Es ist jetzt fast drei Monate her, aber es hat sich nicht viel verändert. Rems Wohnung fühlt sich immer noch leer an und sie versucht immer noch, so viel Zeit wie möglich im Büro zu verbringen. Aber es setzt ihr zu. Sie hat abgenommen und ist auf Energydrinks angewiesen, um durch den Tag zu kommen. Und doch hat sich nichts geändert.
Sie massiert sich die Schläfen, als sie das Büro verlässt, um sich etwas zu Trinken zu holen. Ihre Arbeitseffizienz hat deutlich nachgelassen. Am Morgen ist sie bei einem Kunden gewesen und hatte ihm beinah ein falsches Projekt vorgestellt und die letzten zwanzig Minuten hat sie damit verbracht, immer wieder dasselbe Dokument zu lesen, ohne ein Wort zu verstehen.
Doch als sie sich dem Getränkeautomaten im Flur nähert, hört sie jemanden schluchzen. Sie schaut in das Treppenhaus, das sich am Ende des Flurs neben dem Automaten befindet, und sieht Sakura Kondo weinend auf der Treppe sitzen. Leider blickt sie genau in diesem Moment auf und sieht Rem an.
Rem flucht innerlich. Sie ist nicht in der Stimmung, sich Kondos Sorgen anzuhören, aber jetzt, wo sie Rem bemerkt hat, kann sie sie nicht ignorieren. »Brauchen Sie ein Taschentuch?«
Kondo schüttelt den Kopf und wischt sich die Augen. »Sie hatten die ganze Zeit recht, Ms. Aozora«, schnieft sie. »Er ist so ein Idiot!« Sie fängt wieder an zu schluchzen.
Rem rümpft die Nase. Sie hat nicht gefragt, warum Kondo weint, und sie will es auch nicht wissen. Kondo arbeitet mit Inouye zusammen und hat offensichtlich eine Schwäche für ihn. In der Vergangenheit hatte sie nur abschätzige Blicke und Kommentare für Rem übrig.
»Sie müssen mich für ein dummes Flittchen halten, das von gutem Aussehen und Geld geblendet ist. Ich nehme es Ihnen nicht übel. Aber wie soll ich weiter mit einem Mann arbeiten, der mich auszieht, nur um mir zu sagen, dass ich nicht gut genug für ihn bin? Ich kann ihn nicht einmal ansehen!« Sie vergräbt ihr Gesicht in den Händen und schluchzt noch heftiger als zuvor.
Rem starrt sie an. Gegen ihren Willen muss sie an Kosuke denken und was er zu ihr gesagt hat. Er hat bestimmte Erwartungen gehabt, wie Rem sich im Bett verhalten sollte, die im Grunde darin bestanden, überhaupt nichts zu tun. Er wollte, dass sie sich wie eine beschämte Jungfrau verhält, nur um ihr dann zu sagen, dass ihm das nicht einmal gefallen hat.
»Reden Sie von Mr. Inouye?«, fragt Rem, während sie ein Taschentuch hervorzieht, um es Kondo zu geben.
Sie nickt und nimmt das Taschentuch mit einem schwachen Lächeln entgegen. »Wir waren beide betrunken und ich verstehe, dass er nur einen One-Night-Stand wollte, und ich war damit einverstanden, aber... ich meine, wenn er mich nicht mag, hätte er es sagen sollen... ich schäme mich so.«
Rem nickt. »Ja, natürlich. Es ist ungerecht, dass wir verletzt werden, selbst wenn wir es mit Idioten zu tun haben, die es nicht wert sind.«
Kondo hebt überrascht den Kopf und sieht Rem an. Dann lächelt sie wieder, dieses Mal etwas breiter. »Sie haben ja so recht!«
Rem hockt sich vor sie hin. »Wollen Sie, dass ich mit ihm rede? Ich weiß, es ist Ihnen unangenehm, aber Sie werden sich besser fühlen, wenn Sie ihm das alles ins Gesicht gesagt haben. Ich kann vermitteln, wenn Sie wollen.«
Kondo zögert. »Ich weiß nicht...ich will nicht, dass es zu einem größeren Problem wird.«
»Dann sind Sie damit einverstanden, dass er mit der nächsten Frau ins Bett geht, während Sie still leiden? Ist es nicht unfair, dass er sich wie ein Mistkerl verhalten kann und damit davonkommt, weil Sie Rücksicht auf die Arbeit nehmen?«
Diesmal sagt Kondo nichts. Sie sieht unentschlossen aus.
Rem schenkt ihr ein sanftes Lächeln. »Machen Sie sich keine Sorgen um die Konsequenzen. Ich sorge dafür, dass es keine Probleme gibt.«
Kondo kaut auf ihrer Unterlippe herum. Aber dann nickt sie.
Rem steht auf. Sie ist nicht gut darin, andere zu trösten, aber sie ist ziemlich gut darin, jemanden mit Fehlern zu konfrontieren. Vor allem, wenn dieser jemand Inouye ist. Und dieses Mal hat er etwas getan, das Rems Meinung von ihm deutlich senkt. Er hat von Anfang an eine gewisse Arroganz besessen, aber sie hat ihn für anständig gehalten. Wie sich herausstellt, ist ihre Einschätzung von Männern nicht so gut, wie sie gedacht hat. Es ist die richtige Entscheidung gewesen, sich nicht mehr mit ihm abzugeben.
Sie kehrt ins Büro zurück und geht direkt zu Inouyes Schreibtisch. »Entschuldigen Sie, Mr. Inouye, haben Sie eine Minute Zeit?«
Er hebt den Kopf und sieht sie mit einem überraschten Blick an. »Was? Sind Sie endlich hier, um damit zu prahlen, wie Sie mich die letzten Monate immer wieder geschlagen haben?« Er hebt herausfordernd eine Augenbraue.
»Ich habe etwas mit Ihnen zu besprechen, unter vier Augen«, antwortet Rem eisig.
Inouye blinzelt verdutzt. »Na gut.« Er steht auf und folgt Rem gehorsam in einen der Videoräume. Dort dreht sich Rem zu ihm um, die Arme vor der Brust verschränkt, und funkelt ihn wütend an. »Ich habe gerade Ms. Kondo weinend im Flur getroffen und sie hat mir gesagt, dass du ein schamloser Drecksack bist.« Der Wechsel zur informellen Rede kommt von allein, da sie ihm in diesem Moment nicht einmal dieses Maß an Respekt entgegenbringen will. Es erinnert sie aber auch daran, dass sie des Öfteren freundschaftlich miteinander gesprochen haben, wenn sie allein waren. Der Gedanke ärgert Rem.
Inouye blinzelt. »Was?«
»Sie sagt, du hast sie gedemütigt und sie hat deswegen Probleme, mit dir zu arbeiten. Also habe ich angeboten, zwischen euch beiden zu vermitteln. Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?«
Inouye starrt sie wortlos an. Er sieht schockiert aus, aber er scheint zu wissen, wovon sie spricht. Und sein Gesichtsausdruck wechselt zu Verärgerung. »Für mich sieht es so aus, als wolltest du mir an den Kragen. Ist das deine Vorstellung von Vermittlung?«
»Ich bin mir sicher, dass du es einfach ignorieren willst, schließlich ist es Ms. Kondo, die weint, weil sie sich schämt.«
»Sie ist erwachsen und wenn sie mir etwas zu sagen hat, soll sie es selbst tun!« Jetzt funkelt Inouye sie wütend an und es sieht so aus, als wolle er den Raum verlassen.
»Ja, Ms. Kondo ist sicher nicht die Hellste, wenn sie sich mit dir einlässt, aber du bist nicht der Einzige, der mit ihr arbeiten muss. Willst du, dass das zu einem Problem wird, bevor du bereit bist, Verantwortung zu übernehmen?!«
Inouye, der ihr bereits den Rücken zugewandt hat, bleibt stehen. Er ballt die Fäuste.
»Ich wollte sie nicht vergewaltigen«, sagt er plötzlich.
Rem runzelt die Stirn. »Wie bitte?«
Inouye dreht sich um und verschränkt die Arme vor der Brust. Sein Blick ist kühl, als er Rem anschaut. »Du willst deine Nase in mein Privatleben stecken? Gut, aber dann musst du dir jedes Detail anhören, um es richtig zu verstehen, klar?«
Rems Stirnrunzeln vertieft sich. »Deshalb bin ich zu dir gekommen.«
Er schnaubt. »Wir waren beide betrunken und sind zu ihr gegangen. Die Dinge fingen an, heiß zu werden, aber Ms. Kondo hat plötzlich angefangen, 'nein' und 'nicht da' zu sagen. Sie hat sich nicht direkt gewehrt, aber mir auch nicht gezeigt, dass sie es wirklich will. Sex mit einer betrunkenen Frau ist an sich schon fragwürdig, vor allem, wenn man keine Beziehung hat, und wenn sie dann auch noch Nein sagt, wäre es eine Vergewaltigung, wenn ich weitergemacht hätte, oder nicht?«
Rem starrt ihn an. Das ist etwas anderes als das, was Kondo gesagt hat. Aber im Kern stimmt es überein. Und plötzlich denkt sie an das erotische Manga, das Kosuke ihr einmal gezeigt hat, um ihr zu erklären, was er unter sexy versteht. Die Frau dort hat sich im Grunde so verhalten, wie Inouye gerade Kondo beschrieben hat.
Rem schließt die Augen und schämt sich. Dann verbeugt sie sich vor Inouye. »Tut mir leid. Ich habe Ms. Kondo zugehört und voreilige Schlüsse gezogen. Ich hätte mir deine Version anhören sollen, bevor ich mir ein Urteil bilde.« Sie richtet sich auf und sieht einen überraschten Gesichtsausdruck auf seinem Gesicht. »Das ändert aber nichts an der Situation. Sie scheint dein Handeln genauso missverstanden zu haben wie ich.«
Schließlich stimmt Inouye ihr als Vermittlerin zu und das Missverständnis zwischen Kondo und ihm wird ausgeräumt. Es hat etwas gedauert und Rem beschließt, bei einem Teil der Arbeit von Inouyes Gruppe mitzuhelfen. Und als das erledigt ist, entscheidet sie, früher zu gehen, weil der Tag sie mehr als sonst erschöpft hat. Da sie in den letzten Wochen so viele Überstunden gemacht hat, ist es zum Glück kein Problem.
»Ich sollte mich wahrscheinlich bei dir revanchieren...« Inouye, der mit ihr das Büro verlässt, kratzt sich am Kopf, während er sie widerwillig ansieht.
»Mach dir keine Mühe.«
»Was, willst du, dass ich dir etwas schulde?«
Sie seufzt und reibt sich die Schläfe. Sie hat schreckliche Kopfschmerzen. »Ich habe dir nur geholfen, weil ich vorher ungerecht war. Du bist mir also nichts schuldig.«
»Bist du sicher? Du siehst mir ziemlich müde aus.«
Rem schüttelt den Kopf und bereut es einen Moment später, als ein plötzlicher Schwindelanfall sie stolpern lässt.
Ein Arm fängt sie auf. »Nochmal«, kommt Inouyes Stimme von oben. »Bist du sicher, dass es dir gut geht?«
Rem blickt zu ihm auf. Er ist groß, denkt sie. Größer als Kosuke. Sie schließt die Augen und ärgert sich darüber, schon wieder an Kosuke zu denken.
»Ich weiß nicht, was dich in den letzten Monaten dazu gebracht hat, wie eine Verrückte zu arbeiten, aber meinst du nicht, dass du es übertreibst? Es sei denn, du willst von mir geschlagen werden, weil du zusammenbrichst und nicht mehr arbeiten kannst.«
»Egozentrisch wie immer«, antwortet sie, während sie seinen Arm von sich wegschiebt. Aber sie kann ihm nicht widersprechen. Es wird Zeit, dass sie sich zusammenreißt.
»Soll ich dich nach Hause fahren?«
Offenbar sieht sie so erschöpft aus, dass sogar Inouye Mitleid mit ihr hat. »Nein, ich will nur -«
»Rem!«
Rem zuckt zusammen. Ihr Kopf dreht sich abrupt in Richtung der Stimme. Im ersten Moment ist sie sicher, sich zu täuschen. Sie muss so müde sein, dass sie sich verhört hat, denn es ist unmöglich, dass er hier ist. Doch zu ihrem Entsetzen fällt ihr Blick auf einen Mann mit zerzaustem braunem Haar und einem Kapuzenpullover. Kosuke.
Er kommt mit einem Grinsen im Gesicht auf sie zu. Aber es ist ein falsches Grinsen, dass seine Augen nicht erreicht. »Sieht aus, als hättest du schon einen neuen Mann gefunden.«
»Wie bitte?« Inouye sieht Kosuke verwirrt an und seine Worte reichen aus, um Rem wieder zur Besinnung zu bringen.
Sie ergreift Kosukes Arm und verbeugt sich vor Inouye. »Ich entschuldige mich für ihn, Mr. Inouye. Und danke Ihnen für das freundliche Angebot, aber mir geht es gut.« Sie wartet nicht auf seine Antwort und geht eilig davon, Kosuke im Schlepptau.
»Hast du Angst, dass ich dich vor deinem neuen Typen blamiere?«, spottet Kosuke.
Rem zieht ihn um die nächste Ecke in die entgegengesetzte Richtung des Parkplatzes, auf den Inouye zugehen würde. »Du hast mich vor einem Kollegen blamiert! Was willst du hier?!«
»Ein Kollege? Ja klar, das ist der Typ, von dem du immer gesprochen hast.«
Rem starrt ihn an. Auf der einen Seite sind seine Worte und sein Verhalten völlig unbegründet und auf der anderen Seite versucht sie, sich daran zu erinnern, wann sie mit Kosuke über Inouye gesprochen hat.
Kosuke rollt mit den Augen. »Hör zu, ich bin nicht gekommen, um einen Aufstand zu machen. Ich wollte mit dir reden.« Sein Tonfall ist nun um einiges versöhnlicher.
»Und du konntest mir keine SMS schreiben und um ein Treffen bitten?! Stattdessen wartest du vor meinem Büro und erzählst einem meiner Kollegen irgendeinen Blödsinn?!«
Kosuke schnalzt mit der Zunge. »Was für ein Blödsinn? Ich habe gesehen, wie ihr euch umarmt habt.«
»Na und? Das ist ein Grund mehr, sich nicht einzumischen.«
»Warte, da ist wirklich etwas zwischen euch?« Er macht einen Schritt auf sie zu.
»Das geht dich nichts an!«, sagt Rem, aber ihre Stimme zittert. Sie hatte gerade das Gefühl, dass sie über ihn hinwegkommen könnte. Warum musste er ausgerechnet jetzt auftauchen?
Das Grinsen kehrt auf Kosukes Gesicht zurück. »Nein, das ist wirklich Blödsinn. Du könntest nie was mit nem Kollegen anfangen. Dafür bist du zu prüde. Du bist wahrscheinlich gestolpert oder so.«
Rem krümmt die Zehen, während sie ihr Gesicht zwingt, ruhig zu bleiben. »Wenn das alles ist, gehe ich nach Hause.« Sie wendet sich ab, nur um von ihm festgehalten zu werden.
»Warte, ich habe dir immer noch nicht gesagt, was ich dir sagen wollte.«
»Das ist mir egal!« Sie reißt sich aus seinem Griff los.
»Es tut mir leid!«
Sie erstarrt.
»Dein Geburtstagsgeschenk war wirklich teuer. Ich hatte keine Gelegenheit, dir dafür zu danken. Und ich weiß jetzt auch, warum du so beschäftigt warst. Es war nicht fair von mir, dich so zu beschuldigen.«
Rem starrt ihn an. Ihre Gedanken wirbeln, aber selbst jetzt, spürt sie, dass etwas nicht stimmt. »Sie hat Schluss gemacht.«
Er zuckt zusammen. »Was? Warum redest du auf einmal von etwas anderem?« Sein Tonfall ist abwehrend und zeigt Rem, dass sie ins Schwarze getroffen hat. Sie lacht ein raues Lachen. »Sie hat dich rausgeworfen und jetzt versuchst du, zu mir zurückzukriechen.«
Kosukes Gesicht verzieht sich vor Wut. »Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen! Willst du wirklich jemanden, der gekommen ist, um sich zu entschuldigen, so behandeln?!«
Sie erwidert seine Wut mit einem eisigen Blick. »Es ist drei Monate her und du kommst jetzt, um dich zu entschuldigen? Wenn du dich tatsächlich wegen irgendetwas schuldig fühlen würdest, wärst du nicht plötzlich hier aufgetaucht, um dich wie ein Arsch zu benehmen.«
»Verdammt noch mal, Rem, hör auf, alle meine Handlungen zu analysieren! Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen, was willst du noch mehr?!«
Rem beißt sich auf die Lippe. Ihr rationales Ich weiß, dass er im Unrecht ist, aber das zu wissen, macht ihre Kehle nicht weniger eng. »Ich will gar nichts von dir«, sagt sie mit heiserer Stimme, bevor sie sich abwendet und ein so schnelles Tempo anschlägt, dass sie beinahe rennt.
Rem schläft in dieser Nacht kaum, und am Morgen steht sie vor dem Spiegel und versucht, ihre roten Augen mit Schminke zu verbergen. Sie hat in den letzten Wochen damit angefangen, um im Büro nicht wie ein Zombie auszusehen. Aber heute hat sie das Gefühl, dass es kaum etwas bringt. Der Blick, den Mori ihr zuwirft, als sie ins Büro kommt, scheint das zu bestätigen. Und als die Buchstaben auf dem Bildschirm vor ihr verschwimmen, beschließt sie, etwas frische Luft zu schnappen.
Normalerweise ist das Dach von den Rauchern belegt, aber es ist noch nicht Zeit für die Mittagspause und Rem ist allein. Sie schließt die Augen und legt ihre Stirn auf das kühle Eisen des Geländers. Ein paar Minuten lang genießt sie einfach nur die Kälte und den frostigen Wind des kommenden Winters.
Dann hört sie, wie sich die Tür zum Dach öffnet und hebt den Kopf. Sie will ihren Kollegen nicht zeigen, wie erschöpft sie ist. Sie plant kurz zu warten und dann ins Büro zurückzukehren, aber die Person, die gerade das Dach betreten hat, kommt auf sie zu.
»Hier«, sagt Inouye und hält ihr eine Tasse Kaffee hin.
Sie schaut erst auf die Tasse, dann zu ihm.
Er verdreht die Augen. »Das ist normaler schwarzer Kaffee, so wie du ihn magst.«
»Warum?«
»Weil du aussiehst, als könntest du ihn brauchen.«
Sie rührt sich nicht.
Er runzelt die Stirn. »Habe ich dir nicht gestern gesagt, du sollst dich ausruhen? Warum siehst du heute noch schlechter aus?«
Sie seufzt. »Halt die Klappe«, sagt sie, aber sie nimmt den Kaffee.
»Im Ernst, ich werde diesen Monat die Nummer eins sein, wenn das so weitergeht«, sagt er und nimmt einen Schluck von seinem eigenen Kaffee.
»Nein, wirst du nicht. Weil du die Sache mit Ms. Kondo vermasselt hast, riskierst du das Geschäft mit Syrene.«
»Blödsinn. Ich habe alles unter Kontrolle.«
Rem sieht ihn an, mit einem zweifelnden Blick in den Augen, den er entschieden ignoriert. Einen Moment lang betrachtet sie sein Profil, bevor sie auf die Tasse in ihrer Hand hinabschaut. Es ist unangenehm. Früher haben sie sich so einfach miteinander gezankt, aber nicht nur, hat sie ihn in den letzten Monaten praktisch ignoriert, der gestrige Vorfall und die Tatsache, dass er Kosuke getroffen hat, sind ihr unangenehm.
»Danke für den Kaffee.«
Er richtet seinen Blick auf sie. »Ein Ersatz für gestern.«
»Ich habe dir schon gesagt, dass ich geholfen habe, weil ich mich unfair verhalten habe.«
Er zuckt mit den Schultern. »Ja, aber du hast dich entschuldigt und die Sache aufgeklärt. Und das, obwohl du dich auch so schon stresst.«
Rems Hand umklammert die Tasse fest. Sie hätte ihm gerne gesagt, dass sie sein Mitleid nicht braucht, aber es wäre nicht richtig, wütend zu sein, weil er versucht, nett zu sein.
»Ich weiß, dass du das wahrscheinlich nicht hören willst, aber du solltest dir wirklich eine Auszeit nehmen. Sonst brichst du bald wirklich zusammen.«
Sie antwortet nicht. Er hat recht. Natürlich hat er recht, das weiß sie selbst. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass sie sich beschissen fühlt, wenn sie nach Hause kommt und die leeren Wände ihrer kalten Wohnung sieht.
»Und kein Ex-Freund ist es wert, die eigene Gesundheit zu riskieren«, fügt Inouye hinzu, und dieses Mal sieht Rem ihn wütend an. »Was weißt du denn schon?!«
Er erwidert ihren Blick mit ruhiger Miene. »Ich weiß, dass du eine vielversprechende Zukunft hast und dass es eine Verschwendung wäre, sie wegzuwerfen, nur weil du abserviert wurdest.«
»Ich glaube nicht, dass das etwas mit dir zu tun hat!«, zischt sie.
»Bist du sauer, weil ich mich in dein Privatleben einmische? Das hast du doch gestern auch getan.«
»Das ist etwas anderes! Meine Beziehung hat nichts mit der Arbeit zu tun!«
»Und wie sie das hat!« Er sieht sie streng an, fast so, als würde er mit ihr schimpfen. »Du bist die Beste im Verkauf und alle verlassen sich auf dich. Wenn du einen Fehler machst, weil du dich überanstrengst, glaubst du, das würde sich nicht auf die anderen auswirken?«
»Ich werde aufpassen, dass das nicht passiert«, antwortet sie, als sie plötzlich das Gefühl hat, nicht mehr mit ihrem Kollegen, sondern mit dem Enkel des Eigentümers von Noué zu sprechen.
»Das ist unmöglich, weil du ein Mensch bist wie jeder andere auch. Was ist so schwer daran, einfach mal eine Pause zu machen?«
Rem lehnt sich an das Geländer und starrt wortlos in die Ferne.
Inouye seufzt. »Hör zu, ich will nicht sagen, dass ich kein Verständnis für dich habe, aber es wird nicht leichter, wenn du so weitermachst. Es gibt andere Ablenkungen als Arbeit in dieser Welt.«
»Du klingst, als wolltest du mir Drogen andrehen«, bemerkt sie trocken.
Inouye gluckst. »Ist das dein Ernst, Aozora? Schätzt du so meinen freundlichen Rat, gegeben aus purer Sorge um dein Wohl?«
Sie rollt mit den Augen.
Er lehnt sich mit dem Rücken gegen das Geländer und beobachtet sie von der Seite. Sein Gesichtsausdruck ist trotz seiner scherzhaften Bemerkung ernst. »Ich meine es ernst. Ich hätte nicht gedacht, dass gerade du dich von deinem Freund trennst. Ich war mir sicher, dass du bald Einladungen zu deiner Hochzeit verteilen würdest. Obwohl ich wahrscheinlich keine bekommen hätte, oder?«
Rem richtet sich auf und starrt ihn an.
Das Lächeln in seinem Gesicht verschwindet. »Tut mir leid, das war dumm. Vergiss es.«
Aber Rem starrt ihn weiter an. »Ich kann mich nicht erinnern, jemals mit dir über meine Beziehung gesprochen zu haben. Wie kommst du darauf, dass du einschätzen kannst, wie gut sie war?«
Er hebt überrascht die Brauen. »Nur ein Idiot würde nicht bemerken, wie verliebt und ergeben du ihm warst.«
Sie blinzelt. Kosukes Worte darüber, dass er bezweifelte, dass sie ihn jemals geliebt hat, geistern ihr durch den Kopf. »Woher willst du das wissen?«
»Hey, nennst du mich einen Idioten? Weißt du nicht mehr, wie oft wir uns gestritten haben, weil du ständig Geschenke für ihn ins Büro bestellt hast?«
»Ich bin nicht die Einzige, die das tut.«
»Ja, aber du bist die Einzige, die sich so freut, wenn ein Paket ankommt.« Er zuckt mit den Schultern. »Wenn du etwas kaufst und dich mehr darüber freust, es zu verschenken, als es zu behalten, bedeutet das doch, dass du die Person, der du es schenkst, liebst, oder?«
Sie weiß nicht, warum, aber Rems Kehle schnürt sich plötzlich zu und ihre Augen brennen. Aber sie kann den Blick nicht abwenden. Es klingt so einfach und doch erinnern Inouyes Worte sie an das Gefühl, das sie immer hatte, wenn sie ein Geschenk für Kosuke vorbereitet hat. Die Aufregung, die Freude und auch ein wenig Nervosität darüber, wie er wohl reagieren würde. Dieses Gefühl von damals, wie könnte man es nicht als Liebe bezeichnen?
Tränen sammeln sich in ihren Augen und Rem schafft es schließlich, ihren Blick von Inouye loszureißen. »Würdest du mich bitte einen Moment allein lassen?« Sie weiß nicht, wie er darauf reagiert, aber er geht, ohne irgendwelche Fragen zu stellen.
Konstruktive Kritik ist immer erwünscht. Schreib mir, was du denkst und hilf mir damit weiter :)
© 2024 Urheberrecht. Alle Rechte vorbehalten.
Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen
Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.