Kitsune

IX.

Losgelöst

Es ist nicht das erste Mal, dass Inouye an ihrer statt den ersten Platz in der Monatsendauswertung erreicht hat, aber Rem kann sich nicht daran erinnern, dass sie sich so gedemütigt gefühlt hat. Zumal sie diesen Monat nur schlechter abgeschnitten hat, weil sie mit JiJo beschäftigt war. So kann man es strenggenommen nicht einmal als Niederlage verbuchen. Und doch...

Rem wirft einen Blick neben sich, wo Inouye auf dem Fahrersitz seines Autos sitzt und grinst wie ein Honigkuchenpferd. Es ist dieses Gegrinse, wegen dem sie sich so geschlagen fühlt.

Es ist das erste Mal, dass sie nicht zu Inouyes Wohnung fahren, sondern zu ihrer, auf seinen Wunsch hin. Und Rem ist tatsächlich ein wenig nervös. Wie könnte sie das nicht, bedenkt man, dass sein Schlafzimmer allein größer als ihre ganze Wohnung ist. Aber sie hat nicht widersprochen, da es unter den Umständen nicht fair wäre.

Als sie ihre Wohnung betreten, beobachtet sie Inouye, wie er seinerseits ihre Wohnung in Augenschein nimmt.

»Wie ich es mir dachte«, sagt er schließlich. »Du bist der minimalistische Typ.«

Rem runzelt die Stirn.

»Keine Dekorationen und nur das Nötigste. Aber mir gefällt das.« Er deutet auf das große Bett, das den größten Teil des Raums einnimmt. Es ist groß genug für zwei, da Rem nach Kosukes Auszug kein kleineres Bett gekauft hat. Sie braucht den Platz nicht und außerdem erinnert sie sich noch sehr gut an die Tortur, das große Bett in das kleine Apartment zu bekommen.

Rem verschränkt die Arme vor der Brust. »Und jetzt?«, fragt sie, um das Thema ihrer Einrichtung nicht zu vertiefen.

Inouye dreht sich zu ihr, ein breites Grinsen auf den Lippen. »Jetzt zeigst du mir deinen Vorrat an Sexspielzeug.«

Sie rührt sich nicht.

»Tu nicht so als hättest du keinen. Ich weiß, dass du die Handschellen und das ganze Zeug nicht ausgeliehen hast.«

Rem schüttelt den Kopf bei dem Gedanken, Sexspielzeug auszuleihen, aber sie geht auf das Bett zu. Mit dem Fuß zieht sie eine Kiste darunter hervor.

Inouyes Augen leuchten auf und er geht davor in die Hocke. »Das ist eine große Kiste«, bemerkt er, während er sie zu durchwühlen beginnt. Er erinnert sie an einen kleinen Jungen, der einen Baukasten bekommen hat.

»Hm, aber das sind alles nur Requisiten und -« Er bricht ab und Rem lehnt sich etwas zur Seite, um an ihm vorbeizusehen und herauszufinden, was seine Aufmerksamkeit erregt hat.

»Oh ja!« Inouye steht auf und dreht sich um. In der einen Hand hält er ein Maidkostüm und in der anderen den dazugehörigen Haarreif.

Rem seufzt und nimmt ihm die Sache ab, um damit ins Bad zu gehen. Es ist keine große Überraschung, dass er nicht anders kann, als sie in dieses Kostüm zu stecken, nachdem er es entdeckt hat.

Sie braucht eine ganze Weile, um das Kostüm anzuziehen. Das letzte Mal ist schon so lange her, dass sie sich gar nicht mehr daran erinnert, wie eng es ist. Und wie knapp. Sogar wenn sie gerade steht, bedeckt der Rock kaum ihren Hintern und ihre Strapse sind gut sichtbar. Es ist kein Platz für einen Ganzkörperspiegel im Bad, aber sie ist sich sicher, dass es Inouye gefallen wird. Immerhin wirken visuelle Eindrücke bei ihm besonders gut und wenn sie es richtig anstellt, vergisst er möglicherweise Unwichtiges, wie, dass er die Monatsendauswertung gewonnen hat.

Als sie das Bad verlässt, sitzt Inouye auf dem Bett und betrachtet interessiert ein Lederhalsband. Doch er lässt es in die Kiste zurückfallen und richtet seinen Blick auf Rem. Seine Augen mustern sie aufmerksam von Kopf bis Fuß. »Komm her«, sagt er dann in einem Tonfall, als hätte er sein Leben lang, Befehle erteilt.

»Ein paar Sachen davon sind nicht ganz leicht zu handhaben«, sagt Rem mit einem Blick auf die Kiste, während sie auf ihn zugeht. »Aber ich kann es dir zeigen, falls du Hilfe brauchst.«

»Tu ich nicht«, erwidert er ohne zu zögern und wie um das zu beweisen, schiebt er die Kiste mit dem Fuß wieder unters Bett.

»Bist du sicher?« Sie steht nun direkt vor ihm und schaut mit einem gelassenen Lächeln auf ihn herab.

Er schnaubt. »Du brauchst vielleicht Fesseln, aber ich nicht.«

»Richtig.« Sie beugt sich zu ihm herunter und streicht mit den Fingern über seine Wange und weiter zu seinem Hals. »Dir gefällt es, wie ich meine Hände benutze.«

Er packt ihr Handgelenk. »Das dachtest du dir so, Kitsune.«

Rem legt die Stirn in Falten. »So nennst du mich nur, wenn du wütend auf mich bist.«

»So nenn ich dich, wenn du etwas Verschlagenes tust«, verbessert er und zieht ihr Handgelenk nach oben zu seinem Mund. »Wenn du zum Beispiel versuchst, mich vergessen zu lassen, dass du heute meine Sklavin bist.« Er zwickt ihr mit den Zähnen in die feine Haut an der Innenseite ihres Handgelenks. Es tut ein bisschen weh. Aber nicht genug, um deswegen das Gesicht zu verziehen. Rem beachtet es gar nicht. Ihr Blick ist auf Inouyes Augen gerichtet, die ihrerseits sie ansehen. Ein Grinsen umspielt seine Lippen. »Dreh dich um«, sagt er dann und lässt ihr Handgelenk los.

Rem richtet sich auf. Einen Moment lang mustert sie ihn noch, bevor sie tut, was er sagt.

»Hm, das steht dir wirklich gut«, hört sie ihn murmeln.

Sie schnaubt leise. »Tu nicht so, als würdest du gerade etwas anderes als meinen Hintern anstarren – oh!« Rem greift reflexartig nach hinten, als er ihr einen Klaps auf besagten Hintern gibt. Sie wirft ihm tadelnd einen Blick über die Schulter zu.

»Umdrehen.« Seine Stimme ist etwas tiefer als gewöhnlich, aber beherrscht.

Rem dreht sich um und sieht ihn an. Obwohl sie auf ihn herabschaut, funkelt ein überlegener Ausdruck in seinen Augen und ein weiteres Mal, kann sie nicht anders, als ihn anzustarren. Sie kennt seine Gesichtsdrücke von der Arbeit, die auf sie immer so wirken, als wäre sie aus Plastik. Sie hat gesehen, wie er sich um diese Ausdrücke bemüht und sie von einem fast kindlichen Trotz ersetzt werden, wenn sie aneinandergeraten. Und seit kurzem weiß sie, wie er aussieht, wenn er um seine Kontrolle kämpft und sie schließlich verliert. Aber dieser Blick passt in keine dieser Kategorien.

»Ich dachte, es wäre eine Verschwendung, das Kostüm nicht von allen Seiten zu betrachten. Aber es gibt keinen Grund zu hetzen.« Seine Fingerspitzen streichen federleicht über ihre nackte Haut über ihren Strümpfen. »Ich werde später genug Möglichkeiten haben, deine Rückseite zu bewundern.«

Rem legt die Stirn in Falten, da sie nicht weiß, was sie aus dieser Andeutung machen soll. Auf eine Weise ist diese Seite von ihm, schwer zu lesen.

»Jetzt heb deinen Rock.«

Rem blinzelt. Dann huscht ihr Blick an sich hinunter. Sie hatte vorgehabt, ihn abzulenken, aber sie hatte nicht erwartet, dass er so eindeutige Befehle geben würde. Sie könnte versuchen, ein Gespräch zu beginnen, aber das wäre nicht fair, da er ihren Anweisungen ohne Widerworte gefolgt war. Und, mit einem Blick auf sein Gesicht, würde es auch nicht funktionieren.

Sie greift den Saum des Rockes und hebt ihn an.

»Höher«, sagt er, ohne dabei eine Miene zu verziehen. »Und mit beiden Händen.«

Blinzelnd, um seinem Blick auszuweichen, tut sie, was er sagt. Sie hat zuvor keine allzu große Scham verspürt, sich vor ihm auszuziehen, aber vor ihm zu stehen und ihm die Unterseite ihres Rockes zu präsentieren, gibt ihr ein stärkeres Gefühl der Blöße.

»Lass die Hände, wo sie sind.« Inouyes Hände wandern zu der Rückseite ihrer Schenkel und er beugt sich langsam vor. »Nicht bewegen.« Sein Atem streicht über ihre Haut. Sie spürt seine Lippen an der Innenseite ihres rechten Oberschenkels nach oben wandern. Nur ganz leicht.

Rem bemerkt, dass sie die Luft anhält. Sie atmet aus und genau in diesem Moment erreicht Inouye ihr Zentrum. Ein überraschtes Fiepen entkommt ihr, bevor sie sich auf die Lippe beißen kann. Sie wirft einen Blick nach unten, in der Hoffnung, dass er sie nicht gehört hat.

Ein Paar goldbrauner Augen starrt zu ihr hinauf. Er hat es gehört. Sie kann sehen, dass sie genauso reagiert hat, wie er es wollte. Und dass er es ist, der in dieser Situation die Kontrolle hält. Sie rührt sich keinen Zentimeter, so wie er es befohlen hat und während er ihre Strapse löst, bemerkt sie, dass sie wieder die Luft anhält.

Seine Hände streichen erneut zur Rückseite ihrer Schenkel, bis sie den Rand ihres Slips erreichen. Er zupft leicht daran, aber Rem spürt es kaum, da er im selben Moment mit der Zunge provokant über ihre Vorderseite leckt. Sie keucht leise.

Er beobachtet sie dabei, ein vergnügtes Funkeln in den Augen. Dann packt er den Stoff mit den Zähnen und beginnt ihn langsam nach unten zu ziehen. Mithilfe seiner Hände, landet ihr Slip auf dem Boden.

Inouye löst seinen Blick von ihrem und Rem atmet auf – nur um erschrocken nach Luft zu schnappen, als er ihr rechtes Bein packt und nach oben zieht. Reflexartig lässt sie ihren Rock los und hält sich an seinen Schultern fest.

Inouye hält inne. Seine Augen richten sich wieder auf ihre und plötzlich ist dort ein dunkles Glühen, dass Rem erschaudern lässt. »Wann hab ich gesagt, dass du den Rock loslassen kannst?«

Verwirrt nimmt sie ihren Rock und hebt ihn, bevor ihr etwas einfällt, das sie sagen könnte.

»Bleib so«, sagt er und hebt ihr Bein, das sie neben ihm auf dem Bett aufgestellt hat. Er wirft es sich über die Schulter und Rem hätte das Gleichgewicht ein weiteres Mal verloren, hätte er nicht mit beiden Händen ihre Hüfte gepackt. Aber sie bemerkt es kaum, denn in derselben Bewegung vergräbt er seinen Kopf zwischen ihren Beinen.

Rem stößt einen überraschten Schrei aus und ihre Hände zittern, als sie gerade noch davon abhalten kann, ihren Rock ein weiteres Mal loszulassen. Sein Mund fühlt sich heiß an und Rem kneift die Augen zusammen. Es ist das erste Mal, dass sie Inouye vollkommen die Kontrolle überlässt. Sie war erleichtert darüber, als sie festgestellt hat, dass es kein Problem für ihn ist, wenn sie die Initiative ergreift, dass es ihm sogar zu gefallen scheint.

In der Vergangenheit hat sie viele Dinge probiert, damit es mit Kosuke besser klappt. Sie erinnert sich daran, wie beschämt sie am Anfang war, sodass sie sich nicht traute, Kosuke zu erzählen, dass sie Sexpraktiken recherchiert hat. Und es war nicht weniger peinlich, als sie endlich den Mut fand, ihm davon zu erzählen. Aber obwohl er schrecklich geschmeichelt war und sogar Gefallen an einigen dieser Dinge gefunden hat, war er stets der Meinung, dass der Mann den dominanten Part einnehmen sollte. Sie hat für ihn Kostüme angezogen und sich ans Bett fesseln lassen, aber es war etwas, dass sie für ihn getan hat.

Wie wenig ihr das tatsächlich gefallen hat, ist ihr erst richtig bewusst geworden, als sie anfing, mit Inouye zu schlafen, und der Gedanke, sich völlig ihrem Partner hinzugeben, hat einen üblen Beigeschmack bekommen.

Rem dreht den Kopf zur Seite, die Augen noch immer geschlossen. Ihr Atem geht keuchend und wird immer wieder von einem Stöhnen begleitet, das zu unterdrücken ihr gar nicht mehr in den Sinn kommt. Sie hat nicht gewusst, dass es sich so gut anfühlen kann.

Hitze schießt durch ihren Körper und ihre Hände umklammern zitternd ihren Rock. Ihre Ohren rauschen und ihr Kopf rollt über ihre Schulter. Mehr, mehr…

»Ah!« Weiße Sterne blitzen vor Rems Lidern auf und ihr Körper spannt sich bis in die Zehenspitzen an. Dann sinkt sie zitternd in Inouyes Armen in sich zusammen.

Sie keucht und als sie die Augen öffnet, sieht sie sein Gesicht vor sich. Seine Wangen sind leicht gerötet und seine Augen dunkel, aber seine Miene ist beherrscht, fast schon kühl. Sie hält sich an seinen Schultern fest, auch wenn er es ist, der sie aufrecht hält. Ihr Bein ist von seiner Schulter gerutscht, aber es hängt noch über seinem Arm, während seine Hände ihren Rücken halten.

Und dann liegt sie plötzlich auf dem Bett. Es geht so schnell, dass sie nicht einmal Zeit hat, überrascht zu sein.

Inouye steht vor ihr und wischt sich mit der Hand über die Lippen. Er mustert sie mit dunklem Blick und Rem hält erneut den Atem an. In diesem Moment geht ihr durch den Kopf, dass sie ihren Rock schon wieder losgelassen hat.


 

Rem erwacht am nächsten Morgen zu dem Zischen von heißem Fett. Noch im Halbschlaf formt sich ein Bild von Kosuke in ihrem Kopf und wie er früher am Wochenende häufig vor ihr aufgestanden ist und Frühstück gemacht hat. Sie ärgert sich sofort darüber, aber es ist das erste Mal, nach Kosukes Auszug, dass jemand außer ihr die Küche benutzt.

Sie öffnet die Augen und sieht Inouye an ihrem Herd stehen. Er hat daran gedacht, Extrakleidung mitzubringen, denkt sie, denn er trägt ein T-Shirt und eine Jogginghose. Etwas, das man leicht ausziehen kann.

Sie runzelt die Stirn und reibt sich dann mit der Hand den unteren Rücken. Nicht, dass sie die Dinge überstürzen müssen. Sie klettert aus dem Bett und geht ins Bad.

Als sie wieder herauskommt, wirft Inouye einen Blick über die Schulter. Dann dreht er sich um und schenkt ihr ein breites Lächeln. »Gut geschlafen? Wie geht es deinem Rücken?«

Rem rümpft die Nase und setzt sich an den Tisch. »Grins nicht so. Ich hatte schon schlimmere Rückenschmerzen von meinem Schreibtischstuhl.«

»Dann würde ich mir einen neuen Schreibtischstuhl besorgen«, erwidert er, während er einen Teller vor ihr abstellt.

Sie frühstücken und danach, weil er gekocht hat, macht sie den Abwasch, während er auf dem Bett liegt und an seinem Handy spielt. Als sie fertig ist, lässt sie sich ebenfalls aufs Bett fallen. Sie ist froh, dass sie keine Pläne für heute hat, die sich nicht verschieben lassen. Samstags kümmert sie sich normalerweise um den Haushalt, der unter der Woche immer etwas kurz kommt, aber das kann sie auch auf morgen verschieben.

»Hey«, sagt Inouye dann plötzlich in einem eigenartig ernsten Tonfall. »Du bist immer noch einverstanden, mit unserem Arrangement, oder?«

Rem sieht ihn überrascht an. »Wieso fragst du?«

Er zuckt mit den Schultern. »Ich dachte, das sollte ich, nachdem was auf der Arbeit passiert ist.«

Rem starrt ihn an. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Genaugenommen hat er ihr geholfen, ihre Frustration loszuwerden.

»Wahrscheinlich hätte ich das vor gestern fragen sollen…«, fügt er etwas leiser hinzu.

»Ist schon in Ordnung«, sagt Rem mit einem Lächeln, als ihr klar wird, dass er ihren Blick falsch gedeutet haben muss. »Es ist nett, dass du fragst. Ich sage es dir, wenn mich etwas stört.«

Er nickt. »Ich dachte nur, es wäre besser sicherzugehen. Über so was redet man ja nicht unbedingt gern.«

»Stimmt, das Thema wird viel zu oft totgeschwiegen.« Rem denkt an Hansawa. Er ist kein schlechter Chef, im Gegenteil sogar, aber auch er hat instinktiv versucht, die Sache so klein wie möglich zu halten.

»Und es ist unangenehm«, fährt Inouye fort. »Ich meine, ich finde es auch unangenehm, wenn eine Frau sich an mich klebt und meine Arme oder meine Bauchmuskeln ohne Erlaubnis abtastet und das ist nicht mal vergleichbar.«

Rem runzelt die Stirn. »Wie meinst du das?«

»Ich will nur sagen, dass Berührungen schon unangenehm sein können, wenn es nicht sexuelle Belästigung ist.«

»Ich weiß nicht, in welchem Zusammenhang Frauen deine Bauchmuskeln abtasten, aber wenn es dir unangenehm ist, klingt es für mich sehr nach sexueller Belästigung«, sagt Rem, während sie ihn von der Seite mustert.

»Vielleicht ein bisschen, aber es ist ja nicht vergleichbar, mit dem, was dir passiert ist«, erwidert er, ohne sie dabei anzusehen.

Rem setzt sich auf. »Wieso nicht? Hätte Mr. Matsusaki meinen Bauch betastet und seine Hand nicht weggenommen, nachdem ich ihn dazu aufgefordert habe, hätte ich ihn genauso getreten.«

»Schon, aber es ist ein Unterschied, ob ein Mann eine Frau in die Enge treibt oder ob eine Frau sich einem Mann an den Hals wirft.«

»Wieso?«

»Weil es für einen Mann viel leichter ist, eine Frau zu überwältigen. Die Gefahr in der Situation ist eine andere.«

Rem starrt ihn ungläubig an. Und dann, weil seine Antwort sie so verärgert, dreht sie sich, schwingt ihr Bein über seine und setzt sich auf seinen Schoß. »Was soll dieser Unsinn?«, sagt sie, während sie eine Hand am Kopfende des Bettes hinter ihm abstützt. »Willst du mir sagen, dass du die Frau in deinem Beispiel, einfach wegschubsen konntest?«

Inouye starrt sie einen Moment verdutzt an. Dann schüttelt er den Kopf. »Nein, natürlich nicht.«

»Hast du ihr gesagt, dass sie dich nicht berühren soll?«

»So einfach war das nicht.«

»Das ist es nie.« Rem sieht in streng an. »Das, was sexuelle Belästigung so widerlich macht, ist, dass der Täter eine Situation ausnutzt und dir dabei weismachen will, dass er überhaupt nichts Ungebührliches tut. Ich weiß, dass es deine Spezialität ist, Leute zu verführen, aber das gibt niemandem das Recht, dich zu betatschen.«

Er sagt nichts. Er sieht sie einfach nur erstaunt an.

Rem blinzelt und nimmt ihre Hand vom Bettkopfende. »Ich wollte mich nicht aufdrängen«, sagt sie, da ihre Position ihren Standpunkt nicht unbedingt unterstützt. »Aber nur weil Frauen eher unter sexueller Belästigung leiden als Männer, heißt das nicht, dass Männer nicht auch sexuell belästigt werden können. Oder dass das in Ordnung oder weniger schlimm ist.« Sie lehnt sich zurück und will von ihm heruntersteigen, aber in diesem Moment lehnt er sich seinerseits vor.

»Jemand, der so sexy ist, darf sich mir gerne aufdrängen«, raunt er, während seine Hände über ihre Beine streichen und er lehnt sich zu ihrem Ohr vor. »Ich hätte auch nichts gegen ein bisschen sexuelle Belästigung von dir.«

Rem legt die Stirn in Falten, legt aber den Kopf etwas zur Seite, als er beginnt ihren Hals zu küssen. »Es ist nur Belästigung, wenn es dir nicht gefällt.«

Er kichert und schlingt die Arme um sie. Dann dreht er sie herum, sodass sie auf dem Rücken liegt. Seine Lippen wandern über ihr Schlüsselbein und er zupft an ihrem Pullover. »Weißt du, was mir jetzt gefallen würde?« Er wirft ihr einen Blick zu, die Lippen zu einem Grinsen verzogen.

Aber bevor Rem antworten kann, beginnt ihr Handy zu klingeln. Sie wirft einen überraschten Blick zur Seite, während Inouye stöhnt. Sie greift es und wirft ein Blick auf das Display, bevor sie abnimmt. »Aozora.«

»Verzeihen Sie, dass ich Sie störe, Ms. Aozora«, antwortet Mr. Blake, klingt dabei aber nicht sonderlich reuevoll. »Aber ich dachte, es wäre das beste, Sie so schnell wie möglich zu informieren. Es gab ein organisatorisches Problem auf unserer Seite, sodass ich nicht in der Lage bin, unseren Termin am Montag wahrzunehmen.«

»Ich verstehe. Ist das alles?« Da dieser Termin gleich am Montagmorgen gewesen wäre, schätzt sie es, dass er ihr nicht zu kurzfristig absagt, und es ist auch nicht das erste Mal, dass sie am Wochenende telefonieren. Außerdem fühlt sie eine gewisse Genugtuung darüber, dass dieser pingelige Mann ihr gestehen muss, dass auf seiner Seite ein Fehler gemacht wurde.

»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich den Termin gerne verschieben.«

Rems freie Hand greift nach Inouyes Haaren, als er seine Hände unter ihren Pullover schiebt und beginnt den Teil ihres Bauches, den er dabei entblößt, mit Küssen zu übersähen. »Natürlich. Ich werde ihnen am Montag eine Liste mit möglichen Terminen schicken.«

»Ich danke Ihnen, aber wäre es unter Umständen möglich, dass Sie mir diese Liste früher schicken?«

Rem runzelt die Stirn. Sie hätte nicht gedacht, dass er jetzt noch dreist genug ist und sich wichtig macht. Dann schließt sie die Augen, als Inouyes Zähne die Innenseite ihres Schenkels zwicken. »Bitten Sie mich darum, außerhalb meiner Arbeitszeit zu arbeiten, weil Sie einen Fehler gemacht haben?«

»Es geht mir nur darum…«

Rem packt Inouyes Haare fester und zieht seinen Kopf nach oben. »Ja?«

Mr. Blake antwortet nicht sofort und Rem beißt sich auf die Lippen, während Inouyes Lippen erneut über ihren Bauch streichen und sie sich darauf konzentriert, nicht zu laut zu atmen.

»Nein, bitte entschuldigen Sie. Das war anmaßend von mir. Ich werde Ihnen eine Liste mit Terminen schicken, sodass Sie sich einen aussuchen können, der Ihnen am besten passt.«

Sie lächelt. Es ist gut, dass er ein Mann ist, der schnell versteht. »Tun Sie das«, sagt sie, bevor sie sich auf die Lippen beißt. Ihr Blick huscht zu Inouye.

»Ja, danke Ms. Aozora. Und verzeihen Sie nochmals die Störung.«

»Natürlich. Auf Wiedersehen, Mr. Blake.« Rem legt auf und Inouye hebt den Kopf. »Wie ich sehe, nervt er dich auch am Wochenende.«

»Es ist schon besser geworden«, erwidert sie, während sie das Handy aus der Hand legt. Tatsächlich haben Mr. Blakes Schikanen aufgehört, nachdem sie ihn im Januar beiseite genommen hat.

»Also, erwartest du noch andere Anrufe?« Inouye krabbelt wieder nach vorn, sodass er auf ihr Gesicht hinabschauen kann.

»Nein«, antwortet sie und sieht aufmerksam zu ihm auf.

Ein zufriedenes Grinsen zupft an seinen Lippen, als er sich zu ihr herunterbeugt. »Gut«, sagt er, während seine Hand erneut unter ihren Pullover wandert. »Ich will es nämlich tun, seit du in diesem niedlichen Pullover aus dem Bad gekommen bist.«

Rem blinzelt. Sie trägt ein flauschigen, zartrosa Pullover mit einer Katze darauf. Es war ein Geschenk ihrer Mutter, in das sie hineinwachsen sollte und das ihr heute noch zu groß ist. Der Stoff macht es angenehm, darin zu schlafen, aber sie würde ihn nie außerhalb der Wohnung tragen. »Ich dachte nicht, dass dir das gefällt.«

Inouye lacht. »Es gefällt mir, dass du wie eine strenge Geschäftsfrau klingen kannst, während du dieses flauschige Ding anhast.« Er knabbert an ihrem Ohrläppchen, während seine Finger ihre Brust erreichen.

Und dann klingelt ihr Handy.

Inouye wirft dem Gerät einen hasserfüllten Blick zu. »Kann ich das Ding für eine Weile in ein Wasserglas legen?«

»Es ist nur eine SMS«, sagt Rem und greift nach ihrem Handy, um zu sehen, von wem sie ist.

»Ist sie wichtig?«

Rem antwortet nicht, aber sie streckt ihre freie Hand nach Inouye aus, um ihm zu bedeuten, von ihr herunterzugehen. Sie hört, wie er seufzt, nimmt den Blick aber nicht von ihrem Handy, während sie sich aufsetzt. Auf dem Display steht Kosukes Name und Rem dreht sich von Inouye weg, als sie die SMS öffnet.

>Hallo Rem.

Wie geht es dir?

Du wolltest mehr Zeit für dich und ich will sie dir geben.

Aber ich will dich sehen.

Ich würde mich freuen, wenn wir uns treffen könnten.

Ich möchte mich bei dir entschuldigen.

Für alles.

Du hattest recht, ich hab mich wie ein Arsch benommen.

Du hast eine richtige Entschuldigung verdient.

Und du hast bestimmt auch so einiges zu mir zu sagen.

Wenn du also so weit bist, würde ich mich freuen von dir zu hören.

Ich möchte nicht, dass wir auf diese Weise auseinandergehen.

Bitte denk darüber nach.

Kosuke.<

Rem starrt die Zeilen noch eine ganze Weile an, nachdem sie sie gelesen hat. Seit seiner letzen SMS im Januar hat er sie in Ruhe gelassen und sie hat nicht mehr an ihn gedacht. Erst Mr. Blakes und dann Mr. Matsusakis Verhalten haben sie so sehr abgelenkt, dass sie ihn völlig vergessen hat. Bis jetzt.

Er hat recht damit, dass es noch einiges zwischen ihnen zu sagen gibt. Nur damit sie die Sache hinter sich lassen kann und ihre nächste Beziehung kein unseriöses Verhältnis mit einem Arbeitskollegen bleibt.

Sie sieht über die Schulter zu Inouye, der im Schneidersitz auf dem Bett hockt, den Kopf gelangweilt auf der Hand aufgestützt. »Bist du fertig?«, fragt er, als er ihren Blick bemerkt.

Rem nickt und legt ihr Handy wieder aus der Hand. Plötzlich fühlt es sich eigenartig an, dass Inouye hier ist und sie muss an Kosukes Worte über Inouye denken, als er zum Büro gekommen ist. Seine Reaktion ist so untypisch aggressiv gewesen, als würde er Inouye nicht mögen, obwohl sie sich nach Rems Wissen an diesem Tag zum ersten Mal begegnet sind.

»Hey, da ist etwas, dass ich dich fragen will«, sagt Inouye plötzlich und seine Stimme klingt ungewöhnlich zögerlich.

Rem sieht ihn fragend an.

»Das hört sich vielleicht komisch an, aber hör mir bis zum Ende zu, okay?«

Sie runzelt die Stirn. Es ist nicht seine Art so vorsichtig zu sein, wenn er mit ihr spricht.

»Also, heute in einer Woche ist die Gründungsfeier von Inouye Incorporation und wenn du Zeit hast, dachte ich, dass du mich vielleicht begleiten willst.« Er hält kurz inne, um zu sehen wie sie reagiert, aber Rem beobachtet ihn nur stumm. Sie ist überrascht, aber er hat gesagt, sie soll bis zum Ende zuhören.

Inouye fährt sich mit der Hand durch die Haare. »Es ist...anstrengend, wenn ich keine Partnerin habe, und ich kann auch nicht irgendwen mitbringen, weil mein Großvater da sein wird und er ist…« Er macht erneut eine Pause und verzieht das Gesicht. »Sagen wir einfach, er ist wie die böse Stiefmutter bei Cinderella, wenn ich eine Partnerin mitbringe und meistens redet sie hinterher nicht mehr mit mir.«

Rem hebt eine Braue. »Ist das eine umständliche Art, mir zu sagen, dass du mich loswerden willst?«

Er schüttelt den Kopf. »Nein, natürlich nicht.«

»Brauchst du immer noch die Hilfe deines Großvaters, um persönliche Angelegenheiten zu regeln? Ich dachte, du bist in den letzten zwei Jahren ein bisschen reifer geworden.« Sie weiß nicht warum, aber sie verspürt plötzlich den starken Drang, ihn zu ärgern.

»Hey, solltest du mir nicht ein bisschen dankbarer sein?«, fragt er mit mürrischem Blick.

»Ich soll dankbar sein, dass du mich um Hilfe bittest?«

»Ich gebe dir eine Chance!«

»Die Chance, dein Schutzschild zu sein? Was bekomme ich dafür?« Rem hebt fragend die Hände.

Inouye verzieht das Gesicht. Dann lehnt er sich vor, packt sie und drückt sie aufs Bett.

Rem schnappt nach Luft und hält sich an seinen Armen fest.

»Du bekommst die Chance, Kontakte mit dem Vorstandsvorsitzenden von Inouye Incorporation und seinen Freunden zu knüpfen«, sagt er mit gewichtiger Miene.

Sie sieht einen Moment zu ihm auf, als würde sie überlegen. Dann sagt sie: »Du hast recht. Vielleicht kann ich deinen Großvater dazu bringen, mich zu adoptieren.«

Inouyes Brauen rücken verärgert zusammen. Er hat einmal darüber gescherzt, dass sie neidisch wäre, weil er der Enkel seines Großvaters ist und nicht sie. »Na warte!«, sagt er, stützt sich hoch und beginnt sie zu kitzeln.

Rem schreit auf und fängt an zu strampeln. »Stopp!«

»Das ist deine Strafe dafür, mich nicht ernst zu nehmen!«, sagt er, während seine Hände gnadenlos ihre Seiten malträtieren.

Tränen laufen aus Rems Augen, während sie versucht, Inouyes Handgelenke zu fassen zu bekommen. Natürlich hat sie in dieser Situation einen großen Nachteil und so ändert sie ihre Strategie. Anstatt zu versuchen, ihn von sich zu schieben, schlingt sie die Arme um seinen Hals und drückt ihre Lippen auf seine. Und wie sie es sich gedacht hat, stoppen seine Hände sofort, als er den Kuss erwidert.


 

Schlussendlich nimmt Rem Inouyes Einladung an und so ist sie eine Woche später damit beschäftigt, sich für die Gründungsfeier fertigzumachen. Es ist das erste Mal, dass sie eine so exklusive Veranstaltung besucht und sie ist ein bisschen nervös. Aber vor allem fühlt sie Aufregung und Neugier. Allein Toshiro Inouye kennenzulernen wird eine wertvolle Erfahrung sein, besonders wenn er seinerseits ein Interesse an ihr zeigen wird, so wie Inouye gesagt hat.

Rem weiß, dass Toshiro Inouye ein hohes Tier ist, aber im Zuge von Inouyes Einladung hat sie sich über seinen Großvater informiert. Nicht nur hat er die Inouye Incorporation aufgebaut, er trägt auch entscheidend zur Weiterentwicklung in den Bereichen bei, die sie vertritt. Hauptsächlich, indem er Forschungsprojekte sponsert. Aber er hat sich auch aktiv für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz eingesetzt. Ein Satz aus einem Zeitungsartikel darüber ist Rem gut in Erinnerung geblieben. In einem Interview hat Toshiro Inouye auf die Frage, weshalb ihm Gleichberechtigung so wichtig ist, geantwortet: >Jedes Unternehmen ist dafür da, einen bestimmten Service anzubieten, und um darin erfolgreich zu sein, braucht man Leute, die verstehen, was die Menschen wollen. Ergibt es irgendeinen Sinn, die Mitarbeiter zu benachteiligen, die die Hälfte der gesamten Menschheit repräsentieren?<

Rem weiß noch nicht, wie das zu Inouyes Beschreibung als böse Stiefmutter passt, wenn es um seine Partnerinnen geht, aber sie ist neugierig, es herauszufinden.

Sie beginnt schon am späten Nachmittag, sich vorzubereiten, was sich als gute Entscheidung herausstellt. Da sie in der Vergangenheit nur sehr selten ausgegangen ist, hat sie sich anlässlich der Feier ein neues Kleid gekauft. Ein dunkelblaues Neckholder-Kleid mit einem High-Low-Rock, auf den feine Silberfäden gestickt sind. Es hat Rem daran erinnert, dass ihre Mutter ihr zu ihrem Schulabschluss einen silbernen Haarschmuck geschenkt hat, den zu tragen sie bisher jedoch keine Gelegenheit gehabt hat. Und sie durfte feststellen, dass es eine unglaubliche Aufgabe ist, den Haarschmuck allein in ihren Haaren unterzubringen.

Er besteht aus mehreren dünnen Silberkettchen, die sich mit ihren Haaren verheddern und nach ihrem ersten Versuch, legt sie den Schmuck beiseite und schaut sich eine Reihe Youtube-Tutorials an. Und drei Stunden später hat sie eine anständige Frisur und schmerzende Arme.

Aber es hat sich gelohnt, denk sie, als sie sich nach dem Schminken im Spiegel betrachtet. Es ist ein ungewohnter Anblick.

Sie zupft an einer Haarsträhne, die ihr Gesicht umrahmt. Dann greift sie nach dem Armband, das auf dem kleinen Brett über dem Waschbecken liegt.

Es klingelt an der Tür.

Rem blinzelt überrascht und sieht sich nach ihrem Handy um, um auf die Uhr zu sehen, nur um festzustellen, dass sie es nicht mit ins Bad genommen hat. Inouye hat gesagt, dass er ihr schreibt, wenn er vor ihrem Apartment ist und sie eilt aus dem Bad. Im Gehen macht sie sich das Armband um. Sie schnappt ihre Tasche und den Schal, den sie sich als Ersatz einer Jacke herausgelegt hat, von ihrem Bett und sieht sich dann nach ihrem Handy um. Es liegt auf dem Küchentisch und sie hat tatsächlich eine Nachricht bekommen und so hastet sie zur Tür.

Sie öffnet und holt bereits Luft, um sich zu entschuldigen, als sie sieht, dass nicht Inouye vor der Tür steht. Es ist Kosuke. Und er starrt sie genauso entgeistert an, wie sie ihn.

Rem schüttelt einmal den Kopf. »Was tust du denn hier?«

»Ich wollte…«, stammelt Kosuke, während seine Augen ungläubig an ihr hinunterwandern. »Hast du etwas vor?«

Rem legt die Stirn in Falten und sagt nichts.

Kosuke räuspert sich. »Ich habe dir eine Nachricht geschrieben, aber du hast nicht geantwortet.«

»Und deswegen kommst du her?«

»Na ja, ich weiß, dass du samstags immer zu Hause bist und du hast gesagt, du würdest dich mit mir treffen…« Sein Blick huscht erneut zu ihrem Kleid.

»Ja, aber nicht heute.«

»Triffst du dich mit einem Kerl?«

Rems Miene verdüstert sich und Kosuke lacht auf. »Nur ein Witz«, sagt er, aber er macht keine Anstalten zu gehen.

Sie wirft ein Blick auf ihr Handy, wobei sie feststellt, dass die Nachricht tatsächlich von Kosuke ist. Aber es ist zehn vor sechs. Um sechs ist sie mit Inouye verabredet und sie möchte nicht, dass er Kosuke sieht. Also schlüpft sie ihn ihre Schuhe und geht zu Kosuke in den Flur. »Ich muss jetzt los«, sagt sie, während sie die Tür abschließt.

»Wohin? Vielleicht müssen wir in dieselbe Richtung. Dann können wir auf dem Weg reden.« Seine Stimme klingt plötzlich um einiges leichter.

Rem wirft ihm einen Blick zu.

Er grinst.

Sie schüttelt den Kopf. »Müssen wir nicht. Und ich will jetzt nicht reden.« Sie wendet sich ab und geht den Flur hinunter zur Treppe.

Kosuke folgt ihr. »Okay, vielleicht hätte ich nicht so einfach auftauchen sollen, aber ist das wirklich so schlimm? Wieso bist du wütend?«

»Ich bin nicht wütend, ich bin gestresst.« Sie schlägt ein schnelles Tempo an. Er scheint zu glauben, dass sie irgendwo zu Fuß hingeht. Wenn sie sich beeilt, kann sie ihn von ihrer Wohnung wegführen und zurückkommen, nachdem sie ihn losgeworden ist.

»Wieso? Deine Freunde werden es sicher verstehen, wenn du ein paar Minuten zu spät kommst.« Kosuke folgt ihr mühelos.

Freunde? Rem weiß nicht, mit wem sie sich in seiner Vorstellung trifft, aber sie berichtigt ihn nicht.

»Ich weiß, dass du nicht viel Zeit für Freunde hattest, als wir noch zusammen waren. Ich hätte rücksichtsvoller sein sollen.«

»Das ist jetzt nicht mehr wichtig«, sagt Rem, während sie die Treppe hinuntereilt. Dabei wirft sie noch einen Blick auf ihr Handy, nur um festzustellen, dass eine Minute vergangen ist. Sie schüttelt den Kopf und steckt das Handy in ihre Tasche.

»Jetzt warte doch«, sagt Kosuke, als Rem abermals ihre Schritte beschleunigt. Und das ist gar nicht so einfach, mit ihren Absatzschuhen. Sie sind neu und Rem ist froh, dass sie sie vorher probegelaufen hat.

»Hast du eigentlich gehört, dass Asami ein Klassentreffen organisieren will? Hast du noch Kontakt zu jemandem aus der Schule?« Kosuke drängelt sich an ihr vorbei, als sie die Haustür öffnet, und stellt sich vor sie.

Rem schiebt ihn beiseite. »Nein, habe ich nicht und ich habe dir gesagt, dass ich es eilig habe. Also geh bitte aus dem Weg.«

Kosuke grinst nur, während er rückwärts läuft, damit er Rem weiter ansehen kann. »Wieso schreibst du nicht einfach, dass du ein bisschen länger brauchst? Freunde verkraften so was.«

»Ich will nicht länger brauchen«, erwidert sie genervt.

»Du kannst auch schreiben, dass du noch einen Freund mitbringst.«

Rem sieht ihn verärgert an. »Das ist nicht lustig.«

Kosuke lacht trotzdem. »Komm schon, du musst nicht immer so ernst -«

»Rem!«

Rem zuckt zusammen und sieht zur Straße. Dort steht ein glänzendes, schwarzes Auto und davor Inouye.

Sie starrt ihn an.

Er trägt einen dunkelblauen Anzug mit feinen Stickereien am Revers, eine silberne Weste und eine Krawatte.

Sie hat ihm ein Bild von ihrem Kleid geschickt, nur um sicher zu sein, dass es dem Dresscode entspricht, aber sie hat nicht erwartet, dass er seine Kleidung auf ihre abstimmen würde. Und dass er so viel besser aussehen würde als sie.

Er trägt für gewöhnlich Anzüge und Rem hätte es nicht für möglich gehalten, dass ein anderer Anzug so einen Unterschied machen könnte. Das einzige, das noch besser sitzt als seine Kleidung, ist das strahlende Lächeln auf seinem Gesicht. Schminke hat er nicht nötig, aber er hat etwas mit seinen Haaren gemacht und ihr geht durch den Kopf, dass nichts je mehr Sinn gemacht hat, als dass er das Aushängeschild von Noué ist.

»Bist du so weit?«, fragt er, als er vor ihr stehen bleibt.

Rem öffnet den Mund und ihr Blick huscht zu Kosuke, der Inouye anstarrt, als wäre er ein Außerirdischer. Aber bevor sie etwas sagen kann, schlingt Inouye einen Arm um ihre Taille und zieht sie zu sich. »Du siehst umwerfend aus«, sagt er, bevor er sich zu ihr herunterbeugt und ihr einen Kuss auf die Wange drückt.

Rem hält den Atem an.

»Können wir dann?« Inouye lächelt noch immer, auch wenn es etwas steifer wirkt, als er Kosuke einen Blick zu wirft. »Oder hast du noch andere Pläne?«

Rem sieht ebenfalls zu Kosuke, dessen Miene sich sichtlich verdüstert hat. »Nein«, sagt sie und richtet sich wieder an Inouye. »Lass uns gehen.«

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