Kohei kommt kurz vor sechs vor Aozoras Apartment an. Sein Großvater hat einen schicken Wagen geschickt, daher ist er pünktlich gekommen, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, während er wartet. Er fragt sich sowieso schon, ob er nicht einen Fehler gemacht hat.
Aozora einzuladen, ist eine Entscheidung gewesen, die er aus dem Moment heraus getroffen hat. Ihm ist selbst nicht ganz klar, wie er auf die Gründungsfeier gekommen ist, aber er dachte, dass es interessant sein würde zu sehen, wie sich Aozora schlägt. Es ist ihm leider erst später in den Sinn gekommen, dass es zu viel von einem offiziellen Date hat und er Aozora auch seiner Familie vorstellen würde. Aber Aozora hat die Einladung angenommen – wofür er dankbar ist, denn sonst wäre es ihm noch unangenehmer gewesen – und jetzt bleibt ihm keine andere Wahl, als so zu tun, als wäre der Abend nicht mehr als ein Gefallen unter Kollegen.
Kohei steigt aus dem Auto. Er wirft kurz einen Blick auf das Gebäude vor ihm, während er sein Handy aus der Hosentasche zieht. Dann sieht er nach unten, um eine Nachricht an Aozora zu tippen und sie wissen zu lassen, dass er hier ist. Aber kaum, dass er mit Tippen begonnen hat, hört er wie die Haustür aufgeht.
Er wirft einen Blick zum Haus. Er parkt in einer Querstraße, weshalb er die Tür nicht sehen kann, aber ein Mann kommt rückwärts aus dem Hauseingang, während er sich mit jemandem unterhält.
Es ist schlechtes Timing, denk Kohei und will seine Nachricht abschicken, als ihm plötzlich klar wird, dass er den Mann schon einmal gesehen hat. Es ist nur ein kurzes Treffen gewesen, aber es ist ihm gut in Erinnerung geblieben.
Kohei hebt den Blick abrupt wieder.
Eine schmale Hand legt sich auf die Schulter des Mannes, deren Besitzerin noch im Hauseingang steht, sodass Kohei sie nicht sehen kann. Ein silbernes Armband funkelt an ihrem Handgelenk. »Nein, habe ich nicht und ich habe dir gesagt, dass ich es eilig habe. Also geh bitte aus dem Weg.« Aozora tritt aus dem Hauseingang, wobei sie ihren Exfreund von sich drückt. Und Kohei hätte sie im ersten Augenblick beinahe nicht erkannt.
Ihre Haare sind offen und fallen ihr in sanften Wellen über die Schultern. Etwas Silbernes funkelt darin, passend zu dem Kleid, das sich um ihren Körper schmiegt, ohne dabei von der natürlichen Schönheit ihrer Form abzulenken. Sie hat ihm ein Bild von ihrem Kleid geschickt, um ihn zu fragen, ob es in Ordnung sei – was er sehr niedlich fand – und statt einer Jacke hat sie sich einen Schal um die Arme gelegt. Es ist das erste Mal, dass er sie in einem Kleid sieht, aber sie strahlt eine mühelose Eleganz aus, als wäre sie ständig zu exklusiven Partys eingeladen. Und sie lässt den ärmlich gekleideten Mann vor ihr wie einen Bettler aussehen. Es ergibt ein Bild, das nicht zusammenpassen will.
»Wieso schreibst du nicht einfach, dass du ein bisschen länger brauchst? Freunde verkraften so was«, sagt besagter Bettler dann und Kohei runzelt die Stirn. Welche Freunde?
»Ich will nicht länger brauchen«, erwidert Aozora ungewöhnlich energisch. Auch ihre Miene ist unbeherrscht, während sie ihren Ex ansieht, und sie scheint nicht glücklich über seine Anwesenheit zu sein.
Es würde auch nicht zu ihr passen, denkt Kohei zufrieden. Dass sie sich an dem Abend, an dem sie mit ihm verabredet ist, mit ihrem Ex trifft.
»Du kannst auch schreiben, dass du noch einen Freund mitbringst.«
Kohei rümpft die Nase. Er weiß immer noch nicht, von welchen Freunden dieser Mann spricht, aber er scheint Aozora aufhalten zu wollen. Das Motiv dafür ist offensichtlich und Kohei überlegt, ob er ihm einen Geschmack von der Realität geben soll.
»Das ist nicht lustig!« Aozoras Miene verdüstert sich noch weiter. Es ist nur natürlich, dass sie bei ihrem pflichtbewussten Charakter wütend ist. Jedenfalls ist es das für Kohei. Er geht auf die beiden zu.
»Komm schon, du musst nicht immer so ernst - «
»Rem!« Kohei benutzt ihren Vornamen, während er mit einem strahlenden Lächeln auf sie zugeht und dabei so tut, als wäre dieser unsensible Bettler nicht hier.
Aozora zuckt zusammen und sieht in seine Richtung. Ihre Augen weiten sich und sie wird blass. Es ist das erste Mal, dass es so schrecklich einfach ist zu sehen, was ihr durch den Kopf geht. Nicht, dass ihr Gesichtsausdruck dafür nötig gewesen wäre. Er hätte auch so gewusst, dass sie nicht wollte, dass er ihren Ex trifft.
Aozora starrt ihn noch immer sprachlos an und Kohei würde es als Triumph empfinden, wäre da nicht dieses Ärgernis. Er bemüht sich nicht in dessen Richtung zu sehen. Kosuke ist sein Name. Kohei hatte ihn zu oft gehört, um ihn zu vergessen, auch wenn das letzte Mal schon eine Weile her ist. Er weiß nichts über die Umstände, die zu ihrer Trennung geführt haben, aber er erinnert sich ganz genau, wie fertig Aozora deswegen war. Und in diesem Moment könnte auch ein Idiot sehen, dass sie bereits verabredet ist, und Kohei ist überzeugt, dass Kosuke das auch tut. Deswegen ist er noch hier. Und deswegen wird Kohei ihm genau das zeigen, was er befürchtet.
»Bist du so weit?«, fragt Kohei Aozora mit seinem charmantesten Lächeln.
Sie blinzelt und sieht ihn so verwirrt an, dass er amüsiert gewesen wäre, wenn sie nicht im nächsten Moment den Blick von ihm genommen hätte, um Kosuke anzusehen.
Kohei unterdrückt den Drang, mit der Zunge zu schnalzen, und er ist ein bisschen beleidigt. Wie kann sie diesen Bettler ansehen, wenn er mit seinem besten Lächeln vor ihr steht?
Er legt seinen Arm um ihre Taille und zieht sie zu sich, um ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. »Du siehst umwerfend aus«, sagt er und drückt ihr als kleine Strafe einen Kuss auf die Wange. Sie würde später deswegen wahrscheinlich wütend werden, aber für den Moment ist der Schock auf ihrem Gesicht wahrlich umwerfend. »Können wir?«, fragt er dann, um ihr auf die Sprünge zu helfen. »Oder hast du noch andere Pläne?«
Zum ersten Mal, seit er sich bemerkbar gemacht hat, sieht er Kosuke an. Er ist es nicht gewohnt Aozora so unentschlossen und still zu sehen und es gefällt ihm nicht. Aber er ist doch etwas überrascht, als er Kosukes hasserfülltem Blick begegnet. Nicht, dass es ihn stört. Wenn er Aozora nicht in den Armen eines anderen Mannes sehen wollte, hätte er sie nicht gehen lassen sollen.
»Nein.« Aozoras Stimme klingt ruhig und als er sie ansieht, trägt sie eine beherrschte Miene. »Lass uns gehen.«
Kohei, der schon Sorge hatte, Aozora würde sich nicht fangen, widersteht dem Drang, Kosuke einen höhnischen Blick zuzuwerfen. Stattdessen führt er Aozora zum Auto, wobei er sich erlaubt, seinen Arm auf ihrer Taille zu lassen, und er ist froh, dass sie nicht zurückschaut. Jedenfalls nicht, bis sie im Wagen sitzen.
Die Scheiben der Fenster sind getönt und als er einsteigt, ist ihr Blick von ihm abgewandt. »Los«, sagt Kohei zum Fahrer und der Wagen setzt sich in Bewegung. Aber selbst nachdem sie in eine andere Straße eingebogen sind, nimmt sie ihren Blick nicht vom Fenster.
»Hätte ich mich lieber raushalten sollen?«, fragt er, nachdem er zu dem Schluss gekommen ist, dass er erneut die Grenzen ihrer Beziehung überschritten hat.
Aozora sieht ihn an. »Es ist schon in Ordnung«, erwidert sie, plötzlich mit einem perfekten Lächeln auf den Lippen, das ihm verrät, dass nichts in Ordnung ist. »Es tut mir leid, dass er schon wieder aufgetaucht ist. Ich hätte ihn selbst wegschicken sollen.«
Kohei legt die Stirn in Falten. »Bin ich ein Kunde, oder was? Du musst dich nicht für etwas entschuldigen, dass dein Ex getan hat, schon gar nicht bei mir.«
Sie mustert ihn kurz, aber dann schweift ihr Blick ab.
»Hey, es macht mir nichts aus, deinen Freund zu spielen, wenn dir das hilft. Immerhin hilfst du mir heute auch.«
Ihr Blick huscht wieder zu ihm. »Ich dachte, wir würden beide von heute Abend profitieren.«
Kohei zuckt mit den Schultern. »Wir werden sehen, ob du das noch so siehst, wenn wir da sind.«
Sie runzelt die Stirn, aber dann schüttelt sie den Kopf. »Danke für das Angebot, aber ich möchte ihn nicht anlügen, egal weswegen. Ich werde mit ihm reden.« Erneut nimmt sie den Blick von ihm, als wollte sie das Gespräch beenden und Kohei fängt nicht wieder davon an. Denn ihm kommt etwas in den Sinn, dass er zuvor nicht bedacht hat. Möglicherweise ist es Aozora nicht unangenehm, dass Kohei ihren Ex gesehen hat, sondern dass ihr Ex Kohei gesehen hat.
Kohei weiß, dass er ihr sehr wichtig war und sein Interesse an ihr ist offensichtlich. Vielleicht ist ihr Interesse ebenfalls noch da. Das würde auch erklären, warum jemand wie Aozora sich auf eine flatterhafte Beziehung mit ihm eingelassen hat, die sie jederzeit beenden kann.
Das ist gut, denkt er und richtet seinen Blick ebenfalls auf sein Fenster. Wenn es ihr wie ihm geht, wird es leichter sein, ihr Verhältnis zu beenden, wenn die Zeit gekommen ist.
Die Gründungsfeier findet im City Ballhouse statt, einem Gebäude im Herzen der Stadt, das Koheis Großvater jedes Jahr für die Feier mietet. Es hat eine große Auffahrt für all die teuren Autos, die heute Abend in großer Zahl vorfahren, und eine eigene Security, um die Presse fernzuhalten.
Kohei hat darauf geachtet, etwas zu spät zu kommen, um dem Andrang zu entgehen und so betritt er mit Aozora den Festsaal, ohne unnötig aufgehalten zu werden. Der ist mittlerweile entsprechend gefüllt und Kohei sieht zu Aozora, um zu sehen, in welcher Verfassung sie ist.
Aber ihr Ausdruck ist geschäftsmäßig gelassen. Natürlich ist er das. Sie hat sich nichts anmerken lassen, als sie sich von ihrem Freund getrennt hat und ihre Arbeitsleistung ist sogar gestiegen. Es gibt also keinen Grund für ihn, sich darum zu sorgen, ob sie den Abend meistert.
Kohei führt sie in den Saal, um sich an sein Versprechen zu halten und ihr ein paar wichtige Leute vorzustellen und ihm ist bereits jemand ins Auge gefallen, der wohl auch erst vor kurzem angekommen ist und noch nicht von anderen in Beschlag genommen wurde.
»Ms. Jordon!«, sagt er mit lauter Stimme, woraufhin sich die Frau und der Mann neben ihr ihm zuwenden. »Erinnern Sie sich an mich?«, fragt er mit einem Lächeln und voller Gewissheit, dass sie das tut.
Ms. Jordon lächelt ebenfalls. »Wie könnte ich Sie vergessen, Mr. Inouye. Es ist schön, Sie zu sehen.«
»Das finde ich auch. Ich hoffe, Ihnen und ihrem Mann geht es gut.« Er nickt Mr. Jordon zu, der den Gruß mit einem eigenen Nicken erwidert.
»Oh, bestens, danke«, sagt Ms. Jordon und richtet ihren Blick auf Aozora, als wüsste sie, dass er ihretwegen hergekommen ist.
»Darf ich meine Partnerin vorstellen? Das ist Rem Aozora, meine Kollegin, der es vor kurzem gelungen ist, mir die Betreuung von Syrene zu klauen«, sagt er, woraufhin Ms. Jordon überrascht die Stirn runzelt.
»Und das ist Paula Jordon, die britische Botschafterin, und ihr Mann Thomas.«
»Das weiß ich«, sagt Aozora mit einem Lächeln und hält Ms. Jordon die Hand hin. »Es ist eine Freude, Sie kennenzulernen.«
»Oh, ganz meinerseits«, erwidert Ms. Jordon, während sie Aozoras Hand schüttelt. »Sie haben es also geschafft, Mr. Inouye Syrene wegzunehmen?«, fragt sie dann, nachdem Aozora auch ihrem Mann die Hand geschüttelt hat. »Sie müssen sehr fähig sein, wenn Sie seinen Charme noch übertreffen können.«
Koheis Lächeln verrutscht für einen Moment. Die Sache mit Syrene stört ihn immer noch und Ms. Jordon hat Aozora gerade die perfekte Möglichkeit gegeben, ihm seine Unterlegenheit unter die Nase zu reiben.
»Das würde ich nicht sagen«, erwidert Aozora und Kohei hätte über ihre falsche Bescheidenheit die Augen verdreht, wäre ihm nicht der neckische Blick aufgefallen, den Aozora ihm zuwirft. »Vielmehr hat Mr. Inouye mir geholfen, diese Chance zu bekommen. Ohne ihn wäre das nicht möglich gewesen.«
Kohei erwidert ihren Blick mit einem strahlenden Lächeln. Er würde sich später dafür rächen.
»Ich verstehe«, sagt Ms. Jordon und Aozora richtet ihre Aufmerksamkeit wieder auf sie.
»Ist es das erste ausländische Unternehmen, dass sie betreuen, Ms. Aozora?«
»Ja und es ist wirklich interessant. Ich gebe zu, dass ich mich immer etwas mehr auf meine Termine mit Syrene vorbereite, damit ich nichts falsch mache. Ich habe mir sogar Dokumentationen über England angesehen.«
»Oh, wie tüchtig. Hat es Ihnen geholfen?«
»Sehr. Der Mann, mit dem ich zusammenarbeite, erschien mir zu anfangs immer sehr unzufrieden. Ich habe für eins unserer Meetings, englisches Essen bestellt und es war das produktivste Meeting, das wir bis dahin hatten.«
Ms. Jordon lacht. »Sie denken ja an alles. Das hört sich an, als wäre Syrene in guten Händen. Aber wenn Sie uns jetzt entschuldigen würden. Ich möchte unbedingt noch etwas zu trinken in die Finger bekommen, bevor Mr. Inouye Senior mit seiner Rede beginnt.« Sie streckt Aozora noch einmal die Hand entgegen. »Es war schön, Sie kennenzulernen und vielleicht haben wir ja im Laufe des Abends noch die Möglichkeit, uns länger zu unterhalten.«
»Das würde mich freuen.« Aozora schüttelt ihre Hand und das Paar verabschiedet sich.
»Und, bist du beeindruckt?«, raunt Kohei ihr zu, als die beiden weg sind.
Aozora sieht ihn überrascht an. »Oh, willst du jetzt schon Lob von mir?«
Kohei schnalzt mit der Zunge. »Du solltest - «
»Bist du das Kohei?« Eine hohe Stimme unterbricht Kohei und er nimmt den Blick von Aozora, um zu einer blonden Frau in einem auffallend roten Kleid zu sehen. »Oh, du bist es!« Sie kommt mit kleinen Schritten auf ihn zu getippelt und schlingt die Arme um seinen Hals.
Kohei seufzt. »Wer soll es sonst sein?«, brummt er und versucht, sie von sich zu schieben.
»Es ist so schön, dich zu sehen, Schatz!« Sie drückt ihm einen Kuss auf die Wange, bevor sie ihn loslässt. »Du siehst fantastisch aus. Wie kann es sein, dass du jedes Mal besser aussiehst, wenn wir uns sehen?« Sie lacht und dann huscht ihr Blick zu Aozora. »Oh, du hast mal wieder ein hübsches Ding an deiner Seite. Du musst uns später vorstellen, aber jetzt hab ich es eilig. Ich sehe dich später.« Sie küsst ihre Finger, bevor sie Kohei mit derselben Hand zuwinkt und zwinkert. Und dann ist sie auch schon wieder weg.
»Ist das eine der Frauen, vor der ich dich heute beschützen soll?«, fragt Aozora mit ungewöhnlicher Unschlüssigkeit.
Kohei seufzt ein weiteres Mal und reibt sich die Wange, auf der sicherlich ein roter Abdruckt prangt. »Das war meine Mutter.«
Überraschung huscht über Aozoras Züge und ihr Blick zuckt zu der Stelle, an der seine Mutter hinter einer Gruppe Menschen verschwunden ist. Dann sieht sie wieder zu ihm. »Ist das ein Nein?«
Kohei schnaubt und legt ihr seine Hand auf den Rücken. »Komm. Mein Großvater hält gleich seine Rede.«
Koheis Großvater eröffnet die Gründungsfeier immer mit einer Rede und er sagt dabei nie etwas Neues. Für Kohei jedenfalls, denn Aozora hört interessiert zu und während er ihr aufmerksames Gesicht mustert, geht ihm durch den Kopf, dass sie eine Streberin ist. In der Schule war sie ganz sicher eine. Er kann es sich richtig vorstellen. Sie, in einer Schuluniform, mit einem ordentlichen Zopf und ohne Make-up, wie sie genau mit diesem Blick zum Lehrer sieht. Eine Brille würde auch noch passen, aber sie hat gute Augen.
Es erinnert ihn daran, dass er in der Kiste unter ihrem Bett neben der Maiduniform auch eine Schuluniform gefunden hat. Er hat sich für die Maiduniform entschieden, aber er will sie auch noch in der Schuluniform sehen.
Nachdem die Rede geendet hat, führt Kohei Aozora direkt zu seinem Großvater. Er wird natürlich bereits von mehreren anderen belagert, aber als er Kohei sieht, drängt er sich an ihnen vorbei. »Kohei, mein Junge, wie schön, dass du es einrichten konntest.« Er klopft Kohei zur Begrüßung auf die Schulter. »Gut siehst du aus. Der Anzug steht dir prächtig, als wärst du einem Modemagazin entsprungen.«
Kohei grinst ihn an. »Ich werde trotzdem nicht für ein anderes Unternehmen als Noué Model stehen.«
»Oh, war das schon wieder so offensichtlich?«
Kohei zuckt mit den Schultern. »Ich weiß, wie du denkst. Und du weißt, dass es Noué Nachteile bringt, wenn ich nicht sein exklusives Gesicht bleibe.«
Toshiro lacht. »Gutaussehend und intelligent. Wenn du nur auch ein Auge für Frauen hättest.« Sein Blick wandert zu Aozora und sein Lächeln verschwindet.
Ungeachtet dessen lächelt Aozora ihn an. »Guten Abend, Mr -«
Toshiro hebt eine Hand, um sie zu unterbrechen. »Sparen Sie sich das. Mein Enkel bringt immer nur eine Sorte Frau zu solchen Veranstaltungen und ich mache mir nie die Mühe, mir ihre Namen zu merken, und das werde ich auch jetzt nicht. Sie sind heute Abend nur ein Accessoire an seiner Seite, falls das nicht offensichtlich sein sollte.«
Kohei wirft Aozora einen Blick zu. Sein Großvater ist bei der ersten Begegnung immer sehr unfreundlich, weil er glaubt, auf diese Weise sofort den wahren Charakter einer Person erkennen zu können. Kohei kann nicht sagen, wie erfolgreich er damit ist, aber in den vergangenen Jahren ist das Ergebnis immer das Gleiche gewesen.
Aozora mustert Toshiro einen Moment unbeeindruckt. Dann sieht sie zu Kohei. »Ich glaube, er hat mich hübsch genannt«, sagt sie in einem einfältigen Tonfall, sodass Kohei prusten muss.
»Dumm ist, was ich dich nenne!«, widerspricht Toshiro sofort. »Wo hast du diesen Trottel aufgelesen?«
»Wir arbeiten zusammen«, antwortet Aozora, bevor Kohei den Mund aufmachen kann. »Mr. Inouye, also Ihr Enkel, seine Arbeitsleistung im letzten Monat war unerreichbar für mich. Ich sehe sehr zu ihm auf.« Aozora legt den Kopf etwas zurück, als sie erneut zu Kohei sieht, als wolle sie deutlich machen, dass sie das ausschließlich wörtlich meint.
»Wie wäre es dann, wenn Sie sich zur Abwechslung ein bisschen ins Zeug legen, anstatt nur zu anderen aufzuschauen?!«, fragt Toshiro mit gerümpfter Nase.
»Ich war wohl etwas abgelenkt diesen Monat«, sagt Aozora kleinlaut.
Toshiro schnaubt. »Ich kann Frauen nicht leiden, die sich dumm stellen, damit sie nicht arbeiten müssen. Wenn Sie sowieso schon nach oben schauen, wieso nehmen Sie sich nicht mal ein Beispiel an Ihrer Kollegin Aozora. Sie schafft es regelmäßig, Kohei den ersten Platz streitig zu machen.«
Zufriedenheit tritt in Aozoras Augen, auch wenn Kohei sich sicher ist, dass er der einzige ist, der es sieht.
»Kohei.« Toshiro wendet sich wieder an ihn und Kohei nimmt den Blick von Aozora. »Wieso suchst du dir keine anständige und intelligente Frau wie Aozora aus und stellst sie mir vor? Dann würde ich mich vielleicht auch mit ihr unterhalten wollen.«
Kohei unterdrückt ein Stöhnen. Es ist wahrscheinlich nicht schwer zu erraten, dass Kohei mit seinem Großvater über sie gesprochen hat und sie hat die Arbeit angesprochen und sich dumm gestellt, um Toshiro dazu zu bringen, sie mit sich selbst zu vergleichen. Trotzdem. Wer außer Aozora würde es schaffen seinem Großvater ein Lob zu entlocken, noch bevor er weiß, wer sie ist. »Das habe ich doch«, antwortet Kohei und wirft Aozora einen anerkennenden Blick zu. »Das ist Rem Aozora, Großvater.«
Toshiro macht ein verdutztes Gesicht. Dann sieht er zu Aozora, die nun ein Lächeln auf den Lippen hat. »Ich bin geschmeichelt«, sagt sie und in diesem Moment weiß Kohei nur allzu gut, wie sich sein Großvater fühlt.
Toshiro schnaubt. »Sie halten sich wohl für ganz schlau, was?!«
»Ich würde meine Intelligenz niemals an einer Unterhaltung mit jemandem bemessen, der nicht weiß, wovon er spricht.«
Toshiros Augen weiten sich, während er sie anstarrt und es verleiht ihm ein leicht verrücktes Aussehen. »Soll das eine Beleidigung sein?«
Aozora lächelt unter seinem Blick ungerührt weiter. »Es war eine Feststellung, aber wenn Sie sich angesprochen gefühlt haben, sollte Ihnen das zu denken geben.«
»Ha!«, macht Toshiro und er ist so laut, dass sich einige, in der Nähe stehende Gäste zu ihnen umdrehen. »Kohei, sei so lieb und hol uns etwas zu trinken. Ich möchte mich gerne eine Weile mit deiner Begleiterin unterhalten.«
»Klar«, erwidert Kohei umstandslos und Toshiro, der beim Sprechen den Blick nicht von Aozora genommen hat, sieht ihn nun verdutzt an.
Kohei lächelt unbekümmert. Bei jeder anderen Frau hätte er versucht, sie vor seinem Großvater zu beschützen, aber bei Aozora ist das nicht nötig. Tatsächlich ist er wieder sehr froh, dass er sie gebeten hat, ihn zu begleiten.
Als Kohei schließlich nach fast einer halben Stunde wiederkommt, aufgehalten von mehreren Gästen, findet er Aozora in einer Traube von Anzugträgern wieder. Sie ist die einzige Frau in der Gruppe und kleiner und zierlicher als die Männer um sie herum. Aber sie ist auch die Einzige in der Gruppe, die lächelt.
Er drängt sich an den Platzt neben sie und reicht ihr eins der Gläser in seiner Hand.
Sie schenkt ihm dafür ein kurzes Lächeln und drückt ihm ihrerseits ein Glas in die Hand, das sie wohl in seiner Abwesenheit geleert hat, bevor sie sich wieder der Diskussion zu wendet. »Ich sehe es genau wie Sie. Und es geht ja nicht nur um die Entscheidungen, die getroffen werden, sondern auch um die, die nicht getroffen werden. Oh, aber Ihnen muss ich das nicht sagen.«
Kohei hat keine Ahnung worum es geht, aber immer, wenn Aozora sagt, dass sie etwas nicht sagen muss, ist es sehr ausschlaggebend, dass sie es sagt.
Und genauso sieht der Mann aus, den sie beim Sprechen angesehen hat. Sein Name ist Sato und er ist der CEO eines kleineren, aber erfolgreichen Bauunternehmens. Er sieht Aozora mit einem dümmlichen Lächeln an, als hätte er keinen blassen Schimmer, wovon sie spricht, könnte das jedoch unmöglich zugeben. »Ich bin froh, dass Sie das verstehen.«
»Wie könnte ich das nicht. Ein erfolgreicher Mann, wie Sie es sind, kann nur mit Methode handeln. Ich wäre nie so einfältig zu glauben, dass Sie aus einem lächerlichen Grund wie Stolz heraus geschäftliche Entscheidungen treffen.«
Sato versteift sich und sein Lachen, dass auf Aozoras Worte folgt, klingt sehr erzwungen. »Natürlich. Sie scheinen eine äußerst scharfsinnige, junge Dame zu sein.«
Jemand legt Kohei eine Hand auf den Arm und er nimmt seinen Blick von Aozoras selbstsicherem Lächeln.
»Ich muss mit dir sprechen«, sagt sein Großvater mit gesenkter Stimme und bedeutet ihm, ihm zu folgen.
Kohei stellt Aozoras leeres Glas im Vorbeigehen auf einem Tisch ab und folgt Toshiro auf die Galerie hinauf. Von dort aus gelangt man in die Ruheräume, in denen sich die Gäste von dem lauten Festsaal erholen oder, wie in diesem Fall, ungestört unterhalten können.
»Es geht um Ms. Aozora«, beginnt Toshiro, kaum dass die Tür geschlossen ist, und Kohei seufzt. Es ist fast schon eine Tradition, diese Unterhaltung mit seinem Großvater zu führen. »Sie ist nur eine Arbeitskollegin«, sagt er, um seinem Großvater zuvorzukommen. »Ich habe sie nur mitgebracht, weil sie vielversprechend ist, und es ihr helfen wird, ein paar wichtige Kontakte zu knüpfen.«
Toshiro legt die Stirn in Falten und mustert Kohei eindringlich. »Soll heißen, eure Beziehung ist rein geschäftlicher Art und du hast nicht vor, das zu ändern.«
Kohei rollt mit den Augen. Er würde seine Beziehung zu Aozora nicht als rein geschäftlich bezeichnen, aber das, was sie darüber hinaus haben, ist auch eine Art Geschäftsverhältnis. Es ist eine Abmachung, die strengen Regeln folgt, und keine romantischen Gefühle beinhaltet. »Ja«, sagt Kohei also, um es nicht zu verkomplizieren und nimmt dann zum ersten Mal einen Schluck von seinem Gin Tonik.
Die Falte auf Toshiros Stirn wird tiefer. »Du hast also keinerlei Intentionen, sie zu heiraten?«
»Nein, natürlich nicht!« Kohei schüttelt den Kopf. Er hat schon vor einer Weile aufgegeben, mit seinem Großvater darüber zu diskutieren, dass es ganz allein seine Entscheidung sein sollte, mit wem er zusammen ist oder wen er gar heiratet. Vor allem da Toshiro Koheis Beziehungen meistens sehr viel ernster nimmt als Kohei selbst.
»Wieso nicht?«
Kohei sieht seinen Großvater an und es dauert einen Moment, ehe er bemerkt, was so eigenartig an seiner Antwort ist. Und erst da fällt ihm auf, dass Toshiro, der sich normalerweise nicht die Mühe macht, sich die Namen von Leuten zu merken, die er für unbedeutend hält, zuvor ‚Ms. Aozora‘ gesagt hat. Mit höflicher Anrede und allem. »Wieso?«, wiederholt Kohei verdutzt.
»Ja, wieso? Jedes Jahr bringst du die erstbeste Elster mit, die sich dir an den Hals wirft, und lässt dich von ihr ausnutzen. Wie kann es sein, dass die einzige deiner Frauen, die tatsächlich etwas taugt, die einzige ist, an der du kein Interesse hast?!«
»Bevor ich gegangen bin, fandest du sie noch unverschämt«, bemerkt Kohei unbeeindruckt und trinkt noch einen Schluck. Wie sollte er auch überrascht sein?
»Das war meine Fehleinschätzung. Es zeugt von Charakterstärke, wenn man sich zu verteidigen weiß, und die Frau an deiner Seite wird viel davon brauchen. Abgesehen davon ist sie intelligent, im richtigen Maße höflich, nicht empfindlich oder schreckhaft und hübsch ist sie auch.«
Kohei senkt sein Glas und betrachtet seinen Großvater skeptisch. »Du willst sie in der Familie haben, damit du sie für dich arbeiten lassen kannst.«
Toshiro erwidert Koheis Blick ernst und legt ihm seine Hand auf die Schulter. »Sie hat Sato zu Fall gebracht«, sagt er und entgegen seines ernsten Blicks, klingt seine Stimme gefühlsgeladen. »Weißt du, wie lange ich diesen sturen Mann bearbeitet habe, um Anteile an seinem Unternehmen zu kaufen? Sie hat es geschafft, ihn dazu zu bringen, mir sein Wort darauf zu geben, und das in weniger als einer halben Stunde.«
Kohei stöhnt. »Ich kann nicht glauben, dass sogar du auf diese Kitsune reinfällst. Sie hat Witze darüber gemacht, dass sie dich dazu bringen würde, sie zu adoptieren und jetzt sieh dich an!«
»Hmpf!« Toshiro nimmt seine Hand von Koheis Schulter und verschränkt die Arme vor der Brust. »Ich glaube nicht, dass du in der Position bist, das zu sagen. Bis vor zwei Jahren hast du deine gesamte akademische Laufbahn nicht ein einziges Mal ernst genommen, aber kaum triffst du Ms. Aozora, wirst du zum Vorzeigemitarbeiter.«
Kohei sieht ihn empört an. »Es stimmt nicht, dass ich nie etwas ernst genommen habe! Und ich arbeite auch nicht wegen Aozora, ich versuche einfach, meinen Job zu machen!«
Toshiro runzelt zweifelnd die Stirn. »Glaubst du, ich hätte mir ihren Namen gemerkt, wenn du nur deinen Job machen wolltest?«
Widerwillig muss Kohei zugeben, dass er tatsächlich sehr oft von Aozora erzählt hat. Aber das liegt vor allem daran, dass er mit seinem Großvater hauptsächlich über die Arbeit redet und dabei ist es fast nicht zu vermeiden, Aozora zu erwähnen. »Das ist etwas anderes. Wir konkurrieren miteinander, aber deswegen will ich sie nicht heiraten.«
»Das ist wirklich schade, weil Ms. Aozora eine wertvolle Eigenschaft besitzt, die du mehr als jeder anderer brauchst.«
Koheis Augen schmälern sich. Aozora besitzt viele Eigenschaften, die er gebrauchen könnte, und das muss er nicht auch noch von seinem Großvater hören.
Toshiro hebt eine Hand, als wisse er, was Kohei dazu sagen würde und wolle ihn davon abhalten. »Ich hatte den Eindruck, dass ihr ein gutes Verhältnis zueinander habt und dass ihr gut zusammenpasst. Aber das musst du selbst wissen.«
Kohei antwortet nicht. Er hat eine böse Vorahnung, worauf sein Großvater hinaus will. Er setzt sein Glas an die Lippen und trinkt es in einem Zug aus. »Wir haben ein gutes Verhältnis, aber wer weiß wie lange noch, wenn ich sie weiter allein auf einer Feier lasse, zu der ich sie eingeladen habe«, sagt Kohei und wendet sich unter dem Vorwand, sein Glas auf dem Tisch abzustellen, von Toshiro ab. In Wahrheit würde Aozora das wahrscheinlich kaum etwas ausmachen, unhöflich wäre es aber trotzdem und das muss auch sein Großvater anerkennen.
»Eine Sache noch«, sagt Toshiro, als Kohei sich bereits daran macht, den Raum zu verlassen. »Ich weiß, warum du dieses Jahr beschlossen hast, eine Arbeitskollegin und keine Geliebte mitzubringen. Ich wollte nie ein Großvater sein, der seinen Enkeln vorschreibt, mit wem sie ihre Zeit verbringen dürfen. Aber nicht sie. Bei aller Liebe, aber diese Schlange lasse ich nicht in meine Familie!«
Kohei wirft einen Blick über die Schulter. Sein Blick ist eisig und es geht ihm einiges durch den Kopf, dass er gern darauf erwidern würde. Aber er hält den Mund. Er will nicht mit seinem Großvater streiten und es würde sowieso nichts ändern. Und so verlässt Kohei den Raum und kehrt in den Festsaal zurück.
Dort bestellt er sich erst einen weiteren Drink und noch einen für seine Suche nach Aozora, nachdem er den ersten ohne Umschweife gelehrt hat. Es dauert nicht lange, bis er Aozora gefunden hat. Hauptsächlich weil sie immer noch dort steht, wo er sie zurückgelassen hat, nur die Menschen um sie herum sind andere. Das heißt, es sind mehr geworden. Und Mr. Sato scheint sich verabschiedet zu haben, vielleicht aus Angst noch mehr Versprechungen aus sich herausgekitzelt zu bekommen. Oder davor, sich zu verbrennen, denkt Kohei, als er sich neben Aozora stellt.
»Bitte, Mr. Togoshi, konkretisieren Sie diese Aussage doch. Welche Zeit war so viel besser? Die Edo-Zeit, in der sich Japan von der Welt abgeschottet und seine Weiterentwicklung verpasst hat, oder doch die Sengoku-Zeit, in der sich die Daimyos gegenseitig zerfleischt haben?«
»Natürlich spreche ich nicht von diesem Teil unserer Vergangenheit. Ich sage nur, dass nicht alles schlecht war.«
»Oh, aber die Vergangenheit hat nie nur zu einem Teil existiert. Sie würden ja auch keine Waschmaschine als gutes Produkt bezeichnen, wenn sie nur in Teilen funktioniert.«
Kohei runzelt über diesen Vergleich die Stirn, ehe ihm einfällt, dass Mr. Togoshi ein Unternehmen führt, das Waschmaschinen herstellt.
»Das ist doch etwas völlig anderes, junge Dame«, erwidert Mr. Togoshi mit einem Schnauben. »Aber ich erwarte nicht, dass Sie das verstehen.«
Aozoras Augen lodern auf. »Wie könnte ich? Als Frau neige ich natürlich dazu, die Privilegien der Männer in der Vergangenheit als Nachteil zu betrachten. Aber ich habe Sie nicht für die Art Mann gehalten, der so ein geringes Selbstvertrauen in sich hat, dass er sich davor fürchtet, diese Privilegien aufzugeben.«
Mr. Togoshi lacht kurz auf, aber es klingt erzwungen, und seine Augenbraue zuckt verärgert. »Sie sind eine reichlich freche Dame«, sagt er und starrt Aozora dabei an, als wolle er sie zum Stillschweigen bringen. Als ob das irgendeinen Sinn hätte.
»Und Sie widersprechen mir nicht.«
Mr. Togoshi blinzelt. »Weil ich weiß, wie wenig Sinn das hat«, sagt er dann, in einem Versuch, die Sache herunterzuspielen.
»Stimmt, da Sie uns Ihre Beweggründe bereits verraten haben, gibt es wohl nicht mehr viel dazu zu sagen. Auch wenn ich enttäuscht bin, dass Sie Ihren Standpunkt nicht stärker verteidigen, wenn Sie sich schon als Feigling offenbaren.« Aozora hebt ihre Hand, in der sie ein Glas hält, ein anderes als Kohei ihr zuvor gegeben hat, als würde sie Mr. Togoshi zuprosten. Dann trinkt sie das bereits halb leere Glas aus.
Mr. Togoshi beobachtet das mit leise brodelnder Wut. Und auch die anderen Leute, die um die beiden herumstehen, beobachten sie mit einem frustrierten Blick, ohne dass einer von ihnen die Initiative ergreifen würde. Mehr ist nicht nötig, um die gesamte Situation zu erklären.
Kohei beginnt zu kichern und Mr. Togoshis Augen weiten sich, als er Kohei ansieht, als würde er seine Anwesenheit erst jetzt bemerken. »Mr. Inouye? Verzeihen Sie, ich habe nicht bemerkt, dass Sie sich zu uns gesellt haben.«
Auch Aozora richtet ihren Blick nun auf ihn und scheint ebenfalls überrascht. »Du warst weg?«, fragt sie, ehe sie nach seinem Glas greift.
Kohei zieht seine Hand aus ihrer Reichweite und sieht verärgert, aber lächelnd auf sie hinab. »Ja, ich hatte etwas mit meinem Großvater zu besprechen und du scheinst dich in der Zwischenzeit gut amüsiert zu haben.«
»Wie kommst du darauf? Ich langweile mich. Hast du nicht etwas von einer Herausforderung erzählt?«
Kohei hört, wie Mr. Togoshi empört nach Luft schnappt und muss sich auf die Lippe beißen. Aozora ist gnadenlos, wenn sie betrunken ist. »Dabei hatte ich eigentlich an etwas anderes gedacht.«
Sie runzelt die Stirn und ihr Blick huscht zu Mr. Togoshi. Dann schnappt sie Kohei das Glas aus der Hand und diesmal ist sie dabei so flink, dass er es nicht rechtzeitig aus ihrer Reichweite bringen kann. »Ich geh an die Luft«, brummt sie und zieht von dannen.
»Mr. Inouye«, beginnt Mr. Togoshi, kaum dass Aozora außer Hörweite ist. »Wie ich sehe, haben Sie dieses Jahr eine recht unverschämte Partnerin mitgebracht. Mir macht das nichts aus, aber es wäre wohl besser, sie nicht in die Nähe von weniger toleranten Menschen zu lassen.«
Kohei sieht ihn an, einen Moment verdutzt über seine Worte. Dann beginnt er zu lachen.
Mr. Togoshi macht ein empörtes Gesicht. »Mr. Inouye?«
»Wussten Sie, dass Menschen dazu neigen, Verhaltensweisen zu spiegeln, besonders beim ersten Treffen? Ist jemand freundlich, ist man auch freundlich. Ist jemand unverschämt, ist man unverschämt.«
Mr. Togoshi öffnet den Mund, um zu widersprechen, aber Kohei macht einen Schritt auf ihn zu und legt ihm eine Hand auf die Schulter. Er beugt sich vor und senkt die Stimme. »Seien Sie kein schlechter Verlierer. Es macht Sie nur noch kleiner, als Sie ohnehin schon sind.«
Mr. Togoshis Wangen färben sich rot vor Wut, aber Kohei lächelt ihn unbekümmert an, ehe er Aozora folgt.
Sie ist zur Galerie hinauf gegangen und er findet sie auf einem Balkon am Geländer stehend. Sie wirft einen Blick über die Schulter, als er zu ihr hinaustritt.
Er stellt sich neben sie. »Was hältst du davon, wenn wir gehen?«
Sie wirft ihm einen misstrauischen Blick zu. »Wir sind doch noch nicht lange hier.«
»Na und?«
Sie dreht sich ihm zu. »Wieso?«
»Du hast gesagt, du langweilst dich.« Er streckt die Hand nach ihr aus und berührt ihre vom Alkohol erhitzte Wange. »So sehr, dass du zum Zeitvertreib, das Selbstbewusstsein der anderen Gäste zerstückelst.«
Sie schnaubt. »Ist das deine charmante Art, mir zu sagen, dass ich dir nur Probleme mache, wenn wir hierbleiben?«, fragt sie mit einem höhnischen Unterton, macht aber keine Anstalten, seine Hand von ihrer Wange zu entfernen.
»Überhaupt nicht«, sagt er leise und tritt einen Schritt näher an sie heran. Seine andere Hand legt sich auf ihre Taille. »Es ist sehr unterhaltsam, aber wie sagt man so schön? Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist.«
Aozora lacht leise und streckt nun ebenfalls die Hand nach ihm aus. Ihre Finger streichen über seinen Mund. »Diese Lippen können wirklich alles in Honig tauchen.«
Er summt leise, während er einen Schritt zu Seite macht und ihre Position ändert, sodass sie mit dem Rücken zum Geländer steht. »Ich weiß, dass du nicht blind um dich schlägst, nur weil du betrunken bist«, murmelt er und lässt seine Hände von ihrer Taille zu ihrer Hüfte hinabwandern. »Also, weshalb warst du so wütend?«
»Ich war nicht wütend!«, kommt die prompte Antwort und Koheis Blick zuckt wieder nach oben zu ihrem Gesicht. »Was dann?«, fragt er, obwohl sie sehr wohl wütend aussieht.
»Ich bin genervt. Jeder hier scheint zu glauben, dass ich mit dir schlafe, um meine Karriere zu verbessern.«
Er runzelt die Stirn, etwas überrascht. Es war zu erwarten, was man von Aozora denken würde, wenn sie als seine Partnerin auftaucht. »Dann sollte ich mich wohl für meinen Ruf entschuldigen«, sagt er, amüsiert darüber, dass so etwas tatsächlich ihren Stolz verletzt. »Aber ganz falsch ist es nicht«, fügt er hinzu, während er sich vorbeugt, um ihr mit den Zähnen ins Ohrläppchen zu kneifen.
»Aber das ist auf gleicher Basis. Ich meine, wenn man sich hochschlafen will, muss man sich auch jemanden aussuchen, der über einem steht. Wieso glaubt alle Welt, dass du mein Boss bist?!«
Kohei hält inne und sieht sie verdutzt an. Das ist ihr Problem?
Sie seufzt. »Aber dass sie mich wie einen Dummkopf behandeln, nervt auch.«
Kohei bricht in Gelächter aus.
»Wie schön, dass du das lustig findest. Aber das ist kein Grund zu gehen.«
Immer noch kichernd, lehnt er sich vor. »Wer sagt, dass das der Grund ist, aus dem ich gehen will«, flüstert er, wobei er darauf achtet, dass seine Lippen über ihr Ohr streichen.
»Bist du nicht hergekommen, um neue Kontakte für Noué zu knüpfen?«, fragt Aozora, nun ebenfalls mit gesenkter Stimme.
»Hab ich schon«, murmelt er, während sein Mund ihren Hals hinabwandert.
»Wann?«, fragt sie und er schmunzelt über ihren verwirrten Tonfall. »Als ich uns etwas zu trinken geholt habe.«
Sie schweigt einen Moment. »Du hast etwas zu trinken geholt?«
Dafür beißt er sie.
»Hm, du bist kindisch.« Ihre Stimme klingt etwas atemlos und ihre Hand schiebt sich in sein Haar. »Aber ich auch. So eine verpasste Möglichkeit…«
Er weiß, dass sie damit meint, dass sie sich betrunken und mit den Gästen gestritten hat, anstatt neue Kunden anzuwerben. Und er weiß auch, dass das Missverständnis über ihre Beziehung, sie nicht zum Trinken getrieben hätte.
In einem Anflug von Verärgerung darüber, dass ihr idiotischer Exfreund gerade heute auftauchen musste, schlingt er die Arme um Aozora und drückt sie an sich. Ihr Kleid ist im Weg, da es ihren Ausschnitt vom Hals abwärts völlig bedeckt, sodass er es ihr am liebsten ausziehen würde. Aber gerade, als seine Hände nach ihrem Reißverschluss tasten, um das Kleid ein klein wenig zu öffnen, versteift Aozora sich.
»Mr. Blake«, murmelt Aozora mit dunkler Stimme.
»Was?!« Kohei hebt den Kopf, um sie anzusehen, noch unentschlossen, ob er verärgert oder verwirrt über ihre Worte sein soll.
Aber Aozoras Blick ist auf den Nachbarbalkon gerichtet. Als Kohei ihrem Blick folgt, ist jedoch niemand dort.
»Ich wusste nicht, dass er auch eingeladen ist.«
»Er ist mit der Botschafterin befreundet«, erwidert Kohei und richtet seinen Blick dann wieder auf Aozora. »Aber so langsam passiert mir das zu oft. Es fühlt sich an, als hätten wir ein schräges Dreierverhältnis.«
Aozora verzieht das Gesicht. »Vielleicht sollten wir wirklich gehen.«
Er nickt. Selbst Aozora wird es nicht egal sein, von einem ihrer wichtigsten Kunden mit einem Kollegen in einer sehr intimen Situation erwischt zu werden, obwohl sie sich wie üblich nichts anmerken lässt. Auch Kohei ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass Mr. Blake sich als Plappermaul herausstellen könnte.
Sie fahren zu ihm und kaum sind sie in seinem Apartment, beginnt Aozora seinen Vorrat an Alkohol zu plündern.
»Immer noch nicht genug?«, fragt Kohei amüsiert, hält sie jedoch nicht davon ab, eine Flasche Scotch zu öffnen, und füllt sich ein eigenes Glas.
Aozora lässt ihn nicht aus den Augen, während sie trinkt und als sie das Glas absetzt, deutet sie mit dem Finger auf ihn. »Du hältst mich für spießig.«
Kohei runzelt überrascht die Stirn.
»Du denkst, ich bin spießig und langweilig. Aber ich kann auch bis zum Umfallen trinken. Und ich schlafe mit einem Mann, der nicht mein Freund ist. Ohne mir etwas davon zu erhoffen, nur aus Spaß.« Sie fuchtelt unterstreichend mit ihrer Hand vor seinem Gesicht herum. »Ich könnte sogar mit mehreren Männern schlafen, ohne dass sie etwas davon wissen. Also voneinander. Aber das mache ich nicht, weil es sich nicht gehört. Aber deswegen bin ich nicht spießig!«
Kohei beobachtet amüsiert, wie sie das Glas in einem Zug austrinkt und auf dem Tresen abstellt. Selbst völlig betrunken, ist sie immer noch eine ehrliche Seele. »Dann hab ich ja nochmal Glück gehabt«, gluckst er.
Aozora verzieht beleidigt das Gesicht. Es ist das erste Mal, dass er sie so ein Gesicht machen sieht und er muss erneut kichern.
»Ich weiß, genau was du denkst!«, sagt sie und hält ihm wieder ihren Finger unter die Nase.
»Bestimmt nicht.«
»Du denkst, ich bin prüde!«
»Ich denke, dass Füchse meine neuen Lieblingstiere sind.«
Das lässt sie irritiert blinzeln. »Ach!«, sagt sie dann. Sie macht eine wegwerfende Handbewegung in seine Richtung und geht an ihm vorbei ins Wohnzimmer. Im Gehen zieht sie sich ihren Haarschmuck aus den Haaren, was nicht so einfach ist wie sie offenbar dachte. Sie dreht und verrenkt sich, während sie an ihrer Frisur herumzieht.
Kohei kichert in sein Glas und lehnt sich mit dem Rücken gegen den Tresen.
Als sie den Haarschmuck schließlich auf den Couchtisch fallen lässt, sind ihre Haare ein völliges Durcheinander, trotzdem sieht sie ihn an, als wäre all das genauso gewollt. »Ich klammere mich nicht an einen Mann und ich brauch keinen, für gar nichts!«
Kohei legt den Kopf schief und runzelt die Stirn. »Heißt das, du willst heute allein Sex haben?«
Aozora blinzelt. Dann macht sie ein nachdenkliches Gesicht, als würde ihr erst jetzt die Problematik aufgehen, mit der sie sich durch ihrer eigenen Worte konfrontiert sieht. Schließlich schüttelt sie den Kopf. »Das ist etwas anderes.«
»Stimmt, ich bin ja nur ein menschlicher Dildo.«
Sie kneift die Augen zusammen. »Wieso? Ist das schlecht?«
»Ein bisschen mehr Wertschätzung wäre schön«, erwidert er schulterzuckend.
Sie denkt darüber nach. »Heißt, ich soll dich verführen, bevor wir Sex haben?«, fragt sie schließlich.
»Eine gute Idee!« Kohei stellt sein Glas aus der Hand und geht zur Couch. Er lässt sich darauf fallen und sieht Aozora dann abwartend an.
Sie scheint kurz zu überlegen, dann dreht sie sich um und geht auf seine Musikanlage zu. Kurz darauf ertönt Klaviermusik aus den Boxen und Aozora dreht sich schwungvoll zu ihm um.
Sie greift nach hinten und muss sich erneut verrenken, um den Reißverschluss ihres Kleids zu öffnen, aber schließlich rutscht es an ihr herunter zu Boden. Kaum liegt es dort, hebt Aozora einen Arm in die Luft und stemmt den anderen in die Hüfte, die sie zur Seite streckt. »Was sagst du jetzt?«
Kohei sieht sie ein wenig verdutzt an. Dann beginnt er zu lachen.
Währenddessen dreht Aozora sich zur Seite, macht einen Ausfallschritt nach hinten und legt den Kopf in den Nacken.
Immer noch lachend, schüttelt Kohei den Kopf. »Das nennst du sexy?«
Sie dreht sich schwungvoll ihm zu, platziert einen Arm unter ihren Brüsten und beugt sich etwas vor. »Behauptest du das Gegenteil?«, fragt sie und kneift die Augen zusammen, zu etwas, das wohl ein verführerischer Blick sein soll. Es ähnelt aber eher einem skeptischen Blick, oder dem einer Betrunkenen, die nicht mehr richtig gucken kann.
Kohei steht auf. »Beobachte und lerne!«, sagt er, während er sein Hemd aufknöpft. Er zieht mit einer Hand seine Krawatte auf und schiebt die andere in sein Haar. Dann sieht er Aozora mit einem richtigen Schlafzimmerblick an.
Sie beobachtet ihn unbeeindruckt. »Das kann ich auch«, sagt sie und schiebt gleich beide Hände in ihre ohnehin schon zerzausten Haare. Dabei drückt sie die Hüfte zur Seite und ihre Brust nach vorn und Kohei kann nicht abstreiten, dass sie reizvoll aussieht. Sie trägt dunkelblaue Spitzenunterwäsche und er ist schon verführt gewesen, nachdem sie ihr Kleid ausgezogen hat. Aber sie musste ja einen Wettbewerb daraus machen.
Er schnaubt und lässt die Arme sinken. Er zieht seine Krawatte aus und öffnet die restlichen Knöpfe seines Hemds, bevor er es sich in einer dramatischen Geste von den Schultern reißt.
Aozora prustet.
»Ah, du stehst ja eher auf so was hier.« Kohei entledigt sich seines Hemds und winkelt beide Arme an, um seinen Bizeps zu zeigen.
Aozora lacht weiter.
»Oder so?« Kohei senkt die Arme vor seinen Bauch und spannt die Brustmuskeln an.
Sie kommt auf ihn zu, immer noch lachend, und dreht sich um. »Wie ist das?«, fragt sie, während sie über die Schulter zu ihm schaut und ihm ihren Hintern entgegenstreckt.
Koheis Augen rutschen an ihr herunter. Einen Moment starrt er nur, voller Bewunderung, dass jemand ein so perfektes Hinterteil besitzen kann. Dann packt er ihre Hüfte und zieht sie zu sich. »Gut, du hast gewonnen«, sagt er, während Aozora nach Luft schnappt und sich aufrichtet.
Kohei schlingt die Arme um sie und küsst ihre Schulter, während sie triumphierend kichert. Er lässt seine Lippen ihren Hals hinaufwandern und Aozora sieht zu ihm. Sie dreht sich in seinen Armen und seine Hände rutschen an ihrem Rücken herunter, während sie ihre um seinen Hals legt.
Er dreht sich mit ihr herum und drückt sie auf die Couch. Dort löst er sich von ihren Lippen und wendet sich ihrem Oberkörper zu, angefangen bei ihrem Dekolleté. Dabei streichen ihre Hände durch sein Haar und über seine Schultern, während sie ihren Körper ihm entgegendrückt. Es gefällt ihm, wie offen und ehrlich sie ist. Wie sie nicht versucht zu verheimlichen, wie sehr sie es genießt. Ihr schneller Atem und ihr leises Stöhnen. Der süßliche Duft von Jasmin und ihre weiche, warme Haut unter seinen Lippen. »Gott, ich liebe dich.«
Mit einem Mal hält Kohei inne. Was hat er gerade gesagt?
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