»...ich war eben persönlich in der Produktionsabteilung und habe mit dem zuständigen Kollegen gesprochen. Sie können also sicher sein, dass Ihre Wünsche so schnell wie möglich umgesetzt werden, Ms. Umemoto.« Kohei lächelt, obwohl Ms. Umemoto, mit der er über das Handy spricht, ihn nicht sehen kann.
»Vielen Dank, Mr. Inouye! Ich wusste, dass ich mich auf sie verlassen kann!« Ms. Umemotos Stimme klingt, als würde sie ebenfalls lächeln, und sie hat auch jeden Grund dazu. Kurzfristige Änderungen sind immer arbeitsintensiv und Kohei muss sich noch überlegen, wie er sich dafür revanchiert. »Das ist doch selbstverständlich. Wir arbeiten schon so lange zusammen und Sie würden dasselbe für mich tun.«
»Wenn sich die Gelegenheit ergibt, natürlich«, antwortet sie ausweichend. »Aber jetzt will ich Sie nicht weiter stören, Mr. Inouye.«
»Oh, Sie stören mich nie, Ms. Umemoto.«
Ein Lachen ertönt aus dem Hörer. »Seien Sie vorsichtig, sonst steigt mir Ihre Freundlichkeit noch zu Kopf. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag, Mr. Inouye.«
»Gleichfalls. Auf Wiedersehen!« Kohei nimmt das Handy von seinem Ohr und legt auf. Und mit einem tiefen Seufzen rutscht sein Lächeln von seinem Gesicht. Er hat dieser Tage viel zu tun, was, wie er zugeben muss, daran liegt, dass er es in letzter Zeit etwas schleifen ließ. Da Rem so mit anderen Dingen beschäftigt ist, ist es keine Schwierigkeit mehr, den ersten Platz in der Monatsendauswertung zu erreichen. Besonders da sich ihm die Kunden förmlich an den Hals werfen, nachdem die geplante Präsentation auf der Weihnachtsfeier von Inouye Incorporation die Runde gemacht hat. Und jetzt erntet er die Früchte dieser Tat. Mit anderen Worten: Arbeit.
Mit einem weiteren Seufzen steckt Kohei sein Handy in die Hosentasche und macht sich auf den Weg zurück ins Büro. Er muss noch ein paar Dinge erledigen vor seinem Termin. Er schaut auf seine Armbanduhr.
»...nennt sie nicht umsonst Kitsune! Was habt ihr erwartet?«
Kohei horcht auf. Er ist noch in der Etage der Produktionsabteilung und der Flur, der zum Treppenhaus führt, hat außerdem eine Abzweigung zu einem Balkon. Frische Luft vermischt mit dem Geruch von Zigarettenrauch weht ihm entgegen, als er einen letzten Schritt macht, um in die Abzweigung und hinaus auf den Balkon zu sehen.
»Hey, ich wusste sowieso die ganze Zeit, dass sie nur so gut ist, weil sie die Beine breit macht. Das sind Höhen, die man ohne Titten gar nicht erreichen kann.«
»Schon, aber habt ihr Aozora mal gesehen. Sie ist nicht direkt hässlich, aber sie sieht aus wie so eine steife Langweilerin, die nur Stress macht, wenn man was Falsches sagt. War da nicht was? Mit so einem Spielzeughersteller?«
»Ja, das ist auch ne Möglichkeit für ne Frau voranzukommen, die wir Männer gar nicht kennen. Was glaubst du, was die dafür einstecken mussten, weil Aozora behauptet hat, einer von denen hätte gegrapscht. Aber das ist nicht der Punkt. Sieh dir das an.«
Kohei steht wie vom Donner gerührt da und beobachtet wie einer der Männer sein Handy hervorholt. Was für eine Situation ist das?!
»Bei so Frauen wie Aozora gibt es zwei Sorten. Die, die steif und langweilig sind und die, die nur so tun als ob. Und die zur zweiten gehören, sind ne Nummer im Bett. Oder würdest du zu der hier immer noch Nein sagen?« Der Mann hält seinen zwei Kollegen jetzt sein Handy hin. Kohei kann nicht sehen, was darauf abgebildet ist, aber die anderen Männer können ihren Blick gar nicht davon nehmen.
»Das ist niemals Aozora! Das ist jemand anderes!«
»Nein, Mann, das ist sie! Wenn sie sich herrichtet, ist sie ein heißes Teil, oder? Da will man glatt selbst ein Stück vom Kuchen!«
»Und wer ist der Kerl? Geht sie mit dem auch ins Bett?«
Der Mann, dem das Handy gehört, wirft einen Blick darauf. Dann lacht er. »Keine Ahnung, aber er wär schön blöd, wenn er es nicht tun würde, oder?«
Jetzt lachen alle drei. Sie sind so ausgelassen, dass sie nicht bemerken, wie Kohei sich ihnen nähert, bis er direkt hinter dem Mann mit dem Handy steht. Er ist ein gutes Stück kleiner als Kohei, sodass Kohei über seine Schulter auf das Handy sehen kann. Es zeigt ein Bild von einer dunkelhaarigen Frau und einem Mann mit goldenen Locken in einer recht intimen Position.
Da Kohei das Bild auf den ersten Blick nicht versteht, schnappt er dem Mann kurzerhand das Handy aus der Hand, um es besser betrachten zu können.
»Hey!« Dem verärgerten Ausruf folgt Stille, nachdem der Mann Kohei erkennt, aber Kohei beachtet die drei nicht.
Das Foto zeigt eindeutig Rem, auch wenn sie einen Haufen Schminke im Gesicht hat. Sie trägt ein aufreizendes, schwarzes Kleid und lächelt mit einem dominierenden Lächeln auf einen Mann hinab, der mit Lippenstiftabdrücken übersät ist. Es ist irritierend zu sehen, wie Rem einen fremden Mann auf diese Weise ansieht, aber es gibt eine weitere Sache, die Kohei auf den ersten Blick sieht. Es ist ein Werbefoto. Schon allein die Qualität des Fotos reicht aus, um das zu erkennen, auch wenn sich jemand die Mühe gemacht hat, das Logo zu entfernen.
»Ähm, Verzeihung, Mr. Inouye? Gibt es ein Problem?«
Langsam nimmt Kohei den Blick von dem Handy. »Ein Problem?«, wiederholt er und seine eisige Stimme lässt den Mann erschaudern. »Oh nein, ich habe nur plötzlich sehr schlechte Laune.« Kohei lächelt und hält dem Mann das Handy hin.
»D-Danke«, stammelt dieser, während er sein Handy mit einer Verbeugung entgegennimmt. Seine beiden Freunde mustern Kohei derweil mit sorgenvollen Gesichtern, aber Kohei lächelt unbekümmert weiter. Auch wenn das Lächeln den frostigen Blick in seinen Augen nur hervorhebt. »Selbstverständlich werde ich Ihren Vorgesetzten darüber informieren, dass sie Eigentum unsere Kunden stehlen und eine Kollegin verleumden.« Er beobachtet mit Befriedigung, wie die Männer bleich werden.
»N-Nein!«, bringt der, dem das Handy gehört, heraus. »Das ist ein Missverständnis! Ich hab das Bild nicht herumgeschickt und ich hab nur erzählt, was ich gehört habe!«
Kohei legt die Stirn in Falten. Der Mann hat das ‚Ich‘ in seinem Satz betont, als wäre das Bild von jemand anderem herumgeschickt worden. Mit diesem Gedanken setzt Kohei wieder ein Lächeln auf. »Was für ein Pech«, sagt er leichthin, bevor er sich umdreht und in den Flur zurückläuft. Und kaum, dass er den Männern den Rücken zugekehrt hat, verschwindet das Lächeln von seinem Gesicht.
Von diesem Tag an ist Kohei sehr sensibel, was das Gerede seiner Kollegen angeht, dass er zuvor nie beachtet hat. Leider kann auch er nicht jeden Mitarbeiter feuern lassen, der die Gerüchte über Rem erwähnt. Im schlimmsten Fall würde er sie damit nur anfachen. Und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als ein Auge darauf zu haben und zu hoffen, dass sie sich schnell wieder verflüchtigen.
Er hat Rem nicht darauf angesprochen, aber er weiß, dass das auch nicht nötig ist. Sie gibt sich wie immer, aber sie meidet ihre Kollegen so gut es geht und obwohl sie sich bemüht, so zu tun, als wäre sie in ihre Arbeit vertieft, entdeckt er sie ab und zu dabei, wie sie sich sorgenvoll umsieht und blass wird, wenn sie ein paar Kollegen sieht, die sich unterhalten. Und eines Abends, als sie nach der Arbeit im Restaurant sind, geht sie nach nicht einmal einer Stunde.
Kohei, der mit Tomoda und Marika an einem Tisch sitzt, beobachtet ihr stilles Verschwinden schweigend, während sich der Rest seiner Kollegen weiter amüsiert. Er ballt frustriert die Fäuste. Bis jetzt hat er es genauso gehalten, die Gerüchte ignoriert und abgewartet. Aber aus irgendeinem Grund wird das Gerede nicht weniger, ganz im Gegenteil. Vor ein paar Tagen hat Kohei ein Gespräch darüber gehört, dass Rems Ex Schluss gemacht hat, nachdem er herausgefunden hatte, was sie auf der Arbeit wirklich treibt. Er hat die Kollegen angeschnauzt, dass sie den Mund halten sollen, aber abgesehen davon kann er nur hoffen, dass Rem nichts davon gehört hat.
Sie hat ihm nie verraten, was genau zwischen ihr und ihrem Ex vorgefallen ist, aber was er weiß, reicht, um zu wissen, dass es sie in besonderem Maße treffen würde, wenn sie hört, dass nun auch über ihren Ex und ihre Trennung getratscht wird.
Er steht auf. Mit einer gemurmelten Entschuldigung zu Tomoda und Marika verlässt er das Restaurant und folgt Rem. Sie hat noch nicht das Ende der Straße erreicht, als er sie einholt.
»Stimmt etwas nicht, Mr. Inouye?« Sie dreht sich zu ihm um, kaum dass er ihren Namen gesagt hat, und weicht seiner Hand aus, die er ausstreckt, um ihren Arm zu greifen.
Er lässt die Hand sinken und ihm wird plötzlich bewusst, dass er keine Ahnung hat, was er tun soll, jetzt da sie allein sind. »Ich wollte nur fragen, wie es dir geht.«
»Bestens!«, kommt Rems prompte Antwort.
Kohei betrachtet mit Bedauern ihren steifen Gesichtsausdruck, der sich kaum von dem unterscheidet, den sie derzeit im Büro trägt. »Rem, ich weiß -«
»Aozora!«, unterbricht sie ihn mit lauter Stimme. »Wie oft muss ich noch sagen, dass ich von Ihnen nicht mit meinem Vornamen angeredet werden will?!«
Kohei starrt Rem erschrocken an. Es ist ungewöhnlich für Rem die Stimme zu heben und in einem so abweisenden Tonfall zu sprechen. Schon gar nicht mit ihm. Aber wie kann er es ihr verübeln, wenn sie ihn dabei mit einem Blick ansieht, in dem sich Angst und Scham widerspiegeln. Wo alle darüber reden, mit wem sie angeblich ins Bett geht, ist das Letzte, das sie will, dass man auch noch über sie und den Mann redet, mit dem sie tatsächlich ins Bett geht. Auch wenn das jetzt erst mal der Vergangenheit angehört.
»Es tut mir leid«, sagt er leise, ohne zu wissen, was er als Nächstes sagen soll. Ob es überhaupt etwas gibt, das er sagen kann, dass sie in diesem Moment hören will.
Rem öffnet den Mund und an ihrem Gesichtsausdruck erkennt Kohei, dass sie sich entschuldigen will, aber in diesem Moment ertönt ein Klingeln. Sie zuckt zusammen, was ihn die Stirn runzeln lässt, da es ihr eigenes Handy ist. Und die Falte wird tiefer, als Sorge über ihre Züge huscht und sie zögert, ihr Handy aus der Tasche zu ziehen. »Ich muss jetzt nach Hause«, murmelt sie nur, bevor sie sich abwendet und hastig davon läuft, als würde sie vor ihm fliehen.
Kohei sieht ihr hinterher. Selbst als sie um die nächste Ecke verschwunden ist, bleibt er noch eine Weile dort stehen. Aber es hilft ihm nicht dabei, herauszufinden, was er tun soll.
Schließlich dreht er sich um und geht ins Restaurant zurück. Ihm ist nicht danach zumute, mit seinen Kollegen zu lachen und zu trinken, aber er hat seine Sachen nicht mitgenommen. Außerdem hat er zu Tomoda und Marika gesagt, dass er nur auf die Toilette geht. Und natürlich ist den beiden nicht entgangen, dass er für seinen Besuch sehr lange gebraucht hat.
»Bist du Ms. Aozora hinterhergegangen?«, fragt Marika, bevor er sich eine plausible Ausrede ausdenken kann.
Kohei sieht sie überrascht an. Und an dem wissenden Blick in ihren Augen, erkennt er, dass er sich damit verraten hat. »Woher weißt du das?«, sagt er also, woraufhin sich ein Lächeln auf Marikas Lippen ausbreitet, das er nur allzu gut kennt. Es erscheint immer dann, wenn sie unzufrieden mit etwas ist, ohne es direkt sagen zu wollen.
»Ich kenne dich einfach! Ms. Aozora macht gerade so viel durch und du willst ihr helfen.«
Kohei mustert Marika. Dann legt er verwirrt den Kopf schief. »Meinst du die Gerüchte? Als ob Aozora von so einem Unsinn aus der Ruhe zu bringen ist. Obwohl sie ein bisschen schusselig ist. Sie hat ihr Notizbuch verloren, deswegen bin ich ihr hinterhergegangen.«
»Notizbuch?«, wiederholt Marika mit einem zweifelhaften Blick zu Kohei. »Wer trägt den so etwas mit sich herum?«
»Viele in unserer Abteilung tun das«, sagt Tomoda an Koheis Stelle und sieht Marika dabei an, als wäre er verwirrt über ihre Frage. »Es ist praktisch, wenn man seine Karte vergessen hat oder etwas für den Kunden aufschreiben will.«
Marika sieht etwas irritiert darüber aus, dass Tomoda Koheis Aussage unterstützt und das reicht für sie aus, um nicht weiter darauf zu beharren. Denn sie bemüht sich immer noch, die süße, unschuldige Neue zu sein, die ihr Bestes gibt, um sich bei Noué einzugewöhnen. Und sogar Kohei ist darauf hereingefallen.
Sein Handy klingelt und als er es aus der Tasche zieht, sieht er eine Nachricht von Rem. >Tut mir leid wegen vorhin, aber ich will nicht, dass es auch noch Gerüchte über uns gibt. Ich denke, es wäre besser, wenn wir für eine Weile auf Distanz gehen, bis das alles vorbei ist. Aber ich mach es wieder gut, versprochen.<
Kohei starrt die Nachricht einen Moment lang an. Dann schließt er mit einem Lächeln die Augen. Sie will es wiedergutmachen? Als ob irgendetwas davon ihre Schuld ist.
»Ist etwas Gutes passiert?«, fragt Marika und als Kohei die Augen wieder öffnet, lehnt sie sich zu ihm herüber, um auf sein Handy zu schielen. Allerdings hat Kohei das Display bereits ausgeschaltet.
»Ms. Umemoto hat sich dafür bedankt, dass ich auf ihren kurzfristigen Wunsch eingegangen bin«, erwidert er gelassen, was Marika die Stirn runzeln lässt. »Diese ältere Dame, mit der du ständig flirtest?«
Kohei schnaubt. »Anfang vierzig ist nicht alt, Marika.«
»Sie ist jedenfalls zu alt für dich«, antwortet sie schulterzuckend.
»Zu alt, um meine Kundin zu sein?« Kohei schüttelt den Kopf. »Ms. Umemoto ist eine Geschäftsfrau, die Gefallen an schönen Dingen findet. Das ist nichts Persönliches.«
Marika rümpft die Nase. »Da wäre ich mir nicht so sicher.«
Kohei, der seine Limonade an die Lippen heben wollte, hält inne und wirft ihr einen Blick zu. »Möglicherweise schlafe ich auch mit ihr und anderen Kunden, damit ich endlich Aozora übertreffen kann.«
Marika fällt beinah das eigene Glas aus der Hand, als sie den Kopf herumreißt, um ihn entsetzt anzusehen.
Kohei hätte beinah laut aufgelacht. »Wieso schaust du so? Das ist viel realistischer als das, was diese bescheuerten Gerüchte behaupten, oder Tomoda?«
»Hm?« Tomoda klingt alles andere als begeistert in die Unterhaltung mit hineingezogen zu werden. »Ähm, wenn du so fragst, klar. Aber du würdest es nicht tun, um bessere Verkaufszahlen zu bekommen. Sonst würde Ms. Aozora allen Respekt vor dir verlieren.«
»Stimmt, aber es sollte trotzdem Gerüchte darüber geben.«
»Die gibt es.«
Kohei gluckst und lehnt sich etwas zu Marika hinüber, die ihn entgeistert ansieht. »Weißt du wieso?«
Ihre Augen huschen zwischen seinen hin und her, als würde sie versuchen herauszufinden, ob er scherzt. Dann zieht sie beleidigt die Brauen zusammen. »Kohei, ich mag es nicht, wenn du so bist.«
»Was meinst du?«, fragt er, ohne mit dem Grinsen aufzuhören.
»Das weißt du ganz genau! Du hast immer dieses böse Lächeln im Gesicht, wenn du wütend bist, aber ich kann nichts dafür, dass Ms. Aozora in dieser Situation ist.«
Kohei hört nicht auf zu lächeln und auch Marika verzieht keine Miene, als sie diese Worte sagt. »Sorry«, sagt er und legt ihr eine Hand auf den Kopf. »Ich fahr dich nachher nach Hause, in Ordnung?«
Marika sieht ihn weiterhin schmollend an. »Als ob du mir damit einen großen Gefallen tust! Wir wohnen im selben Haus, falls du es vergessen hast!«
Kohei lacht leise, denn für Marika ist es ganz selbstverständlich, dass er sie fährt. Für gewöhnlich fahren sie auch zusammen, ob mit seinem Auto oder einem Taxi, da sie denselben Weg haben. Jedenfalls an den Tagen, an denen Marika ins Büro und anschließend mit ins Restaurant kommt, was zunehmend weniger passiert. Und Kohei sieht die Notwendigkeit, sie an etwas zu erinnern und lehnt sich noch näher zu ihr, um ihr zuzuflüstern: »Du weißt doch, dass ich normalerweise Rem nach Hause fahren würde.«
Das lässt einen Ruck durch Marika gehen. Sogar ihr Ausdruck versteift sich für einen Moment, als Wut in ihren Augen aufblitzt und Kohei lässt mit einem zufriedenen Lächeln die Hand von ihrem Kopf rutschen.
Sie verbringen noch eine Weile im Restaurant und Kohei gibt sich Mühe, gelassen zu wirken. Währenddessen ist Marika ungewöhnlich ruhig. Auch auf der Heimfahrt sagt sie nichts und Kohei befürchtet schon, dass sie einfach in ihrem Apartment verschwinden wird. Aber als sie im Fahrstuhl sind, beginnt sie zu sprechen. »Kann ich noch ein bisschen zu dir kommen?«, fragt sie mit leiser Stimme, als wäre sie schüchtern.
»Wieso?«, fragt Kohei, was ihm einen empörten Blick einbringt. Aber er legt nur fragend den Kopf schief.
»Weil…«, beginnt sie und er kann in ihren Augen die Antwort ‚Weil ich gefragt habe‘ lesen.
»Weil du doch nichts trinken konntest, damit du mich fahren kannst.«
Kohei schnaubt. »Unsinn, mir war einfach nicht danach.«
Marika starrt ihn an.
Er weiß nicht, ob sie sprachlos ist oder einfach darauf wartet, dass er ihr nachgibt, aber es ist eine witzige Situation. Es ist noch gar nicht lange her, als Rem ihm gezeigt hat, was für eine effektive Strategie es ist, sich rar zu machen und rückblickend kann Kohei über seine altmodische Herangehensweise, dass er als Mann aggressiv bei der Verführung einer Frau sein muss, nur den Kopf schütteln.
Er macht einen Schritt auf Marika zu, die ihn immer noch anstarrt, und platziert eine Hand an der Wand hinter ihr. »Du könntest auch einfach darum bitten, mehr Zeit mit mir zu verbringen«, raunt er mit tiefer Stimme, während er ihren Blick erwidert.
Marika errötet. »Ich...ich…«, stammelt sie und blinzelt heftig, als könnte sie seinem Blick nicht standhalten. Und dann sieht sie tatsächlich zu Boden.
Gelangweilt zieht Kohei seine Hand zurück und dreht sich wieder der Fahrstuhltür zu. »Das war nur ein Witz, klar können wir noch etwas trinken.«
Sie antwortet nichts, aber er spürt ihren Blick auf sich.
In seinem Apartment nimmt Marika auf seiner Couch Platz, während Kohei eine Flasche Scotch und zwei Gläser holt.
»Kohei«, beginnt Marika dann, während er ihnen einschenkt.
»Ja?«
»Triffst du dich immer noch mit Ms. Aozora?«
Kohei hält inne. Er ist nicht direkt überrascht, dass sie das fragt, aber er hat erwartet, dass sie versucht, natürlicher auf das Thema zu kommen. »Wieso fragst du das?«
»Ich mache mir nur Sorgen, wegen all dieser Gerüchte, weißt du?« Sie wirft Kohei einen vorsichtigen Blick zu und er braucht all seine Selbstbeherrschung, um eine gelassene Miene beizubehalten.
»Ms. Aozora ist keine wichtige Persönlichkeit, aber du schon. Und ich weiß, wie unangenehm es sein kann, wenn die Leute über einen tratschen. Und dann ist es auch noch so ein sensibles Thema.«
»War das dein Plan?«, fragt Kohei mit einem Schnauben und lehnt sich in der Couch zurück. »Dachtest du, ich würde mich von Rem fernhalten, wenn du nur genug Gerüchte über sie in die Welt setzt.«
Marikas Augen weiten sich. »Was? Ich?«
Aber Kohei schüttelt den Kopf. »Versuch es gar nicht erst. Ich weiß, dass du es warst.«
Der überraschte Ausdruck verschwindet von ihrem Gesicht und sie schiebt trotzig die Unterlippe vor. »Wer sagt, dass es nur Gerüchte sind?«
»Ich«, erwidert Kohei ohne zu zögern.
»Aber Kohei, wieso sollte dieser Mr. Blake sonst wollen, dass sie für ihn modelt?!«
Kohei schnalzt mit der Zunge. Das Schlimmste an der Sache ist, dass er sich natürlich darüber ärgert, dass Rem diesen Job von Mr. Blake angenommen hat, dessen Beweggründe offensichtlich sind, und dann auch noch ohne ihm etwas davon zu sagen. Aber er kann ihr deswegen keine Vorwürfe machen. Nicht nur wegen der Gerüchte und der Gesamtsituation, sondern auch weil er von Hansawa weiß, dass Rem den Job nur angenommen hat, weil Mr. Blake ihr bei der Sache mit dem Betrug geholfen hat. Eigentlich hätte Hansawa ihm das nicht einmal sagen müssen. Es ist eine so typische Entscheidung von Rem. »Erstens modelt sie nicht für Mr. Blake, sondern für Syrene und zweitens.« Kohei lacht und sieht Marika mit einem herausfordernden Blick an. »Du hast die Bilder doch gesehen. Rem ist verdammt sexy.«
»Kohei!« Marika stützt die Hände auf dem Polster neben sich auf, während sie sich zu ihm vorbeugt. »Modeln hat nicht nur mit dem Aussehen zu tun! Und selbst wenn, Ms. Aozora läuft normalerweise rum, als wäre sie ein Mann. Woher sollte Mr. Blake wissen, dass sie ganz hübsch ist, wenn sich jemand Mühe mit ihr gibt.«
»Wie ein Mann? Hast du keine Augen im Kopf? Rem ist auch sexy, wenn sie nicht geschminkt ist und praktische Kleidung trägt«, antwortet Kohei und beugt sich vor, um nach seinem Glas zu greifen. Aber trotz seiner Worte würde er auch gern wissen, wie Mr. Blake auf Rem gekommen ist.
»Findest du sie hübscher als mich?«
Kohei erstarrt. Was soll diese unsinnige Frage? »Ähm…«, macht er. »Ihr seid zwei völlig andere Typen. Das kann man nicht miteinander vergleichen«, sagt er dann ausweichend und trinkt einen Schluck Scotch.
»Wer ist dann mehr dein Typ?«, fragt Marika sofort und Kohei verdreht die Augen. »Ist das eine Frage? Rem natürlich.« Es sollte selbstverständlich sein, immerhin ist es Rem, mit der er schläft. Oder es zumindest will.
»Aber du hast gesagt, du liebst mich!« Sie brüllt ihn beinah an.
Kohei nimmt seinen Blick von seinem Glas und sieht Marika an, die immer noch die Hände auf dem Polster aufstützt. Ihre Arme zittern und sie hat den Kopf gesenkt, sodass ihre Haare ihr übers Gesicht fallen. Aber er kann sehen, dass sie den Mund trotzig verzogen hat, wie ein Kind, das kurz davor ist loszuheulen.
Kohei nimmt noch einen Schluck Scotch. »Und du hast mich ausgelacht«, sagt er mit leiser Stimme.
Aus dem Augenwinkel sieht er, wie Marika zusammenzuckt. Vielleicht ist sie überrascht, dass er das anspricht und wahrscheinlich hätte er das nie, wenn er nicht mit Rem darüber gesprochen hätte. Er fühlt sich immer noch etwas erniedrigt, weil sie Mitleid mit ihm hatte, aber aus demselben Grund ist der Gedanke an sein Geständnis nicht mehr unerträglich für ihn.
»Aber doch nur, weil…«, beginnt Marika hilflos. »Wir waren Kinder und ich war nervös! Ich wusste nicht, wie ich reagieren soll!«
»Stimmt, wir waren Kinder«, murmelt Kohei in sein Glas hinein. »Also wieso spielt das jetzt noch eine Rolle?«
»Das weißt du ganz genau!« Marikas Stimme klingt zittrig, als wäre sie kurz davor zu weinen. »Wenn es keine Rolle mehr spielen würde, dann würdest du dich besser mit Saburo verstehen.«
»Glaubst du, ja?« Er senkt sein Glas. »Liegt es nicht daran, dass du mich benutzt, um ihn eifersüchtig zu machen?«
»W-Was? Nein, wieso sollte ich -«
»Lass den Mist!«, knurrt Kohei entnervt. »Seit du in Japan bist, flirtest du mit mir und erwähnst ihn mit keinem Wort. Also was ist in den letzten fünf Jahren in Amerika passiert? Seid ihr ein Paar geworden, aber er hat sich blöd angestellt, und du willst ihn dafür büßen lassen?«
»Nein!«, widerspricht sie mit schriller Stimme und jetzt laufen ihr tatsächlich Tränen übers Gesicht.
»Gut«, sagt Kohei, herzlich unbeeindruckt von ihrem Verhalten. »Denn wenn das deine Begründung dafür gewesen wäre, dass du Rem all das antust, wäre ich wirklich wütend.«
»Geht es schon wieder um sie?!«
»Natürlich geht es um sie! Du tauchst hier auf, kaufst dich bei Noué ein und jetzt zerstörst du Rems Ruf und machst ihr das Leben zur Hölle, nur weil ich mich mit ihr treffe?!«
»Aber doch nur, um dich zu beschützen!«
Kohei blinzelt verdutzt. »Wie bitte?«
Marika holt einmal tief Luft. Dann greift sie seine freie Hand mit beiden Händen. »Diese Frau ist extrem ehrgeizig und ich wollte dir nur zeigen, was sie bereit ist zu tun, um beruflich weiterzukommen.«
Im ersten Moment fällt Kohei darauf gar keine Erwiderung ein. Dann schüttelt er mit einem Schnauben den Kopf. »Das ist völliger Unsinn! Ja, Rem ist ehrgeizig, aber sie hat es überhaupt nicht nötig, sich hochzuschlafen.« Er muss an die Gründungsfeier zurückdenken und daran, wie Rem sich darüber geärgert hatte, nicht dass alle angenommen haben, dass sie mit Kohei schläft, sondern dass sie etwas davon hätte, weil er über ihr steht.
Aber Marikas Griff um seine Hand wird fester. »Natürlich hat sie das nicht nötig, weil sie schon dich hat. Verstehst du das nicht?«
Kohei seufzt und stellt sein Glas auf dem Tisch ab, um seine Hand aus Marikas zu befreien. »Rem ist nicht so und selbst wenn, wäre das immer noch meine Sache. Also hör auf dich einzumischen und lass sie in Ruhe.«
Marika bebt. Ihre Hände, die Koheis gehalten haben, sind zu Fäusten geballt und sie hält den Kopf erneut gesenkt, damit er ihr Gesicht nicht sieht.
Kohei seufzt und steht auf. »Ich weiß nicht, weshalb du so wütend bist, aber wenn du die Sache aufklärst und dich bei Rem entschuldigst, lass ich es dir durchgehen.«
»Kohei!«
»Du wirst deinen Job verlieren, aber ich glaube nicht, dass dir das etwas ausmacht. Und wenn doch, kannst du einfach zurück nach Amerika gehen.«
Marika springt auf die Füße. »Du verstehst überhaupt nichts!«, kreischt sie, während ihr Tränen vom Kinn tropfen. Das Make-up um ihre Augen ist verwischt und ihr Gesicht ist so angespannt und verzogen, dass Kohei sich einen Moment wundert, was das soll. Er hat sie schon öfter weinen sehen, aber sie sah dabei nie so hässlich aus wie jetzt.
»Ich bin deinetwegen nach Japan zurückgekommen, nur deinetwegen, und jetzt sagst du mir, dass irgendein namenloses Flittchen, das nur die eigene Karriere im Kopf hat, mehr dein Typ ist als ich?! Das meinst du nicht ernst!«
Kohei verschränkt die Arme vor der Brust. »Nachdem du also die letzten fünf Jahre mit meinem Bruder verbracht hast und dich kaum für mich interessiert hast, soll ich dir glauben, dass du in mich verliebt bist?«
Hoffnung leuchtet in Marikas Augen auf und sie legt eine Hand auf seinen Unterarm, wobei sie näher an ihn herantritt. »Es gab immer nur dich für mich! Saburo hat sich schon immer mehr für seine Karriere interessiert und er ist näher an dem Erbe deines Großvaters dran, aber er war nie mehr als ein großer Bruder für mich. Ich wollte immer nur dich!«
Kohei starrt auf Marika hinab, die nun zu ihm hinauf lächelt. »Aber…«, beginnt er, während seine Gedanken wirbeln. »Du weißt, dass Saburo dich nicht als kleine Schwester betrachtet.«
»Ja, aber er ist immer so vernünftig und anständig. Er ist so ein Langweiler.« Ihre Hand streicht seinen Arm hinauf. »Er versteht mich nicht so, wie du es tust. Es gibt Dinge, die ich ihm nicht sagen kann, und er kann mich nicht so unterstützen, wie du es kannst.«
Kohei schluckt. Die Unterstützung, von der Marika spricht, sind Probleme, die er auf eine Weise für sie gelöst hat, wie es seinem anständigen Bruder niemals einfallen würde. Und die Erinnerung daran, ist keine, auf die er stolz ist.
Marikas Hand erreicht sein Gesicht. »Und als Bonus siehst du auch noch viel besser aus.«
Kohei packt ihre Hand, aber Marikas Lächeln verschwindet nicht.
»Findest du nicht auch, dass Saburo und Ms. Aozora sich ähneln?«
Kohei versteift sich und Marikas Lächeln wird breiter. »Sie würde es auch nicht akzeptieren können, wenn sie wüsste, wie du wirklich bist. Sie könnte es nicht verstehen.« Ihre Finger streifen über seine Wange. »Ich schon.«
Kohei sagt nichts. Rems Gesicht blitzt vor seinem inneren Auge auf, mit einem steifen Ausdruck, der nur schlecht ihre Abneigung verbirgt. Marika hat recht. Was also tun?
Seine Hand berührt ihren Arm und er streicht mit den Fingern zu ihrer Hand auf seiner Wange hinauf, während ein Lächeln auf seinen Lippen erscheint.
Konstruktive Kritik ist immer erwünscht. Schreib mir, was du denkst und hilf mir damit weiter :)
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