Posterboy

Side Story 3

Das Klassentreffen

Kohei ist erschöpft, als er nach Hause kommt und das, obwohl Samstag ist und er kaum ein paar Stunden weg war. Wer hätte gedacht, wie anstrengend es sein kann, ein guter Schwiegersohn zu sein. Nach dem Treffen mit Rems Eltern hat Kohei eine Untersuchung all jener gestartet, die etwas gegen ihn haben könnten. Und was er bisher festgestellt hat, ist, dass er von mehr Leuten gehasst wird, als er dachte. Das stört ihn nicht, aber deswegen gibt es so viel zu tun.

Mit einem Seufzen schließt er die Wohnungstür, stellt seine Tasche ab und zieht seinen Mantel aus. »Rem?«, ruft er, nachdem er seine Schuhe neben ihre gestellt hat.

»Ich bin im Schlafzimmer«, ertönt ihre Stimme etwas gedämpft aus der Wohnung und Kohei folgt ihr in sein Schlafzimmer.

Rem steht vor dem Kleiderschrank, nur in Unterwäsche, und ihre feuchten Haare verraten, dass sie gerade aus der Dusche kommt. Er hat das Gästezimmer, aber da Rem in seinem Schlafzimmer schläft, wenn sie hier ist, hat er ihr etwas Platz im Kleiderschrank gemacht.

»Wie wars in der Boxhalle?« Kohei lehnt sich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen und während er Rem beobachtet, verfliegt seine Erschöpfung. Es gibt nichts Schöneres, als nach Hause zu kommen und von Rem erwartet zu werden.

»Oh, normal«, antwortet Rem und ihre Stimme klingt etwas angespannt, weil sie sich streckt, um in die Ablage über seinen aufgehängten Hemden zu greifen und ein Tanktop herauszuziehen. Es ist die unterste Ablage, aber für Rem ist sie trotzdem recht weit oben. »Ich glaube, Sakura hat sich in Ryonosuke verguckt. Sie fragt nur noch ihn um Hilfe, also ist es wie früher. Und wie liefs bei dir?« Sie dreht sich zu ihm um, während sie sich das Top über den Kopf zieht.

Kohei seufzt und löst sich vom Türrahmen, um sich aufs Bett zu setzen. »Fragst du, wie viele Leute ich heute gefunden habe, die mich bedrohen würden?«

Rem mustert ihn mit einer Sorgenfalte auf der Stirn und kommt auf ihn zu. »Du weißt, dass du das nicht tun musst.«

»Doch, es ist auch für mich gut zu wissen, wer es auf mich abgesehen haben könnte.« Er schenkt Rem ein Lächeln, die immer noch ein besorgtes Gesicht macht. Noch vor einer Weile hätte er Rem all das gar nicht erzählt, aber jetzt weiß er, wie gut es sich anfühlt, wenn sie sich Sorgen um ihn macht.

Er streckt die Hand nach Rem aus und als sie sie ohne zu zögern nimmt, zieht er Rem zu sich auf seinen Schoß. »Auch wenn es belastend ist, zu wissen, dass so viele Menschen bereit wären, mir etwas anzutun«, sagt er mit einem möglichst bemitleidenswerten Gesicht.

»Hm«, macht Rem und legt ihre Hand an seine Wange. Aber die Sorgenfalte ist von ihrer Stirn verschwunden. »So sehr kann es dich nicht belasten, wenn du schon Witze darüber machen kannst.« Wie gewöhnlich lässt Rem sich nicht von ihm täuschen.

»Und du könntest einfach so tun, als würdest du mir glauben«, sagt er, während er die Arme um sie schlingt.

Rem schmunzelt. »Wenn du Aufmerksamkeit von mir willst, musst du mir nichts vorspielen, weißt du?«, raunt sie, während sie sich näher zu ihm lehnt.

Kohei senkt den Blick auf ihre Lippen. »Was für ein uncooler Freund bettelt seine Freundin um Aufmerksamkeit an?«

Rem blinzelt und hält inne, sehr zu Koheis Missfallen. »Uncool, hm?« Dann drückt sie gegen seine Schultern, sodass er mit dem Rücken auf die Matratze fällt. Sie beugt sich über ihn, die Knie links und rechts von seiner Hüfte und eine Hand neben seinem Kopf aufgestützt, während sie mit der anderen ihre Haare zurückstreicht. »Wenn ich dich jetzt um Aufmerksamkeit bitten würde, wäre ich dann auch uncool?«

Kohei grinst und lässt seine Finger an ihren Oberschenkeln hinaufstreichen. »Ich weiß nicht. Probier es aus.«

Rem lacht leise, bevor sie sich zu ihm herunterbeugt.

Koheis Hände wandern zu ihren Hüften und rutschen unter ihr Top, während sich ihre Lippen gegen seine bewegen und ihre Zunge seinen Mund erkundet. Es ist der perfekte Moment, nachdem er die erste Hälfte des Tages mit ermüdender Arbeit verbracht hat. Wäre da nicht Rems Handy.

Das Klingeln ist leise, da es wohl irgendwo im Wohnzimmer liegt, aber Rem löst sich von ihm und richtet sich auf.

»Ich schwöre, das Ding hat einen Sensor dafür, wann es am meisten stört«, knurrt er genervt, während Rem von ihm hinuntersteigt.

»Tut mir leid, es dauert bestimmt nicht lang.« Rem schenkt ihm ein entschuldigendes Lächeln, bevor sie das Schlafzimmer verlässt.

Kohei seufzt, beschließt dann aber, den Moment zu nutzen, um ins Bad zu gehen und sich frisch zu machen.

Als er dann, in Shirt und Jogginghose, aus dem Bad kommt, telefoniert Rem immer noch.

»… überraschend. Er hat etwas erwähnt, aber das ist fast ein Jahr her.« Rem steht im Wohnzimmer, vor dem Fenster und reibt sich mit einem Fuß die Wade, während sie hinaussieht. »Natürlich. Herzlichen Glückwunsch.«

Kohei runzelt die Stirn, denn es klingt nicht so, als würde sie mit jemandem von der Arbeit sprechen. Aber für eine ihrer Freundinnen klingt es zu distanziert. Tatsächlich wirkt sie ungewöhnlich angespannt.

Er tritt hinter sie und legt die Arme um sie.

»Oh«, macht Rem und dreht den Kopf, um ihn über ihre Schulter hinweg anzulächeln. »Das stimmt, es wäre schön. Ich werde versuchen zu kommen, wenn nichts dazwischen kommt.«

Kohei legt sein Kinn auf Rems Schulter ab und mustert sie misstrauisch, während er sich weiter fragt, mit wem sie spricht. Er kann die Stimme einer Frau aus ihrem Handy hören, aber sie ist ihm unbekannt.

»Ja. Mich auch. Bis dann.« Rem legt auf und atmet geräuschvoll aus. »Das war eine ehemalige Klassenkameradin von mir. Sie hat ein Klassentreffen organisiert und mich eingeladen.«

»Und du willst nicht hingehen?«, fragt Kohei, da ihre Stimme ungewöhnlich verhalten klingt.

»Doch.«

Kohei runzelt die Stirn. »Aber?«

Rem antwortet nicht sofort und Kohei hebt seinen Kopf, damit sie sich umdrehen kann. Sie sieht zu ihm auf und kaut dabei auf ihrer Lippe herum. »Ich bin vielleicht ein bisschen nervös«, gibt sie zu und Kohei denkt, dass Rem besonders niedlich ist, wenn sie nervös ist. »Weswegen?«, fragt er, hin- und hergerissen zwischen seiner Neugier über das Telefonat und seinem Wunsch, da weiterzumachen, wo sie vor dem Anruf aufgehört haben.

Rem blinzelt und sieht zur Seite. »In der Schule war ich manchmal etwas ungeschickt«, sagt sie mit leiser Stimme und ein Grinsen zupft an Koheis Lippen, als sich ihre Wangen rosa färben. Es beeindruckt ihn immer wieder aufs Neue, wie jede einzelne Sache, die Rem tut, so verführerisch auf ihn wirkt.

»Du warst ungeschickt? Inwiefern?«

Sie rümpft leicht die Nase. Aber dann legt sie den Kopf zurück und schlingt die Arme um seinen Hals. »So wie Teenager halt sind«, antwortet sie, in dem offensichtlichen Versuch, sich vor einer Antwort zu drücken.

»Ich bin sehr neugierig, wie ungeschickt du als Teenager warst«, sagt Kohei, während er die Hände hinter ihrem Rücken verschränkt. Er kann sich nicht einmal vorstellen, wie eine ungeschickte Rem aussieht. War sie tollpatschig? Jemand, der vergisst einen Stift für eine Klausur mitzubringen? Oder ist sie oft in Fettnäpfchen getreten?

Eine kleine Falte erscheint zwischen Rems Brauen und sie presst die Lippen aufeinander. Sie sieht ihn einen Moment lang an, als warte sie darauf, dass er das Thema wechselt.

Als er das nicht tut, sagt sie: »Das Klassentreffen ist heute in drei Wochen. Du hast doch gesagt, dass du dich demnächst noch einmal mit meinem Vater treffen willst. Wie wäre es, wenn du denselben Tag wählst?«

»Versuchst du, eine dunkle Vergangenheit vor mir zu verstecken?«

Rem schlingt die Arme fester um ihn und geht auf Zehenspitzen. »Dann hätten wir nur einen Tag, an dem wir uns nicht sehen können.« Sie sieht zu ihm auf, die Wangen leicht gerötet, und einem scheuen Lächeln auf den Lippen.

»Hm, sie muss sehr dunkel sein, wenn du mich verführst, um davon abzulenken.«

Rem atmet verärgert aus, wobei ihr Atem über seine Lippen streift. »Wenn du das weißt, halt die Klappe«, wispert sie noch, bevor sie ihre Lippen auf seine drückt.

Natürlich ist Kohei immer noch neugierig, aber welcher Mann würde nicht schwach werden, wenn sich ihm seine leicht bekleidete Freundin an den Hals wirft? Außerdem kann er sie immer noch später über ihre Vergangenheit ausfragen.

Er löst seine verschränkten Hände und packt Rems Hüfte, um sie hochzuheben, sodass sie die Beine um seine Taille schlingen kann. Dann trägt er sie ins Schlafzimmer. Aber als er sie auf dem Bett ablegt, fällt sein Blick auf ihr Handy, dass sie immer noch in der Hand hält.

»Was ist?«, fragt Rem, mit leicht keuchender Stimme, als sich seine Miene verdüstert.

Statt einer Antwort zupft Kohei ihr das Handy aus der Hand und schaltet es aus. »Sicher ist sicher«, sagt er und legt es auf dem Nachttisch ab.

Rem runzelt die Stirn. »Ich erwarte keinen Anruf mehr.«

»Und trotzdem wirst du ständig angerufen«, erwidert Kohei, während er sich wieder über sie beugt. »So als hätte es sich jeder, der dich spontan anrufen will, zum Ziel gemacht, uns zu unterbrechen.«

»Das kommt dir nur so vor, weil es dich nicht stört, wenn uns der Anruf nicht unterbricht.« Rem lächelt sanft zu ihm auf, während sie die Hand nach seinem Gesicht ausstreckt. Ihre Finger streichen über seine Wange und Kohei greift nach ihrem Handgelenk. Er küsst ihre Knöchel, bevor er ihre Hand auf die Matratze drückt. »Es passiert trotzdem zu oft«, murmelt er, während er sich zu ihr hinunterbeugt.

»Das liegt daran, dass wir viel Zeit miteinander verbringen. Die Wahrscheinlichkeit, dass – mh!«

Kohei küsst sie, bevor sie mehr sagen kann. Da er sich nun keine Sorgen um eine weitere Unterbrechung durch ihr Handy machen muss, gibt es keinen Grund, sich zurückzuhalten.

Seit dem Treffen mit Rems Eltern arbeitet Kohei daran, Mr. Aozora zu beweisen, dass Rem an seiner Seite sicher ist. Er hat sogar im Büro einige Aufträge Rem überlassen, damit er mehr Zeit dafür hat und er ist zuversichtlich, dass er in drei Wochen bereit sein wird, Mr. Aozora von sich zu überzeugen. Es gibt also keinen Grund, sich deswegen den Kopf zu zerbrechen.

Kohei drückt auch Rems andere Hand in die Kissen, während er sich ihrem Hals zuwendet.

»Ah!« Rem zappelt unter ihm. »Kohei… nicht so fest.« Ihre Stimme klingt atemlos, was es Kohei erschwert, ihrer Bitte folge zu leisten. »Ich will keinen Schal am Montag tragen.«

Kohei grinst. »Etwas weiter unten also?« Ohne die Lippen von ihrer Haut zu lösen, geht er von ihrem Hals zu ihrem Dekolleté. Gleichzeitig lässt er eine von Rems Händen los, um die Träger ihres Tops und BHs zu packen und beides hinunterzuziehen.

Seine Zähne graben sich in ihre weiche Haut und Rem schnappt nach Luft. Ihre freie Hand packt seine Haare und er spürt, wie sie erschaudert. »Hah! Das – ah!« Sie zieht an seinen Haaren.

Kohei hebt den Blick, um Rems Gesicht zu sehen. Ihre Augen sind geschlossen, die Wangen gerötet und sie beißt sich auf die Lippe. Hitze schießt durch seinen Körper. »Noch weiter runter?«, fragt er mit heiserer Stimme und lässt auch Rems andere Hand los, um ihr Top nach oben zu schieben. Seine Lippen wandern zu ihrem Bauch.

»Ah! K-Kohei!«

Er erreicht den Rand ihres Slips und sie kann die Beine kaum stillhalten, sodass er sie festhält. Dann wirft er ihr einen Blick zu und sieht, wie sie ihren Handrücken über ihren Mund presst. Es gefällt ihm nicht, dass sie versucht, ihre Stimme zurückzuhalten und, ohne den Blick von ihr zu nehmen, hebt er ihr linkes Bein ein wenig und beißt in die Innenseite ihres Oberschenkels.

Rem gibt ein ersticktes Wimmern von sich und ein vorwurfsvolles Funkeln tritt in ihre Augen, während Kohei seine Zähne lässt, wo sie sind.

So sollte es sein. Er kann ihre Wärme unter seinen Händen und Lippen spüren, hört ihre atemlose Stimme und sieht, den hitzigen Blick in ihren Augen, während ihn der Duft von Jasmin umgibt. Er will seine Gedanken mit ihr füllen, anstatt über etwas nachzudenken, das nicht eintreffen wird. Drei Wochen sind mehr als genug. Nichts wird sich ändern und Rem wird an seiner Seite bleiben, so wie sie es jetzt ist.

Kitsune

Rem sieht auf ihre geröteten Handgelenke hinab. Seit dem Treffen mit ihren Eltern hat Kohei die Angewohnheit sie festzuhalten, auch wenn ihm das selbst nicht aufzufallen scheint. Er benimmt sich ansonsten nicht anders als zuvor, aber es passt zu ihm, seine Sorgen vor ihr zu verstecken.

»War ich das?« Koheis Hand, die bis eben locker auf Rems Taille gelegen hat, greift nach ihrem Handgelenk. »Tut mir leid. Ich habe nicht aufgepasst«, murmelt er, während er vorsichtig mit dem Daumen über die gerötete Stelle streicht.

Rem dreht den Kopf, um ihn anzusehen. »Das ist nicht schlimm. Es tut nicht weh und morgen sieht man es bestimmt nicht mehr.« Sie löst ihr Handgelenk aus seinem Griff, um ihre Finger mit seinen zu verschränken und schenkt ihm ein Lächeln. Und als sie sieht, dass er dennoch ein recht betrübtes Gesicht macht, fügt sie hinzu: »Es wäre langweilig, wenn du zu vorsichtig wärst.« Sie stützt sich hoch und hebt ihre verschränkten Hände, um einen Kuss auf seinen Handrücken zu drücken. Und es ist nicht gelogen. Einer der Gründe, die Rem dafür verantwortlich macht, dass es zwischen Kohei und ihr so gut läuft, ist, dass sie sich nicht zu viele Gedanken darüber machen, wie der jeweils andere sie sieht. Es ist ein Vertrauen, das zwischen Kosuke und ihr gefehlt hat. Außerdem fühlt es sich gut an, zu wissen, wie sehr er sie an seiner Seite behalten will

Kohei hebt eine Braue, aber ein Grinsen zupft an seinen Lippen. »Versuchst du, mich zu verführen?«

Rem lehnt sich über ihn. »Klappt es?«

Er lacht leise. »Immer.«

Zufrieden mit dieser Antwort, beugt sie sich hinunter zu ihm, um ihn zu küssen. Es fühlt sich gut an, mit ihm herumzualbern, so wie sie es immer tun.

Koheis Hand streicht ihre Haare zurück und als Rem sich von ihm löst, betrachten seine goldenen Augen sie mit einem warmen Blick. »Es ist bemerkenswert, wie du es schaffst, in jeder Hinsicht zu 100 % mein Typ zu sein.«

»Versuchst du jetzt, mich zu verführen?«

»Immer«, erwidert er grinsend.

Rem kichert vergnügt. »Ich war nach dem Training einkaufen, weil ich heute Abend kochen wollte. Hast du Hunger?«

»Hm, jetzt, wo du es sagts...«

Sie lächelt und küsst ihn ein letztes Mal, bevor sie sich aufrichtet, um aus dem Bett zu klettern. »Oh«, macht sie dann, als sie ihr Handy auf dem Nachttisch liegen sieht.

»Willst du nachsehen, wie viele Störenfriede abgeblockt wurden?«, fragt Kohei hinter ihr.

Rem schüttelt den Kopf und sieht über die Schulter. »Ach was. Ich werde nicht ständig angerufen.« Noch während sie spricht, beginnt das Handy in ihrer Hand zu vibrieren.

»Ja? Wie war das?« Koheis Stimme hat einen spöttischen Unterton und er lacht auf, als wolle er seine Erleichterung darüber kundtun, ihr Handy vorsorglich ausgeschaltet zu haben.

»Es ist nur eine Nachricht«, sagt Rem, jedoch nicht ganz bei der Sache, da die Nummer unbekannt ist. Aber ihre Vermutung, dass es sich um Asami, ihre ehemalige Klassenkameradin, handelt, bestätigt sich, als sie die Nachricht liest.

»Geht es um das Klassentreffen? Du musst mir noch sagen, wann genau es ist, wenn ich das Treffen mit deinem Vater zur gleichen Zeit planen soll.«

Rem starrt auf ihr Handy. »Muss ich das wirklich?«, fragt sie plötzlich mit frostiger Stimme und der Blick, den sie Kohei über die Schulter zuwirft, ist nicht weniger kühl.

»E-Eh?« Kohei macht ein verschrecktes Gesicht, aber Rem lässt sich davon nicht täuschen. »Weißt du nicht schon sehr genau, wann mein Klassentreffen stattfindet?«

»Woher soll ich das wissen?«, fragt er, wobei er schützend die Decke bis zu seinem Kinn hochzieht.

»Kosuke hat mir erzählt, dass Asami ein Klassentreffen plant, an dem Tag, als die Gründerfeier war. Du warst auch da.«

»Das habe ich nicht gehört. Und wenn, dann habe ich es vergessen. Was soll das überhaupt? Warum fragst du mich das?« Er klingt entrüstet und sie spürt nichts von der Gelassenheit, die er ausstrahlen würde, würde er lügen. Trotzdem mustert sie ihn aus schmalen Augen. »Es wäre nicht das erste Mal, dass du dich hinter meinem Rücken in mein Leben einmischst.«

»Aber diesmal habe ich nichts getan!« Er verschränkt die Arme vor der Brust und macht ein beleidigtes Gesicht. »Wieso sollte mich dein Klassentreffen interessieren?«

Rem dreht sich zu ihm um und hält ihm ihr Handy unter die Nase. »Dann ist es reiner Zufall, dass mein Klassentreffen, ein Treffen junger Erwachsener mit eher unterdurchschnittlichem Einkommen, im Emerald stattfindet, einem sehr teuren Luxushotel?«

Kohei starrt Rems Handy an, auf dem die Nachricht von Asami geöffnet ist, die Rem Zeit und Ort des Treffens mitteilt. Er blinzelt ein paar Mal, als wäre er überrascht, aber dann erscheint ein selbstgefälliges Grinsen auf seinem Gesicht. »Ha! Das hat offensichtlich nichts mit mir zu tun.«

»So?« Rem runzelt skeptisch die Stirn.

»Da stehts.« Kohei deutet auf ihr Handy. »‘Die zu erwartenden Kosten pro Person betragen etwa 30.000 ¥‘. Wenn ich meine Finger im Spiel hätte, müsstest du gar nichts bezahlen.« Er verschränkt die Arme hinter dem Kopf und lehnt sich in die Kissen zurück, als wäre die Angelegenheit damit geklärt.

»30.000 ¥ ist sehr wenig fürs Emerald«, sagt Rem, ohne den Blick von ihm zu nehmen. Natürlich sind schon 30.000 ¥ keine Kleinigkeit und es ergibt mit einem Mal Sinn, dass Asami den Betrag nicht am Handy erwähnt hat. Welches stinknormale Klassentreffen findet schon in einem Luxushotel statt.

»Wenn ihr den billigsten Gang gebucht habt...«, sagt er, klingt aber schon um einiges weniger überzeugend.

»Auch für den billigsten Gang bezahlt man pro Person nicht unter 50.000 ¥.«

»Haha, wirklich? Du bist aber gut informiert.«

Rem starrt Kohei mit Nachdruck an.

»Ich habe wirklich nichts damit zu tun.« Er hebt abwehrend die Hände. »Wieso glaubst du mir nicht?«

»Warum denkst du wohl?«, fragt Rem, unbeeindruckt von seinem schmollenden Tonfall.

»Hmpf!« Er wendet den Blick ab und da er sie nun nicht mehr ansieht, gestattet sie sich ein Grinsen. Er sieht niedlich aus, wenn er schmollt.

»Ich glaube dir unter einer Bedingung.«

»Wie kannst du mir unter einer Bedingung glauben? Entweder glaubst du mir oder du tust es nicht.«

Rem krabbelt wieder aufs Bett, um ihm ins Gesicht sehen zu können. »Versprich mir, dass du dich nicht einmischst.«

»Wieso sollte ich das tun?«

»Weil Kosuke vielleicht auch da sein wird.«

Koheis Augen weiten sich und bestätigen Rems Verdacht, dass er vergessen hat, dass Kosuke und sie zusammen zur Schule gegangen sind.

Dann verdüstert sich seine Miene und er schnaubt mit einem abfälligen Grinsen auf den Lippen. »Als ob dieser Bettler sich das Emerald leisten kann.«

»Versprich es.«

Sein Blick richtet sich verärgert auf sie. »Was denkst du, was ich tue?! Mr. Isobe anrufen und ihm sagen, dass er deinen Bettler-Ex nicht reinlassen soll?« Mr. Isobe ist der Manager des Emerald, dessen Bekanntschaft Rem nur flüchtig gemacht hat.

»Absolut.« Rem nickt, da das nach etwas klingt, das Kohei tun würde.

»Hast du wirklich so wenig Vertrauen in mich?«

Diesmal sieht Rem ihn nur stumm an. Es ist geradezu lächerlich, dass er sich beschwert, nachdem er Kosuke hinter ihrem Rücken verprügelt hat. Ihm Hausverbot im familieneigenen Hotel zu geben ist nichts verglichen damit.

Ein paar Sekunden verstreichen, in denen sich die beiden anstarren. Dann seufzt Kohei geschlagen. »Ich verspreche es.«

Rem lächelt zufrieden. Dann lehnt sie sich vor und drückt Kohei einen Kuss auf die Wange. »Ich geh dann kochen.«


 

Trotz Koheis Versicherung hakt Rem bei Asami nach, wieso das Klassentreffen ausgerechnet in einem Luxushotel stattfindet, bei dem sich einige zweimal überlegen, ob sie sich das leisten können. Sie bekommt die Antwort, als sie gerade fertig mit essen sind.

»Es hat anscheinend wirklich nichts mit dir zu tun«, murmelt sie, während sie die Nachricht noch einmal liest.

Kohei, der gerade ihre Teller in die Spülmaschine geräumt hat, dreht sich zu ihr um. »Hast du bis jetzt an mir gezweifelt?«, fragt er beleidigt.

»Jemand anderes aus meiner Klasse hat einen Bekannten, der im Emerald arbeitet und uns einen Rabatt geben kann. Und Asami schreibt, dass sie und die anderen Organisatoren vorhaben einen größeren Teil der Gesamtsumme zu übernehmen, damit sich niemand Sorgen ums Geld machen muss. Außerdem ist es eine einmalige Gelegenheit und blah blah blah…«, murmelt Rem, während sie die Zeilen überfliegt.

»Es gibt keinen Grund, überhaupt über Geld zu reden. Du isst im Emerald immer kostenlos.«

Rem wirft ihm einen Blick zu. »Du hast versprochen, dich nicht einzumischen.«

»Aber du hast doch gesagt, jemand lässt seine Beziehungen spielen, damit ihr einen Rabatt bekommt. Wieso kannst du das nicht auch?«

»Ein Rabatt auf eine große Gruppe ist etwas anderes, als völlig umsonst zu essen.«

»Wieso?« Kohei stützt sich auf der Anrichte auf und rollt mit den Augen. »Bei 30 Leuten sind das vielleicht 2.000.000 ¥. Glaubst du, das Emerald kann sich das nicht leisten?«

Rem starrt ihn an. »Du...du meintest vorhin, meine gesamte Klasse isst umsonst?«

»Die gesamte Klasse minus einen Bettler, wie klingt das?« Er grinst sie an.

Es ist einer dieser Momente, in denen Rem das Gefühl hat, Kohei und sie wären auf verschiedenen Planeten aufgewachsen. Sie schüttelt den Kopf. »Ich werde einfach bezahlen wie alle anderen«, sagt sie, denn 30.000 ¥ kann sie sich gut und gerne ohne Koheis Hilfe leisten.

»Wieso? Ich dachte, es stört dich, dass der Preis deine Klassenkameraden abschrecken könnte.«

»So einfach ist das nicht.« Rem lehnt sich gegenüber von ihm gegen den Tresen und verschränkt die Arme vor der Brust. »Shiroma, die mit dem Bekannten im Emerald, hat sich Mühe gegeben, all das einzufädeln. Es würde ihr nicht gefallen, wenn ich plötzlich daher komme und all das zunichtemache.«

Kohei runzelt die Stirn. »Aber wenn du das bessere Angebot hast? Wo ist das Problem?«

Rem weicht seinem Blick aus. Tatsächlich hat es sie kaum mehr überrascht, als sie erfahren hat, dass das ganze Shiromas Idee war. Sie erinnert sich an sie als jemand, der gerne zeigt, was er hat und Aufmerksamkeit und Bewunderung genießt. »Shiroma und ich hatten nicht das beste Verhältnis in der Schule. Ich glaube nicht, dass sie sich darüber freuen würde, wenn ausgerechnet ich noch bessere Beziehungen habe als sie. Außerdem will ich nicht an die große Glocke hängen, dass ich mit dem Enkel von Toshiro Inouye ausgehe.«

»Schämst du dich für mich?« Er zieht einen Schmollmund.

»Ich will nicht, dass jemand versucht, durch mich an dich heranzukommen. Oder an deinen Großvater.«

Kohei blinzelt. Dann runzelt er die Stirn. »Als ob das irgendjemand könnte. Du bist eine Betonwand. Und ein Klassentreffen ist dazu da, um zu zeigen, dass du im Leben viel weiter gekommen bist als alle deine Klassenkameraden.«

»Aber abgesehen von dir ist mein Leben nicht außergewöhnlich«, sagt Rem und beobachtet dann amüsiert, wie Kohei daraufhin ein stolzes Gesicht macht.

»Da hast du es. Du hast es geschafft, mich zu verführen, was vorher noch keine Frau geschafft hat.« Er stemmt die Hände in die Hüfte und sieht sie an, als wolle er ihr sagen, dass sie sich darauf etwas einbilden kann.

Rem legt sich eine Hand ans Kinn. »Aber das ist keine Leistung, mit der ich prahlen kann.«

Kohei lässt die Arme sinken. »Ich bin keine Leistung? Heißt das, ich bin leicht zu haben?«

»Das auch, aber ich meinte, dass ich mein Privatleben nicht zur Schau stellen will wie einen Preis.«

Kohei löst sich von der Ablage, um auf Rem zuzugehen. »Ich bin also leicht zu haben, ja?« Er packt ihre Hüfte und im nächsten Moment findet sie sich auf dem Tresen sitzend wieder. »So sehr, dass man nicht mit mir prahlen kann.«

»Das habe ich nicht gesagt.« Mit einem Lächeln beginnt sie, seine Wange zu streicheln. »Ich kann nicht mit dir prahlen, weil es die anderen zu sehr verunsichern würde. Es ist nicht nett, anderen unter die Nase zu reiben, wie viel besser man es hat als sie.«

Koheis Züge glätten sich und ein Lächeln kehrt auf seine Lippen zurück. »Wo hast du gelernt, dich so raffiniert einzuschmeicheln?«

»Nirgendwo.« Rems Daumen streicht über seine Unterlippe. »Wie du gesagt hast, du bist leicht zu haben.«

Eine Falte erscheint zwischen Koheis Brauen. »Hah…«

Sie spürt seinen Atem über ihren Daumen streichen, als er ausatmet und sie beißt sich auf die Lippe.

»Warst du schon immer so frech?« Es liegt ein herausfordernder Blick in seinen goldenen Augen, der sie erschaudern lässt. Es stimmt, dass sie es liebt, ihn zu provozieren, nur um diesen Blick zu sehen.

Rem grinst. »Ich weiß nicht. Vielleicht färbst du auf mich ab.«

»Ach so?« Er packt ihr Kinn. »Dann sollte ich Verantwortung übernehmen und dich zum Schweigen bringen.« Sein Blick richtet sich auf ihre Lippen.

»Hm, aber dann kann ich dich nicht auf ein Date einladen«, raunt Rem und Kohei hält inne, nur Zentimeter von ihren Lippen entfernt. »Ein Date?«

»Ja«, haucht sie mit einem Lächeln. »Ich will dich sehen, nachdem das Klassentreffen vorbei ist.« Eigentlich geht es dabei eher um sein Treffen mit ihrem Vater, denn sie weiß, dass es Kohei stressen wird, egal wie es ausgeht. Und selbst wenn Juro absagt, gibt es keinen Grund, kein Date zu haben.

Kohei blinzelt und ein Hauch von Rosa tritt auf seinen Wangen. Ein Lächeln erscheint auf seinen Lippen und ein Funkeln tritt in seine Augen wie bei einem Kind, das Geburtstag hat. »Als ob du das fragen musst«, sagt er, obwohl seine Reaktion allein die Frage wert gewesen ist.

Rem schlingt die Arme um seinen Hals, als er sie zu küssen beginnt, und vergräbt ihre Hände in seinem Haar. »Siehst du«, murmelt sie in einer Atempause. »So einfach.«

Kohei versteift sich. Er lehnt sich zurück, um sie mit einem ärgerlichen Blick anzusehen.

Rem grinst ihn unschuldig an, nur um dann erschrocken nach Luft zu schnappen, als er sie vom Tresen hebt und sich über die Schulter wirft.

»Wir werden ja sehen, wer hier einfach zu haben ist!«, grummelt er, während er mit ihr Richtung Schlafzimmer stampft.

Rem, nachdem sie sich von dem Schreck erholt hat, beginnt zu lachen. Sie weiß nur zu gut, dass sie, in Bezug auf ihn, genauso einfach zu haben ist.

Posterboy

»...das ist alles cool, aber ist das wirklich okay?«

Kohei sitzt auf seiner Couch und wartet darauf, das Rem aus dem Bad kommt, während er mehr aus Langeweile telefoniert. »Ich hab dir gesagt, was du tun sollst. Was ist so schwer daran zu verstehen?«

»Die moralische Korrektheit. Du verstehst schon, worum du mich bittest?«

Kohei antwortet nicht, da Rem in diesem Moment das Wohnzimmer betritt.

»Senpai?«

»Ich muss Schluss machen.«

»Hey! Senpai! Was ist mit - «

Kohei legt auf und steckt sein Handy in die Hosentasche, während er aufsteht.

»Was denkst du?«, fragt Rem und sieht an sich hinunter. Sie trägt ein stylisches weißes Jackett mit einer dazugehörigen weißen Hose, ein dunkelblaues Oberteil, das zu ihren Augen passt und, untypisch für sie, Highheels. Es muss Kondos Einfluss sein, denn Kohei weiß, dass sie Rem beraten hat.

»Du siehst toll aus«, sagt Kohei mit einem Lächeln, während er auf sie zugeht. »Wie ein Model, das Mode für erfolgreiche Geschäftsfrauen bewirbt.«

Rem mustert ihn mit einem Blick, der ihm sagt, dass sie sein Kompliment einfach überhören wird. »Das Weiß ist nicht zu auffällig? Es ist auch nicht die beste Wahl für eine Veranstaltung mit Essen.«

»Ich traue dir zu, beim Essen nicht zu kleckern«, erwidert Kohei amüsiert und streicht ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. Sie hat die Haare offen gelassen, wodurch ihr Look weniger förmlich wirkt und die großen Ringohrringe haben etwas von einem Partygirl. »Aber ich würde andere Ohrringe tragen«, sagt er, während er die Ohrringe mustert. Er kann sich nicht vorstellen, dass sie Rem gehören, also müssen es Kondos sein.

»Wieso? Sind sie unpassend?« Rem tastet mit der Hand nach ihrem Ohr, während sie Kohei mit besorgtem Blick ansieht.

»Nein, ich habe nur einen besseren Vorschlag.« Er lächelt beruhigend und greift in die Tasche seines Jacketts. Ihm ist aufgefallen, wie unruhig Rem dem heutigen Tag entgegengesehen hat und auch wenn er nicht genau sagen kann, woran es liegt, wollte er etwas dagegen unternehmen.

Er holt eine samtig blaue Schachtel hervor, hält sie Rem hin und öffnet sie. Darin glitzern ein paar Ohrringe mit langen Silberfäden, die, wie Kohei findet, perfekt zu Rems Outfit passen, und dass, obwohl er nicht wusste, was sie tragen würde.

»Oh«, macht Rem, während sie auf die Ohrringe hinabsieht.

»Und bevor du fragst, sie waren nicht teuer, also -« Er bricht ab, als Rem ihm eine Hand auf den Arm legt und sich vorbeugt, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. »Danke. Sie sind wunderschön.«

Kohei blinzelt verdutzt.

Rem lächelt ihn an und legt die Ringohrringe ab, offensichtlich um sie gegen seine auszutauschen. »Guck nicht so. Dachtest du, ich würde sie ablehnen.«

»Na ja, normalerweise wirst du wütend, wenn ich dir etwas schenken will.«

»Nein, ich...tut mir leid, ich will nicht, dass du das denkst.« Sie sieht ihn mit einem schuldbewussten Blick an, der jedoch bald zu einem konzentrierten wird, da sie immer noch damit beschäftigt ist ihre Ohrringe zu wechseln.

»Vielleicht glaube ich dir, wenn du dich noch einmal bedankst.«

Rem blinzelt und sieht fragend zu ihm auf.

Kohei tippt sich mit einem unschuldigen Lächeln auf die Wange.

Mit einem amüsierten Schnauben lehnt Rem sich erneut vor, doch als sie seine Wange küssen will, dreht Kohei in letzter Sekunde den Kopf, sodass sie stattdessen seine Lippen küsst. Sie lacht leise. »So frech«, murmelt sie, bevor sie die Arme um seinen Hals schlingt und ihn noch einmal küsst, richtig diesmal.

Ihre Lippen schmecken nach Lippenstift, aber Kohei stört das nicht und er legt die Arme um ihren Rücken, während er den Kuss erwidert. Es liegt vermutlich an seinem Treffen mit ihrem Vater, denn Rem ist in den letzten Tagen besonders liebevoll zu ihm gewesen. Und er genießt das in vollen Zügen, sodass er sich schon wünscht, er könnte das Treffen mit ihrem Vater nach hinten verschieben.

»Ich hab auch ein Geschenk für dich«, sagt Rem mit einem Grinsen, nachdem sie sich von ihm gelöst hat.

Kohei hebt eine Braue und fragt sich, was an ihrem Geschenk sie so zum Grinsen bringt.

Sie lässt ihn los, um zum Tisch zu gehen, auf dem ihre Tasche steht. Sie holt eine kleine Tüte hervor, bevor sie zu Kohei zurückkehrt und seine Hand nimmt.

Kohei betrachtet das schmale Silberkettchen, das sie an seinem Handgelenk befestigt. Es ist schlicht mit einer Plakette, in die eine Inschrift graviert ist. Seine Brauen ziehen sich zusammen. »Wieso steht da ‚Nummer zwei‘?«

»Damit du dich anstrengst«, sagt Rem und stemmt die Hände in die Hüften. »Du hast gesagt, Juro erinnert dich an mich und wenn du das Gefühl hast, dass du ihn nicht überzeugen kannst, dann guckst du das Armband an. Du hast nie aufgegeben zu versuchen, mich zu schlagen, also lass dich von Juro nicht unterkriegen.«

Kohei senkt den Blick auf sein Handgelenk. »Das ist so ein unhöfliches Geschenk.«

»Ich weiß.« Rem lässt die Arme sinken und ihr Grinsen verblasst etwas. »Aber heute Abend mache ich es wieder gut.«

»Wirklich?« Er streckt ihr auffordernd die Hände entgegen. »Ich bin neugierig wie.«

Rem lächelt, während sie seine Hände nimmt. »Dann musst du nach deinem Treffen zu mir kommen.«

»Ich hoffe, du hast dir etwas Besonderes überlegt. Ich vergebe nicht leicht.« Ursprünglich wollte Kohei Mr. Aozora ins Emerald einladen, um ihn zu beeindrucken und in Rems Nähe zu sein, aber wie beim letzten Mal hat Mr. Aozora bereits einen Tisch in einem Restaurant reserviert.

»Doch, tust du, aber ich geb mir trotzdem Mühe«, sagt Rem und senkt den Blick, wohl um das Armband zu betrachten.

»Das ist wieder deine Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie«, bemerkt Kohei mit einem tadelnden Blick auf sie. »Was versuchst du damit zu erreichen?« Er lässt ihre Hände los, um stattdessen ihre Hüften zu packen und sie zu sich zu ziehen.

Rems Hand streicht über seine Wange. »Willst du, dass ich nur noch nette Dinge zu dir sage?«

»Haah, versuchst du, dich mit mir anzulegen?«

»Wieso sollte ich das tun? Wir wissen beide, wie das ausgeht, Nummer zwei.«

Kohei schließt die Augen. »Du entwickelst ein wirklich bedenkliches Hobby.«

»Stört es dich?«, fragt Rem, aber sie klingt unbekümmert, während sie ihre Arme um seinen Hals schlingt. Und der Gedanke, dass jetzt wieder das Zuckerbrot an der Reihe ist, erfüllt ihn mit Erwartung.

»Im Gegenteil, das Bedenkliche ist, wie sehr mich das anmacht«, murmelt er noch, bevor er seine Lippen auf ihre drückt.

Entgegen ihrer frechen Worte sind Rems Lippen weich und sanft. Ihre Hand krault liebevoll sein Haar und als sie sich von ihm löst, drückt sie ihre Stirn gegen seine. »Ich liebe dich.« Ihre Worte sind nur ein leises Hauchen, aber Kohei hält den Atem an, als ein warmes Kribbeln durch seinen Körper geht.

Rem öffnet die Augen und sieht ihn an, die Wangen gerötet, aber ihr Blick ist klar. Es ist nicht das erste Mal, dass sie es zu ihm sagt, aber auch dieses Mal versagt ihm sein Kopf den Dienst und er kann Rem nur wie ein Idiot anstarren. Er sollte ihre Worte erwidern, aber er fühlt sich dazu nicht berechtigt, solange ihr Vater Kohei für ein Sicherheitsrisiko für Rem hält. Es hat nichts mit Feigheit zu tun. Er will nur alle Zweifel aus dem Weg räumen, für den Moment, wenn er es sagt. Und er ist motivierter denn je das zu tun. Was Rem, wie er vermutet, mit ihrem Geständnis beabsichtigt hat.

»Machst du dir Sorgen, dass ich abhaue?«, fragt er. Es ist als Witz gemeint, weil er nicht weiß, was er sonst sagen soll.

»Nein.« Im Gegensatz zu ihm antwortet Rem völlig ernst. Wie so oft sind ihre wunderschönen blauen Augen voller Ehrlichkeit. »Aber ich weiß, dass du dir Sorgen machst, auch wenn du es nicht zeigst. Und ich will nicht, dass du dir um irgendetwas Sorgen machst.« Ihre Hand rutscht zu seiner Wange und sie senkt den Blick auf seine Lippen, als sie mit dem Daumen darüber streicht. Aber anstatt ihn noch einmal zu küssen, legt sie die Stirn in Falten. »Mein Lippenstift ist auf deinen Lippen. Tut mir leid.« Offenbar versucht sie, den Lippenstift mit ihrem Daumen wegzuwischen.

»Das ist ein Problem. Was soll dein Vater von mir denken?«

»Gar nichts, du musst das abwischen, bevor du ihn triffst!«

Kohei lacht. An diesem Punkt wird es nichts ändern, egal wie sein Treffen mit Mr. Aozora ausgeht. Denn wie könnte er überhaupt in Erwägung ziehen, Rem zu verlassen?


 

Als Kohei in dem Restaurant ankommt, in dem er mit Mr. Aozora verabredet ist – es ist das, in dem auch ihr erstes Treffen stattgefunden hat -, wird er bereits erwartet. Und das, obwohl Kohei eine halbe Stunde zu früh ist.

»Guten Abend, Mr. Aozora«, sagt Kohei, nachdem die Bedienung hinter ihm die Schiebetür geschlossen hat und die beiden Männer allein sind. »Ich hoffe, Sie mussten nicht lange auf mich warten.« Er lächelt Mr. Aozora an, während ein vertrautes Gefühl in ihm aufsteigt. Wann immer er Rem einen Schritt voraus sein wollte, nur um festzustellen, dass sie ihm bereits zwei Schritte voraus war, genau dieses Gefühl ist es.

»Ich weiß, dass ich zu früh hier war. Ich habe mich darauf eingestellt zu warten.« Mr. Aozora lächelt nicht und Kohei denkt, dass er sich glücklich schätzen kann, dass er zur Begrüßung mit dem Kopf nickt.

Kohei stellt seine Tasche ab und setzt sich. »Vielen Dank, dass Sie eingewilligt haben, sich mit mir zu treffen.«

»Sie bedeuten Rem viel. Ich kann nachvollziehen, weshalb Sie glauben, ich hege eine Abneigung gegen Sie, aber dem ist nicht so. Es gibt keinen Grund, so vorsichtig zu sein.«

Kohei lächelt über diese sachliche und direkte Antwort. Es ist fast schon gruselig, wie sehr Rem ihrem Vater ähnelt. »Sie sind der Vater meiner Freundin, der mir bei unserem letzten Treffen gesagt hat, ich soll mich von seiner Tochter fernhalten. Wenn ich in dieser Situation gelassen sein könnte, hätte ich gar nicht um ein Treffen mit ihnen gebeten.« Er sieht Mr. Aozora bedeutungsvoll an, um ihm zu zeigen, wie wichtig dieses Treffen für ihn ist, so sehr, dass es ihn nervös macht.

Mr. Aozora nickt. »Das spricht wohl für Sie. Es war nicht meine Absicht, der böse Vater zu sein, der der Liebe seiner Tochter im Weg steht.«

»Nun, das sind Sie, aber ich hätte Sie nicht hergebeten, wenn ich keinen Plan hätte, um Sie von mir zu überzeugen.«

Mr. Aozora blinzelt, als wäre er überrascht. Dann wird sein Ausdruck sanfter und etwas, das einem Lächeln nahe kommt, zupft an seinen Lippen. »Ich denke, ich verstehe, was Rem in Ihnen sieht.«

Kohei spürt, wie ihm der Mund aufklappt. Hat er gerade ein Kompliment bekommen? Von Rems Vater? Er räuspert sich. »Danke«, sagt er, etwas schuldbewusst. Er hat nicht erwartet, dass Mr. Aozora sich für ihn erwärmen würde, was das Kommende nur schwerer macht. Denn sein Plan sieht nicht vor, dass Mr. Aozora ihn nach ihrem Gespräch mag.

Sie bestellen das Essen und kaum hat die Bedienung ihr Abteil wieder verlassen, zieht Kohei einen dicken Ordner aus seiner Tasche. »Lassen Sie mich gleich zum Punkt kommen, Mr. Aozora. Sie glauben, jemand wie ich hätte zu viele Feinde und dass Rem durch mich zur Zielscheibe werden könnte.«

»Nein.«

Kohei hält verdutzt inne und nimmt den Blick von seinem Ordner, um Mr. Aozora anzusehen.

»Ich weiß nicht, wie viele Feinde Sie oder Ihr Großvater haben. Aber ich denke, die Auseinandersetzungen zwischen Ihnen und, sagen wir, anders gesinnten Parteien fallen sehr viel extremer aus, als bei gewöhnlichen Menschen wie Rem und mir.«

»Damit haben Sie vermutlich recht, aber es läuft auf dasselbe hinaus.« Kohei richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Ordner. »Daher habe ich mir die Freiheit genommen, diejenigen zu überprüfen, die auf hinterlistige Methoden zurückgreifen würden, um etwas von meinem Großvater oder mir zu bekommen.«

Mr. Aozora sagt nichts und als Kohei ihm einen Blick zuwirft, betrachtet er den Ordner. Dabei hat er eine kleine Falte zwischen den Brauen und Kohei kann förmlich hören, wie er denkt, dass dieser Ordner sehr dick ist.

»Aber das sind nicht die einzigen Leute, die ich ausfindig gemacht habe.« Kohei schlägt den Ordner bei einem Trenner auf, der den Ordner etwa ein Drittel zu zwei Drittel teilt. »Das hier.« Er legt seine Hand auf den vorderen, dünneren Teil. »Sind meine Feinde. Und das hier.« Er bewegt seine Hand auf die andere Seite. »Das sind Ihre.«

Mr. Aozoras Brauen ziehen sich zusammen und ein warnendes Funkeln tritt in seine blauen Augen.

»Sie sind Staatsanwalt und ein guter noch dazu. Das bedeutet, dank Ihnen sind eine Menge Leute verurteilt worden und die meisten von ihnen hassen Sie dafür.«

Mr. Aozora schnaubt. »Sieht Ihr Plan vor, mir vorzuwerfen, ein größeres Sicherheitsrisiko für meine Tochter zu sein als Sie?«

»Ganz und gar nicht.« Kohei schenkt ihm ein charmantes Lächeln. »Ich möchte das Sicherheitsrisiko verringern.« Er blättert durch den Ordner, als würde er ihn durchsehen, obwohl er sich an die wichtigsten Punkte erinnert. »Vor einem Monat hat Ihnen nach der Arbeit jemand aufgelauert und Sie mit einer Glasflasche attackiert und erst vor zwei Tagen hat man Ihnen im Gerichtssaal mit dem Tod gedroht.«

»Woher wissen Sie das?«

Kohei hebt den Kopf und erwidert Mr. Aozoras frostigen Blick so gelassen wie möglich. Es gefällt ihm nicht, dass er seinem zukünftigen Schwiegervater eine seiner weniger attraktiven Seiten zeigen muss und er hätte liebend gern daran gearbeitet, stattdessen sein Wohlwollen zu gewinnen. Aber Mr. Aozora ist – wie Rem – jemand, der Entscheidungen mit einem kühlen Kopf trifft. Er hat Kohei gebeten sich von Rem fernzuhalten, aber dabei erklärt, dass er Kohei keine Schuld gibt und sich sogar indirekt bei ihm entschuldigt. Es ist eine Entscheidung, bei der Mr. Aozoras persönliche Gefühle für Kohei keine Rolle spielen. Das bedeutet, dass er, selbst wenn Kohei ihn dazu bringen könnte, ihn wie seinen eigenen Sohn zu lieben, seine Meinung nicht ändern würde.

»Es gibt eine Abteilung der Polizei, die damit beauftragt ist, verurteilte Straftäter im Auge zu behalten. Ich habe mir die Freiheit genommen, diese Abteilung zu fördern.«

»Sie meinen, Sie haben sie bestochen.«

»Nur ein wenig, schließlich ist es mir ein Anliegen, dass die Abteilung ihre Arbeit macht. Außerdem sind sie informiert worden, dass sie im Notfall die Hilfe des Sicherheitsdiensts meiner Familie anfordern können.«

Mr. Aozora gibt ein Zischen von sich. »Und ich nehme an, bei diesen Notfällen habe ich eine gewisse Priorität.«

»Selbstverständlich.« Kohei verschränkt die Hände auf dem Ordner miteinander, während er sich beiläufig etwas nach vorn lehnt. »Der Sicherheitsdienst meiner Familie beschützt in erster Linie Familienmitglieder.«

»Ich bin kein Familienmitglied!«

»Sie sind der Vater meiner Freundin, die ich plane, bald zu meiner Frau zu machen. Das reicht aus.«

Mr. Aozora starrt Kohei an und Kohei erschaudert, als die Temperatur im Raum zu sinken scheint. »Sie denken also, wenn Sie mir zeigen, was Sie mit der Macht und dem Geld Ihres Großvaters alles erreichen können, wäre ich beeindruckt?«

Kohei blinzelt. Da er weiß, was Rem davon hält, wenn er seinen Einfluss benutzt, hat er nicht eine Sekunde geglaubt, er könne ihren Vater damit beeindrucken. Daher bringt Mr. Aozoras Frage ihn zum Schmunzeln. »Ich bin nicht hergekommen, um Sie zu beeindrucken. Wie ich Ihnen bereits bei unserem letzten Treffen gesagt habe, nehme ich Ihre Bedenken, was Rems Sicherheit betrifft sehr ernst.« Er sieht auf seine Hände hinab und als sein Blick auf das Armband an seinem Handgelenk fällt, muss er lächeln. Er denkt an Rem und das freche Grinsen auf ihrem Gesicht, eine Augenbraue gehoben und mit einem provokanten Funkeln in den Augen. »Rem ist Ihnen sehr ähnlich. Sie hat keine Angst davor, sich mit jemandem anzulegen, egal wer es ist, wenn sie glaubt, dass sie das Richtige tut. Und bisher hat sie es immer geschafft, unbeschadet aus diesen Situationen herauszukommen. Weitgehend.« Er hebt den Blick wieder.

Mr. Aozora sitzt mit vor der Brust verschränkten Armen da und mustert Kohei nach wie vor mit kühlen Augen. Aber er hört zu.

»Vielleicht hat sie Glück so wie Sie und alles bleibt, wie es ist. Aber ich denke, wir beide wissen, dass das unwahrscheinlich ist. Schon allein, dass Rem eine Frau ist, wird einigen ein Dorn im Auge sein und an einem Punkt in ihrer Karriere wird sie vor der Wahl stehen aufzugeben oder sich anzupassen. Und ich will nie mitansehen müssen, wie Rem ihre Worte herunterschluckt und ein Lächeln erzwingt, nur um einem alten sexistischen Sack nicht auf den Schlips zu treten.«

Mr. Aozora atmet geräuschvoll aus und der Blick in seinen Augen verliert etwas an Intensität. »Und mit Ihnen an ihrer Seite wird sich jeder alte Sack vorsehen, ihr nicht auf den Schlips zu treten. Das wollten Sie doch sagen.«

Kohei nickt. »Es ist mir lieber, wenn behauptet wird, Rem würde meinetwegen eine Sonderbehandlung bekommen, als wenn sie sich oder ihre Karriere in Gefahr bringt, nur weil sie eine klare Meinung vertritt.« Er klappt den Ordner zu und schiebt ihn über den Tisch auf Mr. Aozora zu. »Ich weiß, dass Sie sich unwohl dabei fühlen, aber nachdem Sie die Nachteile von meiner Beziehung zu Rem gesehen haben, sollten Sie sich auch die Vorteile ansehen.«

Mr. Aozora schnaubt. »Wollen Sie, dass ich den Freund meiner Tochter wie ein Produkt nach Nutzen und Schaden beurteile?«

»Wollen Sie behaupten, das hätten Sie nicht getan, als Sie mich gebeten haben, mich von Rem fernzuhalten?«

Mr. Aozora antwortet nicht. Dann senkt er den Blick auf den Ordner vor sich. Mit einem tiefen Seufzen platziert er seine Hand darauf. »Ich nehme an, das ist Ihre Art, mir mitzuteilen, dass Sie nicht vorhaben, Rem zu verlassen, ganz gleich was ich sage.«

Kohei lächelt als Antwort nur sein schönstes Lächeln.

Mr. Aozora beeindruckt das herzlich wenig, aber er sagt nichts, denn in diesem Moment klopft es an der Tür und die Bedienung kommt mit dem Essen herein.

Kitsune

Rem betritt das Emerald und geht zielstrebig auf den Empfangstresen zu. Dabei spielt ihre Hand mit dem Verschluss ihrer Handtasche, in der sich ihr Handy befindet. Kohei müsste mittlerweile schon mit Juro sprechen und sie fragt sich, ob sie nicht doch lieber hätte mitgehen sollen. Immerhin betrifft sie das Gespräch auch.

Sie versteht, weshalb Kohei die Sache allein klären will, aber sie kennt Juro und seinen Sturkopf zu gut. Er wird tun, was er will, obwohl Rem ihn angerufen und mehrere Nachrichten geschickt hat, damit er nett zu Kohei ist. Und sie weiß jetzt schon, dass Kohei es ihr nicht erzählen würde, sollte etwas, das Juro sagt, ihn treffen. Weil es ‚uncool‘ wäre.

Sie schnalzt mit der Zunge, als sie vor dem Tresen stehen bleibt. Wieso müssen Männer immer versuchen, cool zu sein? Niemand der versucht, cool zu sein, ist wirklich cool und Rem ist lange über den Punkt hinaus, an dem es für sie eine Rolle spielt, ob Kohei etwas Cooles oder Uncooles tut. Alles, was zählt, ist, dass er glücklich und an ihrer Seite ist.

»Es ist uns eine Freude, Sie im Emerald begrüßen zu dürfen, Madame! Wie kann ich Ihnen behilflich sein?« Der junge Mann hinter dem Tresen lächelt etwas scheu und Rem realisiert, dass sich ihre Sorge auf ihrem Gesicht spiegeln muss. Sie räuspert sich. »Ich bin für ein Klassentreffen hier. Die Reservierung ist, glaube ich, auf den Namen Hana Shiroma.«

»Oh, aber natürlich.« Der Mann muss nicht einmal auf den Bildschirm seines Computers schauen und kommt hinter dem Tresen hervor. »Wenn Sie sonst keine Wünsche haben, werde ich Sie in den Wintergarten bringen.«

Rem nickt nur, denn auch nachdem sie ein paar Mal mit Kohei hier war, hat sie sich noch nicht an die überaus höfliche Behandlung gewöhnt. Aber sie ist froh, dass die Angestellten hier so effizient sind, sodass sie nicht am Tresen warten muss und Gefahr läuft, von jemandem erkannt zu werden. Sollte Mr. Isobe herausfinden, dass sie hier ist, wäre es vorbei mit ihrem Plan, niemanden wissen zu lassen, dass sie mit dem Enkel von Toshiro Inouye ausgeht.

Der Angestellte führt Rem in den hinteren Teil des Hotels, durch einen Saal mit einer Bar und mehreren Tischen zu einem angrenzenden Wintergarten. Und während Rem noch verblüfft darüber ist, dass das Treffen nicht in irgendeiner Ecke stattfindet, wendet sich der Angestellte wieder an sie. »Soll ich etwas für Sie im Safe hinterlegen?«

Rem macht ein verwirrtes Gesicht. Auch das ist eine Eigenheit des Emerald, die Rem bisher in keinem anderen Hotel erlebt hat, aber es ist nicht ungewöhnlich, dass die Menschen, die dieses Hotel besuchen, Wertgegenstände bei sich tragen. Aber sie hätte nicht erwartet, dass dieser Service jedem angeboten wird. »Nein, danke«, sagt Rem, während sie den jungen Mann anstarrt, als könnte sie dadurch herausfinden, ob er nicht doch weiß, wer sie ist.

»Dann erlauben Sie mir, Ihnen Ihren Mantel abzunehmen.« Seine Hände zittern etwas, als er sie hebt und Rem dreht sich um, damit er ihr aus ihrem Mantel helfen kann. »Danke«, sagt sie, noch immer misstrauisch, als sich der Mann vor ihr verbeugt. Dann betritt sie den Wintergarten. Dabei fummelt sie erneut am Verschluss ihrer Handtasche herum, aber sie entscheidet sich dagegen, Kohei eine Nachricht zu schicken und ihn zu fragen, ob er Mr. Isobe doch Bescheid gegeben hat. Wenn er es hinter ihrem Rücken getan hat, würde er es nicht so einfach zugeben. Außerdem ist es bisher nur eine Vermutung und sie will Kohei nicht schon wieder für etwas verdächtigen, dass er nicht getan hat.

»Rem Aozora!«

Rem nimmt den Blick von ihrer Tasche, um zu der Frau zu sehen, die mit ausgebreiteten Armen auf sie zukommt.

Sie trägt ein kurzes, enges Kleid, Highheels und eine Pelzjacke, die ihr über die Schultern gerutscht ist. Ihre braunen Haare sind zu einem Long-Bob geschnitten und mit dem Lockenstab bearbeitet worden. »Das gibts nicht! Hast du in den letzten zehn Jahren einen Sinn für Mode entwickelt?«

Rem seufzt. »Hallo Shiroma.«

»Haha, sei doch nicht so förmlich.« Shiroma wedelt mit der Hand, als sie vor Rem stehen bleibt, die rot geschminkten Lippen zu einem Grinsen verzogen. »Ich habs nicht böse gemeint. Du siehst toll aus.«

»Danke«, sagt Rem, während sie die Ringohrringe ansieht, die zwischen Shiromas Haaren hindurchfunkeln und sie ist froh, dass Kohei ihr ein anderes Paar geschenkt hat. »Eine Freundin hat mich beraten.«

Shiroma lacht und legt Rem einen Arm um die Schultern. »Eine gute Idee, wir sind immerhin im Emerald. Wie gefällt es dir?« Sie deutet in einer ausladenden Geste auf den Wintergarten. »Es gibt ein Buffet mit Horsd'oeuvre, Champagner und nachher ein Fünfgängemenü. Mir wurde gesagt, dieser Wintergarten ist so lange für uns reserviert, wie wir ihn brauchen, und die Angestellten behandeln uns wie VIPs. Ist das nicht der Hammer?«

Rem sagt nichts, während sie ihren Blick über den Wintergarten schweifen lässt. Es sind etwa 20 Leute hier und aus Shiromas Worten schließt sie, dass alle hergeführt wurden wie Rem. Das ist eine Erleichterung, weil es bedeutet, dass das Emerald so all seine Gäste behandelt.

»Ohne Scheiß, ich dachte, die feinen Pinkel hier würden uns wie Ratten behandeln. Shiroma hat krasse Beziehungen.«

Rem richtet ihren Blick auf den Mann, der mit einigen anderen nah des Eingangs steht. Er trägt einen etwas locker sitzenden Anzug und ein schiefes Grinsen auf dem Gesicht. »Inugami«, sagt Rem, nachdem sie einen Moment gebraucht hat, um ihn wiederzuerkennen, da er sich in ihrer Schulzeit die Haare blond gefärbt hatte.

»Richtig. Hätt nicht gedacht, dass du mich wiedererkennst.« Inugami dreht sich ihr zu.

»Wie könnte ich das nicht? Du hast ständig versucht, meine Hausaufgaben abzuschreiben.« Rem verschränkt die Arme vor der Brust.

»Und du hast mich nie gelassen.« Er wackelt tadelnd mit dem Zeigefinger.

»Ich habe angeboten, dir dabei zu helfen.«

»Bist du immer noch so eine Streberin, Aozora?«, fragt Shiroma und nimmt endlich ihren Arm von Rems Schultern.

»Im Ernst, du siehst aus, wie so ne Karrierefrau. So ne Abteilungsleiterin, die ihren Mitarbeitern das Leben schwer macht.« Inugami mustert Rem von Kopf bis Fuß, während er spricht. Dann sieht er ihr wieder ins Gesicht und grinst. »Was ich echt cool finde. Übrigens, bist du noch mit Kurosawa zusammen?«

»Urg, flirtest du mit ihr?« Shiroma verzieht das Gesicht. »Nur weil das ein Klassentreffen ist, musst du nicht geistig wieder zum Teenager werden.«

Rem stört Inugamis Frage sehr viel weniger, als sie erwartet hat. Was, wie sie feststellt, daran liegt, dass sie Kosuke völlig vergessen hat. Aber sie erwartet auch nicht, dass er auftaucht.

»Aber er hat recht. Wo ist Kurosawa? Warum kommst du allein? Ist er krank geworden?« Shiroma sieht wieder zu Rem.

Rem runzelt die Stirn. »Wir sind kein Paar mehr, also habe ich keine Ahnung.« Daraufhin machen beide ein verdutztes Gesicht.

»Eh? Ihr habt euch getrennt? Ich dachte, ihr seid bestimmt verheiratet oder so«, sagt Inugami und schürzt die Lippen.

»Waaas? Seit wann? Asami hat gesagt, er hat ihr deine Nummer gegeben. Seit ihr in so eine On-Off-Phase?«

Rem seufzt. »Nicht wirklich. Übrigens, wo ist Asami?«

»Aw, versuch nicht, das Thema zu wechseln und abzuhauen.« Shiromas Augen glitzern mit aufgeregter Neugier, während sie Rem am Arm festhält. »Du und Kurosawa wart so ein perfektes Paar.«

»Tja, nicht alles hält ewig«, sagt Inugami und zuckt mit den Schultern.

»Ew, versuchst du schon wieder, sie anzumachen?« Shiroma hält sich eine Hand vor den Mund und Inugami verzieht das Gesicht. »Ich hab nur gesagt, nichts hält ewig. Du bist diejenige, die sich zu sehr einmischt.«

»Ich habe nur eine Frage gestellt. Du hast mit Kurosawa angefangen.«

»Nein, Inugami hat recht. Kurosawa und ich haben nichts mehr miteinander zu tun und mehr müsst ihr nicht wissen. Entschuldigt mich.« Sie wartet nicht auf eine Antwort und geht an Inugami vorbei auf die Mitte des Raumes zu. Es ist eigenartig, Kosuke wieder mit seinem Nachnamen anzureden, aber so lange sie hier ist, sollte sie das wohl besser tun.

»Aozora! Wie schön, dass du kommen konntest!«

Rem findet Asami in der Nähe des Buffets, wo sie sich mit zwei ihrer Klassenkameraden unterhält.

»Du erinnerst dich doch noch an Umesaka und Soma?«

Rem nickt mit einem Lächeln, wobei sie vor allem Umesaka ansieht. In ihrer Schulzeit haben sie und Kaho Umesaka viel Zeit miteinander verbracht und sie war einer der Gründe, warum Rem herkommen wollte.

»Rem!« Kaho kommt ihr entgegen und nimmt Rems Hände in ihre. »Es ist so schön, dich wiederzusehen!«

»Finde ich auch. Es ist schade, dass wir uns aus den Augen verloren haben.«

Kaho nickt eifrig. »Ich weiß gar nicht, wie das passiert ist! Du musst mir deine Nummer geben.«

Asami klatscht in die Hände. »Genau aus diesem Grund gibt es Klassentreffen. Sag auch etwas, Soma!« Sie stupst Soma an. »Aozora hat dich bestimmt nicht wiedererkannt, weil du so ein Emo warst.«

Rem richtet ihren Blick auf Soma, der genervt die Augen verdreht. »Doch, natürlich erkenne ich ihn wieder. Du hast dich nicht sehr verändert, Soma.«

»Wow, wirklich?« Soma sieht nicht begeistert aus. »Ich hatte lange Haare und habe Eyeliner benutzt.«

Rem zuckt mit den Schultern. »Und ich hatte immer einen Zopf und habe mich nie geschminkt. Sehe ich so anders aus?«

Er mustert sie einen Moment. »Ja«, sagt er dann.

»Wirklich?«, fragt Rem mit gerunzelter Stirn. Kosuke hat immer gesagt, sie hätte sich seit der Schule nicht verändert.

Kaho legt den Kopf schief. »Jetzt, wo ich darüber nachdenke, Rem fand dich nie komisch, Soma.«

»Stimmt, sie hat dich wie alle anderen behandelt.« Asami nickt zustimmend.

»Könnt Ihr aufhören, so zu tun, als wäre ich Teil einer anderen Spezies?«

»Wieso ist das unsere Schuld?« Kaho hebt fragend die Hände. »Du hast dich benommen, als wärst du Teil einer anderen Spezies.«

»Ich glaube, er war ein Fan von diesen Filmen über Aliens oder so«, sagt Rem und da sie Kosuke und seine Begeisterung für Mangas kannte, hatte sie Somas Verhalten nicht als eigenartig empfunden.

»Es waren Mutanten, keine Aliens«, verbessert Soma.

Rem nickt. »Wolltest du nicht Drehbuchautor oder so etwas werden?«

»Ja, aber am Ende bin ich ein stinknormaler Büromensch geworden.« Er schnaubt.

»Hast du nicht vorhin gesagt, dass du sehr zufrieden mit deinem Job bist?«, fragt Kaho.

»Bin ich, aber nur weil die Bezahlung gut ist und ich Geld für meine Familie brauche.«

»Oh, steckst du in Schwierigkeiten?«, fragt Asami, aber Soma schüttelt den Kopf. »Nein, aber wir sparen für ein Haus.«

»Wir?« Asami lehnt sich neugierig vor. »Wer ist wir, wenn ich fragen darf?«

»Meine Frau und ich.«

»Woah, du bist verheiratet?« Asami sieht ihn mit großen Augen an und auch Kaho sieht aus, als hätte sie das nicht erwartet.

»Herzlichen Glückwunsch«, sagt Rem, der sein Ring aufgefallen ist. »Du bist außerdem Vater, oder?«

»Eh?«, macht Asami und auch Soma sieht Rem überrascht an. »Woher weißt du das?«

»Du bist jung verheiratet und sparst auf ein Haus. Ist das nicht naheliegend?«

»Ah, Rem macht wieder ihr Rem-Ding«, sagt Kaho.

»Stimmt, Aozora hat schon früher solche Dinge bei anderen Leuten bemerkt.« Asami hebt einen Finger und deutet damit auf Rem.

»Und sie hat sie immer zum falschen Zeitpunkt aufgedeckt«, sagt Soma, woraufhin Asami und Kaho lachen.

Rem mustert Soma. »Hätte ich dein Kind nicht erwähnen sollen?«

Daraufhin lacht auch er, aber er schüttelt den Kopf. »Nein, alles gut. Mein Sohn ist kein Geheimnis.«

»Ahh, du hast einen Sohn!« Asami quietscht, als wollte sie wiedergutmachen, dass sie zuvor nicht auf Somas Kind reagiert hat. »Wie heißt er? Hast du Bilder?«

»Rem?« Kaho legt Rem eine Hand auf den Arm, während Asami sich über Somas Handy beugt. »Asami hat mir gesagt, du und Kurosawa seid getrennt.«

Rem runzelt über die plötzliche Erwähnung von Kosuke die Stirn, nickt aber. »Ja, aber das ist jetzt schon fast zwei Jahre her«, sagt sie, in dem Versuch, die Angelegenheit unbedeutend erscheinen zu lassen.

»Und es gibt kein böses Blut zwischen euch?«

»Wieso fragst du?«

Kahos Augen huschen an Rem vorbei. »Na ja, es kann komisch werden, wenn man auf einer Feier ist, zu der der Ex auch eingeladen ist.«

»Schon gut.« Rem winkt ab, auch wenn sie überrascht ist, dass Kosuke zweimal so schnell zu Sprache gekommen ist. Aber da jeder hier weiß, dass sie und Kosuke mal ein Paar waren, wird die Frage wohl noch öfter aufkommen. »Ich glaube nicht, dass er kommt.«

Kahos Blick richtet sich wieder auf Rem. Sie kneift die Augen leicht zusammen, während sie Rem mit einem fast schon bedauernden Blick ansieht. »Ich denke, das ist er schon.«

Rem blinzelt. »Was?«

Kahos Blick huscht erneut an ihr vorbei, dort, wo der Eingang zum Wintergarten ist. »Er ist gerade zur Tür hereingekommen.«

Rem dreht sich abrupt um und starrt zur Tür. Kaho hat recht. Kosuke steht in der Tür, in einem Jackett, das Rem noch nie gesehen hat, einem Hemd, dessen obere Knöpfe offen sind, und eine schwarze Hose, an der seine Schlüsselkette hängt. Seine Haare sind wie üblich ein sorgsames Durcheinander und seine linke Hand spielt mit seinen Ohrringen, als sein Blick über die Anwesenden schweift. Er erreicht Rem und die Hand an seinem Ohr hält inne, während er zu ihr herüberstarrt.

Rem beißt sich auf die Lippe. Der Abend wird wohl turbulenter, als sie erwartet hat.


 

Rem nimmt den Blick von Kosuke und lächelt Kaho an. »Das wird schon. Der Wintergarten ist groß genug, um Kurosawa zu meiden.«

Kahos Augen weiten sich. »Um ihn zu meiden? Dann gibt es böses Blut?«

»Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber wie du gesagt hast: Mit dem Ex auf derselben Party zu sein, ist unangenehm«, antwortet Rem und versucht dabei, so gelassen wie möglich zu klingen. »Ich will einfach nicht, dass Gerede über unsere Trennung den Abend verdirbt.«

»Es war also eine unschöne Trennung«, stellt Kaho vage fest, während sie Rem beobachtet, wohl um einzuschätzen, wie sehr sie nachhaken darf.

Rem schnaubt leise. »Wann ist eine Trennung nicht unschön?«, murmelt sie, während sie überlegt, wie sie das Thema wechseln soll.

In diesem Moment hakt Kaho sich bei ihr unter. »Dann lass uns nicht darüber reden und stattdessen trinken. Wir sind in einem Luxushotel und es gibt Champagner, also lass uns trinken und so tun, als wären wir extrem erfolgreich und wohlhabend.«

Rem blinzelt verdutzt und sieht Kaho an, eine Frau von kaum 1,50 m Größe, die gerade einen so selbstgefälligen Blick aufsetzt als gehöre ihr das Hotel. Rem prustet.

»Auch wenn ich das wahrscheinlich bereuen werde, wenn wir die Rechnung bekommen. Ein Klassentreffen in einem Luxushotel ist so eine Shiroma-Idee, aber jetzt, wo ich hier bin, muss ich zugeben, dass es eine Erfahrung wert ist. Sonst hätte ich wahrscheinlich nie ein Luxushotel von Innen gesehen.« Kaho führt Rem zu dem Tisch, auf dem die Champagnergläser stehen und Rem nimmt sich eins. »Sag das nicht. Du weißt nicht, was alles passieren kann.« Rem ist froh über den Themenwechsel, gleichzeitig muss sie daran denken, dass das Luxushotel, von dem Kaho so ehrfürchtig spricht, der Familie ihres Freunds gehört. Aber das sollte sie vorerst auch vor Kaho geheim halten.

»Ich habe auch gedacht, dass es ein bisschen übertrieben für ein Klassentreffen ist«, sagt sie und lässt den Blick über den Raum huschen. »Aber es war eine gute Idee, diesen Wintergarten zu mieten. Dadurch sind wir ungestört.«

»Wir stören die anderen Gäste nicht, meinst du«, erwidert Kaho mit einem Grinsen. »Hast du Inugami gesehen? Er sieht jetzt anständiger aus, aber ich wette, er hätte es geschafft, sich aus dem Hotel werfen zu lassen.«

Rem öffnet den Mund, schließt ihn dann aber wieder. Es stimmt, dass Inugami während ihrer Schulzeit mehrmals in Schwierigkeiten geraten ist. Aus Rems Sicht, weil er Dinge tat, ohne vorher darüber nachzudenken und sie kann sich sehr gut vorstellen, dass er etwas tut, das das Emerald nicht gewöhnt ist. »Das kann er immer noch und es würde ihn weniger stören als uns.«

Kaho kichert. »Wieso hört sich das so an, als würdest du von jetzt an ein Auge auf ihn haben, um ihn vor einer Dummheit zu bewahren?«

»Warum sollte ich das tun?«

»Weil du schon immer so warst.« Kaho zuckt mit den Schultern. »Weißt du noch, wie du über ihn geschimpft hast, weil er mit seinem Unfug die ganze Klasse aufgehalten hat? Und dann hast du es auf dich genommen, ihn im Auge zu behalten. Sehr zu seiner Schande.« Sie lacht.

Rem lächelt ebenfalls. Wenn sie jetzt darüber nachdenkt, konnte Inugami sie in der Schule wahrscheinlich nicht leiden. Aber sie erinnert sich auch sehr gut daran, wie genervt sie von ihm war. Dabei war ihr Eindruck von ihm vorhin gar nicht so schlecht. »Ich denke, er - «

»Ihr habt euch wirklich getrennt?!« Shiromas laute Stimme unterbricht Rem und es wird ruhiger im Wintergarten, als sich alle Aufmerksamkeit auf Shiroma richtet.

Rem legt die Stirn in Falten, als sie sieht, das Shiroma bei Kosuke steht.

»Schrei doch noch lauter«, sagt er, nicht halb so laut wie sie, aber da nun alle ihrem Gespräch zuhören, laut genug. »Ich glaube, nicht jeder in diesem Hotel hat dich gehört.«

»Sei doch nicht so. Ich war nur überrascht.«

»Wirklich? Rem ist schon hier und sie hat es bestimmt erwähnt, so neugierig wie du bist.« Er schüttelt den Kopf und will an ihr vorbeigehen.

»Hey, na und? Bist du jetzt wirklich wütend deswegen?« Shiroma lacht ungläubig. Es ist eine ihrer Taktiken, wann immer sie jemanden wütend macht, es so aussehen zu lassen, als würde dieser Jemand völlig überreagieren.

Und Kosuke, der keine Begabung für soziale Interaktion besitzt und Aufmerksamkeit meidet, kann Shiroma nicht mehr entgegensetzen als wütende Blicke.

Rem erinnert sich, dass Shiroma und Kosuke in der Schule häufiger aneinandergeraten sind, weil Shiroma Rem nie leiden konnte und Kosuke Rem vor ihr verteidigt und Shiroma ihre Wut auf Rem an Kosuke ausgelassen hat. Das Problem ist, dass sich Rem, wann immer sie die beiden hatte streiten sehen, auf Kosukes Seite gestellt hat und daran erinnert sich nicht nur sie.

Rems Zähne graben sich in die Innenseite ihrer Lippe, als sich mehrere Augenpaare erwartungsvoll auf sie richten. Auch Kosuke und Shiroma sehen sie an, wobei Shiroma ein provokantes Lächeln auf den Lippen hat, während Kosuke nicht so recht zu wissen scheint, was für ein Gesicht er machen soll.

»Oh mein Gott! Das ist Yuji Sawada!«

Rem blinzelt verdutzt und sieht zu der Sprecherin, die in den Garten hinaus zeigt. Und tatsächlich schlendert dort Yuji entlang, allein und gekleidet in einen feinen Anzug, als hätte er ein Meeting hinter sich.

»Wer?«

»Kennst du ihn nicht? Er spielt in dieser neuen Serie die Hauptrolle und er ist so heiß!«

Alle Aufmerksamkeit richtet sich auf den Garten. Sogar Shiroma vergisst Kosuke und geht auf die Fenster zu. »Wow, er ist es wirklich! Wir haben schon zusammengearbeitet. Ich meine, er hat für Asuka gemodelt, wo ich arbeite.«

Asuka ist eine bekannte Modemarke, weshalb Shiroma so stolz klingt. Und es war bestimmt keine Kleinigkeit, den Job zu bekommen. Es würde Rem nicht wundern, wenn Shiroma mehr verdient als sie.

»Was glaubt ihr, wie viele Stars hier noch herumlaufen? Es war so eine geile Idee, unser Klassentreffen hier zu feiern.«

Rems Augen folgen Yuji und sie fragt sich, was er hier macht. Seine Karriere hat eine aufwärts Kurve gemacht, nachdem er und Kohei sich angefreundet haben, was ihm dabei geholfen hat, als Schauspieler einen Fuß in die Tür zu bekommen. Etwas, das Yuji viel bedeutet hat, da er, wie er gesagt hat, nicht ewig als Model arbeiten kann. Es ist vielleicht keine unberechtigte Sorge, aber für Yuji kommt sie doch recht früh.

»Es stimmt, ich hab die Serie auch gesehen«, sagt Kaho mit ehrfürchtig gesenkter Stimme. »Ich bin kein Fan, aber den Hauptdarsteller in real life zu sehen ist cool.« Sie ist dabei in ihrer Tasche zu kramen, wohl um ihr Handy herauszuholen und ein Foto zu machen, so wie schon einige andere es tun.

Rem sagt nichts. Wenn Yuji ausgerechnet im Emerald ist, dann ist es naheliegend, dass es etwas mit Kohei zu tun hat. Vielleicht hat Kohei ein Treffen mit irgendwelchen Produzenten oder Regisseuren für ihn in die Wege geleitet, was für Yuji große Bedeutung hätte. Das Letzte, was er braucht, sind ein Haufen Fremder, die ihn fotografieren und ablenken, während er sich konzentrieren muss.

Yuji hat bereits gemerkt, dass er fotografiert wird und da sein höfliches Lächeln nicht gerade dabei hilft, ihre Klassenkameraden davon abzuhalten, in den Garten hinauszugehen und ihn anzusprechen, überlegt Rem, wie sie von Yuji ablenken kann. Aber in diesem Moment richtet sich sein Blick auf sie.

Er bleibt sofort stehen und seine Augen weiten sich, bevor er einen Arm in die Luft hebt und ihr mit einem strahlenden Lächeln zuwinkt.

Rem starrt ungläubig zurück.

»Eh? Wem winkt er zu?«

»Ist das Fanservice?«

Rem lächelt und hebt unauffällig die Hand. Würde jemand merken, dass Yuji ihr zu winkt, würde das dem Gerede über ihre Trennung von Kosuke nur Nahrung geben. Doch Yuji scheint ihren Gruß als Einladung zu sehen hereinzukommen, denn er geht auf die Glastür zu, die in den Wintergarten führt und öffnet sie. »Nee-san!«, ruft er und kommt auf sie zu gelaufen. »Was für ein Zufall! Was machst du hier?«

Alle Blicke richten sich auf Rem.

»Du kennst ihn?«, wispert Kaho mit ungläubiger Stimme, während Yuji weiter auf sie zukommt, als würde er nichts davon merken.

»Wir haben mal zusammengearbeitet«, sagt Rem, ohne den Blick von Yuji zu nehmen. Shiroma hat vorhin dasselbe behauptet, also sollte es nicht allzu große Wellen schlagen.

»Und wieso nennt er dich ‚Nee-san‘?«

Oder vielleicht schlägt es ein paar kleine Wellen. Rem stellt ihr Champagnerglas ab. Es ist jetzt eine Weile her, dass Yuji das O aus Onee-san gestrichen hat und seitdem klingt die Anrede sehr viel natürlicher, so als hätte er Rem als seine echte Schwester adoptiert. Was sie, in Anbetracht dessen, was Kohei ihm ermöglicht hat, nicht wundert. Und offenbar hat Kohei darüber hinaus auf ihn abgefärbt.

»Hallo Yuji. Ich wusste nicht, dass du hier bist«, sagt Rem, den Blick fest auf Yuji gerichtet.

Aber wenn er davon eingeschüchtert ist, zeigt er es nicht. Er lacht sogar fröhlich und hakt sich bei Rem unter. »Senpai hat so ein Treffen für mich organisiert, deswegen bin ich hier«, erklärt er und hebt dann seine freie Hand, um sie an seinen Mund zu halten. »Ich verstecke mich«, flüstert er Rem zu.

Rem runzelt die Stirn. Yuji ist niemand, der sich verstecken würde, schon gar nicht, nachdem Kohei ein Treffen mit sicherlich wichtigen Menschen organisiert hat.

»Oho, ich verstehe, weshalb du dich von Kurosawa getrennt hast, Aozora.«

Rem richtet ihren Blick auf Shiroma, die nur sehr schlecht ein Grinsen hinter ihrer Hand verbirgt. »Pass auf, was du sagst«, sagt Rem mit einem frostigen Blick auf Shiroma. »Solche Andeutungen könnten Yujis Karriere schaden.«

»Im Ernst«, stimmt Yuji mit dünner Stimme zu. »Ich könnte sterben.«

Rem blinzelt und wirft ihm einen zweifelnden Blick zu.

Yuji sieht ebenfalls zu ihr. »Wenn Senpai etwas davon hört, grillt er mich.«

Rem schüttelt den Kopf und sieht wieder zu Shiroma. »Yuji und ich haben ein paar Mal zusammengearbeitet und wir kommen sehr gut miteinander aus, aber das wars.«

Yuji nickt energisch. »Nee-san ist Senpais Freundin. Ich habe zu viel Respekt und Angst vor ihm, um etwas zu versuchen.«

»Wie auch immer«, sagt Rem, der es nicht gefällt, dass Yuji Kohei immer wieder in die Unterhaltung bringt. »Du solltest dich nicht vor wichtigen Treffen verstecken.«

»Ach was, das ist schon vorbei.« Er wedelt abtuend mit der Hand. »Ich verstecke mich nur vor dieser Frau, die mich unbedingt zu einem Drink einladen will.«

Rems Augen schmälern sich.

Asami, die plötzlich wieder neben Rem steht, räuspert sich und Rem beschließt, es vorerst gut sein zu lassen. Zumal um sie herum wieder die Gespräche einsetzen, auch wenn noch immer viel Aufmerksamkeit auf Yuji liegt. Sie deutet auf Asami und Kaho. »Das sind meine Schulfreundinnen, Miyako Asami und Kaho Umesaka.«

»Schön euch kennenzulernen, Nee-sans Schulfreundinnen«, sagt Yuji mit einem fröhlichen Grinsen.

Asami kichert. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich heute Abend jemand Berühmtes treffe. Würdest du mir ein Autogramm geben?«

Yuji blinzelt. »Eh? Ein Autogramm? Von mir?«

Rem runzelt die Stirn. »Yuji?«

Er hebt mit einem unbeholfenen Lachen die Hände. »Das ist kein Nein, ich bin nur überrascht, dass jemand nach meinem Autogramm fragt.«

»Bist du das nach deinem Schauspieldebüt nicht gewohnt?«, fragt Rem, die weiß, dass er in mehreren Shows mit Unmengen von Fans war, um seine erste Serie zu promoten.

Er sieht sie unsicher an. »Nein?«

Rem mustert ihn. Sie weiß nicht, ob er es absichtlich tut, aber seine unbeholfene Reaktion lässt ihn sympathisch und nahbar wirken. Sie zieht einen Stift aus ihrer Handtasche und hält ihn Yuji hin.

»Um, danke Nee-san.«

»Wie habt ihr euch kennengelernt?«, fragt Kaho, eher an Rem gewandt, während Yuji Asami ihr Autogramm gibt.

»Einer meiner Klienten hat Yuji für ein Projekt angeheuert. Danach habe ich ihn in meine Kartei aufgenommen und ein paar Mal vermittelt.«

»Als was arbeitest du nochmal?«, fragt Kaho mit einem entschuldigenden Lächeln.

»Ich bin Werbeagentin.«

»Ohne Nee-san hätte ich nie so viele Jobs bekommen. Sogar meine erste Rolle als Schauspieler habe ich ihr zu verdanken«, sagt Yuji und strahlt Rem an, während er ihren Stift zurückgibt.

»Hast du Beziehungen zur Filmbranche?«, fragt Kaho mit einem beeindruckten Blick auf Rem, aber die schüttelt den Kopf. »Das war ich nicht.«

»Senpai hat mir geholfen«, sagt Yuji und Asami und Kaho sehen wieder ihn an.

»Oh ja!«, sagt Asami und ihre Augen blitzen neugierig. »Aozoras Freund, von dem sie noch gar nichts erzählt hat. Er hört sich nach einem einflussreichen Mann an.«

»Er ist ein Kollege von mir«, sagt Rem hastig, bevor Yuji antworten kann. »Er hat auch mal gemodelt, daher hat er ein paar Beziehungen.«

Asamis Augen weiten sich. »Du bist mit einem Model zusammen?!«

»Früheres Model«, sagt Rem, auch wenn Kohei technisch gesehen noch für Noué modelt.

»Oh, kann es sein, dass du auf ältere Männer stehst, Aozora?«, ertönt Shiromas Stimme, bevor sie sich zu ihrer Gruppe gesellt, als wären sie gute Freunde. Sie schenkt Rem ein falsches Lächeln. »Das passt zu dir. Du warst schon immer reifer als alle anderen.«

Rem ist nicht unbedingt glücklich über Shiromas Einmischung, aber die Art, wie Shiroma sie ansieht, ist ihr vertraut. Schon in ihrer Schulzeit hat Shiroma öfter versucht, einen Streit mit Rem anzufangen und obwohl Rem genervt von ihr war, schien das nichts im Vergleich zu Shiromas Wut auf Rem zu sein. Und wie damals fragt Rem sich, was genau sie getan hat, um Shiroma zu verärgern.

»Er ist tatsächlich etwas älter als ich«, antwortet Rem beiläufig, bevor sie sich an Yuji wendet. »Warst du nicht auf dem Weg irgendwohin?«

Yuji, der Shiroma mit einem nachdenklichen Ausdruck gemustert hat, richtet seinen Blick auf Rem. Das Lächeln kehrt auf seine Lippen zurück. »Nö. Mein Meeting ist vorbei und ich bleib die Nacht über hier.«

Rems Augen schmälern sich.

»Hey, hast du Lust mit uns zu essen?«, fragt Asami. »Ich glaube nicht, dass jemand ein Problem damit hätte, oder Shiroma?«

»Aber klar doch. Eine Person mehr oder weniger sollte für ein Luxushotel zu schaffen sein«, antwortet Shiroma und diesmal kann Rem gar nicht sagen, ob sie es ernst meint oder nicht.

Yuji grinst. »Wow! Vielen Dank für die Einladung!«

»Das ist sehr nett, aber ich muss vorher etwas mit Yuji besprechen«, sagt Rem und zieht an Yujis Arm, den er immer noch bei ihr untergehakt hat.

»Oh, sicher«, sagt Asami mit einem eigenartigen Blick auf Rem, während Shiroma ein Schnauben von sich gibt.

Kaho runzelt lediglich die Stirn.

»Okay!«, sagt Yuji enthusiastisch und lässt sich von Rem in eine Ecke ziehen, in der sie außer Hörweite der anderen sind.

»Kohei hat dich hergeschickt, stimmts?«

Er blinzelt. »Ja, ich hab doch gesagt, er hat ein Treffen für mich organisiert.«

Rem schüttelt den Kopf, noch bevor er geendet hat. »Nicht für ein Treffen, sondern um mich zu überwachen.«

»Was? Wieso?« Yuji hebt überrascht die Brauen. »Wieso sollte er das tun?«

»Weil er Kohei ist.«

Yuji hat bereits den Mund zu einer Antwort geöffnet, aber dann nickt er einfach. »Gut, aber ich würde das nicht tun.«

»Doch würdest du, wenn er dir dafür ein unwiderstehliches Angebot macht.«

Yuji zieht einen Flunsch. »Wie kannst du das denken, Nee-san? Ich dachte, du kennst mich.«

Rem schnaubt leise und verschränkt die Arme vor der Brust. »Oh, ich kenne dich gut genug. Zum Beispiel weiß ich, dass du nicht unsensibel genug bist, um dich in eine private Party einladen zu lassen, nachdem du viel zu offensichtlich Zuneigung zu mir gezeigt hast, ohne dabei an deine Karriere zu denken, oder um mehrmals meinen Freund zu erwähnen, in dem Wissen, dass ich nicht gerne über mein Privatleben rede.«

Yuji sagt nichts. Er hat die Lippen eingezogen und sieht Rem mit einem äußerst schuldbewussten Blick an.

Rem hebt auffordernd eine Braue.

»Haha!« Yuji lacht nervös und reibt sich den Hinterkopf. »Ich dachte immer, ich bin gut im Lügen. Du bist wirklich wie eine Schwester, Nee-san.«

»Was hat Kohei dir gesagt?«, fragt Rem unbeeindruckt, während sich wieder dieses Gefühl der Machtlosigkeit in ihr ausbreitet. Sie kann sich denken, weshalb Kohei sich Sorgen um sie gemacht hat, aber er hätte ihr sagen können, dass er Yuji schickt.

»Dass dein Ex heute hier sein könnte und dass ich ein Auge auf ihn haben soll, falls du mit ihm reden willst.«

Rem blinzelt. »Falls ich mit ihm reden will?« Sie hätte gedacht, Kohei würde versuchen, Kosuke von ihr fernzuhalten.

Aber Yuji nickt. »Er hat gesagt, dass du deinem Ex ein paar Dinge zu sagen hast und dass du danach vielleicht jemanden brauchst, auf den du dich verlassen kannst.«

»Das hat er gesagt?«, fragt Rem ungläubig. Es passt nicht zu Kohei, einen Mann wegen dem er schon ein paar Mal eifersüchtig war, zu ihr zu schicken, damit sie sich auf ihn ‚verlassen‘ kann.

»Sinngemäß«, räumt Yuji ein. »Immerhin bin ich sehr verlässlich.«

Rem spürt, wie sie lächeln muss, als sie Yujis stolzen Ausdruck sieht. Er scheint geschmeichelt davon zu sein, dass Kohei ihn um Hilfe gebeten hat. »Aber wenn das alles ist, hättet ihr mir das sagen können.«

Yuji zuckt mit den Schultern. »Senpai hat gesagt, du würdest das sagen. Und er hat gesagt, ich soll dir sagen, dass du mich davon abgehalten hättest herzukommen, um alles allein zu regeln und im Stillen zu leiden. Und das soll man nicht machen.«

Rems Augen weiten sich etwas. Etwas Ähnliches hat sie vor nicht allzu langer Zeit zu Kohei gesagt, weil sie weiß, dass er in Bezug auf ihren Vater viel zurückhält.

Sie legt die Stirn in Falten und räuspert sich, während sich eine kribbelnde Wärme in ihrer Brust ausbreitet. Wie soll sie jetzt noch wütend auf Kohei sein?

Posterboy

Kohei verlässt das Restaurant mit guter Laune. Mr. Aozora war grummelig bis zum Schluss, aber Kohei hat es geschafft, heimlich die Rechnung zu bezahlen und das gibt ihm wenigstens in dieser Hinsicht das Gefühl, gewonnen zu haben.

Auf dem Weg zu seinem Auto holt er sein Handy hervor, das er für sein Gespräch mit Mr. Aozora auf lautlos gestellt hat. Er hat zwei Nachrichten bekommen. Eine von Rem und eine von Yuji und ohne sie lesen zu müssen, weiß er, dass Yuji aufgeflogen ist.

>Nee-san hat mich sofort durchschaut T_T<, schreibt Yuji. >Aber ich wurde eingeladen und darf bleiben \(^o^)/ Und du hattest recht. Ihr Ex ist hier.<

Kohei legt die Stirn in Falten, als er Yujis mit Smileys gespickte Nachricht liest. Er weiß, dass Rem davon ausgegangen ist, dass ihr Bettler-Ex nicht auftauchen würde, aber Kohei hat befürchtet, dass er sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen würde. Und er würde lügen, würde er behaupten, er hätte nicht in Erwägung gezogen, dem Kerl Hausverbot im Emerald zu erteilen, Rems Verbot, sich einzumischen, zum Trotz. Aber dann musste er an Rems Gesicht denken, als sie von dem Besuch erfahren hat, den Kohei ihrem Ex abgestattet hat. Es klang, als hätte sie noch einige Dinge zu ihm zu sagen, Dinge, die sie belasten.

So sehr er den Gedanken hasst, ihn in Rems Nähe zu lassen, er will Rem nicht die Möglichkeit nehmen, ihn ein für alle Mal loszuwerden.

Er öffnet Rems Nachricht: >Ich weiß, dass du Yuji geschickt hast und wenn es noch mehr gibt, das ich wissen sollte, sag es gleich!< Das Ausrufezeichen soll wohl unterstreichen, dass es ihr ernst ist, aber er kann nicht anders, als zu lächeln, als er an Rem denkt und wie sie ihn mit einem strengen Blick ansieht. Außerdem weiß er, dass sie nicht zu lange böse mit ihm sein kann, wenn er ihr von seinem Gespräch mit ihrem Vater erzählt.

>Ich fahre jetzt ins Emerald, dann kannst du jederzeit zu mir kommen und mich zur Schnecke machen<, schreibt er Rem, in dem Wissen, dass sie das nicht tun wird.

Und ihre Antwort kommt noch bevor er den Motor seines Wagens starten kann: >Wie ist es gelaufen?<

Er lächelt, als der Gedanke, dass Mr. Aozora ihn immer noch nicht leiden kann, in den Hintergrund rückt. Das Gespräch hat nicht damit geendet, dass Rems Vater ihn gebeten hat, sich von seiner Tochter fernzuhalten, und das ist es, was zählt. >Es ist alles in Ordnung. Ich erzähle es dir später<, schreibt Kohei und es fühlt sich an, als würde eine Last von ihm fallen, die sich in den letzten Wochen leise und kontinuierlich aufgebaut hat.

>Das freut mich. Bei mir dauert es noch eine Weile. Ein, zwei Stunden vielleicht, aber ich will alles hören. Ich schreibe dir, wenn der Nachtisch gegessen ist.<

Kohei gluckst, denn er kann in Rems Nachricht nicht mehr einen Hauch von Ärger lesen. Entgegen dem, wie sie manchmal wirkt, kann Rem sehr inkonsequent sein, wenn es darum geht, wütend auf ihn zu sein.

Er will sein Handy wegstecken, um loszufahren, aber dann ändert er seine Meinung und wählt eine Nummer.

»Yo, Kohei! Was gibts?«, ertönt Tomodas Stimme, nachdem es ein paar Mal geklingelt hat.

»Du klingst, als hättest du nichts zu tun«, sagt Kohei, da Tomoda dazu neigt, sein Handy zu überhören, wenn er beschäftigt ist.

»Doch, ich warte darauf, dass Hikari mich anruft, damit wir zocken können. Sie hat heute irgendwas mit einer Freundin gemacht.«

»Gut, dann kannst du ins Emerald kommen und mit mir trinken.«

»Und wenn Hikari anruft, sage ich ihr was? Ich hab sie den ganzen Tag nicht gesehen, Mann.«

»Dass du im Emerald eine Suite gebucht hast, damit ihr ein offline Date haben könnt und du sie nicht nur virtuell siehst.«

Daraufhin ist es einen Moment still. »Du spielst also wieder die Ich-bin-stinkreich-Karte, ja? Wieso willst du überhaupt, dass ich ins Emerald komme?«

»Weil ich dort auf Rem warten muss und mir sonst langweilig ist.«

»Wow, du bist so ein verzogen-«

»Du bezahlst keinen Cent.«

»...guter Freund! Ich bin schon auf dem Weg.«

Kohei schnaubt und legt mit einem Kopfschütteln auf. Jemand hatte mal ihm gegenüber erwähnt, dass gute Freunde nicht bestechlich sind, aber das ist nicht wahr. Alle Menschen sind bestechlich und Kohei ist es lieber, wenn sie keinen Hehl daraus machen. Insbesondere, da es in seiner Position sehr hilfreich ist, dass Leute so bestechlich sind.


 

Er kommt vor Tomoda im Emerald an, was wohl daran liegt, dass Tomoda sich herausgeputzt hat, sodass Kohei bereits mit einem Drink an der Bar sitzt.

»Also, wieso wartest du ausgerechnet im Emerald auf Ms. Aozora? Ich dachte, sie mag es nicht so gern, wenn du mit deinem Geld prahlst.«

»Wer prahlt? Ich sitze hier nur.«

»Sagt der Kerl, der eine Suite für mich und meine Freundin reserviert hat, damit ich ihn unterhalte.«

»Das ist nicht Prahlen, sondern Bestechen.«

»Wenn du das sagst«, erwidert Tomoda schulterzuckend, während er sich neben Kohei an die Bar setzt. »Martini«, sagt er zu dem Barkeeper.

»Rems Klassentreffen findet hier statt«, sagt Kohei, mit einem amüsierten Blick auf Tomoda, der für gewöhnlich nur Bier bestellt, es sei denn sie sind in einem hochklassigen Restaurant und Kohei bezahlt.

»Sie hat hier ein Klassentreffen? Wusste gar nicht, dass sie auf einer Nobelschule war.«

»War sie nicht, aber eine ihrer Klassenkameradinnen hat wohl einen Freund, der hier arbeitet und ihnen einen Rabatt gibt.«

Tomoda runzelt die Stirn. »Ich krieg eine Suite, aber deine Freundin muss sich auf den Rabatt von dem Freund einer ehemaligen Klassenkameradin verlassen? Hattet ihr Krach oder warum bist du so geizig?«

Kohei schnalzt verärgert mit der Zunge. »Sie hat mir verboten, mich einzumischen, klar?«

Tomoda schürzt die Lippen und Kohei richtet seinen Blick auf seinen Gin Tonik, um den bedauernden Blick in Tomodas Augen nicht sehen zu müssen.

»Pft, klar. Muss echt hart sein, wenn du Ms. Aozora nicht mit deinem Geld beeindrucken kannst. Aber ich frag mich, wie sie in der Schule war. Bestimmt eine Streberin.«

Kohei wirft Tomoda einen missbilligenden Blick zu, aber er hat recht. »Rem ist nicht so leicht zu bestechen wie du, was eine gute Eigenschaft von ihr ist. Und sie ist immer noch eine Streberin.«

»Stimmt und ich frag mich bis heute, wie du sie rumgekriegt hast. Oh, danke.« Das letzte richtet sich an den Barkeeper, der den Martini vor Tomoda abstellt.

Kohei lacht. »Wenn überhaupt hat sie mich rumgekriegt.«

Tomoda hebt die Brauen. »Jetzt, wo du es sagst, das macht mehr Sinn. Ms. Aozora ist nicht der Typ, der jemanden für zwei Jahre im Stillen anhimmelt.«

»Ich habe sie nicht zwei Jahre im Stillen angehimmelt!«

»Wer hat denn von dir geredet?« Tomoda grinst Kohei über den Rand seines Glases zu, während er ihm zuprostet.

Kohei spürt, wie eine seiner Augenbrauen zu zucken beginnt. »Zu deiner Information, Rem hat sich als erstes verliebt.«

»Ich verstehe nicht, weshalb du dich so standhaft weigerst es zuzugeben. Ihr seid doch eh ein Paar.«

»Es ist nicht wahr, deshalb.«

Tomoda seufzt. Er schüttelt den Kopf und trinkt noch einen Schluck Martini. Dann runzelt er die Stirn. »Ist Ms. Aozoras Ex nicht mit ihr in die Schule gegangen?«

Kohei hat das Thema zuvor nicht unbedingt gefallen, aber dieses ist noch schlimmer. »Ja. Und?«

Tomoda zuckt mit den Schultern. »Na ja, ich dachte nur, dass es dich vielleicht stört.«

Es wäre eine Lüge zu behaupten, das täte es nicht. Kohei weiß, dass Rem auf sich aufpassen kann. Dass sie einen standhaften Charakter hat und ihrem Ex nicht verzeihen wird. Er weiß das, aber gleichzeitig weiß er, wie sanftmütig sie ist und wie sie immer versucht, das Gute in einem zu sehen. Er weiß, dass sie ihrem Ex nicht vergeben wird, aber was, wenn sie sich aussprechen und sie dem einen Schritt näher kommt. »Wieso sollte es mich stören?«, fragt Kohei in einem Tonfall, bei dem sogar er selbst hören kann, wie sehr es ihn stört.

»Wen würde es nicht stören, wenn die Freundin ihren Ex sieht?«

Kohei sagt nichts.

»Ich dachte mir schon, dass du der eifersüchtige Typ bist.« Tomoda nickt wissend. »Hat sie dir etwas über ihre Schulzeit gesagt? Hast du Bilder gesehen? Ich wette, sie sah süß aus in einer Schuluniform.«

»Tut sie«, antwortet Kohei, der sofort an Rem in der sexy Schuluniform denken muss. Das Bild hebt seine Laune unwahrscheinlich.

»Oh, dann hat sie dir Bilder gezeigt? Hatte sie schon damals diesen strengen Blick?« Tomoda lacht. »Stell dir vor, du bist Lehrer und hast eine Schülerin, die dich ansieht, als würde sie dir eine Note geben und nicht andersherum.«

Kohei runzelt die Stirn, während er sich fragt, was für ein Bild Tomoda von Rem hat. Aber dann zuckt er mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Sie hat mir keine Bilder gezeigt.«

»Eh? Aber du hast gerade gesagt, dass du sie in einer Schuluniform gesehen hast.« Tomoda beendet seinen Satz und dann weiten sich seine Augen.

Kohei grinst.

»Warte, willst du sagen, dass Ms. Aozora…« Er lässt den Satz in der Luft hängen und sieht Kohei bedeutungsvoll an.

»Weißt du noch, wie vor einer Weile mein Computer abgestürzt ist und ich eine wichtige Datei nicht finden konnte. Ich habe eine Nacht durchgemacht, um sie neu zu machen. Rem ist bei mir zu Hause aufgetaucht und hat...mir geholfen, die Datei wiederzufinden.«

Tomoda blinzelt. »In einer Schuluniform?«

»Du wärst überrascht, wie effektiv das ist.« Kohei würde gerne mehr damit prahlen, was für eine tolle Frau Rem ist und was sie alles für ihn tut. Aber mehr als das würde zu sehr ins Private gehen.

Zumal Tomoda auch so versteht, was Kohei sagen will. »Alter, bist du sicher, dass du das nicht nur geträumt hast?«

»Neidisch?« Kohei wackelt mit den Augenbrauen. Es tut gut, mit Rem anzugeben, nachdem Tomoda ihren Ex erwähnt hat. Eigentlich tut es allgemein gut, mit ihr anzugeben. Er sollte das öfter tun.

»Nein. Hikari würde sich auch für mich verkleiden«, antwortet Tomoda etwas pampig.

Kohei lehnt sich etwas zu ihm hinüber und senkt die Stimme. »An meinem Geburtstag hat sie sich als Kitsune verkleidet.«

»Dein Ernst?«

Kohei lehnt sich mit einem Kichern wieder zurück. »Mit plüschigen Ohren und einem Fuchsschwanz. Sie sah so niedlich aus!«

»Alter, ich weiß nicht, wie du dir das verdient hast, aber dir ist klar, dass du sie heiraten solltest?«

»Ich arbeite dran.«

Tomoda schnaubt. »Was denn, schmilzt Ms. Aozora nicht dahin, wenn du ihr dein Gesicht vor die Nase hältst und ihr deine Liebe gestehst?«, säuselt er, wobei er auffällig mit den Wimpern klimpert.

Kohei legt die Stirn in Falten. Er greift sein Glas und trinkt. »Rem wäre von so etwas nicht beeindruckt.«

»Hm?« Tomoda lehnt sich über den Tresen, um Kohei ins Gesicht zu sehen. »Ich höre den Konjunktiv.«

»Denkst du wirklich, ich bräuchte Tipps, wie ich eine Frau verführe?« Kohei versucht selbstbewusst zu klingen, aber Tomodas Blick sagt ihm, wie erfolglos er damit ist.

»Offensichtlich tust du das. So wie du von ihr redest, hätte ich erwartet, dass du ihr jeden Tag sagst, was du für sie empfindest.«

»Sie weiß, was ich für sie empfinde.«

»Dann sollte es kein Problem sein, es ihr zu sagen.«

»Ist es nicht.« Er sieht Tomoda an und es ist keine Lüge. Immerhin plant er, es ihr heute zu sagen. Jetzt, wo mit ihrem Vater alles geklärt ist.

Tomoda lacht leise. »Du solltest dir über so was nicht zu viele Gedanken machen, sonst machst du eine größere Sache daraus, als es ist.«

»Ich hab gesagt, ich brauche keine Tipps.«

Tomoda zuckt mit den Schultern. »Wie du meinst. Übrigens, wo ist die Cocktailkarte? Hikari steht auf Cocktails und ich will ein paar empfehlen können, wenn sie herkommt.«

Kohei schiebt eine Karte, die auf seiner von Tomoda abgewandten Seite liegt, über den Tresen zu Tomoda. Und während sein Freund die aufgelisteten Cocktails mit dem Barkeeper durchgeht, schaut Kohei auf seinen Gin Tonik hinab.

Er macht keine große Sache daraus. Es gab nur ständig etwas, dass zwischen Rem und ihm stand, aber das ist jetzt vorbei. Er kann es ihr heute Abend sagen. Er wird es ihr heute Abend sagen!

Sein Handy klingelt und er sieht auf dem Display, dass er eine Nachricht von Yuji bekommen hat. Er runzelt die Stirn, denn er hat Yuji gesagt, dass er ihm nur schreiben soll, wenn es ein Problem gibt.

Er öffnet die Nachricht und überfliegt die Zeilen. Kälte breitet sich in seiner Brust aus, während er sein Handy so fest packt, dass es in seiner Hand zittert.

>Nee-san ist mit ihrem Ex rausgegangen, um zu reden. Sie wollte nicht, dass ich mitkomme, aber jetzt finde ich sie nicht mehr.<

 

Fortsetzung folgt...

Dieses Feld ist obligatorisch

Dieses Feld ist obligatorisch

Die E-Mail-Adresse ist ungültig

Ich bin damit einverstanden, dass diese Daten zum Zweck der Kontaktaufnahme gespeichert und verarbeitet werden. Mir ist bekannt, dass ich meine Einwilligung jederzeit widerrufen kann.*

Dieses Feld ist obligatorisch

* Kennzeichnet erforderliche Felder
Bei der Übermittlung Deiner Nachricht ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuch es erneut.
Vielen Dank für Deinen Kommentar :)

Kommentar

Konstruktive Kritik ist immer erwünscht. Schreib mir, was du denkst und hilf mir damit weiter :)

Nächstes Kapitel

© 2025 Urheberrecht. Alle Rechte vorbehalten.

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.