Kitsune

XXIII.

Freunde und Feinde

Es verläuft alles, so wie Inouye gesagt hat. Schon am Samstag schickt er ihr die Bestätigung für die Präsentation auf der Weihnachtsfeier von Inouye Incorporation und einige Details über deren Länge und Inhalt, nach denen Rem sich richten kann, wenn sie ihren Kunden schreibt. Und so kann sie in der nächsten Woche mit der Schadensbegrenzung beginnen.

»Oh, Sie glauben gar nicht, wie erleichtert ich bin. Ich dachte, ich hätte mich vollkommen in Ihnen getäuscht.« Ms. Hirata lächelt Rem an, mit einem Lächeln, das breiter ist als selbst vor Rems angeblichem Betrugsversuch. »Ich war so schockiert, als ich diese Mail bekommen habe.«

Rem lacht bitter, obwohl sie erleichtert ist. »Was glauben Sie, wie es mir ging? Ich wäre beinah in Ohnmacht gefallen, als der Kollege es mir gebeichtet hat.« Sie fährt sich in einer erschöpften Geste über die Stirn und Ms. Hirata nickt mitfühlend. »Das kann ich mir vorstellen. Ihr Kollege hat wirklich kein Talent für Formulierungen.«

Die offizielle Version lautet, dass Rems E-Mail-Account einen Fehler hatte, so wie es auch tatsächlich der Fall war, gerade als sie die E-Mail mit dem Angebot von Inouye verschicken wollte. Ein IT-Mitarbeiter hat sich daraufhin der Sache angenommen und eine Testmail geschrieben, die, ohne dass er es gemerkt hat, tatsächlich rausgegangen ist.

»Er kannte die Details nicht und es war ja auch nicht geplant, dass Sie diese Mail erhalten. Es tut mir wirklich so leid!«, sagt Rem, aber Ms. Hirata hebt abwehrend die Hände. »Nein, es war ja nicht Ihre Schuld. Und ich sollte mich entschuldigen, dafür, wie ich Sie wegen dieses Missverständnisses behandelt habe.« Ms. Hirata ist eine kluge Frau und Rem ist sich sicher, dass sie Rems Geschichte nicht hundertprozentig Glauben schenkt. Aber es ist, wie Inouye gesagt hat. Selbst wenn Ms. Hirata etwas vermutet, ist die Aussicht auf eine Erscheinung bei einer exklusiven Feier von Inouye Incorporation zu gut, um an besagter Vermutung festzuhalten.

Und so geht es allen von Rems Kunden. Die Freude über einen guten Deal überwiegt das Misstrauen über einen Betrug und zu ihrem Glück ist die Mail nur an Kunden gegangen, die Rem allein betreut, sodass Sakitronics verschont geblieben ist. Der Konzern hätte sich wohl kaum so leicht von einer Weihnachtsfeier beeindrucken lassen. So hat sich die Situation für Rem am Ende der Woche wieder normalisiert. Trotzdem fällt es ihr schwer, die Sache als abgeschlossen zu betrachten, und das, obwohl Hansawa sie darüber informiert hat, dass Furusawa verhaftet wurde.

Nicht, dass sie Zeit hätte, sich Sorgen darüber zu machen. Nicht nur hat sie von allen Vermietern, für deren Wohnungen sie sich interessiert hat, eine Zusage bekommen, sie muss auch noch Termine arrangieren, um sich an ihr Versprechen an Mr. Blake zu halten. Und als Model muss sie sehr viel mehr Zeit am Set verbringen, als als Werbeagentin, weshalb sie sich dafür den halben Tag freinehmen muss.

»Wir können den ersten Termin nach hinten verschieben«, sagt Mr. Blake, als Rem ihn nach einem Meeting auf den Termin anspricht.

Sie runzelt die Stirn, da sie den Termin zuvor praktisch festgelegt hatten. »Gibt es ein Problem?«

»Oh ja!« Mr. Blake hat einen eigenartig strengen Blick in den Augen, während er Rem kritisch mustert. »Sie werden dieses Mal nicht als Werbeagentin arbeiten, sondern als Model, daher sei mir erlaubt, das zu sagen: Sie arbeiten zu viel!«

Rem blinzelt verdutzt. »Verzeihung?«

Mr. Blake seufzt. »Haben Sie in letzter Zeit in den Spiegel gesehen? Sie sind ausgemergelt und haben dunkle Ringe unter den Augen. Man kann nichts verkaufen, wenn das Model so aussieht, als hätte es einen Besuch beim Arzt nötig.«

Rem berührt ihr Gesicht. »Ist es wirklich so schlimm?«

»Ja!«

»Ach so«, sagt Rem nur, denn es fühlt sich nicht richtig an, sich dafür zu entschuldigen.

Mr. Blake hält sich seine Faust vor den Mund, als er sich räuspert, allerdings hört es sich so an, als wolle er ein Lachen verbergen. »Es ist verständlich, dass Sie gestresst sind, aber bitte nehmen Sie sich eine Auszeit und dann sehen wir weiter.«

Rem lächelt nur, da sie nicht weiß, was sie darauf erwidern soll. Aber sie ist nicht unglücklich über Mr. Blakes Entscheidung, auch wenn es ihre Schuld ist, dass er den Termin verschiebt. Sie möchte sich im Moment voll und ganz auf die Arbeit konzentrieren, um sicherzugehen, dass wirklich alles wieder in Ordnung ist, und der Modeljob würde sie davon ablenken. Doch offensichtlich ist Mr. Blake nicht der Einzige, der der Meinung ist, dass Rem eine Auszeit braucht.

»Nehmen Sie sich die nächste Woche frei, Ms. Aozora! Ich will Sie nicht hier sehen, verstanden? Das ist ein Befehl von Ihrem Vorgesetzten!« Hansawa hat sie extra in sein Büro gerufen, um ihr das zu sagen.

»Bei allem Respekt, Mr. Hansawa, das können Sie mir nicht befehlen«, bemerkt Rem, was ihr einen warnenden Blick von Hansawa einbringt. Sie seufzt. Es ist nicht so, dass sie keine Pause will, aber der Gedanke eine Woche lang in Kosukes Nähe zu verbringen ist nicht sehr reizvoll. Und dass er die ganze Zeit zu Hause sein wird, weiß sie mit Sicherheit, da er die Wohnung praktisch nur zum Einkaufen verlässt.

Aber schließlich nimmt sie eine Woche Urlaub, mit dem Vorsatz, in dieser Zeit einen Mietvertrag zu unterschreiben.


 

Und so vergeht eine Woche. Sich für eine Wohnung zu entscheiden und den Mietvertrag zu unterschreiben dauert am Ende nicht so lange, wie Rem erwartet hat und so beschließt sie kurzerhand ihre Eltern zu besuchen.

Ihre Mutter beschwert sich an den Feiertagen jedes Jahr, wie wenig Zeit Rem doch für sie hat und so dient ihr Besuch nicht nur der Flucht vor Kosuke. Auch wenn sie sich im Nachhinein nicht sicher ist, ob es nicht entspannter gewesen wäre, einfach zu Hause zu bleiben.

»Du ziehst also bald um?«, fragt Yamato, als sie am folgenden Montag nach der Arbeit im Restaurant sind.

»Ja, ich kann ab Oktober einziehen.«

»Wow!«, macht Yamato. »Ich hab ewig gebraucht, um eine Wohnung zu finden.«

Mori lacht. »Weißt du nicht, dass die Regeln für Normalsterbliche wie uns für Kitsunes nicht gelten.«

Rem wirft ihr einen Blick zu. »Ich habe nichts getan, falls du das andeuten willst. Es ist nur Zufall.«

Mori macht ein skeptisches Gesicht und Rem kann es ihr nicht verübeln. Sie ist auch überrascht, dass sie so mühelos eine Wohnung gefunden hat. Nicht nur eine, um genau zu sein. Es ist fast, als wäre außer ihr niemand auf Wohnungssuche gewesen.

»Na ja, es passt jedenfalls zu dir, dass du nach deinem Urlaub eine neue Wohnung hast. Auch wenn das für mich nicht wirklich nach Erholung klingt.«

»Das hat eigentlich nur einen Tag gedauert und danach war ich für eine Weile bei meinen Eltern.« Den letzten Teil fügt Rem hinzu, für den Fall, dass Hansawa Wind von ihrem ‚Urlaub‘ bekommt.

»Oh, du warst bei deinen Eltern? Wie sind die so?«, fragt Mori und sieht Rem an, als wäre es eine Überraschung, dass Rem so etwas hat.

Rem rollt mit den Augen. »Sie sind beide Anwälte und meistens beschäftigt. Aber meine Mutter hat sich ein paar Tage freigenommen, damit sie Zeit für mich hat.«

»Ah, wie schön!« Yamato lächelt. »Meine Mutter und ich treffen uns auch einmal die Woche zum Kaffeetrinken, damit wir uns nicht aus den Augen verlieren. Es ist schade, wie viele nach dem Ausziehen den Kontakt verlieren.«

Mori hebt die Hand. »Hier, ich. Aber was soll man machen, wenn man in eine andere Stadt zieht?«

»Hast du keine gute Beziehung zu deinen Eltern, Akira?«, fragt Yamato, während Rems Blick zu Inouye huscht. Sie haben seit dem Freitag vor zwei Wochen nur noch arbeitsbedingt miteinander geredet und sie hat fast das Gefühl, dass er ihr aus dem Weg geht.

»Meine Eltern sind geschieden, das macht es schwierig«, antwortet Mori und Rem richtet ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch.

»Wie oft war Ms. Sasaki in der letzten Woche im Büro?«, fragt Rem, woraufhin Mori und Yamato sie überrascht ansehen.

»So wie du das sagst, klingt das, als würde sie nur selten hier auftauchen«, sagt Mori dann mit gerunzelter Stirn.

»Sie war jeden Tag da«, sagt Yamato. »Sie hat gesagt, dass sie ein paar Tage freinehmen musste, wegen irgendwelchen Familienangelegenheiten.«

»Es muss anstrengend sein, aus so einer wichtigen Familie zu kommen«, sagt Mori und Rem ist sich nicht sicher, ob sie es sarkastisch meint oder nicht. Immerhin kommt Inouye auch aus einer wichtigen Familie und er hat noch nie so viele Tage in einem einzigen Monat Urlaub genommen wie Sasaki.

»Wieso fragst du?«

»Mir ist nur aufgefallen, dass sie heute nicht da war«, sagt Rem und sieht zu dem Platz an dem Kondo ganz allein sitzt. Die beiden saßen immer zusammen, doch jetzt bemerkt Rem, dass auch Kondo nicht mehr dort ist.

»Oh, sie hat etwas gesagt, dass sie mit einem Kunden in so ein Resort oder so etwas fährt. Sie drehen dort einen Werbespot«, sagt Yamato und sie klingt ein bisschen neidisch. »Ms. Sasaki hat sogar angedeutet, dass der Kunde all das macht, weil er sie als Model haben will.«

Rem legt die Stirn in Falten. Als Tochter des Geschäftsführers von Sakitronics will er das sicherlich und Rem würde gerne wissen, wie viele andere Vorteile ihr ihr Name einbringt. Und wie erfolgreich sie ohne ihn wäre. »Was ist mit Ms. Kondo?«

»Ms. Kondo?«, fragt Mori verwirrt. »Willst du wissen, ob sie auch die ganze letzte Woche da war? War sie.«

»Kommen sie und Ms. Sasaki immer noch gut miteinander aus?«

»Ich denke schon? Wieso fragst du?« Mori sieht Rem neugierig an, aber Rems Blick ist auf Yamato gerichtet, die nachdenklich auf die Tischplatte schaut.

»Ami?«, sagt Rem, was sie aufsehen lässt.

»Oh, es ist nichts, ich dachte nur, Ms. Kondo sieht erschöpft aus, in letzter Zeit.«

»Wirklich?«, fragt Mori und rollt nachdenklich mit den Augen.

»Aber vielleicht kommt es mir nur so vor«, fügt Yamato hastig hinzu.

»Na ja, sie flirtet nicht mehr mit Mr. Inouye, seit sie das mit seiner Freundin gehört hat. Das hat sie wohl getroffen.« Mori sieht zu Rem, die absichtlich nicht in ihre Richtung schaut. Ihr ist auch aufgefallen, dass Kondo Inouye gegenüber abweisend ist, auch wenn sie dabei solche Professionalität beweist, dass es abgesehen von den ausbleibenden Freundlichkeiten zwischen den beiden nicht auffällt.

Es wäre gelogen, würde Rem sagen, dass sie sich nicht ein wenig schuldig fühlt. Immerhin weiß so gut wie jeder im Büro, dass Kondo eine Schwäche für Inouye hat. Und genau das bringt Rem darauf, dass Sasaki nicht wirklich Kondos Freundin sein kann. Nachdem sie Rem so offen gesagt hat, dass sie ihre Finger von Inouye lassen soll, ist es naheliegend, dass sie etwas Ähnliches zu Kondo gesagt hat. Bisher ist Sasaki recht beliebt, genauso wie Inouye gesagt hat, aber Rem fragt sich, was Kondo von ihr hält.

Sie beschließt darauf zu warten, dass Kondo, die wohl auf die Toilette gegangen ist, zurückkehrt und dann mit ihr zu sprechen. Aber es vergehen mehr als zehn Minuten und Kondo kehrt nicht zurück.

»Ist Kondo nach Hause gegangen?«, fragt Rem schließlich.

»Hm? Ich weiß nicht.« Mori sieht sich suchend um. »Aber ohne etwas zu sagen…«

Rem steht auf. »Ich geh nachsehen.«

Sie geht hinaus in den Flur und sieht auf der Toilette nach, aber dort ist niemand und so geht sie nach draußen. Aber auch dort ist sie nicht.

»Verzeihung.« Rem geht auf einen Mann zu, der bei der Tür steht und raucht. »Haben Sie eine Frau gesehen, die aus dem Restaurant gekommen ist. Lange braune Haare, in einem roten Blazer?«

Der Mann mustert Rem kurz, als wäre er überrascht von ihr angesprochen zu werden, aber dann nickt er. »Vor ein paar Minuten. Ist in die Gasse da gegangen.« Er sieht zu einer schmalen Seitengasse neben dem Restaurant und Rem runzelt die Stirn. Das ist nicht der Weg zur Bahnstation, den Kondo normalerweise nimmt. Aber vielleicht wollte sie einfach ein bisschen Ruhe haben.

Rem geht auf die Gasse zu, um zu sehen, ob Kondo immer noch dort ist und wenn ja, ob alles in Ordnung ist. Und als Rem die Ecke des Hauses erreicht und in die Gasse sieht, ist sie mit einem Blick in der Lage beide dieser Fragen zu beantworten. Kondo ist dort und es ist definitiv nicht alles in Ordnung.

Sie steht mit dem Rücken zur Wand, zwei Männer vor sich, von denen sie einer am Arm gepackt hält. Währenddessen hat Kondo leicht den Kopf eingezogen und eine defensive Haltung eingenommen, die deutlich macht, dass ihr die Nähe der Männer nicht gefällt.

Rem ärgert sich, dass sie ihre Tasche mit ihrem Pfefferspray nicht dabei hat, aber sie zieht ihr Handy aus der Hosentasche und schreibt Inouye, dass er sofort zu der Gasse kommen soll. Dann geht sie auf die Männer und Kondo zu. »Ist alles in Ordnung, Ms. Kondo?«, fragt sie mit lauter und fester Stimme, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und auf Zeit zu spielen.

»Ms. Aozora!« Kondos Stimme klingt etwas atemlos, aber erleichtert.

Rem geht auf die drei zu. »Sie sind nicht wiedergekommen und ich wollte etwas mit Ihnen besprechen. Würden Sie mit mir hineingehen, damit wir darüber reden können?«

»Ey!«, ruft einer der Männer dazwischen, bevor Kondo antworten kann. »Siehste nich, dass wir redn. Zisch ab!«

Rem wirft dem Mann, der immer noch Kondos Arm hält, einen Blick zu. Er lallt ganz schön.

»Jaa, ganz schön anspruchsvoll«, sagt jetzt der andere und kommt auf Rem zu. Auch er scheint betrunken zu sein.

»Sagt wer?«, sagt Rem, nun ebenfalls informell, da diese Männer keinen Respekt verdienen. »Es sieht nicht so aus, als würde Ms. Kondo mit euch reden wollen.«

»Na sowas kann ich leiden.« Der Mann bleibt vor Rem stehen, die Hände in den Hosentaschen und beugt sich zu ihr herunter. »So ne ungebumste Feministin, die sich aufspielt.«

Rem rümpft die Nase, als ihr der Geruch von Alkohol entgegenweht. »Ich habe einem Kollegen geschrieben, der zufällig Boxer ist. Er wird gleich hier sein«, sagt sie, wohl wissend, dass es nichts bringen würde, mit diesen Männern zu diskutieren.

Der Mann vor ihr blinzelt, offenbar verunsichert und Rem nutzt den Moment um an ihm vorbei zu Kondo zu gehen. Aber dann ertönt hinter ihr Gelächter. »Denkste, das glaubn wir dir?«

Rem wirft dem lachenden Mann nur einen kurzen Blick zu, bevor sie den ansieht, der immer noch Kondos Arm festhält. »Lass sie los!«, sagt sie in befehlsmäßigem Tonfall, während sie sich vor dem Mann positioniert.

»Sonst was?!«, fragt er mit einem herausfordernden Grinsen auf dem Gesicht.

»Ms. Aozora…«, flüstert Kondo und berührt mit ihrer freien Hand Rems Arm. Aber im selben Moment hebt auch der Mann seine Hand, wahrscheinlich um Rem beiseite zu stoßen. Aber er erreicht sie nicht. Bevor er sie überhaupt berühren kann, verpasst Rem ihm einen kräftigen Tritt in den Bauch.

Er stößt ein Gurgeln aus, während er nach hinten stürzt, und Rem hält Kondo fest, damit sie nicht mit ihm umgerissen wird. Glücklicherweise hat er sie nach dem Tritt jedoch losgelassen.

Rem starrt auf den Mann, der nun keuchend auf dem Boden liegt. Es war nicht ihre Absicht, gewalttätig zu werden. Auch wenn sie einige Erfahrung im Kickboxen hat, ist es gefährlich sich auf der Straße mit zwei Männern anzulegen. Aber der Tritt ist mehr ein Reflex gewesen als eine bewusste Entscheidung.

Rem zieht Kondo, die sie immer noch festhält, an dem Mann vorbei. Am liebsten wäre sie mit ihr aus der Gasse gerannt, aber der andere Mann blockiert den Weg zum Restaurant und sie ist sich nicht sicher, wo die Gasse in der anderen Richtung hinführt. Außerdem sollte Inouye gleich hier sein.

»Verfluchtes Miststück! Was soll der Scheiß?!«, brüllt der andere Mann, bevor Rem eine Warnung aussprechen kann und stürmt auf Rem zu.

»Gehen Sie zurück«, sagt Rem und drückt Kondo hinter sich, ohne die Augen von dem Mann zu nehmen. Es liegt wohl daran, dass er betrunken ist, aber es ist leicht seiner Faust auszuweichen. Er lehnt all sein Gewicht und Schwung in einen Faustschlag, der ihn taumeln lässt, als Rem beiseite tritt und sein Schlag ins Leere geht.

Er schafft es sich zu fangen und sieht sich nach Rem um. »Komm her, du Schlampe!«, knurrt er, als er sie entdeckt und stürzt sich erneut auf sie. Dabei scheint er nicht eine Sekunde an seine eigene Deckung zu denken.

Diesmal macht Rem einen Schritt vor und verpasst ihm mit der rechten Hand einen Kinnhaken. Sein Kopf wird zur Seite gerissen und er strauchelt, nicht in der Lage seinen eigenen Schlag weiter auszuführen.

Rem weicht zurück und das ist ihr Fehler. Denn nicht nur hat sie den Mann mit ihrem Kinnhaken noch wütender gemacht, sein Freund ist auch wieder auf die Füße gekommen.

Sie wirft einen hoffnungsvollen Blick an den beiden vorbei zum Ausgang der Gasse, doch weder Inouye noch sonst jemand steht dort. Und dann rast eine Faust auf sie zu.

Rem schafft es gerade noch rechtzeitig, sich darunter hinweg zu ducken und weicht erneut zurück. Dabei stößt sie jedoch mit dem Fuß gegen etwas auf dem Boden und stolpert. Panisch versucht sie ihr Gleichgewicht wiederzufinden und kracht gegen die Wand der Gasse. Es ist nicht sehr angenehm, aber sie hat Glück im Unglück, denn ihr Straucheln rettet sie vor der Faust des zweiten Mannes. Aber jetzt steht sie im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Rücken gegen die Wand.

Ein Paar Hände greifen nach ihrer Kehle und Rem zieht intuitiv den Kopf ein. Sie taucht unter den Händen hindurch und stößt sich von der Wand ab, um an seiner rechten Seite vorbeizulaufen. Doch diesmal wird sie am Arm gepackt.

»Hehe! Hab ich -urg!« Während der Mann seine Zeit damit verschwendet, sie hämisch anzugrinsen, versenkt Rem die Faust ihrer freien Hand in seinem Gesicht. Sie trifft ihn mitten auf die Nase, was den Mann dazu verleitet, sie loszulassen.

»Scheiße!«, nuschelt er, während er sich die Hände vor die Nase schlägt und zurücktaumelt. Dabei beugt er sich leicht vor und hält den Kopf unten.

Rem verlagert ihr Gewicht auf ihr rechtes Bein und dann bewegt sich ihr Körper fast von allein. Ihr linker Fuß rast auf den Kopf des Mannes zu, der es gerade noch schafft, seine Arme hochzureißen. Aber die Wucht von Rems Tritt lässt ihn zu Boden gehen. Und sie hat den Fuß kaum wieder abgesetzt, als sie ein Brüllen vernimmt.

Ohne darüber nachzudenken, tritt sie ein weiteres Mal zu, nicht so hoch diesmal, aber nicht weniger effektiv. Der Mann rennt praktisch in ihren Fuß hinein und keucht, als ihm die Luft aus dem Körper gepresst wird. Er taumelt zurück, während Rem einen Schritt vormacht und ihn mit einem wohl platzierten Faustschlag auf den Boden zu seinem Freund befördert.

Sie starrt auf die beiden Männer hinab. Ihre Hände schmerzen und ihr ganzer Körper zittert vor Adrenalin. Aber sie sollte jetzt nicht aufgeben, wo sie die Oberhand hat.

»Ms. Aozora!« Plötzlich ist Kondo an ihrer Seite und Rem, die völlig vergessen hat, dass sie auch noch in der Gasse ist, sieht sie irritiert an.

»Geht es Ihnen gut? Oh Gott, soll ich die Polizei rufen?«

Rem blinzelt ein paar Mal. Ihr Blick richtet sich wieder auf die Männer am Boden, die vor ihr zurückkriechen. Es sieht nicht so aus, als wollten sie sich erneut auf Rem stürzen.

Sie reibt sich ihre schmerzenden Knöchel, während sie die beiden mit aller Strenge, die sie aufbringen kann, anfunkelt. »Macht, dass ihr wegkommt!«, schnauzt sie, wobei ihre Stimme sehr viel rauer klingt als beabsichtigt.

»Drecksstück!«, faucht einer der Männer, während er jedoch schon dabei ist, aus der Gasse zu fliehen.

»Das bereust du! Schlampe!«, ruft der andere und folgt ihm. Allerdings kommen sie nur ein paar Schritte, bevor sie wie angewurzelt stehen bleiben.

Jemand blockiert den Ausgang zur Straße. »Na, na«, sagt eine tiefe Stimme, die verglichen mit den beiden Männern bedrohlich ruhig klingt. »Es ist nicht sehr nett, solche Dinge zu meiner geschätzten Kollegin zu sagen.«

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