Nach ihrem Gespräch mit Kosuke geht Rem sofort nach Hause, um sich kalt abzuduschen. So warm ist es zwar noch nicht, aber Kosuke wiederzusehen und ihm zu sagen, was sie ihm seit Monaten sagen wollte, hat sie nervöser gemacht, als sie dachte. Dann setzt sie sich im Pyjama aufs Bett und versucht, sich mit ihrem Laptop abzulenken. Sie überlegt, sich einen Film anzuschauen, aber sie ist noch zu keiner Entscheidung gekommen, als es an der Tür klingelt.
Rem wirft einen misstrauischen Blick Richtung Tür, aber sie stellt den Laptop auf dem Stuhl neben ihrem Bett ab, der als Ersatznachttisch dient, und steht auf. Sie schaut durch den Türspion und als sie erkennt, wer draußen steht, senkt sie den Arm, den sie nach einer Jacke in ihrer Garderobe ausgestreckt hat.
Sie öffnet. »Was tust du denn hier?«, fragt sie Inouye etwas barsch, während sie sich daran erinnert, dass sie nicht gut auf ihn zu sprechen ist.
»Bist du allein?«, fragt er, statt ihr eine Antwort zu geben, und sieht an ihr vorbei in die Wohnung. Er trägt eine Trainingshose und eine ärmellose Jacke über seinem Shirt, unter deren Kapuze seine feuchten Haare zu sehen sind, als hätte er vor kurzem geduscht. Außerdem hat er eine Sporttasche bei sich.
»Natürlich bin ich allein. Wieso fragst - « Weiter kommt sie nicht.
Inouyes Tasche rutscht von seiner Schulter, als er einen Schritt vor macht und sich herunterbeugt, um die Tasche in ihrer Garderobe abzustellen. In derselben Bewegung schlingt er seinen Arm um Rems Taille und drückt seine Lippen auf ihre.
Rem gibt ein überraschtes Quieken von sich, das ihr peinlich gewesen wäre, wenn sie nicht so überrascht wäre. Sie stolpert zurück, nur um zu hören, wie Inouye, die Tür hinter sich zuzieht und ihr folgt. Ohne dabei aufzuhören, sie zu küssen.
Rem legt die Hände auf seine Schultern und schiebt ihn zurück. »Warte«, bringt sie tonlos und etwas außer Atem heraus. »Was soll das? Ich dachte, du wolltest das nicht mehr.«
»Wann habe ich das gesagt?«, flüstert er mit tiefer Stimme, während er sich erneut zu ihr herunterbeugt.
Rem will zurückweichen, aber er lässt sie nicht los und folgt ihr erneut. »Es war nicht nötig, etwas zu sagen. Ich weiß, dass diese Frau, die aus - «
»Rem!«
Sie stockt, irritiert davon, ihn ihren Namen sagen zu hören.
»Ich bin nicht hier, um zu reden.« Inouye nimmt den Arm von ihrer Taille und umfasst ihr Gesicht mit beiden Händen. »Wenn du willst, dass ich gehe, sag es. Wenn nicht, halt die Klappe.«
Rem öffnet empört den Mund, doch diesmal kommt sie nicht einmal dazu, etwas zu sagen. Er presst seine Lippen wieder auf ihre und nutzt die Tatsache, dass ihr Mund offen ist, um seine Zunge hineinzuschieben. Es ist ein vertrautes Gefühl und doch ist etwas Drängendes an dem Kuss.
Dann löst er sich von ihr, um sie fragend anzusehen.
Rem blinzelt. Sie sieht Inouye an, der sie seinerseits mit einem so intensiven Blick anstarrt, dass sie beinah vergisst, was er von ihr hören will. Dann nickt sie.
Inouye atmet auf und der Anflug von einem Lächeln umspielt seine Lippen. Und dann wird Rem in die Luft gehoben. »Uwah!«, macht sie, bevor sie auf dem Bett landet. Mit immer noch klopfendem Herz sieht sie sich um und fragt sich, wann sie vom Eingang bis zum Bett gekommen sind. Es raschelt und Rem richtet ihren Blick wieder auf Inouye.
Er steht vor ihr, den Saum seines Shirts in Händen und zieht es sich über den Kopf. Sie beobachtet, wie er es achtlos auf den Boden fallen lässt. Seine Haare sind zerzaust und die bleibende Feuchtigkeit lässt sie nur wilder erscheinen. Es passt zu dem Blick in seinen Augen, während er auf Rem hinabschaut.
Sie schluckt, während sie seinen Blick erwidert.
Das Bett knarrt, als er über sie klettert. Seine Hände packen ihre Taille und schieben sie weiter die Matratze hinauf. Dabei rutschen sie unter ihr Schlafshirt und sie spürt seine warmen Handflächen ihre Seiten hinaufstreichen. Sie keucht leise und hebt die Arme über den Kopf, damit er es ihr ausziehen kann. Es landet irgendwo hinter ihm und kaum hat Rem ihre Arme wieder gesenkt, werden ihre Handgelenke gepackt und in die Matratze gedrückt.
Verwirrt sucht sie seinen Blick, aber er hat das Gesicht bereits in ihrer Halsbeuge vergraben. Der frische Duft von Shampoo steigt ihr in die Nase und seine Haare kitzeln ihre Wange. Die sanfte Berührung steht im Kontrast zu seinen Lippen, die er so drängend gegen ihren Hals presst.
Rem schnappt nach Luft, als sie seine Zähne spürt, die sich unbarmherzig in ihre Haut graben. »Inouye...das ist - «
»Kohei.«
Rem blinzelt.
Inouyes Atem streicht über ihren Hals, während seine Lippen zu ihrem Ohr wandern. »Kein Grund so verdammt höflich zu dem Kerl zu sein, der dich sowieso schon flachlegt«, raunt er ihr zu und Rem erschaudert. Er neigt zu einer rohen Ausdrucksweise, wenn sie miteinander schlafen. Eine Angewohnheit, die überhaupt nicht zu seinem perfekten Auftreten bei der Arbeit passt.
»Mnh!« Sie wimmert, als er mit der Zunge die Konturen ihres Ohres nachfährt. Ihre Hände ballen sich zu Fäusten, während sie versucht ihre Arme aus seinem Griff zu befreien, aber er rührt sich kein Stück. »Das ist nicht fair!«, stöhnt sie und strampelt mit den Füßen, was jedoch nur dazuführt, dass Inouye seine Beine mit ihren verkeilt.
Aber er hebt den Kopf. Und dann zieht er ihre Arme nach oben. Rems Handgelenke werden über ihrem Kopf zusammengepresst und nun braucht er nur noch eine Hand dafür.
»Hey!«, beschwert sie sich, nur um sich im nächsten Moment auf die Lippe zu beißen.
Seine freie Hand streicht über ihre Seite und Rem bekommt gegen ihren Willen eine Gänsehaut. Seine Hand wandert höher und greift ihre linke Brust. »Wenn du willst, dass ich netter bin, musst du nur fragen.« Ein höhnischer Unterton schwingt in seiner Stimme mit und Rem wirft ihm einen verärgerten Blick zu. Nur um dann zu stöhnen, als er ihre Brust fester packt.
»Mistkerl!«, bringt Rem trotzig heraus, während sich ihr Körper unweigerlich ihm entgegen wölbt.
»Also nicht«, sagt Inouye mit ärgerlich gefasster Stimme und seine Hand lässt von ihrer Brust ab und wandert ihren Bauch hinab. »Gut. Dann muss ich nicht vorsichtig sein.« Seine Finger erreichen den Saum ihrer Hose und Rem hält den Atem an. Aber sie starrt ihn mit festem Blick an, nicht bereit eine Niederlage einzugestehen.
Rem erwacht mit einem Stöhnen. Sie dreht sich auf den Rücken und verzieht das Gesicht. Ihre Kehle fühlt sich sandig und trocken an und ihr Körper schmerzt an so einigen Stellen. Es erinnert sie an ein paar Wochen zuvor, als sie die Monatsendauswertung verloren hat, nur dass es da nicht so schlimm gewesen ist. Außerdem wurde sie von Inouye geweckt, der für sie kocht.
Sie wirft einen Blick neben sich. Obwohl es seine Schuld ist, besitzt er die Frechheit, seelenruhig zu schlafen.
Rem müht sich aus dem Bett und geht ins Bad, wo ihre Verärgerung von neuem aufflammt, als sie einen Blick in den Spiegel wirft. Ihr Hals und ihre Schultern sind mit Malen und Bissspuren übersehen und als sie an sich hinuntersieht, entdeckt sie noch mehr. Sie schnalzt mit der Zunge und wendet sich vom Spiegel ab.
Als sie aus dem Bad kommt, eingehüllt in einen Bademantel, ist Inouye aufgewacht. Er sitzt auf dem Bett und reibt sich verschlafen den Kopf. »Guten Morgen.«
Rem verschränkt die Arme vor der Brust.
Er runzelt die Stirn. »Was ist los?«
Zur Antwort zieht Rem den Ausschnitt ihres Bademantels auf, sodass er einen guten Blick auf ihren Hals und ihre Schultern haben kann. »Siehst du das?«, fragt sie mit vorwurfsvoller Stimme. »Ich sehe aus, als hätte ich einen schlimmen Ausschlag.«
Inouye blinzelt und er mustert sie. »So schlimm ist es nicht…«, murmelt er dann mit wenig überzeugender Stimme.
Rem geht auf ihn zu. »Dir ist aufgefallen, wie warm es draußen ist, ja?! Soll ich morgen vielleicht in einem Rollkragenpullover zur Arbeit gehen?!«
»Abdeckstift?«
»Der dann von meinem Kragen abgerieben wird?«
Er hebt ergebend die Hände. »Tut mir leid, das war keine Absicht.«
Rem sieht ihn zweifelnd an.
Er erwidert ihren Blick und ein selbstgefälliges Funkeln tritt in seine Augen. »Außerdem hat es dir doch gefallen.«
Sie antwortet nicht sofort. Er hat nicht unrecht. Es ist wie eine Saufparty. Am Abend ist es toll, aber am nächsten Morgen nicht mehr so. Das will sie ihm aber nicht sagen. »Du wurdest abserviert«, sagt sie stattdessen, um auf das Thema zu kommen, das jetzt wirklich wichtig ist.
Inouye blinzelt verdutzt. »Was?«
»Von dieser Frau, um die du dich in letzter Zeit so bemüht hast. Ich weiß, dass du unser Verhältnis ihretwegen beenden wolltest und gestern bist du früher gegangen, um sie vom Flughafen abzuholen.«
Er sieht sie irritiert an. »Woher weißt du, dass ich zum Flughafen gefahren bin?«
Rem schnaubt leise. »Wusste ich nicht.«
Seine Miene verdüstert sich etwas, als ihm klar wird, dass sie nur eine Vermutung ausgesprochen hat. »Gut. Ich war beschäftigt, aber ich wurde nicht abserviert!«
»Dann was?«
»Gar nichts!«
Rem setzt sich aufs Bett und hält ihm ihre Handgelenke hin. Sie sind von gestern noch immer gerötet.
Inouye starrt einen Moment auf ihre Handgelenke, dann streckt er die Hand danach aus und berührt das linke vorsichtig. »Das wollte ich nicht, tut mir leid«, sagt er und klingt dieses Mal sehr viel reuevoller als zuvor.
»Ich bin nicht aus Zucker«, sagt Rem, da sie ihn nicht dafür beschuldigen wollte. Aber jetzt, wo sie darüber nachdenkt, hat sie kein Recht, ihn so zu verhören. Es war ihre Entscheidung, gestern mit ihm zu schlafen, und jetzt kann sie deswegen nicht wütend auf ihn sein. Sie seufzt und versucht, ihren Ärger zu verdrängen. »Du musst mir nicht sagen, was los ist, aber Verantwortung solltest du trotzdem übernehmen.«
Er runzelt die Stirn. »Was heißt das?«
»Frühstück. Ich hab Hunger.« Sie deutet auf ihre Küche.
Inouye folgt ihrer Geste mit den Augen und sieht dann wieder sie an. Dann lacht er auf.
Während Inouye Frühstück macht, rätselt Rem, was sie aus der Situation machen soll. Er benimmt sich wieder wie immer, aber von seinem Verhalten von gestern ist offensichtlich, dass Rem mit ihrer Vermutung über ihn und diese Frau recht hat.
Sie sind nicht immer zärtlich miteinander, eigentlich ist das sogar eine Seltenheit. Aber gestern hat er nicht versucht, ihr seine Überlegenheit zu beweisen. Es kam ihr eher wie eine unbewusste Geste vor, als hätte er alles um sich herum vergessen wollen und sie festgehalten, um zu verhindern seine Ablenkung zu verlieren. Sie kann das sogar verstehen. In gewisser Weise hat sie dasselbe mit ihm nach ihrer Trennung mit Kosuke gemacht. Trotzdem ist ihr nicht wohl bei dem Gedanken, eine Ablenkung für ihn zu sein.
Nur das zu erklären ist schwer. Würde sie sagen, dass es ihr unangenehm ist, wenn er sie als eine Art Rückabsicherung benutzt, falls die Frau, mit der er eigentlich schlafen will, ihn zurückweist, oder wenn er an eine andere Frau denkt, während sie miteinander schlafen, würde sie gegen die von ihnen aufgestellten Regeln verstoßen. Ihre Beziehung ist rein körperlich und seine Gründe mit ihr zu schlafen oder seine Gedanken gehen sie nichts an. Es würde außerdem den Anschein erwecken, dass sie Gefühle für ihn hätte, und das will sie auf keinen Fall. Was bedeutet, sie muss sich so distanziert und beherrscht wie möglich verhalten.
Als das Frühstück fertig ist und sie beide am Tisch sitzen, sieht Rem ihn entschlossen an. »Ich werde dich nicht mit deinem Vornamen anreden.«
Er erwidert ihren Blick verdutzt.
»Das wolltest du doch gestern«, sagt sie, etwas irritiert von seiner Reaktion.
Er blinzelt und sein Blick huscht zu Seite. »Ich dachte, du würdest nichts ernst nehmen, dass ich sage, während wir es tun.«
»Das gilt nicht für Aufforderungen«, erwidert sie und fragt sich, warum er beleidigt klingt. »Und ich verstehe, was du meinst, aber wenn wir anfangen, uns mit Vornamen anzureden, wenn wir unter uns sind, besteht die Gefahr, dass das auf der Arbeit passiert.« Sie sieht ihn ernst an, um ihm zu zeigen, dass sie nicht vergessen hat, dass er gestern ihren Vornamen benutzt hat.
Inouye sieht sie einen Moment stumm an, dann lacht er. »Du nimmst das so ernst.«
Rem runzelt die Stirn. »Wenn du nicht willst, dass ich etwas ernst nehme, solltest du es nicht sagen!«, braust sie auf. Sie kann es nicht leiden, wenn andere sich darüber lustig machen, dass sie etwas ernst nimmt.
Inouye sieht sie überrascht an. »Eigentlich war das als Kompliment gemeint«, sagt er dann. »Ich mag es, dass du alles, was ich sage, ernst nimmst.«
Rem schmälert die Augen. Auf der einen Seite weiß sie nicht, wie sie darauf reagieren soll, auf der anderen Seite wirkt Inouye plötzlich abwesend, als würde er sie nicht hören, selbst wenn sie etwas sagen würde. Und so senkt sie ihren Blick auf ihr Essen.
Sie beenden das Frühstück im Stillen und Inouye verabschiedet sich, nach dem er den Abwasch gemacht hat. Angeblich damit Rem sich für den Rest des Tages ausruhen kann, aber auf diese Weise kommt sie nicht dazu, mit ihm zu reden und zu klären, wie es von nun an weiter gehen soll. Oder um es treffender zu sagen: Weil er sich wieder wie immer benimmt, ist es schwer etwas zu sagen. Sie will nicht, dass er denkt, dass sie sein Verhalten zu ernst nimmt. Immerhin sollte ihr Verhältnis von Anfang an nichts Ernstes sein.
Der folgende Montag ist ausgesprochen normal. Abgesehen davon, dass Rem von einigen gefragt wird, ob sie krank ist, weil sie ein Halstuch trägt. Rems Ausrede ist ein dicker Mückenstich, den sie verbergen will, woraufhin niemand weiter nachfragt. Die einzige Person, die ihr keine Fragen zu dem Halstuch stellt, ist Mori.
»Seit wann wissen Sie es?«, fragt Rem schließlich, als sie nach der Arbeit in dem gewohnten Restaurant sitzen und sie genug getrunken hat, um sich nicht um die Konsequenzen ihrer Frage zu sorgen. Und da Yamato gerade auf die Toilette gegangen ist, ist es eine gute Gelegenheit.
Mori sieht sie neugierig an und Rem zupft an ihrem Halstuch.
Erheiterung blitzt in Moris Augen auf. »Oh, Sie meinen, seit wann ich weiß, dass Ihre Mücke mit uns arbeitet?« Sie kichert über ihren Witz. »Bevor ich das beantworte: Denken Sie nicht, dass es an der Zeit ist, dass wir aufhören, so förmlich miteinander zu sprechen?«
Rem sieht sie überrascht an.
»Wir arbeiten jetzt schon so lange zusammen und wenn wir anfangen über Männer zu reden, möchte ich, dass Sie mich Akira nennen.«
Rem blinzelt. Sie wollte nie tiefgehende Beziehungen mit Kollegen eingehen, um zu verhindern, dass ihre Arbeit durch persönliche Gefühle beeinträchtigt wird, aber unter den Umständen, kann sie das kaum noch als Grund vorbringen. Außerdem ist ihre Liste an Freundinnen nicht gerade lang. Sie lächelt. »Natürlich.«
»Juhu!« Mori hebt die Hände in einer triumphierenden Geste und lacht. »Also, wie lange geht das schon?«
Aber Rem schüttelt den Kopf. »Ich möchte zuerst wissen, wie Sie es herausgefunden haben.«
»Du«, verbessert Mori. »Na gut, ich gebe zu, sicher bin ich mir erst seit heute. Aber ich dachte, er muss etwas damit zu tun haben, dass du aufgehört hast, dich in die Arbeit zu stürzen, als gäbe es nichts anderes.«
Rem mustert Mori. Sie vermeidet höflich das Thema von Rems Trennung, auch wenn Rem weiß, dass mittlerweile wohl alle in der Abteilung Bescheid wissen. Immerhin hat sie aufgehört Päckchen zu bestellen und geht abends mit ihren Kollegen trinken, was sie früher nie getan hat. Das ist auch einer der Gründe, weshalb Mori und sie erst jetzt anfangen, sich zu duzen.
»Außerdem hat er seit einer Weile diesen hungrigen Blick in den Augen, wenn er dich ansieht. Und er sieht dich oft an.«
Rems Augen huschen unwillkürlich zu Inouye, nur um festzustellen, dass er tatsächlich in ihre Richtung schaut und sie sieht schnell wieder zu Mori.
Mori kichert. »Nichts hilft besser über einen Mann hinweg, als ein anderer, so sagt man doch.«
Rem trinkt und fragt sich, ob es möglicherweise doch keine so gute Idee war, mit Mori darüber zu reden.
»Leider klappt das bei mir nie.« Mori seufzt tief. »Das liegt an meinem Typ. Ich steh total auf süße Nerds, aber die sind so schwer zu treffen.«
Rem sieht wieder zu Mori. Wahrscheinlich sollte sie etwas dazu sagen, aber sie weiß nicht was. Sie ist schon immer gut darin gewesen, Diskussionen zu führen, aber persönliche Unterhaltungen fallen ihr schwer, besonders wenn es um ein so privates Thema geht.
»Du weißt schon. Die schüchterne Sorte, die rot wird und stottert, wenn sie sich mit einer Frau unterhalten müssen.« Mori kichert erneut und diesmal klingt sie dabei etwas verschlagen.
»Kosuke war so«, sagt Rem, ohne darüber nachzudenken. Ein Bild von Kosuke aus ihrer Schulzeit geht ihr durch den Kopf. Das erste Mal, dass sie miteinander zu tun hatten, war bei einer Gruppenarbeit. Sie wollte eine gute Note bekommen und war entsprechend verärgert über Kosukes Zaghaftigkeit, wann immer sie mit ihm ihr Vorgehen besprechen wollte. Damals hat sie nicht verstanden, was vor sich ging oder was seine Intention war, als er ihr einige Wochen später ein paar Mangazeichnungen gegeben hat, um sie nach ihrer Meinung zu fragen. So hat es angefangen, auch wenn es noch fast ein Jahr dauerte, bis Kosuke endlich den Mut fand, sie nach einem Date zu fragen.
Früher hat sie das auch unheimlich niedlich gefunden. Heute kann sie nicht anders, als sich zu fragen, wie lange er gebraucht hat, um diese andere Frau ins Bett zu bekommen. Der niedliche Schuljunge aus ihrer Erinnerung hätte nie den Mut dazu gehabt.
»Und jetzt hast du dir das komplette Gegenteil ausgesucht?« Mori sieht zu Inouye, der am Nebentisch in ein intensives Gespräch mit Murasaki vertieft ist.
»Es ist nichts Ernstes«, sagt Rem, woraufhin Mori ihren Blick wieder ihr zuwendet.
»Verstehe. Er wirkt auch nicht, wie der Typ zum Kuscheln.«
Rem blinzelt, erneut unsicher, wie sie darauf reagieren soll.
Mori sieht wieder zu Inouye. »Na ja, er wirkt wie einer dieser ‚männlichen‘ Typen, die ins Fitnessstudio gehen und mit ihren Muskeln protzen. Aber mir sind weiche und handliche Typen lieber. Und ich finde zierliche Männer unglaublich sexy.«
Rem rollt mit den Augen, während sie im Kopf Inouye und Kosuke vergleicht. Es liegt wahrscheinlich zum größten Teil daran, dass sie es nicht mehr objektiv beurteilen kann, aber sie ist nicht einer Meinung mit Mori. »Hah«, macht sie, als sie sich daran erinnert, dass sie Kondo immer für oberflächlich gehalten hat, wegen ihrer Schwärmerei für Inouye. »Breite Schultern bei einem Mann sind dann wohl wie große Brüste bei einer Frau. Das macht mich dann zum selben Typ, wie die Männer, die Frauen nur auf die Brüste schauen.«
Mori sieht sie verdutzt an. Dann prustet sie los. »Nur erfolgreicher offensichtlich.«
Rem zuckt mit den Schultern. »Seine Schuld. Er dachte, es würde mich einschüchtern, wenn er ein bisschen aufdringlich wird.«
»Hat es geklappt?« Mori runzelt die Stirn und Rem schnaubt. »Was glaubst du?«, fragt sie, während sie ihr Glas hebt.
»Oho, mutige Frau! Nichts anderes habe ich von dir erwartet!« Mori hebt ebenfalls ihr Glas und prostet Rem zu.
Yamato, die sich gerade wieder zu ihnen setzt, mustert sie beide neugierig.
»Ms. Yamato, Rem und ich haben gerade beschlossen, die Förmlichkeiten sein zu lassen. Was sagen Sie? Wollen Sie sich uns anschließen?«
Yamato blinzelt und sieht dann überrascht zu Rem. Ein Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht und sie nickt.
»Sehr gut, dann nenn ich dich von jetzt an Ami. Wir reden gerade über Männer.«
Yamato blinzelt erneut, als wäre sie überrumpelt, aber dann rückt sie näher an den Tisch heran und sieht Mori erwartungsvoll an.
»Rem ist gerade in einer offenen Beziehung mit einem Proleten und ich schmachte Nerds an. Wie stehts bei dir?«
»Oh«, macht Yamato und ihr Blick zuckt erneut zu Rem. »Ich hab seit drei Monaten einen neuen Freund«, sagt sie dann und errötet dabei niedlich. Sie sieht erneut zu Rem. »Aber ich dachte, dass Ms. Aozora auch einen Freund hat?«, fragt sie vorsichtig und sieht Rem unsicher an.
Auch Mori sagt diesmal nichts und wartet mit Neugier in den Augen, dass Rem etwas sagt.
Rem seufzt. »Wir haben schon vor einer Weile Schluss gemacht. Ich habe ihm zu viel gearbeitet.« Ein dreiviertel Jahr ist es jetzt her und sie kommt sich dumm vor, dass sie immer noch verheimlichen will, dass er sie betrogen hat. Eigentlich hat sie bisher nur ihren Eltern von sich aus von ihrer Trennung erzählt und dabei ist sie nicht ins Detail gegangen.
»Das war der Grund?«, sagt Mori und Rem ist überrascht über die Empörung in ihrer Stimme. »Du warst nicht einmal mit uns Trinken, als du noch mit ihm zusammen warst und bist immer direkt zu ihm gegangen!«
Yamato nickt zustimmend. »Sie sind so gut in unserem Job und Sie haben bestimmt noch eine große Karriere vor sich. Da hätte er Sie unterstützen müssen!«
»Du«, verbessert Mori auch sie und Yamato wirft Rem einen unsicheren Blick zu. »Ja, ich meinte, du…«
»Was hat er eigentlich gemacht?«, fragt Mori. »Du hast mal erzählt, dass er Mangas zeichnet, aber das klang mehr wie ein Hobby.«
»Er versucht, daraus seine Arbeit zu machen. Als wir noch zusammen waren, hat er ab und zu gejobbt, aber die meiste Zeit war er Zuhause und hat an seinen Mangas gearbeitet.«
Mori verzieht das Gesicht und sogar Yamato sieht nun empört aus.
»Was für eine Frechheit!«, sagt Mori mit etwas lauterer Stimme. »Du verdienst das Geld und ermöglichst ihm, sich auf seine Karriere zu konzentrieren, und dann beschwert er sich darüber?!«
»Das muss frustrierend gewesen sein.« Yamato sieht Rem voller Mitgefühl an.
Rem lächelt. Es fühlt sich gut an, zu hören, dass keiner der beiden eine Schuld bei ihr sieht und gleichzeitig merkt Rem, dass sie sich immer noch den einen oder anderen Vorwurf macht, was Kosuke angeht. »Aber er ist wirklich gut. Er hat es jetzt sogar geschafft, eine Geschichte an eine Zeitschrift zu verkaufen.«
Moris Augen schmälern sich. »Woher weißt du das?«
»Ich habe ihn am Samstag gesehen«, sagt Rem und wundert sich einen Moment, ob es tatsächlich der vergangene Samstag gewesen ist. Sie ist so mit Inouye beschäftigt gewesen, dass sie völlig vergessen hat, über Kosuke nachzugrübeln.
»Oh, sag nicht, dass er wieder zu dir zurückwollte!«, sagt Mori, aber Rem schüttelt den Kopf. »Das wird nicht passieren.« Rem weiß, dass es kein Zurück mehr gibt, zu der Zeit, bevor Kosuke sie betrogen hat. Wie glücklich wäre sie über seine veröffentlichte Geschichte gewesen, hätte er ihr damals davon erzählt.
Mori legt ihr eine Hand auf den Arm. »Wenn er sich nochmal mit dir treffen will, schreib mir. Man trifft manchmal dumme Entscheidungen, wenn es um einen Ex geht und da braucht man eine objektive Meinung.«
Rem bezweifelt, dass Moris Meinung objektiv ist, aber unrecht hat sie nicht.
Auch Yamato nickt eifrig. »Ms. Aozora ist viel zu nett. Ich will auch nicht, dass das jemand ausnutzt!«
Rem sieht sie überrascht an. »Ich bin nett?«
Yamato nickt erneut. »Immer wenn ich etwas nicht verstehe oder einen Fehler mache, kann ich mich auf Ms. Aozora verlassen. Ich hatte immer Angst, geschimpft zu werden, aber Ms. Aozora ist immer freundlich, sodass ich mich besser auf die Arbeit konzentrieren kann.«
»Wir haben doch gesagt, dass wir uns mit Vornamen anreden«, sagt Mori und Yamato wirft ihr einen Blick zu. »Stimmt, aber ich bin noch so daran gewöhnt…«, sagt sie und wirft Rem einen unsicheren Blick zu
Rem lächelt sie an, aber ihre Gedanken schweifen ab. Es ist nicht ihre Absicht gewesen, nett zu sein. Sie glaubt einfach nicht, dass es in irgendeiner Weise hilfreich ist, einen Kollegen für einen Fehler auszuschimpfen. Fehler passieren nun mal und man sollte sich darauf konzentrieren, sie zu beheben, anstatt sich darüber aufzuregen, dass sie passieren. Aber Yamatos Worte erinnern sie daran, dass das auch das gewesen ist, was Kosuke ihr gesagt hat. Damals bei der Gruppenarbeit in der Schule, als sie versucht hat, so mit ihm zu arbeiten, dass sie eine gute Note bekommen und er sich in sie verliebt hat, weil sie auf ihn zugegangen ist, anstatt ihm Vorwürfe zu machen.
Konstruktive Kritik ist immer erwünscht. Schreib mir, was du denkst und hilf mir damit weiter :)
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