Sankt Lawrence

Vorwort

Die folgende Kurzgeschichte ist ein Prequel zu meinem Buch Sankt Lawrence und beschreibt Lorelais Eintritt in die Söldnergilde und die Entstehung ihres Alter Ego Lawrence. Dieses Prequel soll im Groben die Frage beantworten, wieso Lawrence nicht der sympathischste Mensch ist. Außerdem muss ich an dieser Stelle eine Triggerwarnung aussprechen. Im Folgenden befinden sich Darstellungen von Gewalt, sexuellem Missbrauch und Kindesmissbrauch. (Altersempfehlung: +16)

Begriffserklärung

Hier liste ich ein paar Begriffe zum Verständnis auf, für alle die die Hauptgeschichte nicht kennen. Die, die mehr Hintergrund wissen haben, können hier den Anfang von Sankt Lawrence lesen.

Aura: Eine körperbezogene Energie und das Gegenteil von Mana. Sie wird verwendet, um praktische Fähigkeiten wie Kraft und Ausdauer zu verstärken, kann von Meistern aber auch außerhalb des Körpers, z.B. in Form von Telekinese verwendet werden. Menschen, die Aura besitzen, werden Aura-Träger genannt. Monster mit Aura werden als Bestien bezeichnet.

Mana: Eine geistesbezogene Energie und das Gegenteil von Aura. Unausgebildet ist sie kaum von Nutzen, daher werden nur Menschen mit viel Mana als Magier bezeichnet. Magier werden in Elementarmagier und Weiße Magier unterteilt, wobei Weiße Magier im Gegensatz zu Elementarmagiern nicht an ein spezifisches Element gebunden sind. Monster mit Mana werden Biester genannt.

Buffs/Debuffs: Stärkunges- und Schwächungszauber. Die höhere Form sind jeweils Segen und Flüche, wobei Segen als eine göttliche Gabe betrachtet werden, die nur von der Heiligen vergeben werden können und über Flüche kaum etwas bekannt ist.

Die Heilige: Das spirituelle Oberhaupt des Tempels und eine mächtige Magierin mit einer Affinität zur Lichtmagie. Sie ist nicht nur in der Lage, als unheilbar geltende Krankheiten zu heilen, sondern sie kann auch in die Zukunft sehen. Aber die wenigsten wissen, dass mit einer starken Affinität zur Lichtmagie auch eine starke Affinität zur Schattenmagie einhergeht.

Läuterungszauber: Ein Zauber, der im Tempel gelehrt und von Priesterinnen und Priestern in einem zeremoniellen Umfeld gewirkt wird, um jemanden von einer Vergiftung oder einem Fluch zu heilen. Da der Zauber jedoch praktisch alles vom Ziel entfernt, das nach Ansicht des Zaubernden dort nicht hingehört, kann er auch zum Reinigen des Körpers verwendet werden, wenn es auch in den Augen des Temples blasphemisch ist.

Ränge: Wesen mit Mana oder Aura werden nach Ränge A-F kategorisiert, angefangen mit dem schwächsten Rang F. Sehr selten gibt es den Spezialrang S, der noch über dem höchsten Rang A steht.

Verdecker: Ein magischer Gegenstand, der die eigene Energie verbirgt, solange sie nicht verwendet wird.

Prequel

Blutige Schatten

Ich sehe mit geballten Fäusten zu dem Gebäude vor mir auf. Das Hauptgebäude der Söldnergilde in Libera. Die letzten Monate habe ich mit der Vorbereitung auf diesen Tag verbracht. Heute darf nichts schiefgehen.

Ich zupfe meine Kapuze zurecht, die ich über meine Haare gezogen habe, und kontrolliere, ob meine Maske richtig sitzt. Die Maske ist ein magischer Gegenstand und kann nur von mir abgenommen werden. Darüber hinaus besitzt sie keine Eigenschaften und sie ist aus schlichtem Leder gefertigt. Trotzdem hat es mich eine ganze Weile gekostet, Matthias das nötige Geld dafür abzuknöpfen. Dann lege ich einen Zauber auf meine Stimmbänder und räuspere mich testweise, bevor ich eintrete.

Laute Stimmen und Gelächter empfangen mich, zusammen mit einem schweren und modrigen Geruch. Ich halte mir unwillkürlich eine Hand über die Nase, während ich meinen Blick auf einen der Tische in der Mitte des Raumes richte, an dem einige Männer sitzen.

»...und wie ich mich umdrehe, wa se weg! Puff! Dacht wohl, ich krepier, aber ihr hättet sehn solln, wie sie geguckt hat, als ich n Tag später vor der Tür stand. Der hab ichs aber gegeben, bahahaha!«

Ich verstehe kaum die Hälfte von dem, was der Mann sagt, und ich verstehe außerdem nicht, weshalb er vergilbte Kleidung trägt, die auch noch den größten Teil seiner überaus haarigen Brust entblößt, und aussieht, als hätte er sich seit Wochen nicht gewaschen. Die Aura, die ich von ihm spüre, ist so mächtig wie die, eines durchschnittlichen Templers.

»Dachte wohl, sie kann dich abzocken.« Ein anderer Mann stimmt in das Gelächter des zweiten ein. Auch er sieht nicht wesentlich wohlhabender aus, obwohl seine Aura kaum schwächer ist, als die des ersten.

»Ich sags immer: Verlass dich auf jemanden und du bist verlassen.« Diesmal ist es ein Magier, der spricht. Sein Mana ist recht schwach, aber er sieht gepflegter aus, wenn auch nur deswegen, weil er seine Kleidung anständig trägt, ohne den halben Oberkörper zu entblößen. Möglicherweise werden Magier besser bezahlt als Aura-Träger, denke ich, was mir gelegen käme.

»Kann ich dir helfen, Mädchen?«

Ich erstarre und sehe zu dem großen Mann auf, der plötzlich vor mir steht. Er ist stark. Seine Aura ist nicht nur stärker als die der beiden ungewaschenen Männer, er gibt sich auch Mühe sie zu verbergen. Wenn er auch genauso ungewaschen aussieht.

Luke ist bisher der einzige Aura-Träger, den ich kenne, der seine Aura verbirgt, und das nur, weil ich es ihm gezeigt habe. Normalerweise wissen nur Magier wie sie ihre Energie ohne Verdecker verbergen.

Ich schlucke. »Ich möchte mit dem obersten Söldner sprechen!« Meine Stimme klingt wegen meines Zaubers tiefer und ich lege so viel Selbstbewusstsein und Überzeugung hinein, als würde ich mit einem Novizen aus dem Tempel sprechen.

»Dem obersten Söldner?« Der Mann legt seinen struppigen Kopf schief. »Du bist ne Süße. Wer soll n das sein?«

Ich sehe ihn irritiert an, da ich mir nicht sicher bin, ob er sich über mich lustig macht oder mich wirklich nicht verstanden hat. Ich räuspere mich. »Ich will mit Eurem Oberhaupt reden.«

»Abgelehnt!«

»Eh?« Dieser Laut kommt mir ungewollt über die Lippen. Er sollte mich an einen Ort bringen, wo ich in Ruhe mit dem Oberhaupt der Söldner reden kann, und ich verstehe nicht, wieso er ablehnt. Niemand außer dem Hohepriester und dem König kann einen Befehl von mir missachten.

»Du kannst mit mir reden.« Der Mann verschränkt die Arme vor der Brust, während er auf mich herabsieht.

Mein Blick huscht zu den Männern am Tisch, die nun in unsere Richtung schauen. »Dann bringt mich zu einem Ort, an dem wir ungestört reden können.«

»Nein.«

Ich zucke zusammen und sehe wieder zu dem Mann auf.

»Sag mir, was du willst, dann sag ich dir, ob wir darüber ungestört sprechen müssen.«

»Wie bitte? Aber ich - « Ich breche ab, als sich der Mann zu mir herunterbeugt.

»Das ist kein Ort, für n kleines blaublütiges Mädel, um das gemeine Volk herumzukommandieren.«

Ich halte den Atem an, da ich befürchte, dass er sonst hört, wie schnell er geht. »Ich bin nicht adlig«, sage ich dann. »Ich habe nur für Adlige gearbeitet.« Mama sagt immer, sie kann riechen, ob jemand adlig ist. Bisher dachte ich nicht, dass sie das wörtlich meint, aber ich habe mir eine Geschichte zurechtgelegt, falls jemand nach meiner Herkunft fragt.

»Aha«, sagt der Mann, mustert mich jedoch mit einem zweifelnden Blick. Dann deutet er mit einem Kopfnicken auf den großen Tresen links. »Komm mit an die Bar und erzähl, was du hier willst.« Er wartet nicht auf meine Antwort und so folge ich ihm wortlos.

Der Mann umrundet den Tresen, während ich einen der großen Hocker in Augenschein nehme, bevor ich mich zögerlich darauf setze. Dann sehe ich zu dem Mann, der hinter dem Tresen etwas macht. Ich weiß nicht, was es ist, aber da er gesagt hat, er wolle reden, warte ich ab und schließlich kommt er zu mir.

Er hält einen großen Becher in der Hand, den er vor mir abstellt. »Ich bin Dorran, der Wirt und Verwalter dieser Gilde. Wenn du n Söldner brauchst, sag mir wofür und ich stell dir jemanden vor.«

Ich musterte den Becher und die bräunliche Flüssigkeit darin für einen Moment, unsicher, ob er für mich ist, bevor ich beschließe ihn zu ignorieren und Dorran ansehe. Mit meiner Maske kann ich ohnehin nicht trinken. »Ich will niemanden anheuern. Ich möchte beitreten.«

Er runzelt die Stirn. »Wo?«

»Hier. Ich möchte dieser Gilde als Söldnerin beitreten.«

Dorrans buschige Brauen rücken zusammen und seine Augen schmälern sich, als hätte er plötzlich Probleme scharf zu sehen. »Du willst Söldnerin werden?«

»Ja.«

Er seufzt. »Das ist kein Spiel, Kleine.«

»Ich brauche Geld.« Das letzte Mal als Mama und Papa mich im Tempel besucht haben, waren sie so dünn. Ich habe Albert gebeten, ihnen mehr Geld zu geben, aber er hat gesagt, dass er ihnen das Geld geschickt hat, das ihnen zusteht, und dass er es sich als Hohepriester nicht erlauben kann, einige Menschen besser zu behandeln als andere.

»Und ich bin stark.« Ich hebe eine Hand und lasse eine Lichtkugel darüber erscheinen, damit er sieht, dass ich mein Mana nicht mit einem Verdecker vor ihm verberge, sondern dass er mein Mana nicht spüren kann, weil es seiner Aura überlegen ist.

Trotzdem scheint Dorran nicht sehr überrascht. »Eine Heilerin, hm?«

»Ich verspreche, dass nur die Heilige eine bessere Heilerin ist als ich.« Ich würde gerne sagen, dass ich genauso gut bin wie sie, aber das würde er wahrscheinlich nicht glauben. Außerdem will ich keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen, weshalb ich beschlossen habe, schwächer zu tun als ich bin.

Dorran mustert mich, nach wie vor unüberzeugt. »Bevor ich dazu irgendetwas sage, will ich deinen Namen wissen, Mädchen.«

»Lawrence.«

»Wie der Bösewicht aus diesem Märchen?«

Ich nicke energisch.

»Und wieso trägst du eine Maske?«

»Ich werde angestarrt, wenn ich keine Maske trage.«

»Du wirst angestarrt? Mehr als mit der Maske?«

Ich nicke.

»Wieso?«

»Ich bin hässlich.«

Er starrt mich an. »Du bist hässlich?«, wiederholt er dann und ich höre den Unglauben in seiner Stimme. »Eine hässliche Heilerin.«

»Das ist genau das, was ich meine!« Ich deute anklagend mit dem Finger auf ihn, während ich die Stimme hebe, als wäre ich wütend. »Nur weil Heiler allgemein als schön gelten, muss ich mir ständig solche Kommentare anhören. Und wenn jeder meint, mir mitteilen zu müssen, dass mein Gesicht nicht gut genug für eine Heilerin ist, dann bekommt es eben niemand mehr zu sehen.«

Dorran starrt mich wortlos an.

Ich weiß nicht, ob er mir diese Begründung abkauft oder nicht, vielleicht ist ihm aufgefallen, dass mein Finger, mit dem ich noch immer auf ihn deute, zittert. Aber dann werde ich plötzlich nach unten gedrückt.

»Hey, hey, Dorran, wieso se nicht aufnehmen?« Einer der Männer vom Tisch steht neben mir und hat einen Arm um meine Schultern gelegt. Der saure Gestank von Schweiß und ungewaschenen Kleidern steigt mir in die Nase und ich halte unwillkürlich die Luft an, während ich einen Läuterungszauber auf mich wirke. Ich kann die Wärme seines Körpers durch meine Kleidung fühlen und wie seine Hand meine Brust betastet. Mir wird übel, aber ich reiße mich zusammen. Ich weiß, dass es schlimmer wird, wenn ich ihn wegstoße, und ich will in die Gilde aufgenommen werden.

»N junges Ding mit nem Haufen Mana, ne Heilerin noch dazu. Könnten wir doch gebrauchen.«

Ich sehe Dorran an und nicke, während ich mir fest auf die Lippe beiße und weiter die Luft anhalte.

»Wie alt bist du, Mädchen?«, fragt er schließlich.

»16.« Meine Stimme klingt rau und bebt.

»Lüge.«

Ich zucke zusammen und der Mann neben mir lacht. »Seit wann kümmerts uns, wie alt jemand ist? Dacht immer, bei uns zählt nur Können.«

Dorran starrt weiter mich an und sagt nichts.

Ich wünschte, der Mann würde mich endlich loslassen. Ich würde ihn zurückschieben, aber im Moment hilft er mir. Man muss nett zu denen sein, von denen man etwas will, sonst bekommt man es nicht.

»Wie wärs, wenn ich die Kleine in meine Gruppe aufnehme?«, fragt der Mann und sein Arm schlingt sich um meinen Hals, als er mich näher zu sich zieht. »Wir ham keinen Heiler und ich könnt n Auge auf se ham. Was sagst du, Kleines?« Er sieht mich an.

Mir geht so langsam die Luft aus und ich nicke hastig.

»Na siehste. Problem gelöst. Du bist jetzt n Teil von Megs Truppe, hm? Wie heißt du, Kleines?«

Sein Name ist also Meg. »Lawrence.«

»Lawrence? Wenn du als Bursche durchgehen willst, musste dir n bisschen mehr Mühe geben, Kleines, haha!« Während er lacht, packt seine Hand meine Brust.

Diesmal reagiert mein Körper von allein. Ich stoße ihn von mir, während ich gleichzeitig versuche, von ihm wegzukommen. Es kracht, als ich mitsamt dem Hocker, auf dem ich gesessen habe, zu Boden gehe.

Ich erstarre, als ich begreife, was ich getan habe. Die Männer, die mich im Tempel besucht haben, sind immer wütend geworden, wenn ich sie zurückgestoßen habe. Auch wenn es unangenehm ist, ist es besser, es auszuhalten, als sie wütend zu machen. Ich ziehe den Kopf ein und kneife die Augen zu.

»Hahaha, ein schreckhaftes Mäuschen, biste.« Meg lacht herzhaft und ich sehe erstaunt zu ihm auf. Er ist nicht wütend?

Er geht vor mir in die Hocke. »Keine Angst, kleines Mäuschen, oder du machst dir in die Hosen, wenn du mit uns kommst.«

»Meg«, beginnt Dorran, aber Meg winkt abweisend mit der Hand in seine Richtung. »Lass se doch selber entscheiden.« Meg hält mir seine Hand hin. »Also, biste dabei?«

Ich starre seine Hand an. Es ist keine Frage, da ich nur aus dem Grund hier bin. Und doch fühle ich nicht die erwartete Zufriedenheit. Aber ich habe keine andere Wahl. Ich nehme seine Hand.



 

Einige Wochen vergehen. Ich habe Meg eine Silbermünze mit meinem Mana gegeben, die er zerbrechen kann, um mich zu rufen, aber bisher habe ich keinen Auftrag bekommen. Er hat mich nur gerufen, um mich den anderen Mitgliedern seiner Gruppe vorzustellen, und mir einen Krug mit diesem Gebräu vorzusetzen, das Dorran mir am ersten Tag angeboten hat. Es schmeckt bitter und vergoren, sodass ich es kaum hinunterbekommen habe, aber es war nicht so schlimm, da Alkohol keinen Effekt auf mich hat.

Es war schon schwieriger, die vielen Versuche Megs und der anderen abzuwehren, mir die Maske abzunehmen. Er ist gegen Ende sogar wütend geworden, aber ich kann nicht riskieren, dass jemand mein Gesicht sieht, auch wenn wahrscheinlich niemand aus der Gilde wissen würde, wer ich bin.

Mein Blick richtet sich wieder auf das kleine Häuschen, dass ich von dem Baum, auf dem ich sitze, gut im Auge behalten kann. Der Tempel hat es meinen Eltern zur Verfügung gestellt und ich beobachte meinen Vater, der hinter dem Haus sitzt, und an seiner Werkbank arbeitet. Er arbeitet draußen, weil die Fenster des Hauses nicht groß genug sind, um genug Licht ins Haus zu lassen, und es gibt keine Lampen, sondern nur Kerzen.

Albert hat gesagt, er ist großzügig, und dass meine Eltern, das Geld, das sie bekommen, falsch ausgeben. Aber ich weiß, dass sie es in Lucis Ausbildung investieren. Jetzt, wo meine Eltern einen offiziellen Titel haben, wollen sie, dass meine kleine Schwester die Möglichkeit hat, davon zu profitieren. Und ich weiß, dass einige Adlige sich einen Spaß daraus gemacht haben, meine Eltern zu sich einzuladen, nur um sich über sie lustig zu machen. Deshalb brauche ich Geld. Selbst für Adlige ist Geld wichtig und sie zeigen sogar Respekt vor nicht-Adligen, wenn sie reich sind. Und ich werde Geld verdienen!

Mit einem letzten Blick auf meinen Vater verschwinde ich im Schatten und mache mich auf den Weg zur Gilde. Meg hat mich nicht gerufen, aber ich weiß, dass heute jemand auftauchen wird, der eine Heilerin braucht. Ich habe noch nie versucht, eine so genaue Vorhersage zu machen, und es hat mich Tage voll schrecklicher Kopfschmerzen gekostet, aber das war es wert. Der Kunde ist ein reicher Händler, was bedeutet, dass ich die Aussicht auf eine hohe Bezahlung habe, wenn ich den Auftrag bekomme.

Als ich in der Gilde ankomme, ist es später Nachmittag und es ist noch lauter als gewöhnlich. Die Ursache dafür ist eine Prügelei mitten in der Gildenhalle. Ich bin nicht sicher, wie ich darauf reagieren soll, da die anderen Söldner die Prügelei ignorieren oder anfeuern. Aber als ich sehe, dass Meg Teil der Prügelei ist, beschließe ich zu helfen. Er hat mich in seine Gruppe aufgenommen, also ist es selbstverständlich, dass ich helfe.

Ich heile Meg und die anderen Männer aus seiner Gruppe und buffe sie, woraufhin sie schnell die Oberhand gewinnen.

»Haha! Gute Arbeit, Kleines!«, ruft Meg, der einen jungen Mann am Kragen gepackt hält. Der junge Mann sieht aus, als wäre er kaum noch bei Bewusstsein, trotzdem schlägt Meg weiter auf ihn ein.

»Das ist Schummeln!«, ruft jemand und deutet mit dem Finger auf mich. »Sich mitten im Kampf heilen zu lassen!«

»Ja! Wer ist das?«

»Ich will mein Geld zurück!«

Weitere Söldner stimmen in die Rufe ein und ich sehe mich verunsichert um.

»Ey, die Kleine gehört zu mir, klar?!« Meg lässt den Mann los, der nun wirklich das Bewusstsein verloren hat, und dessen Gesicht so eingeschlagen ist, dass man ihn für tot halten könnte. Ich schlucke und beschließe, auch ihn zu heilen, aber in diesem Moment legt Meg mir seinen Arm um die Schultern. »Jeder, der n Problem damit hat, soll vortreten.« Er grinst zuversichtlich, aber alle sehen uns an, als wären wir im Unrecht und so heile ich schnell alle Männer, die verletzt auf dem Boden liegen.

»Hey, was soll n das?!«

Ich sehe erschrocken zu Meg. »Sie waren schwer verletzt.«

»Ja und das war harte Arbeit! Jetzt ist alles umsonst!«

Ich sehe verwirrt von Meg zu den anderen Söldnern, die vorher so unzufrieden waren. Ich dachte, weil alle derselben Gilde angehören, würde sie wollen, dass ich alle heile. Aber warum sehen mich alle an, als hätte ich etwas falsch gemacht?

»Nimms nicht so ernst«, sagt Dorran, der hinter dem Tresen steht. »Prügeleien gibts hier oft und wir wetten gern.«

»Is Teil vom Aufnahmeritual, Kleines«, sagt Meg und klingt wieder gelassen. »Aber wir ham das für dich geregelt. Als Gegenleistung darfste dich aber nicht mehr gegen uns stellen, klar?«

Ich starre ihn an. Sie haben sich meinetwegen geprügelt? »Ich wollte mich nicht gegen euch stellen.«

»Dann heil niemanden, den ich zusammengeschlagen hab.«

»Aber sind sie nicht auch Teil der Gilde?«

»Genug jetzt! Der Stärkere hat immer recht, merk dir das!« Meg legt mir eine Hand auf den Kopf und drückt ihn nach unten. »Warum biste überhaupt hier? Hab ich dich gerufen?«

»Nein, aber ich dachte, wenn ich - «

»Niemand braucht dich, um zu denken. Tu einfach, was dein Boss dir sagt, und dein Boss bin ich, klar?«

Ich beiße mir auf die Lippe. Die anderen Söldner halten sich von mir fern und ich weiß, dass ich nur wegen Meg in der Gilde bin. Wenn ich meinen ersten Auftrag habe und beweisen kann, dass ich eine große Hilfe bin, brauche ich ihn nicht mehr. Aber bis dahin muss ich den Kopf unten halten.

Ich nicke.

»Braves Mädchen.« Meg tätschelt meinen Kopf.

Ich räuspere mich. »Meg?«

»Was is?«

»Ich habe gehört, dass ein reicher Händler herkommen will, um einen Heiler anzuheuern.«

Meg runzelt die Stirn. »Wo hast n das her?«

»Ich habe es zufällig gehört, als ich auf dem Weg hier her war.«

Seine Augen schmälern sich misstrauisch.

Ich weiche unruhig seinem Blick aus. Hoffentlich verdächtigt er mich nicht. Ich brauche diesen Auftrag. »Und ich dachte, vielleicht kann ich das übernehmen.«

Meg schnaubt. »Übermütig, hm? Na gut. Wenn hier n Händler aufkreuzt und nach nem Heiler fragt, mach ich das Ding für dich klar.«

Ich seufze erleichtert. »Vielen Dank!«, sage ich und senke höflich den Kopf, während ich denke, dass Meg vielleicht doch nicht so schlecht ist.



 

Am nächsten Tag schleiche ich mich in aller Frühe aus dem Tempel. Gestern bin ich nach dem Abendgebet dramatisch in Ohnmacht gefallen und ich habe Luke und Matthias befohlen, niemanden in mein Zimmer zu lassen. Denn Meg hat mir tatsächlich den Auftrag besorgt.

Er hat gesagt, es war nicht leicht, den Händler zu überzeugen, eine Heilerin anzuheuern, die ihr Gesicht nicht zeigen will, und dass ich mir Mühe geben soll, damit ich dem gerecht werde, was Meg ihm über mich erzählt hat.

Und so bin ich früher als verabredet am Treffpunkt am Osttor. Der Auftrag lautet, den Händler und seine Wachen auf ihrer Reise durch den Hesky-Wald zu begleiten und zu unterstützen, da sich unter den Wachen keine Heiler befinden.

Meg hat mir gesagt, dass es in letzter Zeit eine große Anzahl an Angriffen von Ogern gab, weshalb die meisten Hesky meiden. Aber Meg wollte mir nicht sagen, weshalb der Händler durch den Wald reist. Er hat mir auch verboten danach zu fragen, da sich Söldner nicht in die Geschäfte ihrer Kunden einmischen.

Da die Tore der Stadt über Nacht geschlossen sind, warte ich in der Nähe des Torhauses. Aber selbst nachdem das Tor geöffnet wurde, muss ich noch fast eine halbe Stunde warten, bis die Kutsche des Händlers auftaucht. Zwei Aura-Träger reiten vorne weg und zwei weitere folgen der Kutsche. Dann kommt ein großer Wagen und dahinter reiten zwei Feuermagier.

Ich packe die Zügel des Pferds, das ich von der Gilde geliehen habe, und laufe auf die Kutsche zu.

Der Mann, der an der Spitze reitet, wirft mir einen Blick zu, aber weder er noch die Kutsche halten an. »Du bist?«

»Lawrence. Ich bin die Heilerin, die ihr angeheuert habt.«

Er mustert mich kurz. »Boss!«, ruft er dann, woraufhin der Händler den Kopf aus dem Fenster der Kutsche streckt.

»Was ist?«, fragt er, aber sein Blick fällt sofort auf mich. »Was stehst du da herum? Wir haben keine Zeit zu verlieren.« Er schnipst ungeduldig mit den Fingern und ich klettere hastig auf mein Pferd.

Ich muss es antreiben, um die Kutsche einzuholen und neben dem Fenster her zu reiten, aus dem die ungeduldige Hand des Händlers winkt.

»Man hat mir versichert, dass ich es nicht bereuen werde, Geld für dich auszugeben.«

»Ja. Mein Name ist Lawrence und ich - «

»Es ist mir egal, wie du heißt. Sieh zu, dass du eine Hilfe bist oder du kannst deine Bezahlung vergessen.« Er schnaubt und lehnt sich zurück, aber ich höre noch wie er zischt: »Schicken mir so ein halbfertiges Weib.«

Ich rümpfe die Nase. Wenn er wüsste, dass er im wahrsten Sinne des Wortes die Heilige an seiner Seite hat. Ich werde dafür sorgen, dass er mich nicht nur bezahlt, sondern auch noch etwas obendrauf legt.

Ich drossle das Tempo meines Pferds, da ich nicht an der Spitze reiten will. Stattdessen geselle ich mich zu den beiden Aura-Trägern, die zwischen der Kutsche und dem Wagen reiten. Es sind ein Mann und eine Frau und ich fühle mich etwas wohler, weil die Gruppe nicht nur aus Männern besteht.

»Hallo«, sage ich. »Ich bin Lawrence.«

Die Frau schnaubt und der Mann mustert mich skeptisch. Dann sagt er. »Karman. Und das ist Ursa.«

Ich nicke höflich. »Es freut mich. Ich werde mich bemühen, gut mit euch zusammenzuarbeiten.«

»Sicher«, sagt Karman.

Ursa sagt nichts und sieht nach vorn.



 

Wir reiten eine ganze Weile, bevor wir das erste Mal Rast machen, und ich nutze die Zeit, um mich bei allen vorzustellen und ein Gefühl dafür zu bekommen, wie ich mich verhalten soll.

Mein Auftraggeber heißt Saram Kerris und neben seinem Assistenten Pannas beschäftigt er permanent eine Söldnergruppe, die aus sechs Mitgliedern besteht: Boris, der Anführer und ein Aura-Träger, der von seiner Aura her mit Luke konkurrieren könnte, Mallet, der ebenfalls stärker ist, als die meisten Templer, Karman und Ursa, und schließlich Joel und Jira, die beiden Feuermagier, die außerdem Geschwister sind.

Anfangs sind sie mir gegenüber etwas zurückhaltend, aber als ich während der Rast einen Heilzauber auf alle wirke, der ihre Verspannungen und Steifheit vom Reiten löst, werden sie freundlicher. Und dann, kaum eine Stunde nachdem wir den Wald betreten haben, treffen wir auf ein paar Oger.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich einem Monster gegenüberstehe, aber ich habe noch nie Oger gesehen. Sie sind groß und hässlich, und der Boden bebt, während sie mit ihren dicken Füßen nach den Söldnern treten. Aber ich habe erwartet, dass sie furchteinflößender sind.

Sie werden als Rang B Bestien klassifiziert, aber ihre Aura ist nicht sehr stark. Ich weiß, dass auch die Söldner nach Rängen kategorisiert werden, aber da ich noch keinen Auftrag abgeschlossen habe, habe ich noch keinen Rang. Wenn die Oger jedoch Rang B sind, bin ich zuversichtlich einen höheren Rang zu bekommen.

Ich überlege, ob ich die Oger bezwingen könnte, wenn ich sie einfach mit meinem Mana überwältige, aber Boris gibt mir die Anweisung, mich aus dem Kampf herauszuhalten und mich aufs Heilen zu konzentrieren.

Während ich den Kampf beobachte, merke ich, dass keiner der Söldner seine Energie richtig beherrscht. Boris benutzt seine Aura ausschließlich dafür, seine Kraft zu verstärken, aber seine Aura-Führung ist primitiv. Er beherrscht vermutlich noch nicht einmal Telekinese. Und er ist immer noch der stärkste in der Gruppe.

Die Feuermagier sind nicht anders. Ich weiß nicht viel über Feuermagie, aber ihre Zauber sind schwach und verschwenden Mana. Vielleicht sollte ich es bei Gelegenheit ansprechen.

»Verfluchte Scheiße!«

Ich blinzle verdutzt, als ich diesen vulgären Ausruf höre. Albert hat immer betont, dass nur Menschen von niederer Herkunft und schlechter Bildung fluchen, und es ist in meiner Gegenwart verboten.

Die Ursache für Boris Fluch ist, dass einer der Oger die Reihe der Söldner durchbrochen hat und auf die Kutsche zukommt.

»Verdammter Mist! Wozu gibt man ein Vermögen für Wachen aus, die es nicht mal schaffen einen Oger aufzuhalten?!« Mr. Kerris flucht ebenfalls, wobei er recht ängstlich aus dem Kutschfenster sieht. Sein Blick fällt auf mich und er schnippt mit den Fingern, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. »Hey du! Tu gefälligst etwas! Arbeite für dein Geld!«

Ich richte meinen Blick wieder auf den Oger, der uns nun erreicht hat. Er ist wirklich groß, denke ich. Außerdem riecht er nicht besonders gut. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich nervös werde, als er seine klobige Faust über den Kopf hebt und sie auf mich heruntersausen lässt.

Mr. Kerris schreit, mein Pferd wiehert ängstlich und dann kracht die Faust des Oger gegen meinen Schild. Ich habe ihn stärker gemacht, obwohl das nicht nötig war, denn die Kraft des Oger lässt ihn kaum erzittern. Trotzdem atme ich erleichtert auf, als ich mir sicher sein kann, dass der Oger es nicht schaffen wird, den Schild zu durchbrechen.

Der Oger scheint davon verwirrt zu sein. Er sieht seine Faust an, als würde damit etwas nicht stimmen, und sieht dann wieder zu mir. Dann schlägt er ein zweites Mal auf meinen Schild. Er hat damit nicht mehr Erfolg als beim ersten Mal, trotzdem verwirrt es ihn so sehr, dass er Mallet nicht bemerkt, der hinter ihm in die Luft springt, und ihm sein Schwert in den Hals rammt.

Der Oger stürzt mit einem Krachen zu Boden und ich beobachte mit einem mulmigen Gefühl im Magen, wie dickflüssiges Blut aus seinem Hals strömt und sich mit dem erdigen Waldboden mischt. Der Anblick weckt unschöne Erinnerungen und ich wende den Blick ab.

»War das dein Schild, Kleine?« Mallet, der hinter dem gefallenen Oger steht, sieht zu mir auf und ich meine, Anerkennung in seinen Augen zu sehen.

Ich nicke.

»Nicht schlecht. Und heilen tust du auch ordentlich.«

Ich lächle zufrieden und senke dankend den Kopf. »Danke, ich tue mein Bestes.«

Er schnaubt, aber es klingt nicht abfällig, und dann wendet er sich ab, um den anderen zu helfen, die restlichen beiden Oger zu überwältigen.

»Hey!« Ein Schnipsen ertönt hinter mir und ich sehe zur Kutsche.

Mr. Kerris hat die Arme auf dem Fenster aufgestützt, während er den Kopf herausstreckt und mich mustert. »Sieht aus, als wärst du doch keine Geldverschwendung. Sieh zu, dass du in meiner Nähe bleibst.« Ohne auf meine Antwort zu warten, verschwindet er wieder in der Kutsche.



 

Nachdem der Kampf vorbei ist, ziehen wir weiter, und wir kommen weit, da ich die Erschöpfung der Söldner und der Pferde beseitige. Außerdem habe ich sie alle geläutert, was sie sehr beeindruckt hat. So ist es später Abend, als wir das nächste Mal rasten, trotzdem ist die Stimmung ausgelassen.

Ich bin dabei, Wasser aus einem Fluss in der Nähe zu holen, worum Boris mich gebeten hat. Es ist für Pannas, der für uns kocht. Ich habe ihm schon Feuerholz besorgt und davor geholfen, die Pferde zu versorgen.

Währenddessen ruhen sich die Söldner aus. Boris hat mir gesagt, dass Kämpfen immer anstrengender ist als Heilen und es deshalb den Heilern zufällt, sich auch über die Kämpfe hinaus, um die Gruppe zu kümmern. Immerhin muss ich nicht kochen.

Ich bringe das Wasser zu Pannas und als er mir keine weitere Aufgabe gibt, setze ich mich zu den anderen ans Feuer.

»Ah, Kleine, wir haben grad über dich geredet«, sagt Boris und winkt mir zu, damit ich mich neben ihn setze. »Welche Schicht der Wache willst du übernehmen?«

Ich sehe ihn verwirrt an. »Was für eine Wache?«

Boris blinzelt. Dann prustet er. »Ist wirklich dein erster Auftrag, hm? Die Nachtwache natürlich oder willst du, dass wir im Schlaf von Monstern gefressen werden?«

Mallet und Ursa lachen ebenfalls, aber ich schüttle den Kopf. »Nein, deswegen habe ich einen Schild um uns erschaffen.«

Es ist sofort still.

»Du hast was?«, fragt Boris.

»Einen Schild erschaffen«, wiederhole ich, nun etwas verunsichert. »Ich dachte, es wäre besser, wenn wir nachts nicht kämpfen müssen.«

»Du kannst einen Schild, wie den, den du heute gegen den Oger beschworen hast, eine ganze Nacht lang aufrechterhalten?«, fragt jetzt Karman.

»Natürlich«, antworte ich nun verwirrt. Einen Schild aufrechtzuerhalten ist nicht schwer, wenn man ihn stabil aufbaut, und er verbraucht kaum Mana, wenn er nicht angegriffen wird.

»Selbst wenn du schläfst?«, fragt Boris.

»Ich komme gut eine Woche ohne Schlaf aus«, sage ich selbstbewusst, obwohl das nur in der Theorie stimmt. Ich kann die Erschöpfung meines Körpers mit Magie kompensieren, aber nach ein paar Tagen lässt meine Konzentration nach.

»Scheiße, echt?« Boris lacht, obwohl er geflucht hat. Dann legt er mir einen Arm um die Schultern. »Was hältst du davon, eine von uns zu werden?«

Die Frage überrascht mich so sehr, dass es mich von dem Unwohlsein seiner Nähe ablenkt.

»Das ist immer noch meine Entscheidung, oder?«, mischt sich Mr. Kerris ein und Boris sieht zu ihm. Dabei nimmt er seinen Arm aber nicht zurück.

Ich beiße mir auf die Lippe.

»Überleg doch mal, Boss. Wir könnten jede Nacht durchschlafen, ohne uns um Monster Sorgen zu machen. Außerdem sind ihre Buffs der Hammer, wir sind immer sauber und sie kann uns im Kampf heilen! Hast du ne Ahnung, wie leicht es ist einen Oger zu töten, wenn du nach jedem Treffer wie neu bist?«

Ich bin verwirrt. Wieso klingt er so überrascht, dass ich ihn während des Kampfes geheilt habe? Das war doch meine Aufgabe.

»Das ist scheiß außergewöhnlich für so n junges Ding. Und alles andere kann sie lernen.«

»Hm«, macht Mr. Kerris, während ich mich frage, was Boris mit ‚alles andere‘ meint. »Nur, wenn sie die Maske abnimmt.«

Ich lege schützend meine Hände über die Maske und schüttle den Kopf.

Boris lacht. »Nicht so schüchtern. Wir würden einer Kameradin nichts tun, egal was du hinter dieser Maske versteckst.«

Ich sage nichts und halte weiter meine Maske fest.

»Tja«, brummt Mr. Kerris und schnippt dann mit den Fingern, um Pannas zu symbolisieren, das Essen herzubringen.

Es ist ein Eintopf, der fad schmeckt und ich gebe Boris gerne davon ab, da ich besseres Essen in meinem Schatten gelagert habe. Aber ich will nicht, dass jemand sieht, dass ich Schattenmagie beherrsche, deshalb will ich damit warten, bis alle schlafen.

Nach dem Essen verschwindet Mr. Kerris wieder in der Kutsche und ich lasse Moos wachsen, damit der Boden weich ist, auf dem die Söldner schlafen. Es ist warm genug, um draußen zu schlafen, weshalb die Söldner einfach ein paar Decken über das Moos nahe dem Feuer ausbreiten.

»Ich wusste nicht, dass Heiler auch Pflanzen wachsen lassen können.« Boris klopft auf seine Decke, um mir zu bedeuten, mich neben ihn zu setzen. Er hält einen Trinkschlauch in der Hand und auch die anderen Söldner sehen nicht so aus, als würden sie sich schlafen legen. Nur Pannas hat sich hingelegt.

»Es sind auch Lebewesen«, sage ich, unsicher, was er von mir hören will.

»Gibt es noch etwas, dass wir wissen sollten? Etwas, das uns nützlich sein könnte?« Er sieht mich neugierig an und er ist nicht der Einzige.

»Oh«, mache ich und denke unter Hochdruck nach. Sie beginnen, sich auf mich zu verlassen, also muss ich etwas Hilfreiches sagen, um sie nicht zu enttäuschen. Meine Schattenmagie würde sie bestimmt beeindrucken, aber ich weiß, dass es gefährlich ist, preiszugeben, dass ich Schattenmagie beherrsche. Außerdem sollte ich sie nicht zu sehr mit meinen Fähigkeiten beeindrucken, denn Lawrence darf nicht mächtiger sein als die Heilige. »Ich kann euch zeigen, wie ihr eure Energie effizienter einsetzen könnt«, sage ich, froh, dass mir etwas eingefallen ist. »Vorhin, als ich euren Kampf beobachtet habe, ist mir aufgefallen, dass euer Einsatz von Mana und Aura sehr simpel und ineffektiv ist. Wenn ihr eure Kontrolle verbessert, wärt ihr stärker und könntet Energie sparen.«

Es ist still. Keiner sagt etwas oder zeigt Interesse an dem, was ich gesagt habe. Stattdessen sehen mich alle an, als hätte ich etwas Falsches gesagt.

»Wir wissen also alle nicht, wie wir unsere Energie einsetzen«, sagt Jira und sie klingt wütend.

»Ich meine nur, dass ihr - «

»Hey, für wen hältst du dich? Nur wegen ein bisschen Lob, hältst du dich plötzlich für besser als uns, oder was?«

»Nein, ich wollte doch nur…« Ich sehe mich Hilfe suchend um, aber alle sehen mich so an wie Jira. »E-Es tut mir leid, ich wollte euch nicht beleidigen.«

Jira schnalzt mit der Zunge und ich spüre, wie sie einen Zauber wirkt. Und dann fängt meine Maske Feuer.

Mit einem Schrei reiße ich sie mir vom Gesicht und schütze es mit meinen Händen. Weil das Mana gegen meine Maske gerichtet war, wurde es nicht von meinem Mana abgewehrt, aber das Feuer war so nah, dass die Hitze meine Haut verbrannt hat. Sie heilt innerhalb weniger Sekunden von selbst, aber das Problem ist, dass ich meine Maske abgenommen habe.

»Komm wieder runter, Jira, sie war vielleicht ein bisschen übermütig, aber du kannst sie nicht in Brand stecken«, höre ich Boris sagen und dann spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. »Hey, alles klar? Lass mal sehen.«

Meine Arme werden gepackt, um sie von meinem Gesicht wegzuziehen. »Nein!« Ich versuche dagegenzuhalten, aber selbst mit Buffs kann ich gegen einen Aura-Träger wie Boris nichts ausrichten.

»Wieso so schüchtern? Du musst keine – hm?« Boris schafft es meine Arme beiseite zu ziehen und das einzige, was mein Widerstand bewirkt hat, ist, dass mir die Kapuze vom Kopf gerutscht ist.

Boris starrt mich an. »Was zum Henker?! Seht euch das an!« Mein Kinn wird gepackt und in Richtung des Feuers gedreht, damit es alle sehen können.

Nein! Ich schlage Boris’ Hand weg und springe auf die Füße, während ich versuche, meine Kapuze über mein Gesicht zu ziehen.

»Was soll denn das, Kleine?« Boris steht ebenfalls auf. »Ich hab doch gesagt, es passiert nichts, wenn wir dein Gesicht sehen. Wieso wirst du nicht eine von uns?«

Was soll ich tun? Was, wenn sie dahinter kommen, wer ich bin? Wenn Albert herausfindet, dass ich mich aus dem Tempel schleiche, sperrt er mich wieder ein!

Zwei Arme legen sich um mich und ich werde gegen eine Brust gedrückt. »Alles ist gut. Du kannst uns vertrauen.« Boris tätschelt meinen Kopf. »Ich sorge dafür, dass dir niemand weh tut, in Ordnung?«

Er riecht nach Schweiß und Alkohol und ich kann seinen Atem hören. Ich spüre seine Hand auf meinem Rücken, die Wärme, die von ihm ausgeht und über meine Haut kriecht wie Ameisen. Trotz des Läuterungszaubers, den ich auf mich wirke, wird mir übel.

Ich versuche, ihn von mir zu drücken, aber Boris lässt es nur soweit zu, dass er mir ins Gesicht sehen kann.

Seine Finger streichen über meine Wange und ich zucke zurück.

»So schön«, murmelt Boris. »Wieso versteckt jemand so etwas Schönes?«

Ich versuche erneut, ihn von mir zu schieben.

»Hey, alles gut. Ich hab doch gesagt, ich pass ab jetzt auf dich auf.« Boris hält mich fest. »Du kannst auch deine Maske weiter tragen, wenn es dich beruhigt. Du musst mir nur vertrauen.«

Ich sehe zögerlich zu ihm auf. Ich vertraue ihm nicht. Aber wenn ich ihn dazu bringen kann, mir zu vertrauen, schaffe ich es vielleicht, ihn zu verfluchen, sodass er nichts verraten kann.

»Du hilfst mir, ich helfe dir, hm? Wie hört sich das an?«

»Was meinst du?«, frage ich mit rauer Stimme.

»Nur, dass du uns unterstützt wie bisher. Das wolltest du doch, oder?«

Ich sehe misstrauisch zu ihm auf und er kichert. »Was soll dieser Blick. Ich bitte dich doch nicht um zu viel. Du heilst und buffst uns wie bisher und ich beschütze dich.« Seine Hand zupft an meinem Umhang. »Und du hilfst mir abends, mich ein wenig zu entspannen.« Etwas Gieriges lodert in seinen Augen auf und ich verpasse ihm einen Stoß vor die Brust.

»Woah!«, ruft Boris, als ich es diesmal schaffe, ihn von mir zu stoßen. »Was soll das?«

Ich sehe zu den anderen, die immer noch am Feuer sitzen. Niemand scheint sich darum zu kümmern, was Boris und ich tun.

Mein Handgelenk wird gepackt. »Das Leben eines Söldners ist ein Geben und Nehmen, das musst du noch lernen.«

Ich sehe wieder Boris an, der nun seine Aura freisetzt.

»Als Heilerin hast du das Privileg, beschützt zu werden, und ich riskiere mein Leben dafür. Das bedeutet, du nimmst mehr, als du gibst. Unfair, oder?« Er zieht mich mit einem Ruck zu sich und schlingt wieder die Arme um mich. Er drückt sein Gesicht in meine Halsbeuge und ich spüre, wie er einen tiefen Atemzug nimmt.

»Nein! Stopp!« In diesem Moment greife ich unwillkürlich nach meiner Schattenmagie, um mich von ihm weg zu teleportieren. Aber seine Aura umgibt mich und ich muss sie erst zurückdrängen, um einen Schatten betreten zu können.

Aber als ich mein Mana freisetze, packt Boris meinen Hals. Ich verliere das Gleichgewicht und falle nach hinten. Mein Kopf kracht auf den Boden und meine Sicht verschwimmt.

»Du bist ganz schön undankbar. Wolltest du mich gerade angreifen?« Boris’ raues Lachen ertönt. »Das ist der Unterschied zwischen einem Kämpfer, der sein Leben riskiert, und jemandem, der sich nur beschützen lässt.«

Trotz meiner Benommenheit spüre ich Ekel in mir aufsteigen. Boris liegt auf mir und seine schwitzige, warme Hand liegt an meinem Hals. Ich sehe sein Gesicht über mir, wie er sich gierig über die Lippen leckt. Er sieht mich an, wie sie mich angesehen haben, und gegen meinen Willen kehren meine benebelten Gedanken in den kleinen Raum im Tempel zurück, in den ich immer gebracht wurde, wenn ich besonderen Besuch bekommen habe.

»Und wenn du dich benimmst, sorg ich sogar dafür, dass es dir auch gefällt. Gibt also keinen Grund, so empfindlich zu sein.« Boris’ Worte ähneln denen, die Albert zu mir gesagt hat. Es ist meine Schuld, weil ich zu empfindlich reagiere, wenn mich jemand berührt. Es ist meine Schuld, wenn ich die noblen Herren, die mich besuchen, weil sie mir zugetan sind, wütend mache. Es ist meine Schuld...

»Hast du nicht gesagt, dass du dir Mühe geben willst, mit uns zusammenzuarbeiten? Wo ist diese Mühe jetzt?«

Vielleicht kann ich es aushalten. Wenn ich still daliege und nichts tue, hört er irgendwann auf. Ich muss nur bis dahin durchhalten. So habe ich es früher auch gemacht.

Boris Hand verschwindet von meinem Hals und ich huste, als ich wieder richtig atmen kann.

»Das ist besser.«

Mein Kinn wird zur Seite gedreht und ich kneife die Augen zusammen, als ich Boris’ kratzigen Bart über meine Wange streichen spüre. Ich höre seinen Atem und etwas Nasses berührt meinen Hals. Ich beiße mir auf die Lippe, um ein Wimmern zu unterdrücken und läutere mich.

»Hm, du schmeckst gut«, schnurrt Boris mir ins Ohr, woraufhin ich gleich einen weiteren Läuterungszauber wirke.

Mittlerweile hat sich meine Benommenheit geklärt und ich sehe wieder scharf. Ich sehe das Lagerfeuer und die anderen Söldner, die darum herumsitzen. Aber sie kümmern sich immer noch nicht darum, was wir tun.

Dann verschwindet Boris Gewicht von mir, aber als ich hoffnungsvoll zu ihm auf sehe, packt er meine Hüfte. »Es gibt einen Grund, weshalb es sich für Frauen nicht gehört, Hosen zu tragen«, sagt er, während er mein Wams hochschiebt.

Ich sehe ihn erschrocken an, als ich begreife, dass er mehr im Sinn hat, als mich zu begrabschen.

»Hey, was soll n das heißen?!«, ruft Ursa plötzlich und Boris lacht. »Niemand wills mit nem Mansweib wir dir machen, Ursa, also halt die Klappe.«

»Du kriegst gleich eins aufs Maul!«, erwidert sie, aber sie steht nicht mal auf. Aber ihr Blick huscht zu mir.

Ich sehe sie flehend an. »Bitte…«, forme ich mit den Lippen, aber sie schnaubt. »Hast du dein Gesicht versteckt, weil du so schön bist? Musst dir ja mächtig was drauf einbilden.« Sie schüttelt den Kopf und ich höre Jira lachen.

Mein Atem beschleunigt sich und als ich wieder zu Boris sehe, kniet er über mir, eine sichtbare Beule in der Hose.

»Nein!«, rufe ich und packe seine Handgelenke, die an meiner Hose herumfummeln. Gleichzeitig setze ich mein Mana frei. »Stopp!«

»Woah!« Unter dem Druck meines Manas strauchelt Boris und nimmt die Hände von mir, um sich auf dem Boden abzustützen. Auch die Söldner vom Lagerfeuer sehen jetzt alle zu uns.

»Was ist hier los?« Mr. Kerris kommt aus der Kutsche und Erleichterung steigt in mir auf. Er hat mit Meg verhandelt und er sollte wissen, dass es Konsequenzen gibt, wenn mir etwas passiert.

»Wer ist das?« Mr. Kerris macht ein verwirrtes Gesicht.

»Keine Sorge, Boss, das ist unsere kleine Heilerin ohne Maske. Du wolltest doch wissen, wie ihr Gesicht aussieht«, sagt Boris, mit einem ungeduldigen Unterton.

Mr. Kerris runzelt die Stirn. »Tatsächlich? Man hat mir gesagt, sie wäre hässlich.«

»Helft mir!«, rufe ich, da es nicht so aussieht, als würde er das von sich aus tun. »Es verstößt gegen unseren Vertrag, wenn mir etwas passiert.«

Mr. Kerris blinzelt und der Ausdruck von Bewunderung wird von Ärger ersetzt. »Unsinn! Ich habe Geld für dich bezahlt, obwohl du ein junges Ding ohne Erfahrung bist, das auch noch ihre Identität geheim hält. Das habe ich nur getan, weil dein Boss mir gesagt hat, dass ich alles mit dir machen kann, solange es mir nützt.«

Ich starre ihn entgeistert an. Meg hat was getan? Ich höre, wie die Söldner kichern. Heißt das, es ist von Anfang an schiefgegangen? Ich bin in eine Falle gelaufen. »Luke...«, wispere ich und vor meinem inneren Auge taucht sein Rücken auf, die weiße Robe, mit dem Wappen der Heiligen darauf. Aber er ist nicht hier.

»Die Welt ist ein gefährlicher Ort, Kleine.« Boris packt mein Kinn und dreht meinen Kopf wieder ihm zu. »Aber ich verspreche, ich kümmere mich gut um dich. Und ich verkaufe dich auch nicht weiter, so wie deine Gilde es getan hat. Wenn du dich benimmst.«

Ich reiße die Augen auf, als er seine Lippen auf meine presst. Das fleischige Gefühl seiner warmen Lippen ist, als würde man mich zwingen, Würmer zu essen und ich würge. Gleichzeitig schießt mein Mana fast von selbst in Boris’ Körper, um ihn von mir zu stoßen. Es knirscht und knackt und ich höre ein Röcheln von Boris. Aber ich schaffe es, ihn loszuwerden.

Immer noch würgend krabble ich von ihm weg und übergebe mich ins Gras. Wieder und wieder, während ich einen Läuterungszauber nach dem anderen auf mich wirke. Ich wische mir über den Mund und kratze an meinem Hals, aber das widerliche Gefühl von Boris schleimiger Haut will nicht verschwinden.

Dann trifft mich etwas in der Seite. Die Luft wird mir aus den Lungen gepresst, ich werde umgerissen und schlage auf dem Boden auf. Ich krümme mich zusammen, ehe ich merke, dass jemand auf mich zukommt. Ich will mich hochdrücken, aber da steht er bereits vor mir. In der Erwartung, Boris zu sehen, hebe ich den Kopf. Aber es ist Mallet. Und er hebt sein Schwert.

»Du verdammtes Miststück!«, brüllt er, bevor sein Schwert auf mich herabsaust.

Ich habe nicht einmal Zeit, die Augen zusammenzukneifen, als das Schwert mich trifft und sauber durch meinen Hals geht.

Mallet taumelt und sieht mich dann irritiert an.

Ich bin starr vor Schreck, aber ich spüre auch, dass ich nicht verletzt bin. Natürlich nicht. Mallet hat Aura in seinen Schwertstreich gelegt, aber seine Aura ist schwächer als mein Mana. Und jeder Angriff gegen mich, von jemandem, der schwächer ist als ich, wird von meinem Schatten verschluckt.

»Was zur Hölle tust du?«, höre ich Ursa rufen. »Wie kannst du sie verfehlen?!«

Feuer lodert auf. »Lass mich machen. Sie soll brennen, dafür, dass sie Boris getötet hat.«

Ich realisiere nur am Rande, dass es Jira ist, die spricht. Boris ist tot? Mein Blick huscht umher, bis ich Boris finde, der etwas entfernt von mir am Boden liegt. Ja, denke ich. Er hat seine widerlichen Lippen auf meine gepresst und mein Mana hat jeden Knochen bis zu seinem Rückgrat hinab gebrochen.

Ich habe es wieder getan. Aber damals war da so viel Blut. Und Luke war bei mir. Ich höre seine Stimme. Tief und warm. Niemand, der Hand an Euch legt, darf Gnade erwarten. Dafür werde ich sorgen.

Dann werde ich plötzlich am Kragen gepackt und auf die Füße gezerrt. Ich sehe Mallets wutverzerrtes Gesicht vor mir und wie er mit der Faust ausholt. Vielleicht denkt er, jetzt, wo er mich festhält, würde er mich treffen. Aber er berührt meinen Hals und mein Kinn. Es ist widerlich.

Ich durchstoße mit meinem Mana den Aura-Schild, der seinen Körper umgibt, und schicke mein Mana auf direktem Weg zu seinem Herzen. Es ist viel effizienter, einen Muskel erstarren zu lassen, als einen Haufen Knochen zu brechen.

Mallet erstarrt in der Bewegung und seine Augen quellen hervor. Er lässt mich los und greift nach seiner Brust. Dann bricht er zusammen und regt sich nicht mehr.

»Scheiße, Mallet?!«

Ich weiß nicht, wer das ruft, aber Ursa und Karman stehen vor mir, in ihre Aura gehüllt und mit den Schwertern auf mich gerichtet. Und ich spüre das Mana von Jira und Joel.

Dann ertönt ein Fingerschnippen. »Hört auf herumzuspielen und macht was!«, brüllt Mr. Kerris und gestikuliert aufgeregt in meine Richtung.

Ich starre Mr. Kerris’ Finger an. Es ist ein Befehl. Wenn er mit den Fingern schnippt, soll getan werden, was er befiehlt. Ich sehe auf meine Finger hinab und imitiere die Geste. Schnipp. Das Geräusch ist kaum hörbar, doch mit ihm setze ich mein Mana frei.

»Urg!« Ursa und Karman straucheln zu Boden und schaffen es nur, sich auf ihre Schwerter gestützt aufrechtzuhalten. Aber Mr. Kerris, Joel und Jira liegen flach auf dem Boden.

»Du Miststück«, brüllt Jira und ich spüre, wie sie und Joel versuchen, ihr Mana zu verbinden und einen Zauber zu wirken. Aber er zerfällt unter dem Druck meines Manas.

Ich sehe noch, wie Jiras Augen sich vor Entsetzen weiten, ehe sie und Joel in den Schatten gesaugt werden. Ich versuche, dasselbe mit Karman und Ursa, aber ihre Aura ist zu stark.

»Niemals!«, faucht Ursa, die wohl auch gemerkt hat, dass ihr Widerstand zu groß für mich ist. »Niemals lass ich mich von einem kleinen Püppchen wie dir umbringen!« Sie lacht, während sie ihr Schwert in die Erde bohrt, um Halt zu finden. »Du kannst dein ganzes Mana darauf verschwenden, aber mich kriegst du nicht!«

Ich verstehe nicht, weshalb sie so stolz klingt, denn es ist nicht nötig, sie völlig in den Schatten zu ziehen. Ich erwidere ihren Blick unbeeindruckt und hebe meine Hand. Schnipp. Diesmal blitzt eine Lichtkugel auf, die die Schatten verschwinden lässt und mit ihm, die Teile von Ursa und Karman, die vom Schatten verschluckt waren.

Blut spritzt und Ursa und Karman brüllen vor Schmerz.

Ich mache einen Schritt zurück. Da ist so viel Blut. Die Schatten haben die beiden Aura-Träger zerstückelt und obwohl ich weiß, dass es meine Einbildung ist, spüre ich etwas Dickflüssiges und Klebriges an meinen Händen.

Ich weiß, dass Ursa und Karman sterben werden und ich greife unwillkürlich nach meinem Mana, um sie zu heilen. Aber dann denke ich an Ursas Gesicht, als Boris mich zu Boden gedrückt hat. Statt sie zu heilen, öffne ich die Schatten und im nächsten Moment verschwinden die Schreie, zusammen mit ihren Besitzern.

Ich starre den nun leeren Waldboden an, auf dem nur noch ein paar Blutspritzer zu sehen sind. Dann falle ich auf die Knie und übergebe mich.

Meine Arme zittern so heftig, dass ich mich kaum aufrecht halten kann und trotz meines leeren Magens muss ich jedes Mal würgen, wenn ich an die zerstückelten Körper von Ursa und Karman denke.

Ich kneife die Augen zusammen. Ich will nach Hause. Selbst in meinem Zimmer im Tempel wäre ich jetzt lieber als hier.

»M-Monster!« Mr. Kerris’ schrille und zitternde Stimme durchbricht die Stille. »Du hast sie alle umgebracht! Wie sollen wir jetzt aus dem Wald kommen?! Wir werden alle sterben!«

Ich hebe den Kopf und sehe ihn an.

Er steht immer noch bei der Kutsche, während Pannas ein paar Meter weiter links auf dem Boden kauert, als wäre er vor mir weggekrochen.

»Wer ermordet sechs Leute, nur weil Boris sich hat hinreißen lassen?! Wenn du nicht gewollt hättest, dass er mit dir spielt, hättest du dich nicht so anbiedern sollen!« Mr. Kerris’ Stimme klingt kräftiger, vielleicht, weil ich auf dem Boden hocke und zittere, und er macht einen Schritt auf mich zu. »Wenn du glaubst, dass du damit davon kommst, irrst du dich gewaltig! Du wirst mich und meine Ware aus diesem Wald schaffen, und zwar unbeschadet. Wenn ich auch nur einen Kratzer habe, werde ich dich in der nächsten Stadt den Wachen übergeben, du Mörderin!«

Ich starre ihn an. Mich den Wachen übergeben? Damit herauskommt, was gerade passiert ist?

»Vergiss nicht, dass ich dein Gesicht gesehen habe und glaube mir, ich werde es nicht vergessen!«

Ah. Mein Gesicht. Mein Blick huscht über den Boden, bis ich die Maske finde, die leicht verkohlt nahe dem Lagerfeuer liegt. Ich greife mit der Hand in den Schatten, sodass sie bei der Maske wieder auftaucht. Ich hole die Maske zu mir und setze sie auf.

»Das nützt dir auch nichts. Von jetzt an wirst du tun, was ich dir sage, oder du endest am Galgen. Na los doch!« Er schnippt mit den Fingern.

Der Laut lässt mich zusammenzucken. Ich knie immer noch auf dem Boden und ich sehe auf meine Hände hinab. Mit der linken lege ich Daumen und Mittelfinger zusammen. Dann sehe ich zu Mr. Kerris.

Er sieht auf meine Hand und spricht nicht mehr.

Ich hebe die Hand.

»Nein, warte - «

Schnipp. Mr. Kerris verschwindet im Schatten. Er leistet keinen Widerstand und es ist so schnell vorbei, dass ich nicht einmal Zeit habe, meine Entscheidung zu überdenken.

Ein Wimmern ertönt und ich sehe zu Pannas.

»B-Bitte«, stammelt er. »Ich werde nichts sagen.« Er zittert und schwitzt und ich spüre keine Gefahr von ihm. Das schwache Mana, das ich in ihm spüre, ist das unspezifische Mana eines weißen Magiers, auch wenn er kaum als Magier durchgeht.

Ich stehe auf.

»Bitte!«, fleht Pannas erneut und beginnt rückwärts zu kriechen, während ich auf ihn zugehe. Da ich meine Zeit nicht damit verschwenden will, ihm nachzujagen, teleportiere ich mich mit Schattenmagie vor ihn.

Pannas stößt einen Schrei aus. »Es tut mir leid! Ich werde nichts sagen, ich schwöre es!« Ihm laufen Tränen übers Gesicht, aber ungeachtet dessen gehe ich vor ihm in die Hocke und strecke die Hand nach ihm aus.

»Nein! Nein! Bitte!« Pannas schreit, bis zu der Sekunde, in der ich ihm meine Hand auf die Stirn lege. Dann erschlafft sein Körper.

Ich lasse mein Mana in ihn hineinfließen, während ich die Augen schließe, um mich zu konzentrieren. Jemanden zu verfluchen kostet viel Mana und Konzentration, sogar wenn das Ziel so schwach ist wie Pannas.

Ich weiß nicht, wie lange ich brauche, aber als ich fertig bin, habe ich den größten Teil meines Manas verbraucht. Trotzdem benutze ich es dazu, um Pannas zu heilen und ihn aufzuwecken.

Er blinzelt und als er mich sieht, setzt er sich abrupt auf. »Miss Lawrence! Was ist passiert?«

Ich mustere ihn. Es scheint ihm gutzugehen und er scheint außerdem keine Angst mehr vor mir zu haben. »Du bist ohnmächtig geworden. Woran erinnerst du dich?«

Pannas legt die Stirn in Falten. »Boris und die anderen haben versucht, Euch die Maske abzunehmen. Als Ihr Euch geweigert habt, haben sie Euch angegriffen. Ihr habt Euch verteidigt und die Situation ist eskaliert.«

»Wirst du mich melden?«

Er schüttelt heftig den Kopf. »Wie könnte ich? Es war nicht Eure Schuld und Ihr habt mein Leben gerettet.«

»Was ist mit meiner Bezahlung?«

Er reibt sich das Kinn. »Mr. Kerris hat mich in die Details nicht eingeweiht, aber ich werde die Papiere durchsehen und dafür sorgen, dass Ihr nicht nur Eure Bezahlung erhaltet, sondern auch eine entsprechende Entschädigung.«

Ich nicke. Er scheint sich nicht an mein Gesicht zu erinnern und obwohl ich merke, dass er noch immer zittert, scheint er mir gegenüber wohlwollend.

»Das ist nicht das Problem, Miss Lawrence. Das Problem ist, wie wir es lebend aus diesem Wald schaffen.«

Ich stehe auf. »Keine Sorge. Ich bringe uns zurück.« Richtig. Es gibt keinen Grund, sich zu sorgen. Immerhin habe ich mich schon die ganze Zeit gefragt, wie ich mich gegen einen Oger schlage.



 

Wir schaffen es am Abend des nächsten Tags wieder in Libera zu sein, da wir noch in der Nacht aufbrechen und ich Kutsche und Wagen in meinem Schatten verstaut habe. Es ist das erste Mal, dass ich so etwas Großes in meinem Schatten unterbringe und es kostet einiges an Mana, aber als Resultat kommen wir wesentlich schneller voran. Einzig die Oger halten uns auf und ich muss lernen, dass Ogerhaut dicker ist, als ich dachte. Aber da das von nun an mein Job sein wird, kann ich nicht zimperlich sein, und nach dem dritten Oger habe ich den Dreh raus.

Und ich stelle fest, dass es etwas Befreiendes an sich hat. Oger sind dumm wie Brot und sie sind nur darauf aus, mich zu zermatschen. Darüber hinaus wollen sie gar nichts und jedes Mal, wenn ich einen von ihnen töte, sieht Pannas mich an, als hätte ich eine gute Tat vollbracht. Ich muss kein Mitleid haben oder hinterfragen, was ich tue und Panna behandelt mich, wie er zuvor Boris behandelt hat, ohne dass ich nett zu ihm sein muss. Alles ist so viel leichter, wenn man sich keine Gedanken darum macht.

Als wir in der Gilde ankommen, herrscht dort reger Abendbetrieb. Dorran steht wie gewöhnlich hinter dem Tresen und als er mich sieht, verdüstert sich seine Miene und er unterbricht sein Gespräch mit einem der Söldner, um zu mir zu kommen. »Du bist schon wieder da, Kleine?«

»Es gab eine Planänderung«, sage ich und lege Pannas die Hände auf die Schultern. »Er wird dir alles erklären.«

Pannas räuspert sich und hebt die Stimme, um den Lärm in der Gildenhalle zu übertönen. »Als Mr. Kerris’ Assistent werde ich mich um den Abschluss des Vertrags mit Miss Lawrence kümmern.«

»Miss Lawrence, hm?« Dorran wirft mir einen Blick zu. »Wir erlauben eine Vertretung nur, wenns nicht anders geht.«

»Nun, Mr. Kerris ist tot. Das sollte Grund genug für Euch sein, eine Vertretung zu akzeptieren.«

»Hmm«, macht Dorran und mustert Pannas scharf. Dann sieht er zu mir. »Das müsst ihr erklären. Kommt mit ins Hinterzimmer.« Er geht hinter dem Tresen entlang, wobei er uns mit einer Handbewegung bedeutet, ihm zum hinteren Teil der Halle zu folgen. Aber als ich mir mit Pannas einen Weg durch die trinkenden Söldner bahne, werde ich an der Schulter gepackt. »Was n das? Meine Kleine ist schon zurück?«

Ich bleibe stehen und drehe mich um.

Meg steht hinter mir und er stinkt nach Alkohol. »Was ist passiert? Hab dich nicht vor nächster Woche erwartet, Kleines.«

»Gab wohl unerwartete Komplikationen.« Dorran tritt hinter mich. »Bin grad dabei, mir anzuhören, was los ist.«

»Na, da komm ich doch gleich mit.« Meg grinst, aber ich spüre die Dringlichkeit hinter seinen Worten. Es stimmt also. Er hat mich verkauft.

Ich balle die Fäuste. »Nein!« Ich sehe Dorran an. »Pannas erzählt dir, was passiert ist. Ich spreche mit Meg.«

Dorran hebt die Brauen. »Sicher? Musst ihm ja mächtig vertrauen.« Sein Blick huscht zu Pannas, der etwas verunsichert zwischen uns hin und her sieht.

Ich drehe meinen Kopf in seine Richtung, damit er weiß, dass ich ihn ansehe. »Du würdest mich nicht hintergehen, oder?«

Pannas erbleicht und schüttelt hastig den Kopf. »N-Natürlich nicht, Miss Lawrence.«

Aber trotz Pannas ängstlicher Reaktion, schaut Dorran mich noch immer zweifelnd an.

»Na, sieh mal einer an.« Megs Hand rutscht über meinen Nacken, als er mir seinen Arm um die Schultern legt und der widerliche Gestank von saurem Schweiß steigt mir in die Nase. »Haste was gelernt, Kleines?«

Ich schiele zu seiner Hand, die über meiner Brust hängt. Er nennt mich immer Kleines und es würde mich nicht wundern, wenn er meinen Namen vergessen hat. Aber das ist meine Schuld. Ich habe mich nicht wie Lawrence verhalten.

»Habe ich«, sage ich und bemühe mich um einen leichten Tonfall, während ich mein Mana in Megs Arm schicke. Seine Aura ist schwächer als Boris’ und ich könnte jeden Knochen in seinem Körper zermatschen. Aber ich begnüge mich mit seinem Arm.

»Argh! Scheiße!« Meg reißt seinen Arm zurück. »Was soll der Scheiß?!«

»Ich hab gelernt, wenn ich nicht will, dass jemand seinen stinkenden Drecksarm um meine Schultern legt, muss ich ihn brechen.« Meine Hand zittert leicht, als ich auffällig meine Schulter säubere und ich bin froh, dass mir der Satz, den ich mir zurechtgelegt habe, über die Lippen geht, ohne dass ich mir auf die Zunge beiße. Dabei lasse ich meinen Blick über die Söldner um uns herum schweifen, die beginnen interessiert in unsere Richtung zu schauen.

Dorran schnaubt leise und wendet sich endlich ab, um mit Pannas in ein Hinterzimmer zu gehen.

»Was?!«, knurrt Meg und ein dunkles Funkeln tritt in seine Augen, während er seinen gebrochenen Arm umklammert. »Behandelst du so deinen Boss?! Ohne mich, wärst du nicht einmal hier!«

Ich erschaudere, aber ich zwinge mich, nicht klein beizugeben. Egal, was er sagt, er ist schwächer als Boris. »Ich will keinen Schwächlich wie dich als Boss haben!«

»Ha!« Meg reißt die Augen auf, während sein Gesicht sich rot vor Wut färbt. »Hast ja richtig Eier bekommen! Aber s ist ne sehr dumme Idee, zu vergessen, wer dein Boss ist!« Er hebt seinen heilen Arm und seine Aura steigt an, als er zum Schlag ausholt. »Zähne zusammenbeißen, Kleines!«

Ich rühre mich nicht und kurz bevor seine Faust mein Gesicht trifft, verschwindet sie in meinem Schatten.

»Eh?« Meg erstarrt verwirrt und ich sehe seinen dummen Gesichtsausdruck über seinen Arm hinweg.

»Willst du wissen, was ich noch gelernt habe?«, frage ich und durch das laute Trommeln in meinen Ohren, höre ich wie angespannt meine Stimme klingt. Ich hebe meine Hand und schnippe mit den Fingern. Mittlerweile kann ich es so gut, dass das Geräusch hörbar ist, auch wenn Meg kaum die Zeit haben dürfte, das zu bemerken. Mit meinem Schnippen leuchtet eine Lichtkugel auf und Megs Hand wird von seinem Arm getrennt.

Er brüllt auf und taumelt zurück. Sein gebrochener linker Arm zittert, in dem Versuch, den blutenden Stummel seines rechten Arms zu halten.

Ich zucke zusammen, als einige warme Tropfen auf meiner Maske und meinem Hals landen. Ich versuche etwas Höhnisches zu sagen, aber die Szene im Wald blitzt vor meinen Augen auf und meine Kehle schnürt sich zu. Statt höhnischen Worten kommt mir nur ein Würgegeräusch über die Lippen und ich schnippe hastig mit den Fingern. Das Blut verschwindet und Megs rechter Arm heilt.

Meg macht ein irritiertes Gesicht und bewegt die Finger seiner wiedergewonnenen Hand.

Um uns herum ist es ruhiger geworden und die Söldner murmeln. Ein Körperteil nachwachsen zu lassen ist keine Kleinigkeit und nur die besten Heiler können es ohne Körperkontakt. Und nur ich kann es in dieser Geschwindigkeit. Wenn es auch nicht meine beste Arbeit ist.

»Was soll das, Kleines?« Meg grinst, aber seine Stimme klingt angespannt. Und ich sehe, dass die Mitglieder seiner Gruppe hinter ihm aufgetaucht sind. »Erst nimmste meinen Arm, dann heilste mich.«

»Aber du hast doch gesagt, ich soll dich heilen, wenn du verletzt bist.«

»Kein Schimmer, was mit dir passiert ist, Kleines, aber das wirst du bereuen.« Er macht eine auffordernde Geste zu seinen Männern und ich spüre einen großen Anstieg an Aura. Aber es ist nicht schwer, mich zu widersetzen.

Ich setze mein Mana frei und Meg strauchelt. »Was zum?!«

Ich atme erleichtert aus und frage mich, weshalb ich mir die Mühe gemacht habe, so nett zu ihm zu sein. Dabei hat Meg selbst mir doch verraten, wie die Dinge hier laufen. »Der Stärkere hat immer recht, oder?« Ich hebe meine rechte Hand und forme eine Faust. Dann buffe ich meinen Arm.

Ich sehe zu Meg, dem Schweiß über die Schläfen läuft, während er mich ansieht. Aber er steht nur da und tut nichts, als würde er sich für mich zur Verfügung halten. Ich teleportiere mich vor ihn und während seine Augen immer noch auf den Fleck gerichtet sind, auf dem ich eben noch stand, versenke ich meine Faust in seinem Gesicht.

Ein scharfer Schmerz schießt meinen Arm hinauf, der aber sofort wieder verschwindet. Meg dagegen wird nach hinten geschleudert und landet mit einem lauten Krachen auf dem Boden. Ich höre ihn keuchen, aber ich gebe ihm keine Zeit, sich zu sammeln und teleportiere mich auf ihn. Ich buffe auch meinen anderen Arm und schlage erneut auf ihn ein. »Gib mir mein Geld, du schleimiger Drecksack!«, fauche ich, denn ich weiß, dass Meg Geld von Mr. Kerris bekommen hat, noch bevor ich zu dem Auftrag aufgebrochen bin.

Ich verstehe es jetzt, denke ich, während Megs Kopf von meinen Schlägen hin- und hergerissen wird. Mr. Kerris hatte recht. Alles, was passiert ist, war meine Schuld. Und nicht nur alles, was gestern passiert ist. Die letzten Wochen und Jahre, in denen ich versucht habe, alle zufriedenzustellen und niemanden zu enttäuschen. Mama sagt immer, man muss nett zu denen sein, von denen man etwas will, aber alles, was ich getan habe, war mich kontrollieren zu lassen und dabei mein Ziel aus den Augen zu verlieren. Ich bin nicht in die Gilde gekommen, um Freunde zu finden. Ich bin hergekommen, um die beste Söldnerin zu werden und einen Haufen Geld zu verdienen. Und ich habe es nicht nötig, zu irgendwem nett zu sein.



 

»Rang B?!« Ich schlage empört mit den Händen auf den Tresen und funkle Dorran wütend an. »Ich bekomme denselben Rang wie dieser Schwächling Meg?!«

»Das ist der zweithöchste Rang und es ist selten, dass n Neuling gleich n Rang B kriegt.«

»Es ist auch selten, dass jemand so stark ist wie ich und Ränge werden doch nach Stärke vergeben!« Nachdem ich Mus aus Meg und seiner Gang gemacht habe, hat sich niemand mehr getraut mir dumm zu kommen und ich habe beschlossen, mich keiner Gruppe anzuschließen, sondern solo zu arbeiten. »Und überhaupt, was für ein Mist, der zweithöchste Rang! Es ist der dritthöchste!«

Dorran schnaubt. »Sag nicht, du willst einen S Rang haben. Hast du ne Ahnung, wie wenig Leute das Zeug für n S Rang haben?«

»Wen interessieren andere Leute, ich will einen!« Ich deute mit dem Daumen auf mich.

Dorran gluckst. »Könnt schwer werden, wenn deine Kunden s nicht überleben, dich anzuheuern.«

Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Das war nicht meine Schuld.«

»Ich weiß. Und zu deinem Glück, hab ich jemanden gefunden, der dich anheuern will.«

Ich horche auf. »Wirklich?«

Er nickt. »Hab dich nicht gerufen, um dir deinen Rang zu sagen.« Sein Blick huscht an mir vorbei zu einem der Tische und er winkt mit der Hand.

Ich sehe über die Schulter und zu einem Mann mit Hakennase und lächerlich bunten Kleidern, der in Begleitung eines kleineren Mannes auf uns zukommt.

»Ist sie das, Dorran?«, fragt der mit der Hakennase mit näselnder Stimme. Er richtet seinen Blick auf mich und mustert mich von oben bis unten mit einem missbilligenden Stirnrunzeln. »Was soll die Maske, Mädchen?«

Ich hasse es, mit Spitznamen angeredet zu werden. Aber das anzusprechen bringt nichts. Also greife ich nach meiner Maske. »Soll ich sie abnehmen?«

Der Mann runzelt die Stirn. »Trägst du sie nicht aus einem Grund?«

Ich zucke mit den Schultern. »Schon, aber wenn ein Kunde darauf besteht, wie kann ich da Nein sagen?«

Der Mann wirft Dorran einen Blick zu, der seinerseits mich mit gerunzelter Stirn betrachtet.

»Na gut«, sagt der Mann mit gerümpfter Nase. »Wenn ich schon Geld für dich bezahle, will ich auch was dafür haben.«

»Sicher, sicher«, sage ich mit fröhlicher Stimme, obwohl es mich anwidert, dass er über mich spricht, als wäre ich Ware. Dann nehme ich meine Maske ab, wobei ich Schattenmagie auf mein Gesicht wirke. Ich habe es vorm Spiegel geübt, um mein Gesicht so zu verzerren, dass es unkenntlich ist. Und dass es Leute zum Schreien bringt.

Der Mann stößt ein Kreischen aus und stolpert, bei seinem Versuch, einen Satz rückwärts zu machen, über einen der Barhocker. Auch sein Begleiter hat einen guten Abstand zwischen uns gebracht und sogar Dorran hinter dem Tresen ist bleich.

Ich breche in Gelächter aus. »Was für eine gemeine Reaktion auf das Gesicht einer Dame«, sage ich, klettere von meinem Stuhl und beuge mich zu dem Mann hinunter, wobei ich nur ganz leicht mein Mana freisetze, um ihn ein wenig unter Druck zu setzen. »Willst du meine Gefühle verletzen?«

Er hat die Lippen fest aufeinander gepresst, aber er schüttelt heftig den Kopf.

»Hm, vielleicht verzeihe ich dir, wenn du mir ein gutes Angebot machst. Was sagst du?«

Er nickt.

»Sehr gut!« Ich ziehe mein Mana zurück, richte mich wieder auf und lege meine Maske an. »Mein Name ist Lawrence. Auf eine gute Zusammenarbeit.«

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