Es gibt einen entscheidenden Nachteil der Selbstregeneration und dieser Nachteil liegt in ihrer Natur. Selbstregeneration regeneriert Schaden und hält ihn nicht auf. Das bedeutet, wenn ich dabei bin zu ersticken, regeneriert sich der Schaden, den mein Körper durch den Mangel an Sauerstoff nimmt, aber ich erleide den Schaden trotzdem, wodurch ich im Grunde ersticke, ohne zu sterben.
Hinzukommt, dass man eine Überbelastung des Körpers nicht heilen kann. Eine Überbelastung erleidet man, wenn der Körper der Menge an Energie, der er ausgesetzt ist, nicht aushalten kann. Aus diesem Grund kann man einen Körper auch nicht unendlich buffen. Und eine Heilung ist ebenfalls ein Buff, der den Körper anregt, sich schneller zu heilen. Mit anderen Worten eine Heilung bewirkt in diesem Fall das Gegenteil.
Und so liege ich zusammengekauert auf dem Boden, in einen Schild gehüllt, den ich instinktiv beschworen habe, und röchle, während meine Lungen kollabieren, sich regenerieren und wieder kollabieren. Das einzige, was ich tun kann, ist Mana in meine Armreifen zu schieben, verzauberte Gegenstände, die mir in Extremsituationen helfen, das Ausmaß an Schaden und Schmerzen, die mein Körper erleidet, im Zaum zu halten.
»… und du nennst dich eine Heilerin?! Tu etwas, Herrgott nochmal!«
Ich höre Edens laute Stimme, sobald ich in der Lage bin, mich wieder auf meine Umgebung zu konzentrieren.
»Wie Ihr selbst festgestellt habt, hat sich Ihre Heiligkeit in einen Schild gehüllt, der uns davon abhält, ihr nahe zu kommen. Wie soll Hilena jemandem helfen, den sie nicht berühren kann?!« Das ist Jake und er klingt sehr wütend.
»Und selbst wenn der Schild weg wäre«, sagt nun Hilena, deren Stimme am nächsten ist.
Ich kann verschwommen erkennen, dass sie vor mir kniet.
»Eine Überlastung durch Buffs kann nicht geheilt werden! Jegliche Benutzung von Mana könnte -«
»Lorelai stirbt!«, brüllt Eden, so laut, dass ich das Gesicht verziehe. »Tu gefälligst etwas, um sie zu retten, dummes Weib!«
Ein Klatschen ertönt.
»Du wagst es -!«
»Euer Hoheit scheint vergessen zu haben, wer es war, der Ihre Heiligkeit so weit getrieben hat. Hättet Ihr Euch nicht wie ein perverser Dreckskerl aufgeführt, hätte sich Ihre Heiligkeit nicht gezwungen gesehen, dieses Risiko einzugehen!«
Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich Eden gerade eine Ohrfeige eingefangen hat und ich bereue nichts mehr, als diesen Moment nur am Rande wahrnehmen zu können.
»Hast du eine Ahnung, was du gerade getan hast, Jake Alistair?!«, knurrt Eden und ich spüre einen Anstieg an Aura, wenn auch einen sehr schwachen. »Du solltest mich auf Knien um Entschuldigung anflehen - «
»Oder was?!« Eine zweite Aura flammt auf und die erste zerbröckelt.
»Das ist jetzt nicht der Moment dafür!« Das ist Mikail und auf seine Worte hin verschwindet die Aura. Dann geht auch er neben mir in die Knie. »Hilena. Was können wir tun?«, fragt er mit ruhiger Stimme, obwohl Hilena diese Frage bereits beantwortet hat.
Hilena schüttelt den Kopf. »Ich habe es doch schon gesagt. Wir können nichts tun.« Sie sieht auf mich herab. »Normalerweise verursacht eine Überbelastung nur vorübergehende Schmerzen, denn der Körper erholt sich von allein. Aber bei lebenswichtigen Organen ist das anders. Ihre Heiligkeit hat offenbar ihre Lungen gebufft und jetzt versagen sie. Ihre Selbstregeneration hält sie am Leben, aber auf diese Weise wird sie sich nicht von der Überbelastung erholen können.« Sie schnieft am Ende, als hätte sie meinen Tod verkündet. Und sie hat recht damit, dass meine Selbstregeneration die Überbelastung verschlimmert. Aber meine Lungen sind nicht wegen eines einfachen Buffs zusammengeklappt. Außerdem sind sie eine ständige Belastung gewohnt, sodass sie die Belastung durch meine Selbstregeneration aushalten werden.
Da das aber niemand weiß, habe ich unbeabsichtigt den perfekten Moment zum Sterben geschaffen. Es wäre zwar sehr viel unspektakulärer als geplant, aber immerhin könnte man Eden die Schuld dafür geben. Mir gefällt die Vorstellung, dass sich die Leute erzählen, ich wäre lieber gestorben, als mich von Eden tragen zu lassen.
Zu meinem Unglück ist es aber zu früh zum Sterben. Wir sind nicht mehr so tief im Wald wie anfangs, aber Monster sind in meinen Augen sowieso das kleinste Hindernis auf unserer Reise. Mein Ziel ist es, unbestritten für Tod gehalten zu werden, und dafür müssen meine Begleiter überleben und von meinem Tod berichten. Als vermisst zu gelten ist dagegen ein Problem, denn das Letzte, was ich will, ist, dass jemand auf der Suche nach mir etwas entdeckt, das ihn nichts angeht.
Aber auch ein beinah-Tod sollte einen Eindruck hinterlassen und meinen Begleitern vor Augen führen, dass ich tatsächlich ‚todkrank‘ bin. Auch wenn ich zugeben muss, dass es mich frustriert, dass ich diesmal nicht spiele. Wenn meine Lungen auch nach Jahren des Trainings durch Debuffing noch so schwach sind, muss ich mir etwas Besseres ausdenken.
Ich höre ein Wimmern und Schniefen. Aber diesmal ist es nicht Hilena. »Bitte … Ihr dürft nicht sterben …« Es ist Annabella. Ich kann sie nicht sehen, aber ich spüre, dass sie sich neben Mikail befindet, der bereits am oberen Rand meines Sichtfelds kniet.
Sie kennt mich nicht gut genug, um um mich zu trauern, aber es ist trotzdem kein schlechtes Gefühl, dass es ihr doch so nahe geht. Oder vielleicht hat sie nur Angst, weil ich ihr gesagt habe, dass sie sich keine Sorgen machen muss, solange ich da bin und jetzt sterbe ich vor ihren Augen. Ich sollte sie wohl wissen lassen, dass ich das nicht wirklich tue. Allerdings ist es momentan sehr schmerzhaft, sich zu bewegen und meinen Schild entfernen will ich auch nicht. Also beschwöre ich einen Schmetterling, so wie ich es am Vorabend getan habe und lasse ihn zu Annabella flattern.
Annabellas Atem stockt.
»Eure Heiligkeit!« Das ist Mikail. »Bitte, schont Euch.«
Ich rolle mit den Augen. Ein entscheidender Vorteil, Magierin zu sein, ist, dass ich schwerverletzt sein kann, ohne dass meine Zauber darunter leiden müssen. Um das zu unterstreichen und weil Mikail schon wieder nervig ist, beschwöre ich noch fünf Schmetterlinge, die ich alle auf Mikail zufliegen lasse.
»Oh?« Mikail zuckt zurück, als er von dem kleinen Schwarm goldener Schmetterlinge umhüllt wird.
»Das heißt wohl, sie kommt durch?« Jakes Stimme klingt unsicher, aber um einiges ruhiger als zuvor.
»Hast du nicht zugehört?!« Hilenas Stimme dagegen klingt nach wie vor aufgebracht. »Ihre Lungen können sich nicht von der Überlastung erholen, solange sie sich heilt. Aber wenn sie sich nicht heilt, versagen ihre Lungen und sie …« Sie bricht mit einem Schniefen ab.
Ich frage mich, wie die Reaktionen ausfallen werden, wenn ich tatsächlich ‚sterbe‘, während ich einen der Schmetterlinge auf Hilena zufliegen lasse. Damit sollte ich alle so weit beruhigt haben, dass sie nichts Überstürztes tun und kann mich auf mich konzentrieren. Denn Hilena hat recht, dass sich der Zustand meiner Lunge gerade in einem Teufelskreis befindet. Es ist zwar nicht lebensbedrohlich für mich, aber ich werde eine ganze Weile brauchen, um mich davon zu erholen, wenn ich nichts tue. Und ich habe nicht vor die ganze Nacht sterbend herumzuliegen.
Da meine Lunge an Überlastung leidet, die nicht geheilt werden kann, gibt es nur eine Möglichkeit, die Überlastung loszuwerden. Eine neue Lunge.
Eine Lunge nachwachsen zu lassen ist nicht maßgeblich schwieriger als jedes andere Organ. Alles, was man braucht, ist genaue Kenntnis über ihren Aufbau. Und natürlich sollte man wissen, wie man die Funktion der Lunge für die Dauer des Prozesses übernimmt, wenn einem daran gelegen ist, das der Besitzer der Lunge lebt.
Ich benutze Schattenmagie, um es für mich angenehmer zu machen. Das heißt, ich ziehe meine Lunge in meinen Schatten, ohne den Schatten wieder zu verschließen. Wenn man dabei ist, einen Schatten zu betreten, befindet sich ein Teil des Körpers im Schatten und der andere außerhalb. Normalerweise ist das ein Zustand von kurzer Dauer und bietet auch einige Gefahren, sollte der Schatten in diesem Moment geschlossen werden. Aber er hat einen gewaltigen Vorteil, wenn man Organe ersetzen will, denn ein Körperteil, dass sich im Schatten befindet, ist immer noch mit dem Körper verbunden, auch wenn es physisch nicht mehr da ist. Auf diese Weise habe ich Platz, um eine Lunge nachwachsen zu lassen, ohne für die Dauer aufs Atmen verzichten zu müssen. Zugegeben, ich kann nicht besonders gut atmen, aber eine kaputte Lunge ist besser als gar keine.
Zumal ich mir Zeit nehme. Da Hilena oft genug betont hat, wie schrecklich mein Zustand ist, kann ich mich nicht zu schnell erholen, wobei das nicht der Hauptgrund ist. Ich habe meine Lunge eingehend analysiert, um herauszufinden, wie ich sie stärken kann.
Meine Lunge ist schon stärker gewesen, als die anderer Magier, aber an die eines Aura-Trägers reicht sie nicht heran. Aura-Träger können ihre Lungen mit Aura stärken, aber mit Mana funktioniert das nur begrenzt. Dafür kann ich Körperteile von Grund auf nachwachsen lassen und das gibt mir etwas Spielraum. Nicht viel, da der Körper größere Mutationen abstößt, aber ein stabileres Gewebe ist im Rahmen des Möglichen.
Mein Kopf brummt, als ich endlich einen tiefen und ruhigen Atemzug nehmen kann. Aber Ausruhen kann ich mich noch nicht, schließlich ist meine Lunge nicht das einzige, das von der Überlastung betroffen war. Doch als ich meine Aufmerksamkeit auf meine Muskeln richte, stelle ich fest, dass die Zeit, die ich für die Regeneration meiner Lunge gebraucht habe, wohl genug war, sodass meine Muskeln sich von selbst erholt haben. Zuerst denke ich, dass ich länger gebraucht haben muss, als ich dachte, ehe mir der Gedanke kommt, dass meine Muskeln wohl etwas mehr aushalten als meine Lunge.
Wunderbar, denke ich, stolz auf meine Muskeln und beschließe, ein Nickerchen zu machen. Den Schild um mich habe ich bereits im Mantel der Heiligen verankert, und so ungern ich in Anwesenheit anderer schlafe, so habe ich doch etwas Ruhe nötig.
»Eure Heiligkeit!«
Aber offenbar sehen meine Begleiter das anders.
»Könnt Ihr sprechen? Gibt es etwas, das wir tun können?«
Ich hätte nicht so laut atmen sollen, denke ich. Allerdings sitzt Hilena so dicht bei mir, dass das wohl keinen Unterschied gemacht hätte. Das wars dann wohl mit meiner Ruhe.
Ich setze mich auf und entferne meinen Schild. »Es ist alles wieder in Ordnung«, sage ich zu Hilena und Mikail, der plötzlich auch vor mir kniet. »Verzeiht, wenn ich Euch erschreckt habe.« Ich schlage unterstreichend meinen Schleier zurück und lächle.
Hilena starrt mich ungläubig an. »Aber wie …? Ich war mir sicher, dass Ihr Eure Lungen überlastet habt. Es ist unmöglich, eine überlastete Lunge zu heilen!«
»Ihr seid sehr aufmerksam«, sage ich und das meine ich nicht als Kompliment. »Ich habe meine Lunge nicht geheilt. Ich habe sie ersetzt.«
Hilenas Augen, die zuvor unaufhörlich über mein Gesicht gehuscht sind, erstarren. Ihr Mund klappt auf, während sie mich ansieht, als hätte ich etwas gesagt, dass so abwegig ist, dass sie es nicht verarbeiten kann. »… eh?«
Ich hebe beschwichtigend die Hände. »Es tut mir leid, euch Sorgen gemacht zu haben, aber nun geht es mir wieder gut.« Ich sage es auch zu den anderen, die hinter Hilena und Mikail stehen.
»Es geht Euch gut?«, wiederholt Mikail und seine Stimme klingt eigenartig hohl. »In der letzten Stunde seid Ihr wieder und wieder erstickt und konntet Euch nur mit Euren Kräften am Leben halten!«
»Nun, ja …«, sage ich, unschlüssig, was ich von dem glühenden Blick in seinen Augen halten soll. Aber immerhin weiß ich jetzt, dass etwa eine Stunde vergangen ist. »Aber ich versichere Euch, ich war nicht in Lebensgefahr. Es ist wirklich alles in Ordnung.« Ich lächle, aber der Blick in Mikails Augen wird, wenn überhaupt, noch intensiver. »Bei allem Respekt, Euer Heiligkeit, aber wann immer Ihr behauptet, mit Euch sei alles in Ordnung, ist gar nichts in Ordnung!«
Ich sehe ihn empört an, aber er ist noch nicht fertig.
»Ihr wusstet, dass Euer Körper keine Buffs aushalten kann und Ihr habt Euch dennoch dazu entschieden, sie auf Euch anzuwenden. Sagte ich nicht, dass Eure Gesundheit wichtiger ist als unsere Reisegeschwindigkeit?«
»Ja, aber es geht mir gut -«, beginne ich, überfordert von der ungewohnten Strenge in Mikails Stimme.
»Es geht Euch nicht gut!«, unterbricht Mikail mich scharf. »Seit wir hier gelandet sind, geht Ihr rücksichtslos mit Eurer Gesundheit um. Eure Fähigkeiten mögen außergewöhnlich sein, aber Ihr seid immer noch ein Mensch!«
»Das ist mir bewusst«, erwidere ich nun mit etwas mehr Nachdruck. Ich weiß nicht, was aus dem immer freundlichen Mikail geworden ist, aber dieser Mikail ist mir eindeutig zu frech. Wer denkt er, wer er ist?! »Morgen werde ich mich erholt haben, sodass wir weiter -«
»Das ist nicht der Punkt!« Offenbar hat mein Widerspruch ihn wütend genug gemacht, um mich zu unterbrechen und in mir steigt das Bedürfnis, seine Stimmbänder lahmzulegen. Ich beiße mir auf die Lippe. Ich habe schreckliche Kopfschmerzen und bin müde, was bedeutet, mir ist noch weniger als sonst danach, die liebe und nette Lorelai zu spielen.
Während ich um einen gefassten Gesichtsausdruck kämpfe, senkt Mikail den Kopf. »Verzeiht mir meine Respektlosigkeit, aber ich bitte Euch, tut so etwas nie wieder.« Er hebt den Kopf wieder und sieht mir fest in die Augen.
Ich starre zurück. Die wenigsten Männer können mir länger als ein paar Sekunden in die Augen sehen, bevor sie anfangen zu blinzeln, blöd zu grinsen und dann mit plappern anfangen. Mikail jedoch scheint damit kein Problem zu haben, was ich sehr unbefriedigend finde. Ab jetzt würde er zu den Leuten gehören, die ich nicht läutern würde. Auch wenn Hilena das bereits auf sich genommen hat, womit ich ihn indirekt geläutert habe.
»Ich schätze Eure Sorge um mich.« Nicht! Natürlich werde ich mich nicht noch einmal einer Überbelastung aussetzen, aber nicht, weil er es sagt! »Aber ich werde tun, was immer nötig ist, damit wir schnell zurück nach Libera gelangen.« Und ich werde auf dem Weg sterben! Wobei ich ein Auge auf Mikail haben sollte, nicht dass er mich wieder ‚rettet’.
Mikails Miene verdüstert sich. »Eure Heiligkeit -«, setzt er an, aber ich ziehe meinen Schleier über mein Gesicht. »Bitte entschuldigt, aber ich würde mich jetzt gerne ausruhen. Ich bin erschöpft.«
Mikails Fäuste ballen sich und ich denke schon, er würde es nicht auf sich beruhen lassen können. Aber dann steht er auf. »Natürlich, Eure Heiligkeit. Bitte ruht Euch aus und sagt es, falls Ihr etwas braucht.«
Er ist wirklich zu nett, denke ich, denn ich hätte ganz bestimmt niemandem meine Hilfe angeboten, der mich wütend gemacht hat. Und ich habe Mikail wütend gemacht. Warum auch immer, aber er verlässt mit schnellen Schritten die Lichtung, auf der wir uns niedergelassen haben und lässt sich nicht einmal von Estella aufhalten, die seinen Namen sagt.
Konstruktive Kritik ist immer erwünscht. Schreib mir, was du denkst und hilf mir damit weiter :)
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