt sie die Arme wieder um seinen Hals und drückt sich an ihn, und diesmal erwidert er ihre Umarmung. Jedenfalls für eine Weile.

»Kann ich jetzt mein Jackett ausziehen?«

»Nein«, sagt Rem, der gerade danach ist, länger von ihm im Arm gehalten zu werden. Und das scheint ihr ein wichtigerer Grund zu sein als seiner.

»Aber mir ist warm. Ich hatte meinen Mantel im Auto an.«

»Wir können nachher duschen.«

»Wir?«

Rem kichert und drückt sich fester an ihn.

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