Posterboy

XVI.

Ein falscher Eindruck

Der Juni vergeht wie im Flug. Marika ändert ihre Meinung nicht, wie ihm die Renovierungsarbeiten in der Wohnung zwei Stockwerke unter seiner verraten. Noch wohnt Marika im Hotel und Kohei hadert mit sich, wie er Rem davon erzählen soll. Jedes Mal, wenn er darüber nachdenkt, kommt er immer dazu sich Ausreden zu überlegen, damit sie sich von nun an bei ihr oder in einem Hotel treffen.

Und dann beginnt der Juli und Marika zieht ein. Allerdings hat sie ihm verraten, dass sie von nun an beschäftigt sein wird, sodass Kohei entschieden hat, dass alles machbar wird, wenn er herausfindet, wie Marikas Terminkalender aussieht. Was leider nicht so einfach ist, wie er gedacht hat. Obwohl er das letzte Wochenende, trotz Monatsende, mit Marika verbracht hat, weigert sie sich, ihm zu sagen, was es ist, dass sie in nächster Zeit beschäftigen wird. Gemessen an dem Lächeln, dass auf ihrem Gesicht erscheint, wann immer er das Thema anspricht, muss es etwas Gutes sein und Kohei fragt sich, ob es um ein Geschenk von ihrem Vater geht. Mr. Sasaki ist der CEO eines Unternehmens, das Elektrogeräte herstellt, und er und Marika stehen sich sehr nahe. Er macht ihr häufig Geschenke und unterstützt sie, wann immer es um ein Projekt von ihr geht.

Als Kohei schon so weit ist, in Erwägung zu ziehen, Saburo anzurufen, um ihn zu fragen, bekommt er unerwartet eine Antwort auf diese Frage. Im Büro.

»Ich darf heute unsere neue Mitarbeiterin Marika Sasaki vorstellen. Ich hoffe, Sie finden sich gut ein, Ms. Sasaki.«

Kohei starrt Hansawa entgeistert an, der mit Marika vor der versammelten Verkaufsabteilung steht. Sie trägt eine Bluse, einen zartrosa Rock und ein schlichtes Haarband ziert ihre Locken. Es ist ein für ihre Verhältnisse geschäftsmäßiges Outfit, bei dem sie auf die meisten Accessoires verzichtet hat. Ganz so, als wäre sie tatsächlich hier, um zu arbeiten.

»Es freut mich, Sie alle kennenzulernen, und ich hoffe, wir werden uns gut verstehen.« Marika lächelt ein bezauberndes Lächeln und verbeugt sich höflich.

»Soweit ich weiß, kennen Sie und Mr. Inouye sich, nicht wahr, Ms. Sasaki?«, fragt Hansawa, der einen reichlich erschöpften Eindruck macht und Marika ansieht, als wollte er ihre Vorstellung so schnell wie möglich hinter sich bringen.

»Oh, das stimmt.« Marika wirft Kohei einen scheuen Blick zu und streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Wir haben eine sehr besondere Beziehung.«

Kohei erstarrt. Er kann spüren, wie sich mehrere Blicke auf ihn richten und er sieht unwillkürlich in Rems Richtung.

Sie steht mit verschränkten Armen einige Meter rechts von ihm und mustert Marika mit einem kritischen Stirnrunzeln. Ihr muss klar sein, dass Marika die Frau ist, die Kohei vor ihr verheimlicht hat und nachdem, was Marika gerade gesagt hat, ist offensichtlich, was sie denken muss.

Kohei richtet seinen Blick wieder auf Marika und lacht auf. »Willst du mich immer noch damit aufziehen«, sagt er in einem möglichst lockeren Tonfall, während er dem Drang widersteht, erneut zu Rem zu sehen, um ihre Reaktion darauf zu beobachten. Den Blick weiter stur auf Marika gerichtet, schüttelt er den Kopf und hebt die Arme in einer geschlagenen Geste. »Um Ihnen allen die Mutmaßungen darüber zu ersparen: Marika und ich kennen uns seit wir Kinder waren, und ja, sie war meine erste Liebe, die mir gnadenlos das Herz gebrochen hat. Überraschenderweise war sogar ich einmal ein naiver, kleiner Junge.«

Einige lachen, darunter Tomoda.

Hansawa hingegen sieht Kohei mit müden Augen an, als wolle er sagen, dass er auf diese Information gut und gerne verzichtet hätte. »Gut, dann überlasse ich es Ihnen und Ihrem Team, Ms. Sasaki einzuweisen.«

Kohei lächelt und nickt. Es ist ihm egal, was Hansawa denkt, solange niemand seine Beziehung zu Marika missversteht. Sein Blick huscht erneut zu Rem.

»Oh und ich möchte Sie und Ms. Aozora in meinem Büro sprechen«, fügt Hansawa noch hinzu, bevor er sich auch schon auf den Weg in sein Büro macht.

Kohei blinzelt überrascht und wirft Rem einen Blick zu.

Sie sieht Hansawa hinterher, sagt etwas zu Mori und folgt ihm.

»Kohei!«

Kohei blinzelt erneut und sieht zu Marika, die plötzlich vor ihm steht.

Sie strahlt ihn an. »Habe ich dich überrascht?«

»Ja«, sagt er, wobei sein Blick über Marikas Kopf hinweg zu Rem huscht. »Entschuldige mich einen Moment, ich muss hören, was Mr. Hansawa will.« Er geht mit schnellen Schritten an Marika vorbei, um Rem einzuholen, aber sie betritt das Büro und erst als Kohei vor Hansawas Schreibtisch neben ihr steht, gelingt es ihm einen Blick auf ihr Gesicht zu werfen.

Ihre Aufmerksamkeit liegt auf Hansawa.

»Ich mache es kurz«, sagt Hansawa und Kohei sieht nun ebenfalls zu ihm.

»Sakitronics ist an einem Vertrag mit uns interessiert und ich möchte, dass Sie beide sich darum kümmern.«

»Sakitronics?«, wiederholt Rem verblüfft und zeigt einen seltenen Ausdruck offener Überraschung. Sakitronics ist der größte Elektrogerätehersteller Japans. Es wäre eigenartig sich nicht darüber zu wundern, weshalb so ein mächtiges Unternehmen einen Vertrag mit Noué anstrebt. »Wer hat das eingefädelt?«

Hansawa sieht als Antwort Kohei an und in diesem Moment versteht Kohei, was vor sich geht. Er seufzt. »Die Bedingung für den Vertrag war, dass Sie Ms. Sasaki einstellen, richtig?«

Hansawa breitet mit einem Nicken die Hände aus. »Eine Stelle in der Abteilung, in der Mr. Kohei Inouye arbeitet, um genau zu sein.«

Kohei schließt die Augen.

»Und was hat Sakitronics davon?«, fragt Rem mit deutlicher Verwirrung in der Stimme. »Es ist nicht einmal ein schwer zu kriegender Job.«

Ohne hinsehen zu müssen, weiß Kohei, dass sie ihn ansieht.

»Soweit ich das verstanden habe, möchte Ms. Sasaki erfahren, was für einen Job Mr. Inouye macht, auch wenn sie keinerlei Qualifikationen für die Stelle hat.«

»Und Sakitronics hilft ihr, weil?«

»Weil sie die Tochter des Geschäftsführers ist«, antwortet diesmal Kohei und er öffnet seine Augen wieder.

Rems blaue Augen mustern ihn mit einem scharfen Blick. »Ihr Vater hat ihr also diese Stelle gekauft, nur damit sie mit Ihnen arbeiten kann. Sie müssen sich sehr nahe stehen.«

»So ist das nicht!« Kohei hebt abwehrend die Hände. »Marika weiß nur sehr gut, wie sie bekommt, was sie will, besonders wenn sie ihren Vater um etwas bittet. Das hat keine große Bedeutung für sie.«

Rem starrt ihn mit einem Blick an, den Kohei nicht ganz einordnen kann, aber sie sieht nicht sehr erfreut aus. »Mit anderen Worten, sie nimmt ihren neuen Job überhaupt nicht ernst.«

Kohei antwortet nicht. Er kann nicht abstreiten, dass Marika einen recht flatterhaften Charakter hat. Ganz besonders, wenn man sie mit Rem vergleicht. Eigentlich könnten die beiden Frauen das komplette Gegenteil voneinander sein. Kohei fragt sich einen Moment, was das über seinen Geschmack aussagt.

»Ich verstehe, was Sie sagen wollen, Ms. Aozora, aber ein Vertrag mit Sakitronics ist zu vielversprechend, um so ein Angebot abzulehnen«, sagt Hansawa in einem defensiven Tonfall.

»Sie haben recht. Es ist eine zu gute Chance, um sie zu vergeuden, und ich bezweifle, dass Sakitronics das nicht weiß. Sie werden es ausnutzen, dass wir diesen Vertrag mehr wollen als sie.«

Ein Lächeln erscheint auf Hansawas müdem Gesicht, als hätte Rems Zustimmung ein Gewicht von seinen Schultern genommen. »Deshalb will ich auch, dass Sie beide sich darum kümmern. Ich weiß, dass Sie normalerweise nicht zusammenarbeiten, aber ich weiß auch, dass Sie ein gutes Team abgeben.«

Ein plötzlicher Anflug von Erheiterung lässt Kohei auflachen. »Und wie wir das tun!«, sagt er, während Rem nur die Stirn runzelt.


 

»Sie sahen überrascht aus«, bemerkt Rem, als sie Hansawas Büro verlassen. »Wie kommt es, dass Sie nichts von dem Deal mit Sakitronics wussten, wenn Sie der Tochter des Geschäftsführers so nahestehen?«

»Wer sagt, dass ich ihr nahestehe?!«, fragt Kohei, kaum dass Rem zu Ende gesprochen hat. »Ich war mal in sie verknallt, aber das ist vorbei.«

Sie wirft ihm einen missbilligenden Blick zu, bei dem Kohei sich sofort fragt, was er falsch gemacht hat. »Es geht mir nicht um Ihre privaten Beziehungen, Mr. Inouye. Ich bin nur überrascht, dass Sie nichts von dem Deal wussten, wo Sie doch eine Verbindung zu Sakitronics haben. Eine Verbindung, die Sie bisher nicht ausgenutzt haben.«

Kohei schnaubt. Er wäre vielleicht beschämt, dass er fälschlicherweise angenommen hat, dass sie nach seiner Beziehung zu Marika fragt, wenn er nicht so genervt davon wäre, dass sie es nicht tut. Er kennt Rem gut genug, um zu wissen, dass sie absichtlich auf eine geschäftliche Distanz besteht.

Bedauerlicherweise kommt er nicht dazu, etwas darauf zu erwidern, da Tomoda mit Marika auf Rem und ihn zukommt. »Ms. Sasaki hat mir gerade davon erzählt, dass Sakitronics einen Vertrag mit uns machen möchte. Ist das wahr?«, fragt Tomoda mit aufgeregter Stimme, während Marika neben ihm, beleidigt zu sein scheint, dass er ihre Worte anzweifelt.

»Ja«, sagt Kohei. »Mr. Hansawa hat Ms. Aozora und mich deshalb zu sich gerufen. Er will, dass wir gemeinsam Sakitronics betreuen.«

Tomodas Augen weiten sich und sein Blick huscht zu Rem.

Auch Marika sieht überrascht aus. »Was soll das heißen?!«

»Ha!«, macht Tomoda, bevor Kohei Marika antworten kann. »Ihr zwei sollt zusammenarbeiten? Der Herzensbrecher und die Fuchsdämonin. Das ist wie die nächste Stufe von guter Cop, böser Cop.«

»Aber wieso sie und nicht ich?«, fragt Marika, diesmal etwas energischer, um nicht erneut von Tomoda übergangen zu werden. »Meinem Dad gehört Sakitronics!«

Kohei beißt sich auf die Lippe, während Rem und Tomoda Marika überrascht ansehen. Anders als Kohei will Marika nicht beweisen, dass sie auch ohne ihren Vater weit kommen kann und unrecht hat sie auch nicht. Da ihr Vater sie so gern hat, würden seine Mitarbeiter versuchen, sie nicht zu verärgern, was bei Verhandlungen ein großer Vorteil ist.

Offenbar merkt Marika jedoch, wie kindisch sie klingt, denn sie macht ein verschrecktes Gesicht und hält sich die Hände vor den Mund. »Ich meine«, murmelt sie dann und senkt die Hände etwas, während sie Kohei entschuldigend ansieht. »Ich dachte, dass wir das zusammen machen, Kohei.«

Kohei blinzelt. Marikas Worte klingen so suggestiv und er spürt, wie sich Rems und Tomodas Blicke auf ihn richten. Er leckt sich über die Lippen, während er hastig überlegt, was er sagen kann, um Marika zu beruhigen, und Rem zu verdeutlichen, dass Marika und er nur alte Freunde sind.

Aber Rem kommt ihm zuvor. »Bitte entschuldigen Sie mich, aber ich muss mich um ein paar Dinge kümmern.«

»Warte!«, sagt Kohei, als sie ihnen bereits den Rücken zukehrt.

Rem wirft ihm über die Schulter einen missbilligenden Blick zu. Er hat informell gesprochen. »Was gibt es, Mr. Inouye

Er setzt ein steifes Lächeln auf. Da ist ein warnendes Brennen in ihren Augen, das Kohei jedoch das Gefühl gibt, eingefroren zu werden. »Wir sollten ein Strategiemeeting halten.«

Rems Blick huscht zu Marika. »Es sieht so aus, als hätten wir beide vorher noch etwas zu erledigen. Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie fertig sind.« Damit geht sie zu ihrem Schreibtisch zurück.

Kohei wäre ihr am liebsten sofort hinterhergegangen, aber er will Marika nicht schon wieder stehen lassen. Er räuspert sich, während er sich Marika zuwendet. »Okay, ich glaube, es wäre das Beste, wenn du dich heute an Tomoda hängst. Du hast keine Termine außerhalb heute, oder?« Kohei wirft Tomoda fragend einen Blick zu.

»Wieso? Ich möchte mit dir arbeiten, Kohei.« Marika schiebt die Unterlippe vor, während sie ihn mit ihren großen, runden Augen vorwurfsvoll ansieht.

Er schenkt ihr ein entschuldigendes Lächeln. »Ich muss unsere Strategie für Sakitronics mit Ms. Aozora besprechen und ich habe später noch ein Meeting mit einem Kunden.«

»Kannst du das nicht verschieben? Heute ist mein erster Tag?«

»Tut mir leid. Aber Tomoda ist ein netter Kerl.« Kohei legt Marika eine Hand auf den Kopf, um sie zu besänftigen, aber Marika starrt mit bebender Unterlippe auf den Boden. »Und Ms. Kondo ist auch noch da«, fügt er hinzu und sein Blick huscht zu Kondo, die an ihrem Schreibtisch sitzt.

Sie beobachtet sie mit ernster Miene und merkt sofort, dass ihr Name gefallen ist. Ein Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht und sie steht auf, um zu ihnen herüberzukommen.

Kohei zieht seine Hand zurück, damit Kondo sich vorstellen kann. Während sich die beiden Frauen unterhalten, zieht er sein Handy aus der Tasche und tippt eine Nachricht an Rem: >Kannst du dich jetzt mit mir in einem Videoraum treffen?<

Er schickt die Nachricht ab und sieht zu Rems Schreibtisch. Ihre Augen sind auf ihren Computerbildschirm gerichtet, bis seine Nachricht, sie zu ihrem Handy schauen lässt, das neben ihr auf dem Schreibtisch liegt. Dann huscht ihr Blick zu ihm. Sie hebt die Hand und hält zwei Finger in die Luft. Zwei Minuten.

Kohei nickt und schenkt ihr ein Lächeln, bevor er sich wieder Marika und Kondo zuwendet.

»...neugierig. Trotz seiner Art ist er sehr verschlossen und redet kaum über sich«, sagt Kondo gerade.

»Wirklich?« Marika legt sich mit einem süßen Lächeln eine Hand an die Wange. »Ich dachte immer, Kohei ist ein offenes Buch.«

Kohei blinzelt verdutzt, als er bemerkt, dass die beiden über ihn reden. Er räuspert sich. »Wie du siehst, bist du in guten Händen, Marika«, sagt er mit fröhlicher Stimme. »Ich hab jetzt eine Besprechung, aber wir sehen uns bestimmt später noch.« Er hebt zum Abschied seine Hand.

»Kohei!« Marika sieht ihn verärgert an. »Wieso hast du es so eilig, mich allein zu lassen?«

Er öffnet den Mund, um ihr zu widersprechen, aber zu seiner Überraschung spricht Kondo vor ihm. »Sie missverstehen das, Ms. Sasaki. Mr. Inouye ist einer unserer besten Mitarbeiter und immer sehr beschäftigt. Bitte verzeihen Sie ihm, dass er kaum Zeit für anderes hat.« Kondo legt Marika eine Hand auf die Schulter, um sie von Kohei wegzudrehen und zu ihrem Schreibtisch zu führen.

Marika sieht darüber nicht sehr glücklich aus, aber sie gibt Kondo nach und versucht sogar ein Lächeln.

Aber gerade als Kohei denkt, wie dankbar er Kondo ist, wirft diese ihm ein Lächeln über die Schulter zu und zwinkert bedeutungsvoll. Erst in diesem Moment erinnert Kohei sich daran, dass es vielleicht keine so gute Idee war, Marika und Kondo zusammenzubringen. Und das sieht man schon daran, dass Tomoda, der die Szene stillschweigend beobachtet hat, dabei ist, sein Lachen zu verbergen.

Kohei wirft ihm einen verärgerten Blick zu und macht sich auf den Weg zu den Videoräumen. Er lässt die Tür offen, damit Rem weiß, in welchem Raum er sich befindet. Und wie versprochen, kommt sie eine Minute später herein.

»Bevor wir anfangen«, beginnt sie, nachdem sie Kohei skeptisch gemustert hat, was ihm deutlich macht, dass sie verärgert ist. »Haben Sie nicht etwas vergessen?«

Kohei reibt sich mit einem Grinsen den Hinterkopf. Natürlich will sie eine Erklärung. »Es ist nicht so, wie du denkst.«

Rem runzelt die Stirn. »Soll das heißen, wir werden doch nicht zusammen mit Sakitronics arbeiten?«

Kohei blinzelt. »Was?«

»Da Ms. Sasaki die Tochter des Geschäftsführers ist, wäre es nicht unklug, sie an dem Projekt zu beteiligen.«

Er schüttelt den Kopf, mehr aus Irritation als um ihre Frage zu beantworten. »Es wäre unklug, weil Marika noch nie als Werbeagentin gearbeitet hat. Außerdem ist das nicht meine Entscheidung, das weißt du doch.«

Rems Augen schmälern sich. »Also hast du mich hergerufen, um über unsere Strategie zu sprechen?«

»Weshalb sonst?«

»Warum hast du dann keinen Laptop dabei oder irgendetwas, um dir Notizen zu machen? Soll ich etwa deine Sekretärin spielen?«

Kohei blinzelt und sein Blick huscht zu dem Laptop, den Rem sich unter den Arm geklemmt hat. Sie hat recht. Sie müssen besprechen, was für einen Vertrag sie Sakitroniks anbieten wollen, und ihre Terminkalender vergleichen, und dazu braucht er seinen Laptop. »Ich hole ihn gleich, ich wollte nur vorher etwas anderes mit dir besprechen.«

»Weshalb du nicht aufhören kannst, informell mit mir zu sprechen, obwohl wir im Büro sind?« Sie wirft ihm einen missbilligenden Blick zu, als sie an ihm vorbei zum Tisch geht, um ihren Laptop darauf abzustellen.

»Das stört doch niemanden«, sagt Kohei mit einer wegwerfenden Handbewegung und leichter Verärgerung, dass sie ein Thema nach dem anderen anspricht, nur nicht das, über das er sprechen will. »Und ich will über Marika reden, bevor du mir wieder vorwerfen kannst, dass ich dir etwas verheimliche.«

Rem klappt ihren Laptop auf, als würde sie ihm gar nicht zuhören, und Kohei stützt eine Hand auf dem Tisch neben ihr auf und beugt sich zu ihr herunter. »Und wie ich vorhin gesagt habe: Es ist nicht, wie du denkst.«

»Hast du vor, mit ihr zu schlafen?«, fragt Rem, während sie ihr Passwort eingibt.

»Nein«, erwidert Kohei, während er ihr Gesicht anstarrt, als könnte er sie so dazu bewegen, ihn anzusehen.

»Gut.«

Kohei rührt sich nicht. »Das ist alles?«

Rem wirft ihm einen kurzen Blick zu, bevor sie sich wieder ihrem Laptop zuwendet. »Natürlich. Die Abmachung war, dass wir es nicht geheim halten, wenn wir uns einen anderen Partner suchen. Darüber hinaus geht mich dein Privatleben nichts an.«

Kohei schnaubt und richtet sich auf. »Wow, ich bin wirklich nur ein Gebrauchsgegenstand für dich.«

Rem sieht ihn an, länger diesmal. Dann seufzt sie. »Wieso schmollst du? Geh und hol deine Sachen.«

»Ich schmolle nicht!«, braust Kohei auf. »Ich versuche entgegenkommend zu sein, nachdem du das letzte Mal wütend auf mich warst, aber jetzt ist dir das völlig egal.«

Rem dreht sich ihm zu. »Wenn du nicht schmollst, was ist dann das?«, fragt sie und hebt eine Hand.

Kohei, der bereits den Mund für eine Erwiderung geöffnet hat, hält inne, als sie ihm mit dem Zeigefinger zwischen die Brauen tippt. Er starrt sie an, während sie sanft die Falten auf seiner Stirn glättet.

Ein Lächeln umspielt ihre Lippen. »Wenn du weiter so ein Gesicht machst, kriegst du Falten.«

Kohei schließt seinen Mund wieder. »Ich hol meinen Laptop.«

Rem senkt ihre Hand und nickt.

Mit einem Seufzen wendet Kohei sich zur Tür. Seine Verärgerung ist restlos verschwunden.


 

Als Kohei am Samstag aus dem Haus geht, eigentlich um die Boxhalle zu besuchen, wartet eine schwarze Limousine auf ihn. Er rümpft die Nase, da er genau weiß, wer sie geschickt hat und aus welchem Grund. Und er hat ohnehin schon schlechte Laune, weil Rem dieses Wochenende mit Mori und Yamato verabredet ist. Deswegen hat er Marika zugesagt, die mit ihm essen gehen will, was ihm aus irgendeinem Grund ein schlechtes Gewissen macht.

So kommt es, dass er in Sportklamotten vor einem Nobelrestaurant aus einer schwarzen Limousine steigt. Er bekommt einige abschätzige Blicke, als ein Kellner ihn durch das Erdgeschoss zur Treppe in den ersten Stock führt. Dieser ist völlig leer, nur ein Gast sitzt auf dem Balkon unter einem großen Sonnenschirm.

»Du weißt, dass ich es hasse, auf diese Weise herbeizitiert zu werden«, sagt Kohei mürrisch und lässt sich auf den Stuhl gegenüber fallen.

Toshiro senkt das Tablet in seiner Hand und richtet seine Aufmerksamkeit auf Kohei. »Es gibt keine schöne Art, jemanden herbeizuzitieren, und ich tue es nur, wenn es absolut nötig ist.« Er legt das Tablet auf den Tisch. Dann winkt er einem Kellner, der daraufhin eine Tasse vor Kohei abstellt und sie mit Kaffee füllt. »Du weißt, weshalb ich dich sprechen muss?«

Kohei verdreht die Augen. »Wenn es mit Marika zu tun hat, dann -«

»Natürlich hat es mit ihr zu tun«, unterbricht Toshiro ihn ungeduldig. »Deine fehlende Besorgnis deswegen, beweist mir nur, dass es die richtige Entscheidung war, dich herzurufen!«

Kohei schnalzt mit der Zunge und schüttelt den Kopf. Er hätte in die Boxhalle gehen sollen.

Toshiro stützt die Unterarme auf dem Tisch auf und beugt sich vor. »Hör zu, Junge, das ist jetzt nicht die Zeit für einen Vertrauensvorschuss. Du bist kein Dummkopf und du weißt ganz genau, was für einen Charakter dieses Sasaki-Mädchen hat.«

»Wenn du so dagegen bist, dass sie einen unbedeutenden Job bei Noué bekleidet, wieso lässt du sie nicht feuern?«, sagt Kohei, denn sein Großvater hätte die Mittel dazu. Aber Toshiro rümpft nur die Nase. »Von wegen unbedeutend. Die Verkaufsabteilung repräsentiert Noué

»Und Marika ist sehr gut darin, Leute dazu zu bringen, sie zu mögen.«

»Das ist sie und sie sucht sich sehr genau heraus, wer diese Leute sind. Nur die von höchster Klasse und solche, die sie benutzen kann, und jetzt will sie einen völlig gewöhnlichen Job mit gewöhnlichen Kollegen machen? Nein. Absolut nicht! Es gibt mehr als einen Grund, der dagegen spricht.«

Kohei verzieht das Gesicht. »Ich hab verstanden, dass du sie nicht magst, also kannst du aufhören, mich jedes Mal herzurufen, um dich über sie aufzuregen. Das bringt mich nicht dazu, meine Meinung zu ändern.«

»Kohei -«

»Nein!« Kohei steht auf und sieht verärgert auf seinen Großvater hinab. »Was willst du mir überhaupt sagen? Dass dein ganzes Imperium in die Brüche geht, weil Marika einen Job bei Noué hat.« Er schnaubt.

»Mein Imperium nicht, aber Noué vielleicht.«

Kohei blinzelt verdutzt, aber Toshiro sieht ihn ernst an. »Du machst Witze.«

Toshiros Miene ändert sich nicht. »Setz dich.«

Für einen Moment starren sich die beiden an, ehe Kohei sich schließlich mit einem verbissenen Gesichtsausdruck wieder setzt. »Marika hat schon früher gearbeitet und es ist nie etwas in die Brüche gegangen.«

»Bist du dir da sicher? Mal abgesehen davon, dass das, was sie gemacht hat, wohl kaum Arbeit war.« Toshiro schüttelt den Kopf. »Glaub mir oder lass es bleiben, aber ich möchte, dass du ein Auge auf sie hast. Dieses Mädchen ist es nicht gewohnt, irgendetwas durch Arbeit zu erreichen. Sogar den Job hat ihr Vater ihr besorgt und mit euren Kunden wird sie genauso verfahren. Weil weder das eine noch das andere Bedeutung für sie hat.«

Diesmal antwortet Kohei nicht. Er kann nicht bestreiten, dass Marika keinen großen Wert auf Noué oder die Arbeit dort legt. Ihre Gründe sind kindisch, aber er glaubt nicht, dass sie böse Absichten hat. Sie mochte es nicht, dass er keine Zeit für sie hatte und so hat sie einen sehr unkonventionellen Weg gefunden, um das zu ändern. Er ist selbst ein bisschen überrascht, wie viel Interesse sie plötzlich an ihm zeigt, aber das hängt vermutlich mit Trotz zusammen. »Sie wird in ein paar Monaten anfangen, sich zu langweilen«, sagt Kohei. Seiner Einschätzung nach werden es wenige Monate sein. Möglicherweise hält sie nicht einmal den Juli durch.

»Was sagt Saburo dazu?«

Kohei verzieht das Gesicht. »Woher soll ich das wissen?«

»Warst du nicht neugierig, was er und Marika die letzten fünf Jahre gemacht haben.«

Ärger steigt in Kohei auf. »Was willst du von mir hören?«

Toshiro seufzt und lehnt sich in seinem Stuhl zurück. »Wie versteht sich Ms. Aozora mit ihr?«

Kohei legt die Stirn in Falten. »Was hat Rem damit zu tun?«

Toshiro blinzelt. »Rem?«, wiederholt er und dann tritt ein Funkeln in seine Augen. »Oh, mein lieber Junge, ich wusste ja nicht, wie nahe ihr euch inzwischen steht.«

Kohei schnaubt, aber insgeheim hasst er sich dafür, dass er zugeben muss, dass Rem recht damit hatte, dass ihm ihr Vorname zu einem ungünstigen Zeitpunkt herausrutschen würde. »Tun wir nicht. Und ich wüsste nicht, was sie mit Marika zu tun hat.«

Aber sein Großvater grinst fröhlich. »Jetzt ergibt das alles auch Sinn. Ich bin sehr stolz auf dich, mein Junge.«

»Ich weiß ja nicht, wie es in deiner Jugend war, aber heutzutage heiratet man nicht gleich, nur weil man jemanden beim Vornamen genannt hat«, sagt Kohei mürrisch.

»Hoho, wer hat etwas von Heiraten gesagt?«

Kohei rümpft die Nase. »Du. Ich weiß, dass sie dich mit ihren tollen Eigenschaften überzeugt hat, die mir offenbar fehlen. Aber deswegen heirate ich sie nicht.«

Toshiro hebt die Brauen. »Wenn du unsere Unterhaltung von der Gründungsfeier meinst, hast du mich missverstanden. Ich meinte nicht, dass sie eine Eigenschaft besitzt, die dir als Person fehlt, sondern die du in deiner Partnerin brauchst.«

Kohei kneift die Augen zusammen, während er sich an Rems Verhalten auf der Feier erinnert. Sie war betrunken und streitlustig. »Du glaubst, ich brauche eine Frau, die in der Lage ist, jeden Menschen verbal in die Tonne zu treten?«, fragt Kohei, noch unentschlossen, was er davon halten soll.

»Eher eine, die mich verbal in die Tonne treten kann.« Toshiro lacht leise und sein Blick huscht zur Seite. »Erinnerst du dich, wie ich dich geschickt habe, um etwas zu Trinken zu holen, damit ich allein mit Ms. Aozora sein konnte? Ich hatte vor, ihre Grenzen zu testen.«

Kohei nickt. Vielmehr als sich Sorgen um Rem zu machen, war er neugierig über die Reaktion seines Großvaters. Er hatte erwartet, dass Toshiro hinterher versuchen würde, sämtliche unangenehme Wahrheiten über ihr Gespräch vor Kohei zu verheimlichen und geplant, Rem dazu genau zu befragen. Aber Toshiros Eröffnung, dass er Rem mag, hat ihn letztendlich davon abgehalten.

»Ich habe ihr vorgeworfen, nur hinter deinem Geld her zu sein. Ein Klassiker, aber sehr effektiv. Deine bisherigen Freundinnen haben entweder versucht, diesen Vorwurf zu ignorieren oder ihm zu widersprechen, und nichts davon war sehr überzeugend. Ms. Aozora ist die Erste, die mich ausgelacht hat.«

Kohei runzelt die Stirn. Nicht, weil er überrascht ist, sondern weil er es sich so gut vorstellen kann. Rems Gesicht mit einem höhnischen Ausdruck, während sie sich darüber amüsiert, dass Toshiro Inouye sich genauso benimmt, wie Kohei es ihr gesagt hat. Vielleicht hatte sie sich vorgestellt, wie sie ihm davon erzählt und sich dabei über ihn lustig macht. »Das ist alles?«, fragt Kohei etwas enttäuscht. Sein Großvater mag es nicht gewohnt sein, ausgelacht zu werden, aber wenn das allein ausreichen würde, um ihn aus der Fassung zu bringen, wäre er nie so weit gekommen.

»Nein, das ist nicht alles.« Toshiro schüttelt den Kopf. »‘Ich verdiene mein eigenes Geld. Und ich gehöre nicht zu den Idioten, die ihr Privatleben für ihre Karriere opfern’. Das hat sie gesagt.«

Kohei beobachtet, wie sein Großvater ein bitteres Lachen von sich gibt.

»Ich kann nicht einmal sagen, was schlimmer war. Dass sie mich auf unbestreitbare Weise einen Idioten genannt hat oder dass ein so junger Mensch etwas für selbstverständlich hält, für das ich Jahre gebraucht habe, um es zu verstehen. Um ehrlich zu sein hätte es mich weniger getroffen, wenn sie mir ihren Drink ins Gesicht geschleudert hätte.«

Kohei sagt nichts. Für ihn haben Rems Worte keine große Bedeutung und er kann sich gut vorstellen, wie sie sie sagt. Aber für seinen Großvater scheint das anders zu sein.

Toshiro verschränkt die Finger miteinander, während er gedankenverloren auf den Tisch starrt. »Erinnerst du dich noch an deine Großmutter?«

Kohei runzelt die Stirn. »Welche?«

Toshiro blinzelt und sieht Kohei an. Erst steht Irritation in seinen Augen, dann seufzt er. »Das ist genau das, was ich meine. Ich habe meiner Karriere wegen geheiratet. Als ich in deinem Alter war, gab es für mich nichts anderes, als noch höher zu kommen und ich habe alles und jeden dafür verraten. Ich habe nicht nur meine Frau betrogen, die mit meiner Tochter in einem Haus wohnte, das ich kaum besucht habe, sondern auch meine Geliebten. Ich war so von mir eingenommen, dass ich dachte, dass sich jede Frau glücklich schätzen könnte, überhaupt mit mir in Kontakt zu kommen.« Toshiros Lippen beben, als das bittere Lächeln darauf, zu einem angewiderten zu werden droht. »Man nennt es wohl Karma. Als ich mir endlich die Zeit genommen habe, um mich um meine Familie zu kümmern, hatte meine Frau mich verlassen und meine Tochter war in den Klauen eines Mannes von genau demselben Schlag wie ich. Das sind Dinge, die sich nicht wiedergutmachen lassen.«

Kohei sagt nichts. Toshiro erzählt ihm nichts Neues, denn die Vergangenheit seiner Eltern und Großeltern ist im Internet festgehalten. All das ist vor seiner Geburt passiert, aber auch danach gab es genügend Berichte über die Treulosigkeit seiner Eltern, die Kohei öfter las, als dass er seine Eltern persönlich sah. Sein Großvater hatte versucht eine Konstante in seinem Leben zu werden, hatte sogar noch zweimal geheiratet, um seinen Enkeln eine Großmutter zu geben. Nicht, dass das etwas gebracht hätte, im Gegenteil, da Toshiro als Resultat noch weniger Zeit hatte. Kohei hatte damals gelernt, dass Frauen, auch die, die Kinder mögen, sich nicht darüber freuen, festzustellen, dass sie nach der Hochzeit mehr als Kindermädchen als als Ehefrau betrachtet werden.

Toshiro lehnt sich über den Tisch und greift nach Koheis Hand. »Mach nicht denselben Fehler wie ich. Lass dich nicht von Schönheit, Reichtum und Macht blenden, nur um dann ganz allein in einem viel zu großen Haus zu enden.«

»Das habe ich nicht vor«, erwidert Kohei, der diesen Rat nicht zum ersten Mal hört.

»Dann lass dich nicht weiter von diesem Sasaki-Mädchen an der Nase herumführen und sieh dir genau an, wie sie ihre Arbeit macht.« Toshiros Augen, die denselben Goldton haben wie Koheis, bohren sich mit Nachdruck in seine. Aber dann umspielt ein Grinsen seine Lippen. »Natürlich will ich dich nicht davon abhalten, für den Rest der Zeit ein Auge auf Ms. Aozora zu haben.«

Kohei schnalzt mit der Zunge und zieht seine Hand zurück.

Toshiro kichert vergnügt.

»Oh. Störe ich?«

Die beiden Männer richten ihren Blick auf den Eingang des Balkons, von wo aus eine Frau in einem blauen Hosenanzug auf sie zukommt.

Kohei tut es seinem Großvater nach und steht auf. »Guten Tag, Ms. Jordan«, sagt er mit einem Lächeln.

»Bitte verzeihen Sie, dass ich meinen Enkel zu unserer Verabredung eingeladen habe. Wir hatten etwas zu besprechen, aber er wird gleich wieder gehen.« Toshiro hält Ms. Jordan die Hand hin.

»Ach so?« Ms. Jordon schüttelt Toshiro die Hand und sieht dann mit einem Lächeln zu Kohei, um ihm ihrerseits die Hand zu reichen. »Es stört mich nicht. Es ist schön, Sie wiederzusehen, Mr. Inouye.«

Kohei nimmt ihre Hand und erwidert ihren Gruß.

»Ihr habt euch das letzte Mal auf der Gründungsfeier gesehen, nicht wahr?«, sagt Toshiro mit einem Funkeln in den Augen. »Wir haben gerade über Ms. Aozora geredet, erinnern Sie sich an sie, Paula?«

Ms. Jordan blinzelt und legt dann nachdenklich die Stirn in Falten. »Sie sprechen von der jungen Dame, die derzeit mit Richard zusammenarbeitet, richtig? Tatsächlich ist sie mir sehr gut im Gedächtnis geblieben.«

Kohei braucht eine Sekunde, ehe er sich daran erinnert, dass Richard Mr. Blakes Vorname ist.

»Tatsächlich?« Toshiros Lächeln wird zu einem Grinsen. »Wie günstig«, fügt er etwas leiser und mit einem Blick auf Kohei hinzu.

Kohei rollt mit den Augen.

»Ja. Sie hat mich so sehr an seine frühere Verlobte erinnert, dass ich fragen musste, wie sich der gute Richard schlägt.« Sie lacht auf, aber Kohei fühlt mit einem Mal eine unangenehme Kälte in seinem Bauch. »Verzeihung, aber was meinen Sie damit?«

Ms. Jordan blinzelt und ihr Lächeln verschwindet von ihren Lippen, als sie Kohei ansieht. »Oh, ich wollte keine unangebrachte Bemerkung machen, schließlich kenne ich Ms. Aozora kaum. Es war nur mein erster Eindruck.«

»Inwieweit ähnelt sie Mr. Blakes Ex-Verlobten?«, fragt Kohei scharf, während ihm die letzte Szene, die er zwischen Rem und Mr. Blake beobachtet hat, durch den Kopf geht. Er hatte einmal Rem gegenüber den Vorschlag gemacht, dass es etwas mit seiner Verlobten zu tun hat, dass er sie anders behandelt als ihn, aber dabei hatte er eher an etwas Allgemeineres gedacht.

»In ihrem Auftreten und Verhalten würde ich sagen. Sie sehen sich nicht sehr ähnlich, aber die Art wie sie sich ausdrücken, die kontrollierte Mimik, das hat mich sofort an Joanna erinnert.« Ms. Jordan mustert Koheis Gesicht eindringlich, wohl weil sie sich daran erinnert, dass Rem seine Partnerin war. »Aber wie gesagt, das war nur mein erster Eindruck von ihr.«

Kohei setzt ein breites Lächeln auf. »Natürlich. Ich danke Ihnen für die Erklärung. Sie war sehr aufschlussreich. Wenn Sie mich dann entschuldigen würden. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag.«

»Oh, vielen Dank.« Ms Jordan scheint etwas verwirrt über sein Verhalten, aber Kohei wendet sich ab. Seine Gedanken kreisen und er nimmt nur noch am Rande wahr, wie sein Großvater Ms. Jordan gut gelaunt, ein Kompliment macht, bevor er den Balkon verlässt.

Kohei würde nichts lieber tun, als Rem sofort eine Nachricht zu schicken, dass sie sich vor Mr. Blake in Acht nehmen muss. Aber es wäre besser, mit ihr persönlich zu reden und das Gespräch natürlich auf Mr. Blake zu lenken. Da sie ihn einmal um Hilfe gebeten hat, sollte das nicht schwierig sein. Leider heißt das, dass er bis Montag warten muss und er bedauert einmal mehr, dass Rem an diesem Wochenende keine Zeit für ihn hat.


 

Vier Tage später. Es ist Mittwoch und Kohei hatte immer noch keine Gelegenheit, mit Rem zu sprechen. Noch dazu ist der Tag fast vorbei und es sieht nicht so aus, als würde er heute eine Chance bekommen.

»Bist du enttäuscht? Ich dachte, es ist gut gelaufen?« Marika, die neben ihm auf dem Beifahrersitz sitzt, lehnt sich etwas zu ihm herüber. Er hat sie mit zu einem Kunden genommen und ein Auge auf sie gehabt, so wie Toshiro gesagt hat.

Er lächelt zaghaft. »Es ist gut gelaufen«, sagt er und das ist nicht gelogen. Marika hatte schon immer ein Talent dafür, von anderen gemocht zu werden und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Fähigkeiten, die im Verkauf sehr vorteilhaft sind, und nur weil es Koheis Überzeugung ist, seinem Großvater zu beweisen, dass er auch ohne seinen Namen vorankommen kann, muss Marika das nicht auch so sehen.

»Wieso bist du dann unzufrieden?« Marika zieht einen Flunsch. »Und versuch nicht, dich herauszureden. Du bist mit den Gedanken ständig woanders.«

»Ich bin müde, das ist alles.«

Sie legt den Kopf schief und mustert ihn. Dann breitet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. »Wie wäre es dann, wenn wir heute ausnahmsweise früher Feierabend machen? Wir haben so hart gearbeitet, wir verdienen eine Pause. Lass uns essen gehen, ja?«

Kohei seufzt und schüttelt mit einem Lächeln den Kopf, während er seinen Sicherheitsgurt löst. »Und wer schreibt dann den Bericht?«

»Du bist so ein Spielverderber geworden, Kohei!«, schimpft Marika, während Kohei aussteigt. Aber sie folgt ihm. »Heißt das, du willst nicht mit mir essen gehen?«

»Es heißt, dass ich meinen Job ernst nehme«, erwidert er, während sie sich auf den Weg durch das Parkhaus machen. »Außerdem können wir nach der Arbeit ins Restaurant gehen.«

Marika rümpft die Nase. »Du meinst diese stinkige Kneipe, in die ihr alle ständig geht.«

Kohei runzelt die Stirn. »Es ist vielleicht einfach, aber sie haben guten Sake und es ist eine Möglichkeit, um deine neuen Kollegen kennenzulernen.«

Sie sieht nicht zufrieden aus. Dann greift sie seinen Arm. »Ich wäre nur lieber mit dir allein«, sagt sie mit leiserer Stimme und sieht schüchtern zu ihm auf.

Kohei blinzelt. Manchmal fragt er sich, ob sich Marika bewusst ist, wie es klingt, wenn sie so etwas sagt. Vor nicht allzu langer Zeit hätte es ihm falsche Hoffnungen gemacht. Es ist eins seiner Probleme damals gewesen, dass er ständig etwas in Marikas Worte hineininterpretiert hat. »Du sagst das, als würden wir kaum Zeit miteinander verbringen«, sagt er und nimmt den Blick von ihr. Er ist stehen geblieben, als sie seinen Arm genommen hat und da es schon recht spät ist, will er nicht noch länger im Parkhaus herumstehen. Aber als er den Blick geradeaus richtet, erregt eine Bewegung in seinem Augenwinkel seine Aufmerksamkeit.

Er dreht den Kopf zu der von Marika abgewandten Seite, wo ihm ein schwarzer Mercedes ins Auge fällt. Zuerst wundert er sich, welcher seiner Kollegen einen so teuren Wagen fährt, aber dann beachtet er ihn gar nicht. Sein Blick ist starr auf die Windschutzscheibe gerichtet, hinter der er zwei Menschen sitzen sehen kann. So in ihr Gespräch vertieft, dass sie Marika und ihn nicht sehen. Rem und Mr. Blake.

Kohei spürt, wie sich seine Miene verdüstert. Mr. Blake hat Noué noch nie persönlich besucht und da die beiden im Auto sitzen und reden, hat er wohl auch nicht vor auszusteigen. So als hätte er Rem nur hergefahren und sich unterwegs so gut mit ihr unterhalten, dass sie das Gespräch weiterführen, obwohl sie angekommen sind.

»Was ist los?«, fragt Marika und Kohei schnalzt mit der Zunge. Am liebsten hätte er die Beifahrertür geöffnet und Rem gesagt, dass sie sich vor diesem Mann in Acht nehmen sollte, aber nicht, wenn Marika hier ist. 

»Gar nichts. Ich hab mich nur über das Auto gewundert«, sagt er und zieht Marika mit sich. »Und jetzt komm, wir müssen noch einen Bericht schreiben.«

Sie folgt ihm, aber ihr Griff wird fast schon schmerzhaft, als sich ihre Nägel in seinen Arm bohren.

Er zieht eine ihrer Hände von sich, um sich aus ihrem Griff zu befreien und schaut dabei auf ihre Finger. »Und du solltest dir die Nägel schneiden«, sagt er, als er ihre langen pinken Nägel sieht. Es ist kein Wunder, dass sie ihm mit solchen Krallen weh tut. Dann richtet er den Blick auf die Tür zum Treppenhaus vor ihnen. Er muss unbedingt mit Rem reden. Heute noch und egal wie.

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