Kohei verschläft am Sonntag. Marika weckt ihn, als sie in sein Zimmer platzt und verdutzt feststellt, dass er noch schläft. Als sie eingezogen ist, haben sie Ersatzschlüssel ausgetauscht und sie sind heute zum Frühstück verabredet, weil Kohhei gestern keine Zeit hatte. Und das, was ihn bis spät in die Nacht beschäftigt hat, ist Wohnungssuche. Nicht für ihn, sondern für Rem.
Seine Familie besitzt mehrere Wohnungen und es wäre eine Kleinigkeit, Rem eine zu vermieten. Aber er weiß, dass sie nie einwilligen würde. Aus diesem Grund sucht er nach Wohnungen, die Rem interessieren könnten und sorgt dafür, dass sie ihr niemand wegnimmt. Er fühlt sich ein bisschen wie ein Stalker deswegen, aber im Grunde greift er ihr nur unter die Arme, damit sie schnell aus dieser Wohnung und weg von ihrem Ex ziehen kann.
Als Kohei aus dem Bad kommt, hat Marika den Tisch gedeckt. Und sehr aufwendig noch dazu. Mit Porzellangedeck, Blumen und allem. Das Essen, ein typisches westliches Frühstück, hat sie allerdings bringen lassen. »Das ist wirklich nett«, sagt Kohei, während er sich die Haare mit einem Handtuch trocken reibt und darüber grübelt, ob er Porzellangeschirr besitzt. »Aber bitte platz in Zukunft nicht einfach in meine Wohnung, auch wenn wir verabredet sind. Dafür sind Ersatzschlüssel nicht da.«
Marika, die mit einem strahlenden Lächeln neben dem Tisch auf ihn gewartet hat, zieht einen Flunsch. »Du hast nicht aufgemacht und ich dachte, vielleicht ist dir was passiert. Man kann ja nie wissen. Und ich bin doch nicht irgendwer.«
»Du hättest mich anrufen können«, sagt er, auch wenn er überrascht ist, dass er die Türklingel verschlafen hat. Er geht auf den Tisch zu.
»Stört es dich wirklich so sehr?« Marika knittert ihren Rock mit den Händen, während sie bedrückt zu ihm sieht.
Kohei seufzt und lässt sich auf seinen Stuhl fallen. »Dir wäre es doch auch unangenehm, wenn ich einfach in deine Wohnung hineinplatze. Und du weißt von mir und Rem. Was, wenn sie hier gewesen wäre.«
Marika presst die Lippen aufeinander. »Wieso sollte sie hier sein, wenn du mit mir verabredet bist?«
»Wieso nicht?« Kohei zuckt mit den Schultern. »Du wolltest dich doch mit ihr anfreunden.«
»Aber sie wollte nicht!«
»Weil du dich nicht gerade geschickt angestellt hast. Wir wollten nicht, dass es jemand im Büro weiß und du hast ihr bei der Arbeit gesagt, dass du es herausgefunden hast. Rem ist da etwas empfindlich.« Kohei muss schmunzeln, weil er sich genau vorstellen kann, was für ein Gesicht Rem gemacht hat, als Marika ihr eröffnete, dass sie es weiß.
»Du meinst verkrampft!« Marika verschränkt die Arme vor der Brust und setzt sich ebenfalls. »Du hättest sehen sollen, wie sie mich angesehen hat. Ich hab das Gefühl, sie mochte mich von Anfang an nicht.«
Kohei runzelt die Stirn. Marika ist sehr gut darin, sich beliebt zu machen, wenn sie es will, und bisher hat er nur Positives von seinen Kollegen über sie gehört. Allerdings schließt das Rem aus. Sie hat nicht geradeheraus gesagt, dass sie Marika nicht mag, aber an der Art und Weise, wie sie über sie gesprochen hat und an ihrem Gesichtsausdruck während sie es tat, konnte er erkennen, dass es so ist. Außerdem scheint sie davon überzeugt zu sein, dass Marika in Kohei verliebt ist. Es wäre möglich, dass beides zusammenhängt.
»Wieso siehst du so aus, als würde dich das freuen?« Marika klingt verwirrt, während sie Kohei mustert und das Grinsen auf seinem Gesicht.
»Tut es nicht«, erwidert er, ohne mit dem Grinsen aufzuhören. »Es ist leicht, Rem misszuverstehen, aber sie hat einen weichen Kern. Wenn du sie ein bisschen besser kennenlernst, weißt du, was ich meine.«
»Aber Kohei, du hast gesagt, ihr seid nicht wirklich ein Paar, richtig?« Marika legt den Kopf schief, während sie ihn fragend ansieht und Kohei, der gerade in ein Croissant beißen wollte, hält inne. »Wir sind kein Paar«, stimmt er zu. »Aber wir haben eine besondere Beziehung.«
Marika starrt Kohei an und es ist offensichtlich, was sie denkt. Dabei hat Kohei nicht gelogen. Eine besondere Beziehung heißt nicht zwangsläufig, dass sie miteinander schlafen und im Grunde war seine Beziehung zu Rem schon immer besonders.
»Nun, du bist ein Mann«, murmelt Marika, als hätte er sie maßlos enttäuscht. »Aber ich bin überrascht, dass du sie gewählt hast.«
Kohei nickt kauend. Das Croissant ist frisch und er lehnt sich über den Tisch, um nicht seinen Schoß vollzukrümeln. »Um ehrlich zu sein, weiß ich auch nicht, wie es so weit kommen konnte, aber Rem ist nicht so verkrampft, wie du denkst«, sagt er, nachdem er geschluckt hat. Er hätte nie gedacht, dass er mit Marika über seine Beziehung zu Rem reden würde, aber es fühlt sich gut an, jemandem davon zu erzählen. Ihm war nicht einmal bewusst, dass er ein Bedürfnis dazu hat. Aber es ist frustrierend, immer so tun zu müssen, als wäre Rem nicht mehr als eine Arbeitskollegin. Nicht einmal Tomoda hat er von ihnen erzählt.
»Bist du sicher?« Marika legt sich einen Finger ans Kinn und schaut nachdenklich zur Decke. »Für mich sieht es nämlich so aus, als würde sie das nur spielen, um dich zu verführen.«
Kohei verschluckt sich an seinem Croissant und muss Husten. Allein bei dem Gedanken daran, kann er Rems Gesicht sehen, mit einem Ausdruck, den sie immer bekommt, wenn er etwas Dummes sagt. Er kann sich nicht vorstellen, wie Rem es anstellen würde, wenn sie ihn verführen wollte. Aber ihre Affäre zu beenden und ihn zu einem gewöhnlichen Arbeitskollegen zu degradieren, gehört bestimmt nicht dazu.
»Oh nein! Ist alles in Ordnung?« Marika sieht ihn über den Tisch hinweg besorgt an, aber es liegt dabei eine Schärfe in ihren Augen.
Kohei räuspert sich. »Ja, ich war nur überrascht. Rem versucht ganz sicher nicht, mich zu verführen.«
Sie runzelt die Stirn. Dann lächelt sie. »Du bist zu bescheiden. Ist dir nicht aufgefallen, wie sie dich ansieht. Ich wette, deswegen war sie auch so unhöflich zu mir. Sie ist eifersüchtig.«
Diesmal sagt Kohei nichts. Er glaubt immer noch nicht, dass Marika recht hat, aber er würde gerne wissen, wie Rem ihn ansieht.
Marikas Lächeln wird breiter. »Sagen wir, ich habe recht. Was würdest du tun?«
Kohei blinzelt. Er hat nie darüber nachgedacht, was er tun würde, wenn Rem versuchen würde, ihn zu verführen. Oder was er eigentlich von ihr will. Alles, woran er gedacht hat, ist, nicht zu verlieren, was er mit ihr hat. Aber wenn Rem in ihn verliebt wäre… Er denkt an sein Gespräch mit Tomoda zurück und seine Bemerkung darüber, wie Rem ihren festen Freund behandeln würde. Kohei ist neugierig, was das für ein Gefühl wäre…
»Kohei?«
Kohei blinzelt und sieht Marika an, die immer noch auf seine Antwort wartet. »Ähm«, stammelt er und hofft, dass sein Gesicht nicht verrät, woran er gedacht hat. »Ich weiß nicht, was ich tun würde.«
Marika nickt und richtet ihren Blick auf ihren Teller. »Solche Dinge sind immer schwer. Und sie ist eine Kollegin. Es wäre bestimmt nicht leicht, nachdem du sie zurückgewiesen hast.«
Kohei sieht sie verdutzt an. Nachdem er Rem zurückgewiesen hat? »Wieso sollte ich sie zurückweisen?«
Marika zuckt zusammen und sieht Kohei dann so schockiert an, dass er sich fragt, ob das wirklich ein so befremdlicher Gedanke für sie ist. »Na ja…«, murmelt sie dann und blinzelt mehrere Male. »Ich dachte nur, sie ist nicht wirklich dein Typ.«
Kohei runzelt die Stirn. »Wie kommst du darauf?« Was an Rem sollte nicht sein Typ sein? Sie ist schön, intelligent und sexy. Und sie ist aufrichtig, pflichtbewusst und hat eine niedliche Seite. Marika lässt es gerade so klingen, als hätte er keinen Geschmack.
Aber sie sieht ihn ebenso verwirrt an, wie er sie. »Heißt das, du magst sie?«
Diesmal ist es Kohei, der zusammenzuckt. Er weicht Marikas Blick aus, während sich ein übles Gefühl in seinem Magen ausbreitet. Er legt sein Croissant aus der Hand. »Natürlich mag ich sie. Aber das ist nichts Ernstes«, antwortet er mit einem Grinsen, bei dem ihm die Wangen schmerzen. Mit einem Mal ist es ihm sehr unangenehm, ausgerechnet mit Marika darüber zu reden.
»Oh, ach so.« Marikas Stimme klingt fröhlich in seinen Ohren. »Tut mir leid, dass ich das missverstanden habe.«
Kohei presst die Lippen aufeinander und starrt auf sein halb gegessenes Croissant hinab. Er denkt daran, womit er gestern seinen Tag verbracht hat und fühlt sich erbärmlich.
Dann klingelt es an der Tür.
Es dauert einen Moment, bis Kohei das registriert und verwirrt zum Flur sieht. Es ist die Klingel seiner Wohnungstür, nicht die der Haustür unten. Er steht auf, während er sich fragt, ob es ein Nachbar ist. Gleichzeitig ist er erleichtert über die Unterbrechung. Aber als er die Tür öffnet, steht kein Nachbar davor.
»Rem?« Er schiebt es auf sein Gespräch mit Marika, aber sein Puls springt plötzlich in die Höhe. »Was tust du hier? Und wie bist du reingekommen.«
Rem legt die Stirn in Falten, während sie ihn scharf mustert. »Unten ist gerade jemand rausgekommen«, murmelt sie eher beiläufig. Ihre Haare sind zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, aber nicht so streng wie im Büro. Außerdem trägt sie ein hübsches, blaues Top und eine cremefarbene Sommerhose, Ohrringe und eine Kette. Sie sieht hübsch aus, aber er ist sich sicher, dass sie nicht verabredet sind. Aber vielleicht wollte sie ihn überraschen. So wie das letzte Mal...
»Geht es dir gut?«
Kohei blinzelt verwirrt. »Ähm, wie du sehen kannst«, antwortet er langsam, während er sich zwingt, nicht an sie in einem Schulmädchenkostüm zu denken. »Wieso fragst du? Ist etwas passiert?« Wenn Rem ihn zu einem Überraschungsdate einladen will, ist das eine sehr merkwürdige Art es zu tun.
»Ms. Aozora?«
Kohei versteift sich und sieht erschrocken über die Schulter. Für einen Moment hat er völlig vergessen, dass Marika hier ist.
»Ist alles in Ordnung?«, fragt Marika, während sie sich neben Kohei stellt und seinen Arm nimmt.
Kohei starrt auf ihre Hände. Wieso tut sie das?! Er sieht zu Rem.
Sie sieht ebenfalls zu Marikas Händen und ihre Miene verhärtet sich.
»Warum sagen Sie nichts, Ms. Aozora?«, fragt Marika und tritt noch näher an Kohei heran, wobei sie Rem fröhlich anlächelt.
Rem zieht ihr Handy aus ihrer Handtasche. Die Tasche ist schwarz und schick und Kohei erkennt sie als die wieder, die sie auf der Gründerfeier bei sich hatte »Ich bin verabredet, also werde ich es kurz machen. Was soll das?« Sie hält ihnen ihr Handy hin, auf dessen Display ein Bild zu sehen ist. Ein Bild, das Kohei auch nach einigen Sekunden des Anstarrens nicht versteht. Es zeigt Marika und ihn in seinem Bett, nebeneinander liegend und offenbar nackt. Aber er kann sich nicht daran erinnern, dass das je passiert ist.
»Wieso zeigen Sie uns das, Ms. Aozora? Ist das nicht ein bisschen unangebracht?«, fragt Marika und ihre Stimme klingt etwas gepresst. Außerdem gräbt sie schon wieder ihre Fingernägel in Koheis Arm.
Nicht, dass er im Moment viel davon spürt. Er kann nur daran denken, was Rem von ihm denken muss. Er hat ihr gesagt, dass nichts zwischen ihm und Marika ist und jetzt hat sie ein Bild von ihnen im Bett, dass offenbar auch noch von Kohei geschickt wurde. Nichts davon ergibt einen Sinn.
»Das finden Sie unangebracht?« Rem schnaubt und senkt ihr Handy. Ihr Blick ist auf Marika gerichtet, aber Kohei erschaudert dennoch. »Und was hätte ich Ihrer Meinung nach machen sollen?«
»Ist das nicht offensichtlich?« Marikas Griff um seinen Arm lockert sich wieder etwas und sie drückt ihren Kopf gegen seine Schulter. »Es wäre anständig, uns nicht zu stören.«
Kohei versteift sich. Er starrt auf Marika hinab, die ganz offensichtlich weiß, was vor sich geht. Und sie verhält sich, als wollte sie Rem absichtlich etwas Falsches glauben lassen.
»Und wobei genau störe ich Sie, Ms. Sasaki?«, fragt Rem, bevor Kohei entscheiden kann, wie er mit der Situation umgehen soll.
Marika schnaubt. »Müssen Sie das wirklich fragen?«
»Eigentlich würde ich das auch gern wissen.« Kohei schafft es endlich, ein Wort herauszubringen und er zieht seinen Arm aus Marikas Griff.
Daraufhin rutscht der höhnische Blick von ihrem Gesicht und sie sieht Kohei erschrocken an.
»Sehen Sie richtig hin, Ms. Sasaki!« Rem hält Marika ihr Handy vors Gesicht.
Marika blinzelt irritiert. Es scheint sie Mühe zu kosten, den Blick von Kohei zu nehmen.
»Wissen Sie, was ich auf diesem Bild sehe?«, sagt Rem dann, als Marika schließlich auf ihr Handy schaut. »Ich sehe Mr. Inouye, der in seinem Bett liegt und schläft und damit unfähig ist, ein Bild von sich zu machen und es mir zu schicken. Und ich sehe Sie, wie Sie in die Kamera sehen und dabei perfekt geschminkt sind, sodass Sie auf keinen Fall gerade erst aufgewacht sind. Und wenn ich mir Mr. Inouyes Reaktion ansehe, haben Sie weder hier geschlafen, noch um seine Erlaubnis gebeten, dieses Foto machen zu dürfen.«
Marika starrt Rem so entgeistert an, als wäre ihr nie im Traum eingefallen, dass Rem das Bild so betrachten würde. Und in einer anderen Situation hätte Kohei vielleicht darüber gelacht. Aber er weiß, was Marika erreichen wollte. Es ist offensichtlich, wenn man sich das Bild ansieht. Da es immer noch recht warm ist und er es nicht mag, die Klimaanlage zu hochzudrehen, hat er ohne Shirt geschlafen, und auch Marika hat sich wohl ihr Oberteil ausgezogen, um es so aussehen zu lassen, als wäre sie nackt.
»Ich gebe ihre Frage also zurück: Halten Sie es nicht für unangebracht, sich in das Zimmer eines schlafenden Mannes zu schleichen, ein kompromittierendes Foto von Ihnen beiden zu machen und es über sein Handy an eine Kollegin zu verschicken?«
Marika lacht auf, allerdings klingt es nicht sehr überzeugend. »Es geht Sie überhaupt nichts an -« Sie bricht ab, als Kohei geräuschvoll ausatmet. »Du hast überhaupt nicht geklingelt, oder?«
Marika sieht ihn an und unter seinem Blick verliert sie etwas Farbe. »W-Wieso siehst du mich so an? Ich hab doch nur -«
»Ich will meinen Ersatzschlüssel zurück.«
Marika sieht ihn entgeistert an. »W-Was?«
Koheis Miene verdüstert sich, während Marika ein Gesicht macht, als würde er ihr in den Rücken fallen. »Ich hab ihn dir nicht gegeben, damit du in meine Wohnung kommen kannst und tust, was immer du willst.«
»Aber -«
Kohei wartet nicht auf ihre Antwort und wendet sich an Rem. »Es tut mir leid, dass du das sehen musstest. Ich hätte vorsichtiger sein sollen.« Er verbeugt sich höflich. »Und danke, dass du vorbeigekommen bist, um das Missverständnis zu klären.« Er will sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn sie nicht gekommen wäre. Er hat nicht nachgesehen, aber Marika hat das Bild auf seinem Handy wahrscheinlich gelöscht, sodass er nicht gewusst hätte, dass es existiert.
Als er sich wieder aufrichtet, mustert Rem ihn mit einem Blick, den er nicht einordnen kann. Dann seufzt sie. »Ich muss jetzt los. Du kommst zurecht, oder?«
Das bringt ihn zum Lächeln. »Ja. Und du bist verabredet.« Sein Blick huscht an ihr hinunter. Er weiß, dass er kein Recht hat, sie zu fragen, mit wem sie sich trifft, aber er muss es einfach wissen.
»Mit Mori und Yamato, ja«, antwortet Rem, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
Koheis Lächeln wird breiter. Richtig, Rem hat nie ein Geheimnis aus ihren Plänen gemacht.
Dann huscht ihr Blick zu Marika, die mit gesenktem Kopf neben Kohei steht und er weiß genau, was sie denkt. Sie werden morgen wieder zusammenarbeiten müssen.
Er schließt die Augen. Dann legt er Marika eine Hand auf den Kopf und lächelt Rem an. »Bitte nimm es ihr nicht übel. Sie hat eine kindische Seite und wollte dir wahrscheinlich nur einen Streich spielen, weil du ihr Freundschaftsangebot abgelehnt hast.« Er hat kaum zu Ende gesprochen, als er merkt, wie Marika zusammenzuckt.
Rem runzelt die Stirn und richtet ihren Blick wieder auf Kohei. »Ich erinnere mich an kein Freundschaftsangebot von ihr.«
Kohei blinzelt. »Hat sie dir keins gemacht, als sie dir im Büro erzählt hat, dass sie von uns weiß?«
Rem schnaubt. »Nur wenn ‚Lass die Finger von meinem Kerl‘ bei dir als Freundschaftsangebot durchgeht.«
Kohei sieht sie verdutzt an. Und zum zweiten Mal fühlt er sich wie ein Trottel. Aber bevor ihm etwas dazu einfallen kann, hebt Rem zum Abschied die Hand. »Ich will nicht zu spät kommen. Wir sehen uns Morgen.« Damit dreht sie sich um und geht den Flur hinunter.
Kohei sieht ihr hinterher, bis Marika sich neben ihm bewegt. »Kohei…«, beginnt sie mit weinerlicher Stimme, aber sie bricht ab, als er seine Hand zurückzieht und sich abwendet. »Wir reden drinnen weiter«, sagt er, während er in seine Wohnung geht. »Mach die Tür zu.«
»Kohei!«, ruft Marika ihm hinterher, aber er hört, wie sie die Tür schließt, bevor sie ihm folgt.
Zurück im Esszimmer, sieht Kohei sich nach Marikas Tasche um, bis sie vor ihn tritt.
»Kohei, du bist doch nicht -«
»Mein Schlüssel!«, unterbricht er sie und streckt ihr auffordernd seine Hand entgegen.
Marika, den Mund noch vom Sprechen geöffnet, starrt ihn entgeistert an, als könnte sie nicht glauben, dass es ihm ernst ist. Eine Falte bildet sich über ihrer Nase, als sie die Brauen mitleidig nach oben zieht und sie presst ihre Hände gegen ihre Brust. »Wieso bist du so wütend? Ich wollte doch nichts Böses.«
»Ich will auch nichts Böses. Nur meinen Schlüssel«, erwidert Kohei unbeeindruckt. Es irritiert ihn, dass sie reagiert, als würde ihr Unrecht getan. Als wäre die Situation nicht schon irritierend genug.
Als sie bemerkt, dass er ihr nicht nachgibt, ändert sich ihre Miene etwas. Sie greift seine Hand und macht einen Schritt vor. »Okay, ich gebe es zu. Du bist so abgelenkt, seit ich wieder in Japan bin und schenkst mir kaum Beachtung. Das hat mich eben eifersüchtig gemacht.« Sie sieht ihn mit ihren runden Augen von unten herauf an.
Kohei legt die Stirn in Falten. »Du bist eifersüchtig?«, fragt er überrascht und verwirrt.
Marika senkt den Blick und ihre Wangen färben sich rosa. Aber ein Lächeln umspielt ihre Lippen. »Na ja… ich weiß auch nicht, aber seit ich wieder hier bin...ich meine dich wiederzusehen war…« Sie wirft ihm einen schüchternen Blick zu. »Mir ist klar geworden, dass es mich stört, wenn du...andere Frauen triffst.«
Kohei starrt sie entgeistert an. Da es Marika ist, meint sie es wahrscheinlich nicht so wie es klingt. Sie hatte schon immer einen Hang dazu, sich missverständlich auszudrücken und ihn damit zu verwirren. »Soll das eine Rechtfertigung sein?«, knurrt er und Marika sieht ihn erschrocken an. Mit einem Mal ist der schüchterne Ausdruck von ihrem Gesicht verschwunden. »Kohei…«, setzt sie an, aber Kohei zieht seine Hand aus ihrem Griff. »Du sabotierst meine Beziehung zu Rem und denkst, das wäre in Ordnung, nur weil du dich vernachlässigt fühlst? Du bist kein kleines Kind!«
Sie macht einen Schritt zurück, ohne dabei den Blick von ihm zu nehmen. »Ich wollte doch nur…« stammelt sie mit schwächlicher Stimme, aber Kohei hält ihr mit Nachdruck die Hand hin. »Meinen Schlüssel!«
Marika beißt sich auf die Lippe. »Wieso bist du so wütend?« Diesmal hebt sie die Stimme. »Du hast gesagt, sie bedeutet dir nichts! Dass sie nur ein Flittchen ist, mit dem du dir die Zeit vertreibst!«
Kohei erstarrt. Er braucht einen Moment, bis Marikas Worte völlig bei ihm ankommen, ehe sein Kopf zu Rauschen beginnt. »Was hast du gesagt?« Er macht einen Schritt vor, während er auf Marika hinabsieht, die unter seinem Blick bleich wird.
»Aber du hast gesagt…«, stammelt sie und diesmal klingt es wirklich, als würde sie die Worte kaum über die Lippen bringen.
Kohei schließt die Augen. Er ist wütend, aber es stimmt, dass Rem und er kein Paar sind und dass er Marika gesagt hat, dass er keine ernsten Gefühle für sie hat. »Es ist egal, was ich gesagt habe, spricht nie wieder so von Rem.« Er wendet sich ab. »Es wäre besser, wenn du jetzt gehst«, sagt er, während er sich auf den Weg in sein Schlafzimmer macht. »Und lass meinen Schlüssel hier.«
In seinem Schlafzimmer lässt Kohei sich auf sein Bett fallen und wartet, bis er hört, wie Marika die Wohnung verlässt. Aber auch danach steht er nicht auf. In der Vergangenheit hatte Marika immer Priorität für ihn. Er ist immer vorsichtig gewesen, wenn er mit anderen Frauen zusammen war, damit Marika nicht den falschen Eindruck bekommt. Aber er hatte nie das Gefühl, dass sie sich dafür interessierte. Es war so frustrierend, dass seine Bemühungen, sich für sie aufzusparen, von ihr ignoriert wurden, dass er begann, sich aus Trotz mit anderen Frauen zu treffen. Natürlich hat er es aus Anstand vor ihr geheimgehalten, nur um sich noch mieser zu fühlen.
Marika hat sich nie für ihn interessiert, aber jetzt fühlt sie sich vernachlässigt? Es muss daran liegen, dass Kohei ihr in der Vergangenheit so viel Aufmerksamkeit geschenkt hat, aber er hätte nie gedacht, dass Marika so hinterhältig sein könnte. Sie ist niemand, der das nötig hat. Sie hätte einfach mit ihm reden können.
Kohei seufzt und fährt sich mit der Hand übers Gesicht. Nein, das stimmt nicht. Sie hat mehrere Male mit ihm geredet und er hat sie zurückgewiesen. Weil er versucht, auf Abstand zu gehen, damit er sich weiter mit Rem treffen kann. Und um ihr nicht den falschen Eindruck zu vermitteln.
Er lacht trocken auf. Seine Priorität ist zu Rem gewechselt, auch wenn er kein dummer kleiner Junge mehr ist, der Rem wie ein Idiot hinterherdackelt und das wird er nie.
Seine Hand bleibt über seinen Augen, während sein Lächeln verschwindet. Er muss aufhören, Rem so offensichtlich nachzustellen und stattdessen dafür sorgen, dass sie ihm nachstellt. So gesehen ist Marikas Sabotageversuch gar nicht so schlecht, denn er hat Rem dazu gebracht, zu ihm zu kommen. Und Marika hatte ja nicht wissen können, dass ein so hinterhältiger Plan gegen eine direkte und ehrliche Person wie Rem ineffektiv ist.
Der Gedanke daran amüsiert ihn ein wenig, aber dieses Gefühl wird von der Unzufriedenheit darüber verdeckt, dass ihr Plan vor allem gescheitert ist, weil Rem nicht eifersüchtig gewesen ist.
Er lässt seine Hand sinken und wirft einen Blick zu seinem Handy, das noch immer auf seinem Nachttisch liegt. Am liebsten würde er Rem sofort anrufen, da er sich sowieso bei ihr entschuldigen muss, aber sie ist gerade bei Mori und Yamato. Es scheint, er muss sich in Geduld üben.
Es war Koheis Vorsatz, geduldig zu sein, aber es ist, als hätte Rem ihn gehört und sich selbst den Vorsatz gemacht, es ihm so schwer wie möglich zu machen. Denn in der folgenden Woche schaut sie kaum in seine Richtung. Durch den Vertrag mit Sakitronics müssen sie zwar zusammenarbeiten, aber selbst während ihrer Meetings, scheint sie mit den Gedanken woanders. Es ist anders als zuvor, als sie ihn vorsätzlich auf Abstand gehalten hat. Sie scheint tatsächlich überhaupt nicht an ihn zu denken. Sogar die Monatsendauswertung, bei der sie nach langer Zeit wieder auf dem zweiten Platz liegt, ignoriert sie völlig.
Und dann, am Donnerstag der nächsten Woche, taucht sie nicht zur vereinbarten Zeit in dem Videoraum auf, in dem sie für ein Meeting verabredet waren. Nachdem er fast zehn Minuten auf sie gewartet hat, geht er zurück ins Büro, um Mori zu fragen, ob sie weiß, wo Rem steckt.
»Sie ist zu spät?!« Mori sieht ihn so ungläubig an, als hätte er verkündet, dass Rem ausgewandert sei.
Kohei bemüht sich, sein Lächeln auf dem Gesicht zu behalten. »Ich bin auch überrascht. Aber das heißt wohl, Sie wissen auch nicht, wo sie steckt.«
Mori schüttelt den Kopf. »Sie ist vor gut zwei Stunden gegangen, wegen einem Termin mit Syrene, aber der sollte jetzt vorbei sein.«
Bei diesen Worten versteift Kohei sich unwillkürlich. Wenn sie einen Termin bei Syrene hat, heißt das, dass sie bei Mr. Blake ist. Ein unangenehmes Gefühl steigt in Kohei auf, und etwas in seinem Hinterkopf regt sich, um ihn an ein Detail zu erinnern, über das er Rem versäumt hat aufzuklären
Er macht auf dem Absatz kehrt und geht mit schnellen Schritten Richtung Parkhaus.
Konstruktive Kritik ist immer erwünscht. Schreib mir, was du denkst und hilf mir damit weiter :)
© 2025 Urheberrecht. Alle Rechte vorbehalten.
Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen
Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.